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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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Zweifelhaft sind darüber hinaus auch die einfachen Losungen und Lösungen, mit <strong>den</strong>en<br />

aus Kritikersicht eine Wende im gesamtdeutschen Beschäftigungsdrama herbeizuführen<br />

wäre: <strong>Ein</strong>e sozialpolitische Erlösung der Arbeitgeber von dem Bösen – sprich von<br />

Sozialkosten (sowie von arbeits- und tarifrechtlichen Fesseln) – werde massenhaft<br />

Arbeitsplätze schaffen. Die allzu selten gestellte Frage, was dies für Arbeitsplätze<br />

wären, ist leicht zu beantworten: Es wären zu einem großen Teil jene „bad jobs“, in<br />

welche die – je nach Kritikerperspektive – wahlweise „rationalen“ (Sozial- und<br />

Erwerbseinkommen gegeneinander abwägen<strong>den</strong>) oder „faulen“ (die Sicherungssysteme<br />

missbrauchen<strong>den</strong>) Arbeitslosen mit im Zweifelsfall zwangsbewehrten Maßnahmen einer<br />

„beschäftigungsfreundlichen“ <strong>Sozialpolitik</strong> gelenkt wer<strong>den</strong> sollen. Dass hier gerade auch<br />

von jenen, die ansonsten gerne die Parole vom „Rückzug des Staates“ ausgeben,<br />

weitreichende verhaltenssteuernde <strong>Ein</strong>griffe in die persönlichen Dispositionsspielräume<br />

der Bürgerinnen und Bürger befürwortet wer<strong>den</strong>, ist nur eine der Paradoxien der<br />

gegenwärtigen „Reform“-Debatte. <strong>Ein</strong>e weitere besteht darin, dass die herrschende<br />

<strong>Sozialstaat</strong>skritik das Beschäftigungsproblem auf <strong>den</strong> Kopf stellt, indem sie die „Opfer<br />

des Arbeitsmarktes“ nicht mehr als solche wahrnimmt, sondern sie als Profiteure<br />

überzogener Sicherheitsversprechen, <strong>den</strong>en es de facto „zu gut“ gehe, in die (Selbst-<br />

)Verantwortung für die Sicherung ihrer Beschäftigungsfähigkeit nimmt. <strong>Ein</strong>er<br />

bemerkenswert unkritischen Erwerbsarbeitsorientierung folgend wird auf diese Weise<br />

<strong>den</strong> zunehmend prekärer gewor<strong>den</strong>en und wer<strong>den</strong><strong>den</strong> Erwerbslagen und -biographien<br />

nicht etwa entgegengewirkt, sondern diese wer<strong>den</strong> vielmehr sozialpolitisch<br />

herbeigeführt. Die jüngste Verschärfung des Sicherungsregimes für Langzeitarbeitslose<br />

im Zuge der „Reform“ von Arbeitslosen- und Sozialhilfe („Hartz IV“) mag stellvertretend<br />

hierfür stehen.<br />

Der dritte Baustein gegenwärtiger <strong>Sozialstaat</strong>skritik ist das Nachhaltigkeitsargument: Wir<br />

haben <strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>, so könnte man einen gängigen Topos der „Reform“-Diskussion<br />

umschreiben, nur von unseren Kindern geborgt. Dieses Argument hat zwei<br />

Dimensionen. Zum einen wird behauptet, „wir“, also die Generation der gegenwärtig<br />

Produzieren<strong>den</strong> und (vor allem) Konsumieren<strong>den</strong>, lebten – auf Kosten der<br />

Zukunftschancen nachwachsender Generationen – über unsere Verhältnisse. Dies ist<br />

gewissermaßen bloß die „grüne“ Variante des zuvor diskutierten Kostenarguments. Zum<br />

anderen wird dies aber mit der weitergehen<strong>den</strong> Kritik verknüpft, der „alte“ <strong>Sozialstaat</strong><br />

investiere nicht (oder je<strong>den</strong>falls nicht genug) in eben jene nachwachsen<strong>den</strong><br />

Generationen, sprich in die Nachwuchsproduktion selbst sowie in die<br />

Humankapitalausstattung der Nachgeborenen. Der „neue Wohlfahrtsstaat“ müsse daher<br />

konsequent von der bislang vorherrschen<strong>den</strong> Logik der Konsumption (bzw. Versorgung)<br />

auf eine Logik der Investition (bzw. Vorsorge) umgestellt wer<strong>den</strong>. „Frauen und Kinder<br />

zuerst“ heißt daher die Parole: Sie – und nicht wie bisher Männer und Alte – müssten ins<br />

Zentrum wohlfahrtspolitischer Bemühungen rücken. Das (selbstverständlich: weibliche)<br />

„Vereinbarkeitsproblem“ von Familie und Beruf einerseits, Bildung und Ausbildung –<br />

vom frühesten Kindesalter an – andererseits seien, um in der Terminologie eines<br />

früheren Bundespräsi<strong>den</strong>ten zu sprechen, die sozialpolitischen „Megathemen“ der<br />

Zukunft.

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