11.05.2014 Aufrufe

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

23<br />

Was aber für die fiskalische Situation des Bundes gilt, stellt sich auf kommunaler Ebene<br />

nicht positiver dar. Die Kommunen sind maßgeblich verantwortlich für die Infrastruktur<br />

von sozialen <strong>Ein</strong>richtungen und Dienstleistungen; sie sind Träger der Sozialhilfe und der<br />

Jugendhilfe, der wichtigsten Instrumente sozialer Fürsorge. Ihr sozialpolitisches<br />

Engagement finanzieren die Kommunen vor allem aus Steuereinnahmen sowie aus<br />

Zuweisungen von Seiten der Länder bzw. des Bundes. Da vor allem durch Steuern und<br />

damit „aus einem Topf“ finanziert, gibt es auf dieser Ebene keine Probleme bei der<br />

Finanzierungsgrundlage einzelner Leistungen. Doch sind die kommunalen Aufgaben der<br />

sozialen Fürsorge insgesamt von der allgemeinen Finanzierungskrise der Städte und<br />

Gemein<strong>den</strong> betroffen – und zugleich eine der Ursachen dieser Krise. Auch die<br />

Haushaltslage der Kommunen wird seit Beginn der 1990er Jahre durch eine<br />

gegenläufige Entwicklung von sinken<strong>den</strong> bzw. stagnieren<strong>den</strong> <strong>Ein</strong>nahmen und<br />

steigen<strong>den</strong> Ausgaben bestimmt.<br />

Für die Ausgabenentwicklung ist wesentlich auch die wachsende Zahl der Empfänger<br />

von Hilfe zum Lebensunterhalt verantwortlich, die sich im Zuge der zunehmen<strong>den</strong><br />

Langzeitarbeitslosigkeit, aber auch aufgrund von Leistungskürzungen und verschärften<br />

Anspruchsvoraussetzungen im Bereich von Arbeitslosengeld und -hilfe ergibt. Da es<br />

sich bei der Sozialhilfe um eine bundesrechtliche Pflichtaufgabe handelt, können die<br />

Gemein<strong>den</strong> diesen Ausgabenanstieg nicht vermei<strong>den</strong> – und versuchen daher im<br />

Bereich ihrer freiwilliger Aufgaben <strong>Ein</strong>sparungen zu erzielen, was die <strong>Ein</strong>schränkung<br />

ihrer sozialen Hilfen und Dienste zur Folge hat.<br />

Trotz massiver Rückbauten bei <strong>den</strong> sozialstaatlichen Leistungen beanspruchen die<br />

Fürsorge- und Sicherungssysteme freilich immer noch <strong>den</strong> größten Anteil der<br />

Staatsausgaben. Es fließt also eine Unmenge Geld über Steuern und Beiträge in die<br />

verschie<strong>den</strong>en Kassen des <strong>Sozialstaat</strong>s. Dass dieser aber trotz seines enormen<br />

Budgets nicht in der Lage ist, die von ihm erwarteten Leistungen zu erbringen und die im<br />

vorherigen Abschnitt angesprochenen Versorgungsdefizite zu beheben, stellt<br />

begründetermaßen eine beständige Quelle gesellschaftlichen Unbehagens dar.<br />

Gemessen an seinem „Output“, seiner „Performanz“, kostet dieser <strong>Sozialstaat</strong> seine<br />

Steuer- und Beitragszahler einfach zu viel Geld. In <strong>den</strong> einschlägigen Debatten wer<strong>den</strong><br />

diesbezüglich häufig individuelle Belastungsgrenzen der Bürgerinnen und Bürger (relativ<br />

zu ihren jeweiligen <strong>Ein</strong>kommen) bzw. gesamtwirtschaftliche Belastungsgrenzen<br />

(gemessen etwa am Bruttoinlandsprodukt) behauptet oder sogar in Prozentzahlen<br />

definiert. Weder die allgemeinen Behauptungen noch gar die willkürlichen Festlegungen<br />

können jedoch überzeugen, da sie konsequent vom Nutzen der von <strong>den</strong> Beitrags- und<br />

Steuerzahlern finanzierten Sicherungs- und Fürsorgesysteme absehen. So wie<br />

Konsumenten die Preise von Waren und Dienstleistungen in Ansehung ihrer<br />

Ausstattung und Qualität und damit in Relation zum erwarteten Nutzen des Produkts<br />

beurteilen, so bewerten vermutlich auch die Finanziers des deutschen <strong>Sozialstaat</strong>s nicht<br />

allein die Höhe ihrer Belastungen, sondern messen die Angemessenheit dieser<br />

Belastungen am „Gebrauchswert“ der Leistungen, die sie im Gegenzug erhalten.<br />

Insofern ist die sozialstaatliche Finanzierungsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger<br />

durchaus „angebotselastisch“.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!