PDF herunterladen
PDF herunterladen
PDF herunterladen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
DIE VORBEREITUNG<br />
1955 war beim 20. FIS-Kongress in Montreux die Entscheidung gefallen: Bad Gastein<br />
sollte zum Austragungsort der alpinen Ski-Weltmeisterschaften 1958 werden. Der<br />
Österreichische Skiverband betraute den Skiclub Bad Gastein unter Obmann Dr.<br />
Hubert Salcher mit der Durchführung der Wettkämpfe. Der Skiclub war bemüht, dieses<br />
Großereignis nach dem modernsten Stand der Technik auszurichten. Am Stubnerkogel<br />
wurde ein eigener Fernsehsender von der Österreichische Post- und<br />
Telegraphenverwaltung errichtet, der über Richtfunkstationen die Übertragung der<br />
Bilder ins Eurovisionsnetz ermöglichte und erstmals (!) den Zuschauern daheim an den<br />
Fernsehgeräten eine „Live-Übertragung“ lieferte. Auch das Zielgelände wurde mit<br />
einem eigenen Funkhaus ausgestattet, in dem 14 Studios für die Reporter aus aller<br />
Welt zur Verfügung standen.<br />
Bei einer Pressefahrt am 30./31.10.1957 informierte Prof. Wolfgang Friedl<br />
(Generalsekretär des Organisationskomitees) Journalisten aus aller Welt über diese<br />
modernsten Vorhaben und präsentierte die WM-Strecken am Graukogel sowie die<br />
Ersatzstrecken am Stubnerkogel. Am Graukogel wurden durch das Österreichische<br />
Bundesheer u.a. die Hänge mit Rasenziegel (!) planiert, um die Wettkämpfe auch bei<br />
geringer Schneelage durchführen zu können.
DER ORT<br />
Der weltberühmte Kurort Bad Gastein, der damals mit dem Werbeslogan „Die Quelle<br />
ewiger Jugend“ warb, war sich der einmaligen Chance bewusst, sich mit der<br />
Austragung der alpinen Ski-Weltmeisterschaften auch im Wintersportbereich einen<br />
internationalen Ruf zu erwerben. Bereits 1945 hatte Hotelier Sepp Wührer den 1.<br />
Sessellift auf die Heimalm errichtet und damit begonnen, Bad Gastein - neben der<br />
Kursaison im Sommer - eine zweite Saison im Winter zu ermöglichen, um dem<br />
wachsenden Interesse am Wintersport gerecht zu werden. 1951 erfolgte dann die<br />
Eröffnung der Stubnerkogel-Gondelbahn, die als technische Meisterleistung ihrer Zeit<br />
galt. Der WM-Ort mit seinen rd. 5.000 Gästebetten war somit gut vorbereitet.<br />
Am geschmückten Bahnhof von Bad Gastein, in dem laufend Sonderzüge eintrafen,<br />
herrschte reges Gedränge. Die eigens eingerichteten Parkplätze für rd. 10.000 Autos<br />
waren bald überfüllt und die Polizei hatte von ihren Aussichtsplattformen aus alle<br />
Hände voll zu tun, um den Ansturm von bis zu 60.000 (!) Zuschauern zu bewältigen.<br />
Dank eines eigens eingerichteten Einbahnsystems blieb aber das Verkehrschaos aus.<br />
Einzigartige Schnee- und Eisskulpturen erwarteten die Sportler und Besucher genauso,<br />
wie ein attraktives WM-Rahmenprogramm, Konzerte und Auftritte von Stars wie Bibi<br />
Johns, Lou van Burg, Vico Torriani u.v.m.
DER BERG<br />
Bereits 1948 hatte der Obmann des Skiclub Bad Gastein, Dr. Hubert Salcher die<br />
Trasse der Herren-FIS-Abfahrt am Graukogel ausgearbeitet. Zahlreiche nationale und<br />
internationale Rennen - darunter auch die legendären „Silberkrugrennen“ - waren<br />
seither abgehalten worden. Die Beschreibung der Abfahrtsstrecke der Herren lautete:<br />
„Der Start befindet sich in unmittelbarer Nähe der Bergstation des Graukogelliftes und<br />
des neugebauten Bergrestaurants. Vom Startpunkt weg führt die Piste schräg am Hang<br />
zu einer Bodenkante, die in eine steile Mulde mit gutem, wenig geneigtem Auslauf<br />
führt. Nach zwei großen Richtungsänderungen (erstes Pflichttor) gelangt die<br />
Rennstrecke in Waldgebiet. Für den Besucher interessant sind das Himmelreich, eine<br />
große Schußstrecke mit gutem, flachem Auslauf, der anschließende Gruberschlag, der<br />
Steintobel mit drei Pflichttoren mit der langgezogenen Traverse und einer schwierigen<br />
Schußfahrt hinüber zum Gamsplatzl. Vom Gamsplatzl führt eine Schußfahrt in die<br />
waldfreien Teile des Schachens, welche die Läufer in einem Tempo von nahezu 100<br />
km/h zurücklegen. In einer flachen S-förmigen Kurve (8. und 9. Pflichttor) und<br />
anschließender großer Schußfahrt zur Heimalm wird der Schlußhang auf der<br />
Schmelzwiese erreicht. Die Feinschmecker unter den Zuschauern sind im oberen Teil<br />
im Bereich des Gruberschlages, des Steintobels oder am Gamsplatzl postiert.<br />
Liebhaber des Tempo-Skilaufes werden am Schachen auf ihre Rechnung kommen. …“
DIE ERÖFFNUNG<br />
Am Samstag, 1. Februar 1958 war es dann soweit! Bereits um 11 Uhr Vormittag waren<br />
die Gasteiner Perchten unter Perchtenhauptmann Simon Bassetti durch den Ort<br />
gezogen, um den Einheimischen und den anwesenden Gästen, Sportlern und der<br />
Prominenz ihre Referenz zu erweisen. Dies war eine eigene und besondere<br />
Ehrerbietung, denn der Gasteiner Perchtenlauf findet bis dato nur alle 4 Jahre jeweils<br />
im Jänner statt!<br />
Um 20.30 Uhr fand die offizielle Eröffnung der Weltmeisterschaft mit dem Einzug der<br />
Nationen am Festplatz (Eislaufplatz) statt. Stolzer Fahnenträger des österreichischen<br />
Teams war Toni Sailer (22), der mehrfache Weltmeister von Cortina 1956. Nach der<br />
Begrüßung durch den Vorsitzenden des Organisationskomitees, Bgm. Josef Pfarrmaier<br />
eröffnete Bundesminister für Unterricht Dr. Heinrich Drimmel die Alpine Ski-<br />
Weltmeisterschaft 1958. Ihm folgte die Ansprache des FIS-Präsidenten Marc Hodler<br />
und schließlich der Abmarsch der Nationalmannschaften der 25 teilnehmenden Länder.<br />
Bad Gastein rückte in der kommenden Woche in den Mittelpunkt der internationalen<br />
Sportberichterstattung. Rund 300 akkreditierte Journalisten berichteten in alle Welt.<br />
Jeder hatte eine eigene, versperrbare Box, in der bereits 20 Minuten nach jedem<br />
Bewerb (!) die gedruckten Ergebnislisten zur Veröffentlichung auflagen.
DIE DAMEN<br />
Der Internationale Skiverband hatte sich nach einem Beschluss des FIS-Kongresses<br />
1957 in Dubrovnik bemüht, für die alpine Weltelite - gemäß der internationalen<br />
Wettkampfordnung 1958 - zum Zwecke der Gruppierung bei alpinen Skirennen<br />
Wertungslisten zu erstellen. Diese Wertungslisten berücksichtigten die Ergebnisse der<br />
Olympischen Winterspiele 1956 in Cortina und die Resultate von 21 Skiwettkämpfen im<br />
Winter 1957.<br />
Lt. diesen Gruppierungslisten der FIS galten als Favoritinnen in der Abfahrt: Carla<br />
Marchelli (I), Lucile Wheeler (CAN), Putzi Frandl (A), Frieda Dänzer (D) und Daniéle<br />
Telinge (F). Im Slalom: Renée Colliard (CH), Putzi Frandl (A), Lotte Blattl (A), Inger<br />
Björnbakken (NOR) und Thérese Leduc (F). Im Riesenslalom: Nonie Foley (USA),<br />
Therese Leduc (F), Daniéle Télinge (F), Berit Stuve (NOR) und die gebürtige Bad<br />
Gasteinerin Thea Hochleitner (A).<br />
Zehntausende Zuschauer bildeten eine großartige und begeisterte Kulisse für die<br />
Rennen, die auch manche Überraschung brachten!
DIE HERREN<br />
Kurz-Steckbriefe der aussichtsreichsten Teilnehmer lt. WM-Programmheft von 1958:<br />
Toni Sailer: Kitzbühel, 22, Spengler, zuletzt Filmschauspieler - Dreifacher<br />
Olympiasieger und vierfacher Weltmeister von Cortina<br />
Matthias Leitner: Kitzbühel, 22, Maurer - Streckenrekordhalter am Graukogel<br />
Anderl Molterer: Kitzbühel, 26, Zimmermann - Der Welt schnellster Slalomläufer<br />
Charles Bozon: Chamonix, 25, Koch - Kapitän des französischen Teams<br />
Bruno Albertin: Cortina, 23, Elektriker - Hervorragender Abfahrer<br />
Wallace „Bud" Werner: Steamboats Springs, 22, Soldat - Großartiger Abfahrer<br />
Josl Rieder, Lermoos, 22, Hotelierssohn - Weltbester Kombinierer 1957<br />
Francois Bonlieu: Chamonix, 22, Hotelangestellter - Hervorragender Kombinierer<br />
Egon Zimmermann: Innsbruck, 25, Elektriker - Ungemein verläßlicher Läufer<br />
Ernst Hinterseer: Kitzbühel, 26, Landarbeiter - Überaus verläßlicher Slalomläufer<br />
Chiharu Igaya: Tokio, 25, Student - Einer der Favoriten im Spezialslalom<br />
Beni Obermüller: Rottach-Egern, 27, Verkäufer - Kämpfer auf der Slalompiste
DIE WELTMEISTER 1958<br />
Slalom der Herren<br />
2.2.1958<br />
Abfahrt der Herren<br />
9.2.1958<br />
Slalom der Damen<br />
3.2.1958<br />
Riesenslalom der Damen<br />
8.2.1958<br />
1. Josef Rieder (AUT)<br />
2. Toni Sailer (AUT)<br />
3. Chiharu Igaya (JPN)<br />
4. Buddy Werner (USA)<br />
5. Roger Staub (SUI)<br />
6. Adolf Mathis (SUI)<br />
Riesenslalom der Herren<br />
5.2.1958<br />
1. Toni Sailer (AUT)<br />
2. Josef Rieder (AUT)<br />
3. Francois Bonlieu (FRA)<br />
4. Roger Staub (SUI)<br />
5. Buddy Werner (USA)<br />
6. Andreas Molterer (AUT)<br />
6. Chiharu Igaya (JPN)<br />
1. Toni Sailer (AUT)<br />
2. Roger Staub (SUI)<br />
3. Jean Vuarnet (FRA)<br />
4. Willi Forrer (SUI)<br />
5. Andreas Molterer (AUT)<br />
6. Adrien Duvillard (FRA)<br />
6. Ludwig Leitner (AUT)<br />
Kombination der Herren<br />
1. Toni Sailer (AUT)<br />
2. Josef Rieder (AUT)<br />
3. Roger Staub (SUI)<br />
4. Chiharu Igaya (JPN)<br />
5. Andreas Molterer (AUT)<br />
6. Roland Bläsi (SUI)<br />
1. Inger Björnbakken (NOR)<br />
2. Josefine Frandl (AUT)<br />
3. Annemarie Waser (SUI)<br />
4. Astrid Sandvik (NOR)<br />
5. Suzanne Thiolliere (FRA)<br />
6. Hilde Hofherr (AUT)<br />
Abfahrt der Damen<br />
6.2.1958<br />
1. Lucille Wheeler (CAN)<br />
2. Frieda Dänzer (SUI)<br />
3. Carla Marchelli (ITA)<br />
4. Pia Riva (ITA)<br />
5. Josefine Frandl (AUT)<br />
6. Astrid Sandvik (NOR)<br />
1. Lucille Wheeler (CAN)<br />
2. Sally Deaver (USA)<br />
3. Frieda Dänzer (SUI)<br />
4. Annemarie Waser (SUI)<br />
5. Daniele Telinge (FRA)<br />
6. Berit Stuve (NOR)<br />
Kombination der Damen<br />
1. Frieda Dänzer (SUI)<br />
2. Lucille Wheeler (CAN)<br />
3. Josefine Frandl (AUT)<br />
4. Berit Stuve (NOR)<br />
5. Daniele Telinge (FRA)<br />
6. Anne Heggveit (CAN)
DIE SCHNAPPSCHÜSSE<br />
Während der WM vom 2.-9. Februar 1958 traf sich in Bad Gastein nicht nur die<br />
Weltelite des alpinen Skisports, sondern auch viel Prominenz aus Wirtschaft, Kultur,<br />
Politik und Gesellschaft. Die zahlreichen Journalisten berichteten aber nicht nur über<br />
die Skistars und die Ergebnisse bei den Rennen. So standen z.B. ausführliche<br />
Reportagen über das deutsche Damenteam (im Bild vor einem Zeitungskiosk), ein<br />
Einkaufsbummel von Anderl Molterer und Toni Sailer sowie Berichte über die neuesten<br />
Modetrends für die internationalen Modemagazine im Zentrum des medialen<br />
Interesses. Besonders im Zielgelände herrschte reges Gedränge. Mussten doch alle<br />
Sieger die einzelnen Pressekabinen durchlaufen, um den Zuschauern und Zuhörern<br />
ihre Eindrücke vom Rennen zu schildern. Und die Kameras des Österreichischen<br />
Rundfunks unter Pressechef Kurt Bernegger sendeten live in alle Welt!<br />
Der österreichische Bundespräsident Dr. Adolf Schärf, Landeshauptmann Dr. Josef<br />
Klaus und FIS-Präsident Marc Hodler waren dann am 9.2.1958 um 20.00 Uhr bei den<br />
Siegerehrungen anwesend. Damit endete eine erfolgreiche und spannende WM-<br />
Woche. Und für Gastein begannen erfolgreiche Jahrzehnte im Wintersport …
TEXT:<br />
© by Franz Hochwarter, Verlag; St.Johann, 2008<br />
HONORARFREI BEI QUELLENANGABE!<br />
NÄHERE INFORMATIONEN:<br />
verlag franz hochwarter<br />
a - 5600 st.johann, zaglau 8a<br />
tel.: +43/(0)6412/20407<br />
fax: +43/(0)6412/20407-15<br />
mobil: +43/(0)699/81580771<br />
internet: www.hochwarter.at<br />
e-mail: verlag@hochwarter.at