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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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Umgekehrt aber ist die Tatsache, dass der entwickelte <strong>Sozialstaat</strong> in seiner<br />

fortgesetzten sozialpolitischen Intervention auf die Resultate seiner eigenen Aktivitäten<br />

trifft und sich daher zunehmend mit „Problemen zweiter Ordnung“ beschäftigt, kein<br />

Argument gegen <strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>: Es ist dies vielmehr die sozialpolitische Dimension der<br />

unausweichlichen gesellschaftlichen Probleme der „Zweiten Moderne“. Allerdings darf<br />

der <strong>Sozialstaat</strong> in diesem Prozess die Probleme „erster Ordnung“, sprich jene sozialen<br />

Problemlagen, um deren Lösung willen seine Institutionen ursprünglich geschaffen<br />

wur<strong>den</strong>, nicht aus dem Blick verlieren. Der bestehende <strong>Sozialstaat</strong> steht zumindest in<br />

der Gefahr, zum selbstbezüglichen „Sicherungsstaat“ zu mutieren, dessen<br />

Handlungslogik allein noch auf die Reproduktion des eigenen Institutionenensembles<br />

und die Sicherung institutioneller Bestandsinteressen bezogen ist. In Abgrenzung<br />

hiervon wird sich der <strong>Sozialstaat</strong> auf seine ureigene Aufgabe zurückbesinnen müssen:<br />

auf die Problem- und das heißt im Kern die Bedarfsorientierung seiner<br />

Leistungsprogrammatik, also auf die Orientierung an <strong>den</strong> realen sozialen Bedarfen der<br />

Gesellschaft seiner Zeit. Darüber hinaus wird er soweit wie möglich auf die schon heute<br />

sich abzeichnen<strong>den</strong>, zukünftigen gesellschaftlichen Bedürfnisse und neuen sozialen<br />

Risiken zugeschnitten wer<strong>den</strong> müssen.<br />

3.2. Der <strong>Sozialstaat</strong> hat hinreichend komplex zu sein<br />

<strong>Sozialpolitik</strong> ist Gesellschaftspolitik. Sie beeinflusst soziale Lebenslagen,<br />

gesellschaftliche Beziehungsmuster und die soziale Integration einer Gesellschaft auf<br />

vielfältige Art und Weise. Sie bedient sich dabei, in Deutschland ebenso wie anderswo,<br />

unterschiedlichster Instrumente und Mechanismen, sei es der Sozialversicherungs- oder<br />

der Fürsorgepolitik, der Steuer- oder der Bildungspolitik. All diese Elemente<br />

gesellschaftspolitischer Gestaltung müssen auf intelligente Weise in einem<br />

sozialpolitischen Institutionensystem integriert wer<strong>den</strong>, das hinreichend komplex ist, um<br />

<strong>den</strong> nicht minder komplexen sozialen Problem- und Lebenslagen seiner Bürgerinnen<br />

und Bürger gerecht zu wer<strong>den</strong>, das zugleich aber die Spannungsverhältnisse und<br />

Reibungsverluste zwischen seinen einzelnen Elementen möglichst gering hält. Die<br />

gesellschaftspolitischen Implikationen der <strong>Sozialpolitik</strong> machen zum einen ein<br />

erweitertes Verständnis des <strong>Sozialstaat</strong>s erforderlich, das neben <strong>den</strong> Systemen sozialer<br />

Sicherung und Fürsorge auch die Bereiche der Steuer-, Bildungs- oder Kinder- bzw.<br />

Familienpolitik zum Verantwortungsbereich des <strong>Sozialstaat</strong>s zählt und von der <strong>Ein</strong>sicht<br />

geprägt ist, dass all diese Dimensionen des „Sozialen“ gemeinsam konzipiert und<br />

evaluiert wer<strong>den</strong> müssen. In diesem Sinne verbietet es sich von selbst, sozialpolitische<br />

Aufgaben an andere Politikbereiche zu delegieren, ohne dass sie dort auch<br />

übernommen wer<strong>den</strong> (können). Zum anderen aber muss die systemische Komplexität,<br />

die sozialpolitisch überhaupt zu bewältigen ist, hinreichend realistisch bestimmt wer<strong>den</strong>:<br />

Die bestehen<strong>den</strong> Sicherungs- und Fürsorgesysteme (ebenso wie die Institutionen des<br />

„erweiterten <strong>Sozialstaat</strong>s“) sind gesellschaftlich tief verwurzelt und durch demokratische<br />

Verfahrensnormen gesichert und können daher nicht „im Handumdrehen“ umgestaltet<br />

wer<strong>den</strong>.

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