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Skript – <strong>R1303</strong> DVO Spezialkurs – 08.06.2013 – Köln<br />

Histopathologie der <strong>Knochentumoren</strong>, Zysten und tumorähnlichen<br />

Läsionen - Lektionen 1, 5, 9, 13<br />

Prof. Dr. med. Gernot Jundt, Basel<br />

Die mikroskopische Diagnostik primärer <strong>Knochentumoren</strong> an Hand von Biopsien stellt den<br />

wichtigsten Mosaikstein in der klinischen Diagnostik dar. Nur in seltenen Fällen bei sehr<br />

charakteristischen radiologischen Befunden kann auf die Biopsie verzichtet werden<br />

(charakteristische Enchondrome, fibröse metaphysäre Defekte, fibröse Dysplasie, Osteoidosteom).<br />

In der Regel ist eine bioptische Sicherung des durch den klinischen Befund und die radiologischen<br />

Untersuchungsergebnisse eingeengten differentialdiagnostischen Spektrums notwendig.<br />

Da die Histologie aber auch bei einigen <strong>Knochentumoren</strong> (Chondrome, riesenzellhaltige<br />

<strong>Knochentumoren</strong>) und pseudozystischen Knochenläsionen (solitäre Knochenzyste, aneurysmatische<br />

Knochenzyste, telangiektatisches Osteosarkom) ohne Kenntnis der Größe des Prozesses, seines<br />

klinischen Verhaltens und auch des benignen oder aggressiven Aspektes der Radiologie nicht sicher<br />

einzuordnen ist, kann idealerweise eine diagnostische Sicherung nur im Verbund von<br />

histologischem und radiologischem Befund erfolgen. Die Experten wissen um diese Schwierigkeiten<br />

und haben sich daher in einer Vereinigung zusammengefunden (Arbeitsgemeinschaft<br />

<strong>Knochentumoren</strong> e. V.), die sich in interdisziplinären Zentren organisiert, in denen jeweils<br />

Orthopäden, Radiologen und Pathologen sowie auch weitere assoziierte Disziplinen (Onkologen,<br />

Radioonkologen, Nuklearmediziner) zusammenarbeiten. Bei schwierigen oder fraglichen Fällen<br />

sollten diese interdisziplinären Zentren, die über die Website der AG-<strong>Knochentumoren</strong> e. V.<br />

(www.AGKT.org) zu erfahren sind, angefragt werden. Zur Einschätzung des Schwierigkeitsgrades<br />

bei einem individuellen Patienten sind aber Basiskenntnisse erforderlich, die im Rahmen dieses<br />

DVO-Kurses vermittelt werden sollen.<br />

Die Diagnostik der <strong>Knochentumoren</strong> ist international durch einen Konsensus der WHO<br />

vereinheitlicht und in entsprechenden Publikationen publiziert worden (C.D.M. Fletcher, J.M.Bridge,<br />

P.C.W. Hogendoorn, F. Mertens: WHO Classification of Tumours of Soft Tissue and Bone; IARC<br />

Press, Lyon 2013).<br />

Generell werden <strong>Knochentumoren</strong> nach ihrem biologischen Verhalten unterteilt. Die alte Einteilung<br />

in gut- und bösartige Tumoren musste aufgrund der wachsenden Erfahrung und neuerer<br />

Erkenntnisse modifiziert und um die Kategorien „intermediär (lokal aggressiv)“ und<br />

„intermediär (sehr selten metastasierend)“ ergänzt werden.<br />

Die Systematik der Tumorklassifikation – ergänzt durch genetische, radiologische und klinische<br />

Daten - orientiert sich am histologischen Befund und ist vom Grundsatz her sehr einfach zu<br />

verstehen, da die geweblichen Eigenschaften der <strong>Knochentumoren</strong> als Basis für ihre Bezeichnung<br />

herangezogen werden, die entweder dem (vermuteten) Ausgangsgewebe - wie Knorpel-, Knochen-<br />

, Bindegewebe - entsprechen bzw. bestimmte Differenzierungsrichtungen nachahmen.<br />

Bei den Knochen- bzw. Osteoid-produzierenden Tumoren werden drei gutartige Typen<br />

unterschieden, die als Osteom (oft auch als Fehlbildung/Hamartom angesehen), Osteoidosteom<br />

und Osteoblastom bezeichnet werden. Das Osteoidosteom stellt gewissermaßen eine<br />

Besonderheit dar, da es sich über seine Größe definiert (unter 2 cm) und sich ansonsten<br />

histologisch kaum vom über 2 cm grossen Osteoblastom unterscheidet. Letzteres besitzt jedoch<br />

eine stärkere Wachstumstendenz und wird deshalb von der WHO zu den intermediären, lokal<br />

aggressiven Tumoren gerechnet. Der maligne Gegenspieler der drei gutartigen knochenbildenden<br />

Tumoren ist das in der Regel hochmaligne Osteosarkom, das gleichzeitig auch der häufigste<br />

primäre maligne Knochentumor des Skelettes überhaupt ist. Hier können neben histologischen<br />

Varianten noch mehrere Untergruppen unterschieden werden (sehr seltene niedrig maligne vs.<br />

wesentlich häufigerere hochmalige Sarkome; intramedulläre vs. Oberflächensarkome), die zum Teil<br />

unterschiedliche Behandlungsstrategien erfordern. Generell manifestiert sich das Osteosarkom<br />

nahe der Wachstumszonen der langen Röhrenknochen als Hauptlokalisation (60% um das Knie),<br />

kann aber auch seltener in vielen anderen Regionen des Skelettes auftreten. Die früher äußerst<br />

schlechte Prognose, die selbst nach einer Amputation mit einer Überlebensrate von unter 20 %<br />

verbunden war, hat sich durch moderne neoadjuvante und adjuvante Chemotherapie-Konzepte, die<br />

über sehr stringente Therapiestudien erarbeitet wurde (COSS: Cooperative Osteosarkomstudie,<br />

EURAMOS: Europäisch-Amerikanische Osteosarkomstudie) nahezu reziprok entwickelt, so dass<br />

mittlerweile über 70% der betroffenen Patienten mit gutem Therapieansprechen geheilt werden<br />

können. Eine Amputation des betroffenen Extremitätenabschnittes ist heutzutage nur noch selten<br />

erforderlich.<br />

Kompetenz /\ Wissen /\ Netzwerke Seite 1 von 19


Skript – <strong>R1303</strong> DVO Spezialkurs – 08.06.2013 – Köln<br />

Analog zu den knochenbildenden Tumoren ist auch die Einteilung der chondroide Matrix<br />

produzierenden Tumoren zu verstehen: Die gutartigen Tumoren werden als Chondrom und<br />

Osteochondrom bezeichnet, während Chondromyxoidfibrome in die Gruppe der intermediären,<br />

lokal aggressiven Tumoren und Chondroblastome sogar in die Gruppe der intermediären, selten<br />

metastasierenden Tumoren eingeordnet werden. Die beiden letztgenannten Läsionen sind aber im<br />

Vergleich zu den erstgenannten Tumoren sehr viel seltener. Chondrome kommen auch bei zwei<br />

besonderen syndromalen Krankheitsbildern, dem Morbus Ollier (multiple Chondrome,<br />

Enchondromatose) und dem Morbus Maffucci (Enchondromatose in Kombination mit<br />

Hämangiomen) vor. Bei der Enchondromatose Ollier treten die Tumoren als multiple intramedulläre<br />

Proliferate mit Tendenz zum unilateralen Befall des appendikulären Skelettes, metaphysärer<br />

Orientierung und expansivem Wachstum auf. Es besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung<br />

von (sekundären) Chondrosarkomen auch im jüngeren Lebensalter. Chondrosarkome kommen<br />

ansonsten sporadisch (spontan) fast ausschließlich im Erwachsenenalter vor, während die<br />

gutartigen und intermediären Knorpeltumoren auch im Kindesalter auftreten können. Das<br />

Chondrosarkom hat von vornherein eine günstigere Prognose als das Osteosarkom, ist allerdings<br />

chemotherapeutisch kaum zugänglich und muss durch eine dem Malignitätsgrad angepasste<br />

Tumorchirurgie behandelt werden. Weil das Chondrosarkom Grad I praktisch nicht metastasiert,<br />

wird es heute auch als atypischer kartilaginärer Tumor bezeichnet und von der WHO zu den<br />

intermediären, lokal aggressiven Tumoren gerechnet. Zumeist erst nach mehren Rezidiven kann<br />

sich jedoch eine Progression zu einem höheren Malignitätsgrad mit Metastasierungfähigkeit<br />

entwickeln. Da das Chondrosarkom ein Tumor des höheren Erwachsenenalters ist, kommt es bei<br />

ausgedehnteren Tumoren auch häufiger zu Spontanfrakturen, die als pathologische Frakturen von<br />

anderen Ursachen (Osteoporose, Osteomyelitis, Knocheninfarkten, Knochenmetastasen)<br />

abgegrenzt werden müssen.<br />

Der Tumor, der aus der eingängigen Klassifikation etwas heraus fällt, ist das Ewing Sarkom, das<br />

nach dem Erstbeschreiber James Ewing (Pathologe in den USA) benannt wurde. Es handelt sich um<br />

einen sog. klein-, blau- und rundzelligen Tumor, dessen Zellen nur wenig Zytoplasma aufweisen<br />

und dadurch nahezu ausschließlich aus Kernen zu bestehen scheinen. Aufgrund ihres dicht<br />

gepackten Chromatins reagieren sie stark mit dem basophilen (= blauen) Hämatoxylin und<br />

erinnern histologisch entfernt an kleinzellige Bronchialkarzinome. Die Ausgangszelle von Ewing<br />

Sarkomen ist unbekannt. Man nimmt aber an, dass es sich undifferenzierte Stammzellen handelt,<br />

die z. T. auch einen neuroendokrinen Charakter aufweisen können. Wenn dies der Fall ist, werden<br />

die Tumoren auch als PNET (primitive neuroektodermale Tumoren) bezeichnet. Es handelt sich<br />

insgesamt um Tumoren, die vorwiegend im Kindesalter und jugendlichen Erwachsenenalter<br />

auftreten. Sie verhalten sich hochmaligne. Trotz der durch Therapiestudien (CESS: Cooperative<br />

Ewingsarkomstudie) entwickelten multimodalen Konzepte ist die Überlebens-wahrscheinlichkeit<br />

eingeschränkter (60 %) als bei Osteosarkomen. Die Tumoren sind durch charakteristische<br />

molekulare Translokationsmuster [meist unter Beteiligung von Chr 11 und Chr 22:<br />

t(11:22)(q24;q12)] mit Entstehung eines Fusionsgens gekennzeichnet, das für ein<br />

charakteristisches Onkoprotein (EWSR1-FLI1) kodiert.<br />

Eine weitere große Gruppe von benignen und malignen Tumoren enthält Entitäten, die nicht immer<br />

ganz klar und logisch einem Ausgangsgewebe zugeordnet werden können.<br />

Hierzu gehören die Riesenzelltumoren. Die Bezeichnung leitet sich von dem Hauptbestandteil des<br />

Gewebes, den vielkernigen Riesenzellen ab (meist über 20 Kerne/Schnittebene). Da diese eine<br />

gewisse Ähnlichkeit zu Osteoklasten aufweisen, die ja auch als vielkernige Riesenzellen aufzufassen<br />

sind, wurde der Tumor früher auch Osteoklastom genannt. Dies hat man inzwischen wieder<br />

verlassen, da erkannt wurde, dass die Riesenzellen wahrscheinlich nur ein Epiphänomen darstellen;<br />

die eigentliche neoplastische Zelle, eine mesenchymale Stromazelle, möglicherweise ein<br />

Osteoblastenvorläufer, gibt Faktoren ab (RANKL), die Monozyten rekrutieren und zur Zellfusion<br />

anregen, so dass Riesenzellen entstehen. Riesenzelltumoren sind dadurch charakterisiert, dass sie<br />

im jugendlichen Erwachsenenalter (gelegentlich auch bei älteren Erwachsenen) auftreten. Sie sind<br />

vorwiegend in den langen Röhrenknochen, meistens epimetaphysär, lokalisiert und wachsen lokal<br />

invasiv und destruierend, metastasieren aber nicht (oder nur ganz selten). Sie werden daher zu der<br />

Gruppe der intermediären, selten metastasierenden Tumoren gerechnet. Eine solche<br />

„Metastasierung“ beruht offenbar auf die Fähigkeit der Tumorzellen, in Gefässe einzuwachsen<br />

(histologisch in etwa 30% der Fälle in der Tumorperipherie nachweisbar) und dann in seltenen<br />

Fällen (


Skript – <strong>R1303</strong> DVO Spezialkurs – 08.06.2013 – Köln<br />

Quo ad vitam ist ihr Verlauf gutartig. Nach einfacher Curettage besteht aber eine erhöhte<br />

Rezidivneigung. In seltenen Fällen und meist erst nach mehreren Rezidiven kann es aber zu einer<br />

Dedifferenzierung mit Übergang in hochmaligne undifferenzierte Sarkome oder Osteosarkome<br />

kommen.<br />

Gutartige Entitäten mit weitaus geringerem Aggressivitätsgrad, die aber durchaus Anlass zu<br />

Verwechslung mit Riesenzelltumoren bilden können, sind die früher sog. Riesenzellgranulome, die<br />

heute als Riesenzellläsionen bezeichnet werden, da sie keine eigentlichen Granulome bilden und<br />

die sowohl in den Kieferknochen (zentrale Riesenzellläsionen/-granulome), als auch im peripheren<br />

Skelett, meist in den kleinen Röhrenknochen, vorkommen. Des Weiteren sind die nichtossifizierenden<br />

Fibrome oder fibröse metaphysären Defekte zu nennen, die ebenfalls einen<br />

hohen Riesenzellanteil aufweisen. Sie haben ein so charakteristisches röntgenologisches Bild (lange<br />

Röhrenknochen, Nähe der Wachstumsfugen im Bereich der Corticalis übergreifend auf den<br />

Markraum, sklerosierender Randsaum), dass sie auch nur radiologisch beobachtet werden können<br />

und nicht unbedingt operativ abgeklärt werden müssen.<br />

Eine gewisse Nähe zu den riesenzellhaltigen <strong>Knochentumoren</strong> haben die sog. pseudozystischen<br />

(pseudozystisch deshalb, weil keine Epithelauskleidung der Hohlräume vorliegt) Knochenläsionen,<br />

unter denen zwei als besonders wichtige Entitäten genannt werden müssen:<br />

Es handelt sich um die solitäre (simple/einfache) Knochenzyste und um die<br />

aneurysmatische Knochenzyste. Beide Pseudozystenformen treten vorwiegend im jugendlichem<br />

Alter oder bei jungen Erwachsenen (gelegentlich auch im Kindesalter) auf. Sie können die Knochen<br />

enorm auftreiben, die Kortikalis ausdünnen und dann zu Spontanfrakturen Anlass geben. Die<br />

aneurysmatische Knochenzyste (AKZ) besteht im Vergleich zu der mit seröser Flüssigkeit gefüllten<br />

solitären Knochenzyste aus blutgefüllten Hohlräumen, die von Septen durchzogen werden, welche<br />

auch osteoklastäre Riesenzellen enthalten. Bei der histologischen Abklärung dieser Pseudozysten<br />

durch Biopsien ist es besonders wichtig, dass dem diagnostisch tätigen Pathologen auch der<br />

radiologische Befund vorliegt, da sonst die Gewebeproben unter Umständen nicht sicher<br />

eingeordnet werden können. Heutzutage wird die AKZ als Tumor angesehen, der in 70% der Fälle<br />

durch eine spezifische Translokation charakterisiert ist, an der meist das USP6/Tre2 Gen auf<br />

Chromosom 17p13 beteiligt ist. Die eigentliche Tumorzelle ist eine Spindelzelle, die bisher von<br />

normalen (Myo-) Fibroblasten nicht unterschieden werden kann. Auch die AKZ wird zu den<br />

intermediären, lokal aggressiven Tumoren gerechnet. Selten können auch einmal sog. solide<br />

aneurysmatische Knochenzysten auftreten, die die Hohlräume weitgehend vermissen lassen, aber<br />

die typische Translokation aufweisen. Die Differentialdiagnose der pseudoystischen<br />

Knochenläsionen ist relativ breit und umfasst neben sog. sekundären aneurysmatischen<br />

Knochenzysten, die bei vielen <strong>Knochentumoren</strong> als Epiphänomen beobachtet werden können und<br />

keine Translokation zeigen, auch das in der Regel hochmaligne teleangiektatische Osteosarkom.<br />

Eine Sonderstellung unter den gutartigen Knochenläsionen nimmt die fibröse Dysplasie ein. Sie<br />

wurde als eine hamartomatöse Fehlbildung (Entwicklungsstörung mit örtlicher Überschussbildung)<br />

angesehen, die aus einem unreifen Faserknochen besteht, der in ein fibröses Gewebe eingebettet<br />

ist. Die fibröse Dysplasie kann monostotisch oder polyostotisch auftreten und bleibt oft unentdeckt,<br />

so dass sie auch im Erwachsenenalter in der Differentialdiagnose aufgetriebener oder deformierter<br />

Knochen (wie Metastasen, die Osteomyelitis oder einem M. Paget) bedacht werden muss. Die im<br />

Kindesalter auftretende polyostotische Form kann im Rahmen eines Syndroms mit café au lait-<br />

Flecken der Haut und Endokrinopathien (pubertas praecox) auftreten und wird dann als McCune-<br />

Albright-Syndrom bezeichnet. Die fibröse Dysplasie ist gekennzeichnet durch eine postzygotische<br />

Mutation (mit Mosaikbildung) im GNAS1-Gen, das seinerseits für ein membranständiges<br />

Signalprotein codiert (GS-alpha). Letzteres kann über eine Stimulation der Adenylzyklase zu einer<br />

Aktivierung proliferationsfördernder Gene von osteoblastären Zellen führt, deren Differenzierung<br />

gleichzeitig reprimiert wird. Es handelt sich um eine absolut gutartige Läsion, die aber letztlich bei<br />

polyostotischer Manifestation oder starker Auftreibung des betroffenen Knochens nicht immer<br />

befriedigend oder vor allem nicht kurativ behandelt werden kann. Oft muss eine modellierende<br />

oder stabilisierende chirurgische Maßnahme in Betracht gezogen werden. Die Proliferationsaktivität<br />

lässt mit zunehmenden Lebensalter in der Regel nach. Auch im höheren Erwachsenenalter kann die<br />

fibröse Dysplasie manifest werden oder eine differentialdiagnostische Rolle spielen.<br />

Kompetenz /\ Wissen /\ Netzwerke Seite 3 von 19


Skript – <strong>R1303</strong> DVO Spezialkurs – 08.06.2013 – Köln<br />

Grundprinzipien der radiologischen Diagnostik von <strong>Knochentumoren</strong><br />

Lektionen 2, 6, 10 und 14<br />

Professor Dr. med. Klaus Wörtler, München<br />

Für die Differentialdiagnose einer fokalen Knochenläsion spielen neben der klinischen Symptomatik,<br />

der Anamnese und dem Alter des Patienten vor allem die Lokalisation des Prozesses und die<br />

radiologische Morphologie eine große Rolle. Wichtigstes bildgebendes Verfahren, insbesondere am<br />

peripheren Skelett, bleibt das konventionelle Röntgenbild in zwei Ebenen. Computertomografie<br />

(CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) stellen ergänzende Methoden dar, die gezielt zur<br />

Beantwortung spezieller Fragestellungen eingesetzt werden sollten. Ist radiologisch die spezifische<br />

Diagnose einer benignen Entität (z. B. nicht-ossifizierendes Knochenfibrom) nicht möglich, muss<br />

grundsätzlich eine Biopsie der Läsion erfolgen. Eine tendenzielle Einschätzung („eher benigne“)<br />

reicht nicht aus und rechtfertigt in der Regel auch keine Verlaufsbeobachtung. Nach erfolgter<br />

Biopsie ist eine gemeinsame Beurteilung der histopathologischen und radiologischen Befunde<br />

obligat.<br />

Lokalisation<br />

Ihre Lokalisation innerhalb des Skelettsystems engt die Differentialdiagnose einer Knochenläsion<br />

ein, da verschiedene Tumorentitäten bevorzugt in speziellen Skelettabschnitten auftreten. Die<br />

relative Häufigkeit des Befalls verschiedener Skelettelemente durch bestimmte Tumorentitäten ist<br />

großen Untersuchungs-serien zu entnehmen. Die Lage innerhalb des betroffenen Knochens muss in<br />

der longitudinalen (Epiphyse, Metaphyse, Diaphyse) und in der transversalen Ebene (medullär,<br />

kortikal, periostal, paraossal) analysiert werden, da sich auch diesbezüglich typische<br />

Lokalisationsmuster ergeben können. Für Tumoren in der Wirbelsäule ist die Unterscheidung<br />

zwischen einer Lokalisation im Wirbelkörper (häufiger maligne Tumoren) oder innerhalb der<br />

posterioren Wirbelelemente (häufiger benigne Tumoren) differentialdiagnostisch relevant.<br />

Destruktionsmuster<br />

Das im konventionellen Röntgenbild erkennbare Muster der Knochendestruktion lässt Rückschlüsse<br />

auf die Wachstumsgeschwindigkeit eines Knochentumors zu. Grundsätzlich unterscheidet man drei<br />

verschiedene Muster:<br />

- Geographische Destruktion: Bei diesem Muster findet sich eine zusammenhängende Osteolyse,<br />

die klar vom gesunden Knochen abgegrenzt werden kann. Der Übergangsbereich zwischen der<br />

Läsion und dem gesunden Knochengewebe kann aber mehr oder weniger breit und scharf oder<br />

unscharf berandet sein.<br />

- Mottenfraßähnliche Destruktion: Dieses Muster kann sowohl in spongiösem als auch in<br />

kompaktem Knochen auftreten. Man sieht multiple, unterschiedlich großen Osteolysen, die<br />

konfluieren können und sich eher separat als von einer zentralen Läsion ausgehend entwickeln.<br />

- Permeative Destruktion: Dieser Typ der Knochendestruktion tritt ausschließlich in kompaktem<br />

Knochen auf und ist nicht selten schwer erkennbar. Man findet multiple kleine, ovaläre oder<br />

streifige Osteolysen, die durch einen Knochen-abbbau vom Inneren der Kortikalis (Havers-<br />

System) entstehen.<br />

Kompetenz /\ Wissen /\ Netzwerke Seite 4 von 19


Skript – <strong>R1303</strong> DVO Spezialkurs – 08.06.2013 – Köln<br />

Röntgen-<br />

Muster<br />

Destruktions-<br />

Typ<br />

Begrenzung<br />

Penetration<br />

der Kortikalis<br />

IA IB IC II III<br />

immer<br />

geographisch<br />

1.regelmäßig<br />

oder<br />

2. lobuliert<br />

oder<br />

3. multizentrisch,<br />

aber<br />

immer scharf<br />

nicht<br />

oder<br />

partiell<br />

immer<br />

geographisch<br />

1. regelmäßig<br />

oder<br />

2. lobuliert<br />

oder<br />

3. multizentrisch<br />

oder<br />

4. unregelmäßig/unscharf<br />

nicht<br />

oder<br />

partiell<br />

immer<br />

geographisch<br />

immer<br />

geographisch,<br />

kombiniert mit<br />

mottenfraßartiger<br />

und/oder<br />

permeativer<br />

Destruktion<br />

1.regelmäßig<br />

oder<br />

2. lobuliert<br />

oder<br />

3. multizentrisch<br />

oder<br />

4. unregelmäßig/unscharf,<br />

aber<br />

nicht<br />

mottenfraßartig<br />

immer<br />

vollständige<br />

Penetration<br />

Definitionsgemäss<br />

total<br />

Sklerosesaum immer möglich möglich möglich, aber<br />

ungewöhnlich<br />

Expansion der<br />

möglich möglich, aber<br />

Kortikalis<br />

ungewöhnlich<br />

(Neokortikalis)<br />

möglich,<br />

aber nur<br />

1 cm oder<br />

weniger<br />

größer 1 cm<br />

bei<br />

vorhandenem<br />

Sklerosesaum<br />

mottenfraßartig<br />

und/oder<br />

permeativ ohne<br />

geographische<br />

Komponente<br />

Definitionsgemäss<br />

total<br />

möglich, aber<br />

ungewöhnlich<br />

möglich, aber<br />

ungewöhnlich<br />

Algorithmus der Wachstumsgeschwindigkeit von <strong>Knochentumoren</strong> (nach Lodwick, 1980)<br />

Basierend auf diesen drei Grundtypen der Knochendestruktion wurde von Lodwick (s. Tabelle) ein<br />

System zur Graduierung der Wachstumsgeschwindigkeit osteolytischer <strong>Knochentumoren</strong><br />

entwickelt.<br />

Die Lodwick-Klassifikation berücksichtigt neben dem Destruktionstyp auch die<br />

Röntgenmorphologie der Transitionszone und die Integrität der an den Tumor grenzenden<br />

Kortikalis. Die biologische Aktivität einer Knochenläsion nimmt in diesem Klassifikationssystem mit<br />

dem jeweiligen Grad von I bis III zu. Es besteht aber keine grundsätzliche Korrelation zwischen der<br />

Wachstumsrate einer Knochenläsion und ihrer Dignität. Das Röntgenmuster Lodwick IC beobachtet<br />

man beispielsweise gleichermaßen häufig bei benignen und malignen Tumoren.<br />

Periostreaktionen<br />

Das Mineralisationsmuster von Periostreaktionen spiegelt die Agressivität und Chronizität der<br />

zugrundeliegenden Veränderung wider, stellt also bei <strong>Knochentumoren</strong> ein weiteres Maß für deren<br />

biologische Aktivität dar. Man unterscheidet auf Röntgenaufnahmen drei Grundtypen von<br />

Periostreaktionen:<br />

- Kontinuierliche Periostreaktionen: Bei diesem Reaktionstyp ist die periostale Knochenapposition<br />

über eine mehr oder weniger lange Strecke ohne Unterbrechung vom proximalen zum distalen<br />

Kortikalisübergang nachweisbar. Die Kortikalis selbst kann unter der Reaktion destruiert oder<br />

zumindest scheinbar erhalten sein. Als Periostschalen werden kontinuierliche Periostreaktionen<br />

bezeichnet, die durch periostale Knochenneubildung (Neokortikalis) in Antwort auf einen Abbau<br />

der originären Kortikalis von innen entstehen. Diese Form der Periostreaktion tritt fast<br />

ausschließlich bei <strong>Knochentumoren</strong> auf. Kontinuierliche Periostrekationen mit erhaltener<br />

Kortikalis können Röntgensymptom vieler verschiedener systemischer und fokaler<br />

Knochenerkrankungen sein. Während der solide Typ und die einzelne Periostlamelle bei<br />

<strong>Knochentumoren</strong> eher für eine gutartige Läsion sprechen, kommen der lamelläre und der<br />

spikuläre Typ dieser Reaktion auch bei Malignomen vor.<br />

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- Unterbrochene Periostreaktionen: Bei unterbrochenen Periostreaktionen besteht eine partielle<br />

Diskontinuität der röntgenologisch erkennbaren periostalen Mineralisation, welche zumeist in der<br />

Mitte der Reaktion gelegen ist. Man findet diesen Reaktionstyp fast immer bei aggressiven<br />

Knochenprozessen.<br />

- Komplexe Periostreaktionen: Übergänge und Kombinationen unterschiedlicher Typen von<br />

Periostreaktionen werden radiologisch als komplexe Reaktionsmuster bezeichnet. Derartige<br />

Befunde sprechen bis zum Beweis des Gegenteils für einen malignen Prozess. Bei primären<br />

Knochensarkomen sind diese Reaktionen fast immer diskontinuierlich<br />

Matrixverkalkungen<br />

Chondrogene und osteogene Tumoren produzieren eine als Matrix bezeichnete<br />

Interzellularsubstanz, die durch Mineralisation im Röntgenbild sichtbar werden kann. Die<br />

Morphologie dieser Verkalkungen bzw. Verknöcherungen erlaubt Rückschlüsse auf die<br />

Zusammensetzung der produzierten Matrix und somit auf die Tumorentität.<br />

Mineralisiertes Tumor-Osteoid kann sich im Röntgenbild als scharf oder unscharf berandete,<br />

manchmal auch elfenbeinartige Dicheerhöhung darstellen. Bei Mineralisation einer kartilaginären<br />

Matrix sieht man auf Röntgenaufnahmen punktförmige Verkalkungen oder ring- und bogenförmige<br />

(periphere) Ossifikationen. Matrixverkalkungen und -verköcherungen sicher einzuordnen bzw. von<br />

reaktiven oder regressiven Mineralisationen zu unterscheiden, ist aber mitunter sehr schwierig.<br />

Literatur<br />

1. Freyschmidt J, Ostertag H, Jundt G. <strong>Knochentumoren</strong>. 3. Auflage. Springer 2010, Heidelberg<br />

2. Resnick D. Tumors and tumor-like lesions of bone: radiographic principles. In: Resnick D (ed)<br />

Diagnosis of bone and joint disorders. Saunders, 1995<br />

3. Lodwick GS, Wilson AJ, Farrell C, Virtama P, Dittrich F. Determining growth rates of focal<br />

lesions of bone from radiographs. Radiology 1980; 134:585-590<br />

4. Ragsdale BD, Madewell JE, Sweet DE. Radiologic and pathologic analysis of solitary bone<br />

lesions. Part II: Periosteal reactions. Radiol Clin North Am 1981; 19: 749-783<br />

5. Sweet DD, Madewell JE, Ragsdale BD. Radiologic and pathologic analysis of solitary bone<br />

lesions. Part III: matrix patterns. Radiol Clin North Am 1981; 19:785-814<br />

6. Wörtler K. Benign bone tumors and tumor-like lesions: value of cross-sectional imaging. Eur<br />

Radiol 2003; 13:1820-1835<br />

7. Waldt S, Eiber M, Wörtler K. Messverfahren und Klassifikationen in der muskuloskelettalen<br />

Radiologie. 1. Auflage. Thieme, 2011<br />

Kompetenz /\ Wissen /\ Netzwerke Seite 6 von 19


Skript – <strong>R1303</strong> DVO Spezialkurs – 08.06.2013 – Köln<br />

Biopsie von <strong>Knochentumoren</strong><br />

Lektion 3 – Prof. Dr. Dr. med. Hans Rechl, München<br />

Vor Durchführung der Biopsie muß das lokale Staging abgeschlossen und eine Differentialdiagnose<br />

des Befundes erarbeitet sein. Ziel ist es, repräsentatives, vitales Tumorgewebe für eine sichere<br />

histologische Diagnose zu gewinnen. Vitales Tumorgewebe findet sich meist im Randbereich des<br />

Tumors. Weitere Hinweise ergibt die Kontrastmittelaufnahme des Gewebes in der MRT-<br />

Untersuchung.<br />

Beim Verdacht auf einen primären Knochentumor muss neben dem Weichteilanteil auch knöchernes<br />

Gewebe gewonnen werden. Von entscheidender Bedeutung ist es dabei, durch die Biopsie<br />

möglichst wenig gesundes Gewebe mit dem Tumor zu kontaminieren und gleichzeitig die<br />

Biopsiestelle so zu legen, dass sie bei der späteren definitiven Operation in toto entfernt werden<br />

könnte. Dies bedeutet, dass die Biopsienarbe im Bereich des Zugangsweges liegen sollte und so die<br />

möglichen operativen Alternativen vor Durchführung der Biopsie klar sein müssen. Grundsätzlich<br />

sollte der kürzeste Weg zum Tumor, möglichst nur durch ein Kompartiment, gewählt werden,<br />

wobei Blutgefäße und Nerven nicht berührt werden sollten. Zur Vermeidung einer Hämatombildung<br />

ist auf sorgfältigste Blutstillung zu achten. Auch Stichkanäle für Katheter (Redondrainagen) müssen<br />

bei der definitiven Operation en bloc mit dem Tumor entfernt werden können. Dies bedeutet, dass<br />

diese möglichst in Verlängerung der Operationswunde ausgeleitet werden sollten. Die Probeexzision<br />

steht am Schluss des diagnostischen Algorithmus, d. h. nach klinischer Untersuchung und<br />

bildgebenden Verfahren. Grundsätzlich bleibt jeder klinisch fassbare Knochen- oder Weichteiltumor<br />

bis zum Vorliegen der definitiven Histologie malignitätsverdächtig.<br />

Folgende Biopsieverfahren lassen sich unterscheiden:<br />

Geschlossene Biopsie<br />

Geschlossene Gewebsentnahmen werden durch Feinnadelaspiration (Nadel) oder Entnahme eines<br />

Stanzzylinders (Tru-Cut) durchgeführt. Diese sind minimal invasiv und beinhalten weniger perioperative<br />

Risiken als die offene Gewebsentnahme, bei der eine Inzision notwendig ist.<br />

Für die Feinnadelbiopsie von Weichteiltumoren wird bezüglich der Bestimmung der Dignität eine<br />

hohe Treffsicherheit (90%) angegeben, wenn sie von einem mit der Methode vertrauten Operateur<br />

ausgeführt wird und insbesondere die Zytologie durch einen erfahrenen Pathologen beurteilt wird.<br />

Die diagnostische Sicherheit bezüglich der Artdiagnose inklusive histologischem Grading liegt<br />

jedoch nur zwischen 70 und 80%. Die Grenzen des Verfahrens ergeben sich einerseits aus der<br />

Gewebsheterogenität muskuloskelettaler Tumoren und daraus, dass die Feinnadelbiopsie nur eine<br />

zytologische Untersuchung eines Gewebsausstriches erlaubt. So basiert die Diagnose auf der<br />

Begutachtung einiger weniger Zellen und bleibt deshalb meist inkomplett. Führt diese Form der<br />

Biopsie nicht zum Tumornachweis, so schließt dies das Vorliegen eines Tumors dennoch nicht aus,<br />

da selbst in Kliniken mit großer Erfahrung in dieser Technik in zirka 30% der Fälle kein repräsentatives<br />

Gewebe gewonnen werden kann und die diagnostische Sicherheit bezüglich der<br />

Artdiagnose auch mit ausreichendem Material bei etwa 80% lag.<br />

Bei der Stanzbiopsie ist die gewonnene Gewebemenge für die histopathologische Befundung zwar<br />

ebenfalls gering (2–3 mm durchmessende Stanzzylinder), die Gewebsarchitektur wird jedoch<br />

besser erkennbar, was die Auswertung erleichtert. Bei Interpretation durch einen in dieser Technik<br />

erfahrenen Pathologen wird für dieses Verfahren eine hohe Treffsicherheit bezüglich Dignität bzw.<br />

Artdiagnose (> 90%) angegeben. Mineralisiertes Gewebe und sehr „zerfließliche“ Weichteiltumoren<br />

(Liposarkome) setzen der Methode technische Grenzen.<br />

Als vorteilhaft kann die geringere Kontamination des umgebenden Gewebes mit Tumorzellen<br />

angesehen werden. Die notwendige Resektion des Biopsietraktes fällt wesentlich kleiner aus.<br />

Neuere Studien halten bei unkomplizierten Stanzbiopsien sogar eine Exzision des Biopsietraktes für<br />

nicht unbedingt erforderlich.<br />

Diese Technik sollte jedoch nicht zur Diagnosestellung herangezogen werden, wenn nicht sowohl<br />

beim Operateur als auch beim Pathologen eine besondere Expertise diesbezüglich vorliegt.<br />

In zunehmendem Maße werden Sonographie und CT zur genauen Navigation der Nadel verwendet.<br />

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Offene Biopsie (Inzisionsbiopsie)<br />

In allen prospektiv und retrospektiv vergleichenden Studien zwischen Stanz- und Inzisionsbiopsie<br />

zur diagnostischen Sicherheit bezüglich der Artdiagnose finden sich deutlich höhere<br />

Treffsicherheiten zugunsten der offenen Gewebsentnahme. Sie kann in Form der Exzisionsbiopsie<br />

oder Inzisionsbiopsie mit oder ohne intraoperativen Schnellschnitt durchgeführt werden. Es ist die<br />

am meisten verbreitete Methode bei malignitätsverdächtigen Befunden.<br />

Der Vorteil gegenüber der geschlossenen Biopsie liegt in der Gewinnung von ausreichend viel und<br />

repräsentativem Gewebe. Durch die Möglichkeit, den Tumor im Verband mit dem umgebenden,<br />

nicht-infiltrierten Gewebe zu betrachten, gewinnt der Pathologe wertvolle Informationen. Deshalb<br />

sollte die Gewebeprobe aus Pseudokapsel und Tumorgewebe en bloc bestehen. Mind. ein Präparat<br />

von etwa 1–2 ccm Größe mit glatten Schnitträndern ist anzustreben. Biopsien aus dem<br />

Tumorinneren sollten zusätzlich entnommen werden.<br />

Bei nicht fachgerecht durchgeführter, offener Biopsie können die Konsequenzen durch perioperative<br />

Komplikationen oder falsche Platzierung des Zugangs gravierend sein. Es besteht ein im Vergleich<br />

zur geschlossenen Biopsie höheres Risiko zur Entstehung eines postoperativen Hämatoms, einer<br />

Tumorzellkontamination oder einer pathologischen Fraktur. Strengste Asepsis ist<br />

Grundvoraussetzung für die Durchführung.<br />

Bei benignen Knochenläsionen, über deren Dignität man sich anhand der klinischen und radiologischen<br />

Befunde bereits vor einer histologischen Untersuchung weitgehend sicher sein kann (zum<br />

Beispiel Osteochondrom oder Osteoidosteom; geringe Größe, günstige Lage, radiologische Struktur<br />

und Abgrenzung), ist die primäre Exzision gelegentlich sowohl diagnostisch als auch therapeutisch<br />

angezeigt.<br />

Auch kleine, sicher oberflächlich gelegene Weichteiltumoren eignen sich gewöhnlich gut zur<br />

Exzision (allerdings nach Darstellung durch ein bildgebendes Verfahren), während große (über 3-5<br />

cm Durchmesser) oder tief gelegene Weichteiltumoren mit höherer Wahrscheinlichkeit maligne sind<br />

und somit eine Inzisionsbiopsie erfordern.<br />

Generell muß schon vor der Biopsie das weitere interdisziplinäre Vorgehen festgelegt werden, um<br />

ggf. schon bei der Biopsie eventl. notwendige Maßnahmen durchführen zu können.<br />

Operative Technik<br />

Die Inzision wird möglichst klein gehalten und so gelegt, dass die Narbe bei der definitiven Resektion<br />

en bloc mit dem Tumor entfernt werden kann. Dabei wird der Zugang so direkt wie möglich<br />

gewählt. Zur Vermeidung von Implantationsmetastasen sollte auf scharfen Haken verzichtet<br />

werden. Die sonst übliche breite Darstellung der einzelnen Gewebeschichten ist zu vermeiden, der<br />

direkte Zugang durch alle Schichten ohne Kontamination der Umgebung erleichtert die spätere<br />

Resektion der Biopsiestelle. Nur kleinste Tumoren (kleiner 2 cm 3 ) werden durch Exzision allseits im<br />

Gesunden biopsiert.<br />

Eine subtile Blutstillung ist Pflicht, tief greifende Umstechungen sind zu vermeiden. Die Drainage<br />

wird im Wundwinkel oder in Verlängerung der Inzisionslinie ausgeleited. Ein Druckverband sollte<br />

erfolgen.<br />

Um keine zusätzlichen Kompartimente zu kontaminieren, wird durch die infiltrierte oder die über<br />

dem Tumor liegende Muskulatur eingegangen. Neurovaskuläre Strukturen dürfen nicht tangiert,<br />

Gelenke nicht eröffnet, die Eröffnung intermuskulärer Septen muß vermieden werden. Beispielsweise<br />

sollte beim Zugang zum proximalen Humerus direkt durch den M. deltoideus, beim Zugang<br />

zum distalen Femur durch den M. quadriceps eingegangen werden. Der Sulcus deltoideo-pectoralis<br />

bzw. das mediale oder laterale Septum intermusculare des Femur werden so nicht kontaminiert,<br />

also keine anatomischen Zugänge verwenden.<br />

Die Biopsie ist so zu entnehmen, dass der zur Weichteildeckung notwendige Gewebslappen nicht<br />

kontaminiert wird. Wenn nötig, sollte aus Stabilitätsgründen die Kortikalis immer mit einer runden<br />

Fräse/Bohrer gefenstert werden. Ein postoperatives Hämatom muss durch exakte Blutstillung<br />

vermieden werden. Markraumeröffnungen werden deshalb mit blutstillenden Schwämmen,<br />

Knochenzement oder Knochenwachs abgedichtet bzw. stabilisiert, die Wunde sorgfältig und<br />

schichtweise verschlossen.<br />

Drainagen werden im Wundwinkel oder im Schnittverlauf durch die Haut ausgeleitet. Ein ungünstig<br />

gelegter Drainagekanal kann die Extremitätenerhaltung bei der definitiven, operativen Versorgung<br />

unmöglich machen. Die Verwendung einer Blutsperre ermöglicht eine bessere intraoperative<br />

Übersicht und geringeren Blutverlust.<br />

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Es muss jedoch grundsätzlich darauf geachtet werden, eine Tumorzellaussaat durch geeignetes<br />

Anlegen der Kompressionsmanschetten zu vermeiden und vor Wundverschluss die Blutsperre zur<br />

exakten Blutstillung zu öffnen. Ein intraoperativer Schnellschnitt kann durchgeführt werden, da<br />

selbst wenn keine sichere Diagnose möglich ist, sich zumindest feststellen lässt, ob genügend<br />

vitales oder repräsentatives Gewebe gewonnen wurde. Bei jeder Gewebsentnahme sollten auch<br />

Abstriche zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen werden, da Infektionen klinisch als<br />

Tumor fehlinterpretiert werden können oder umgekehrt.<br />

Komplikationen<br />

In einer Studie von Mankin et al. zur Biopsie traten 15–20% biopsiebezogene Komplikationen mit<br />

negativer Auswirkung auf Ergebnis/Prognose auf. Mehr als zwei Drittel dieser Biopsien waren in<br />

einem nicht-onkologischen Zentrum durchgeführt worden. In einer 1996 durchgeführten<br />

Wiederholung dieser Studie mit gleichem Design kam es zu einem nahezu identischen Ergebnis.<br />

Bei zirka 600 konsekutiven Biopsien waren auch die diagnostischen Probleme bei offener Biopsie<br />

signifikant geringer als bei geschlossener Gewebsentnahme. Eine falsch platzierte Biopsie kann zur<br />

Folge haben, dass zur En-bloc-Resektion des Tumors mit Biopsienarbe ein atypischer Zugang, eine<br />

zusätzliche Weichteildeckung oder eventl. sogar eine Amputation gewählt werden muss. Dies kann<br />

technisch erhebliche Schwierigkeiten bereiten und erhöht das Risiko postoperativer Haut- und<br />

Muskelnekrosen. Belässt man dagegen eine ungünstig liegende Biopsienarbe und wählt den für die<br />

geplante Rekonstruktion günstigsten Zugang, so verbleibt das Risiko des Lokalrezidivs.<br />

Die Knochenbiopsie ist zur Vermeidung einer mechanischen Schwächung mittels einer zirkulären<br />

Fräse geringen Durchmessers am besten durch die Neutralachse des Knochens durchzuführen. Eine<br />

größere Kortikalisfensterung unter Vermeidung des „stress-riser Effektes“ kann durch die<br />

Verbindung der vier separat vorgebohrten Eckpunkte erreicht werden. Die pathologische Fraktur<br />

nach Knochenbiopsie kann die Amputation einer Extremität notwendig machen, da der Ausdehnungsbereich<br />

eines Hämatoms als kontaminiert zu betrachten ist. Bei Gewebsproben aus dem<br />

Bereich von Periostabhebungen besteht aufgrund der dort ablaufenden reaktiven Knochenbildung<br />

die Gefahr einer histologischen Fehlinterpretation.<br />

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Knochenzysten und tumorähnliche Läsionen – Benigne <strong>Knochentumoren</strong><br />

Lektionen 7 und 11 – Prof. Dr. Dr. med. Hans Rechl, München<br />

Benigne Tumoren werden meist diagnostiziert aufgrund von Schmerzen oder als Zufallsbefunde.<br />

Die meisten langsam wachsenden gutartigen Prozesse haben radiologisch einen reaktiven Rand.<br />

Zur ersten Differenzierung dient die Lokalisation im Knochen die in der weiteren Eingrenzung der<br />

Diagnose hilfreich ist. Die meisten gutartigen Befunde liegen metaphysär, Riesenzelltumoren und<br />

Chondroblastome bilden mit ihrer epiphysären Lage eine Ausnahme. Häufig diaphysär liegen<br />

beispielsweise fibröse Dysplasie und das eosinophile Granulom. Auch an der Wirbelsäule gibt es<br />

typische Lokalisationen für einzelne Entitäten. So werden AKZ oder Osteoblastom typischerweise in<br />

den dorsalen Wirbelsäulenanteilen diagnostiziert.<br />

Die Aggressivität der Befunde korreliert mit der Intensität der sklerotischen Abgrenzung innerhalb<br />

des Knochens. Eine schlechte Demarkation bedeutet einen aktiv wachsenden Prozess.<br />

Schließlich erkennt man auf Röntgenbildern Matrixanteile (Kalzifikation oder Ossifikation) der<br />

Läsionen. Die Ossifikation spricht für einen primär, knochenbildenden Tumor.<br />

Die Knochenszintigraphie kann nützlich sein um poliostotische Befunde zu erkennen, wie die fibröse<br />

Dysplasie oder die Enchondromatose - gelegentlich kann es auch nützlich sein in der Diagnose des<br />

Osteoid Osteoms.<br />

In ganz speziellen Fragestellungen ist das CT zur Darstellung von genauen knöchernen Befunden<br />

entscheidend. In den meisten anderen Fällen ist jedoch die Kernspintomographien das wichtigste<br />

diagnostische Instrument das zur Verfügung steht.<br />

Nach Diagnose- oder Differentialdiagnosestellung ist die Notwendigkeit einer Biopsie zu prüfen.<br />

Manche röntgenologische Zufallsbefunde sind so charakteristisch, dass darauf verzichtet werden<br />

kann und die Läsion beobachtet wird (das NOF des Jugendlichen). Ohne Symptomatik, ohne<br />

Zeichen progressiven Wachstums und bei eindeutiger Diagnose ist eine Biopsie nicht erforderlich.<br />

Hier sollte bestimmten Richtlinien gefolgt werden (siehe Handout Biopsie).<br />

Je nach Diagnosesicherheit kann statt einer Inzisions- auch eine Exzisionsbiopsie durchgeführt<br />

werden.<br />

Staging<br />

Das Stagingsystem nach ENNEKING teilt benigne Tumoren wie folgt ein:<br />

Stage 1.: Inaktive Knochenläsion, nicht progressiv oder spontan heilend (NOF)<br />

Stage 2.: Aktive Läsion, expansiv mit Deformation der Corticalis, diese jedoch nicht durch<br />

brechend (AKZ)<br />

Stage 3.: Aggressive Läsion, den Knochen infiltrierend und zerstörend auch mit Ausdehnung in die<br />

Weichteile (aggressiver Riesenzelltumor mit Zerstörung der corticalen Begrenzung und<br />

Weichteilanteil)<br />

Therapieprinzipien<br />

Verschiedene Tumorentitäten können, aufgrund ihrer Aktivität in verschiedenen Stadien<br />

vorkommen. Die Therapie richtet sich deshalb nach der Aggressivität der jeweiligen Läsion.<br />

Stage 1: Keine Therapie oder einfache Curettage.<br />

Stage 2: Gründliche, intraläsionale Resektion mit Knochenfenster (z.B. Curettage).<br />

Stage 3: Erweiterte intraläsionale oder auch en bloc Resektion mit entsprechender<br />

Rekonstruktion.<br />

Stage 2 Läsionen können im Einzelfall wie Stage 3 Befunde auch eine erweiterte intraläsionale oder<br />

eine en-bloc Resektion mit entsprechender Rekonstruktion erforderlich machen. Letzteres kann in<br />

bestimmten Lokalisationen auch die Teilresektion des betroffenen Knochens erfordern (proximale<br />

Fibula, Os Ilium, Rippe, Schulterblatt et cetera).<br />

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Unter Umständen können, vor allem bei Stage 2 und 3 Läsionen, Spongiosatransplantationen, der<br />

Einsatz von Knochenzement, Allografts oder auch Endoprothesen zur Rekonstruktion notwendig<br />

werden.<br />

Die pathologische Differenzierung in benigne und maligne Tumorentitäten berücksichtigt das<br />

klinische Verhalten einer Reihe von Läsionen, die trotz histologisch benigen Aspektes als<br />

Borderline-Tumoren eingeschätzt werden müssen, nur ungenügend. Die Grenzen zwischen<br />

„echten“ Tumoren und tumorähnlichen Läsionen sind dabei eher historisch gewachsen als definitiv<br />

gesichert zu verstehen.<br />

So sind die typischen solitären kartilaginären Exostosen vermutlich eher Resultate einer<br />

pathologischen Entwicklung von Teilen der Wachstumsfuge als originäre Tumoren, Hämangiome<br />

eher Hamartome als Neoplasien während die Aneurysmale Knochenzyste umgekehrt aufgrund<br />

neuerer Untersuchungen eher den Tumoren zugerechnet werden muß.<br />

Läsionen, wie die Pigmentierte Villonoduläre Synovitis (PVS), zeigen auch Kriterien beider Gruppen.<br />

Auch finden sich innerhalb der benignen Tumoren Läsionen, wie der Riesenzelltumor, die inklusive<br />

einer Metastasierung vergleichsweise maligne verlaufen können.<br />

Rezidive:<br />

Aktive benigne Läsionen (Stadium 2) oder in noch viel höherem Maße aggressive benigne Tumoren<br />

(Stadium 3) haben ein signifikantes Rezidivrisiko nach intraläsionaler Resektion, weniger häufig<br />

nach marginaler, so gut wie nie nach weiter Resektion.<br />

Intraläsionale Eingriffe, wie sie standardmäßig in dieser Tumorgruppe durchgeführt werden, sollten<br />

stets durch lokale Zusatzmaßnahmen, wie die Turbofräsung mit ausgiebiger Lavage ergänzt<br />

werden.<br />

Da extraläsionale Resektionen insbesondere bei den häufig gelenknahen Befunden<br />

(Riesenzelltumor, aneurysmale Knochenzyste, Chondroblastom, Chondromyxoidfibrom) zu<br />

Funktionsverlusten führen können, kann zusätzlich eine lokal adjuvante Therapie zur Ausdehnung<br />

des Sicherheitsabstandes erfolgen.<br />

Zur adjuvanten Lokaltherapie eingesetzt werden chemische und physikalische Methoden, wie<br />

– Phenolisation, Alkoholanwendung<br />

– Methylmethacrylat (Knochenzement)<br />

– Kryochirurgische Verfahren<br />

– Kauterisierung, Lasertherapie.<br />

Diese Maßnahmen ersetzen nicht die subtile Operation. Anwendung und Erfolgsquote (Reduktion<br />

der Rezidivhäufigkeit) wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt.<br />

Die Unterschätzung der Aggressivität der „benignen“ Läsionen kann besonders in Gelenknähe zum<br />

Lokalrezidiv mit erheblicher Kompromittierung der Funktion bis hin zum Gelenkverlust führen.<br />

Insbesondere Riesenzelltumoren zeigen auch eine pulmonale Metastasierung (bis 10% bei<br />

Primärdiagnose).<br />

Die Nachsorge ist der individuellen Besonderheit einzelner Läsionen anzupassen. Riesenzelltumoren<br />

zeigen auch noch nach mehr als fünf Jahren klinisch oft lange inapparente Lokalrezidive oder<br />

pulmonale Metastasen. Eine entsprechende Anpassung der Kontrollzeiträume (mindestens zehn<br />

Jahre) ist erforderlich.<br />

Rekonstruktion:<br />

Wenn nach der Resektion eine stabile Situation vorliegt kann auf die Transplantation von<br />

Eigenknochen verzichtet werden.<br />

Bei größeren Defekten ist jedoch die Rekonstruktion durch geeignete Maßnahmen erforderlich - bei<br />

substantiellen Defekten mit struktureller Schwächung des Knochens auch mit Autograft (z.B.<br />

Fibula) oder Allograft bzw. die Verwendung von PMMA- Knochenzement. Insbesondere der<br />

Knochenzement hat sich im Bereich subchondraler und periartikulärer Bereiche zur Stabilisierung,<br />

auch größerer Defekte etabliert. Wenn möglich wählt man bei etwas kleineren strukturellen<br />

Defekten die Möglichkeit der Transplantation eines Fibulateiles oder eines Knochenspans vom Os<br />

ilium. Eine primär stabile Osteosynthese ist meist essentiell.<br />

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Beispiel Stage 1: Inaktives NOF<br />

Meist solitär, ohne Symptome und metaphysär als Zufallsbefund, kann es aktiv, latent und in<br />

Rückbildung auftreten. Bei Patienten in der Wachstumsphase kann es mit dem Wachstum an Größe<br />

zunehmen. Nach Wachstumsabschluss bildet sich die Läsion zurück bis sie schließlich verschwindet.<br />

Deshalb kann der Befund bei fehlender Symptomatik beobachtet werden. Bestehen zum<br />

Diagnosezeitpunkt beschwerden und ist die strukturelle Festigkeit des Knochens reduziert<br />

(Schmerzen, Streßfraktur) sollte in Form einer Kurettage/Plombage eine operative Therapie<br />

durchgeführt werden.<br />

Große Läsionen, die in hochbelasteten Knochenregionen liegen (distale Tibia, proximales Femur)<br />

sollten auch ohne Symptome, a priori operativ versorgt werden.<br />

Beispiel für Stage 2: Aktive, solitäre Knochenzyste<br />

Diese Läsion wird bei Patienten vor Wachstumsabschluss meist an langen Röhrenknochen,<br />

metaphysär gesehen, ist häufig beschwerdefrei und wird manchmal durch eine pathologische<br />

Fraktur erstmals symptomatisch.<br />

Solitäre Knochenzysten können aktiv sein und sich so ausdehnen, dass sie den Knochen lokal,<br />

strukturell schwächen. Ungeachtet der gewählten Therapie können Sie während der gesamten<br />

Wachstumsphase des Patienten aktiv bleiben und deshalb Lokalrezidive verursachen.<br />

Ist die Zyste inaktiv und asymptomatisch kann sie beobachtet werden. Ist sie groß und/oder aktiv<br />

ist die operative Therapie zu erwägen. Dabei ist die offene Kurettage mit Entfernung der<br />

Zystenwand und Plombage relativ erfolgreich.<br />

Verschiedene, percutane Injektionstechniken mit Cortison und anderen Substanzen, wurden in der<br />

Vergangenheit mit mehr oder weniger Erfolg eingesetzt. Für diese Therapie wird eine Rezidivrate<br />

von 15-88 % nach durchschnittlich dreimaliger Injektion angegeben. Auch autologes Knochenmark<br />

oder demineralisierte Knochenmatrix wird mit unterschiedlichen Erfolgsraten eingesetzt.<br />

Beispiel für Stage 3: Riesenzelltumor<br />

Riesenzelltumoren sind gutartig aber lokal aggressiv und können zu erheblicher Zerstörung von<br />

Spongiosa und corticalem Knochen führen. Typisch ist die metaepiphysäre Lage, wo aufgrund der<br />

Gelenksnähe und der zum Teil erheblichen, strukturellen Knochendefekte erste Symptome<br />

auftreten. Röntgenologisch das Bild einer Osteodestruktion mit expansivem Wachstum auch zum<br />

Teil mit extraossärem Anteil. Bei intraartikulärer Fraktur ist auch ein Befall des Gelenkes möglich.<br />

Die Therapie ist operativ, wobei alles veränderte Gewebe gründlichst entfernt werden muss. Da<br />

aufgrund der häufig inkompletten Entfernung des Tumors zum Teil Rezidivraten von bis zu 50 %<br />

berichtet werden, wird die bisherige Therapie kontrovers diskutiert. Es wird deshalb von Seiten der<br />

Tumor- Orthopädie für die meisten Stage 3 Befunde, wenn möglich die en-bloc- Resektion<br />

empfohlen.<br />

Die Schwierigkeit der einfachen Kurettage von Riesenzelltumoren ist dadurch bedingt, dass diese<br />

oft Gewebsreste oder auch mikroskopisch Zellen zurücklässt. Als lokale, adjuvante Therapie<br />

werden Phenol, PMMA und flüssiger Stickstoff eingesetzt. Allerdings gibt es bislang wenig Evidenz,<br />

dass diese zusätzlichen Maßnahmen effektiv sind. Andererseits können dadurch negative<br />

Nebeneffekte auftreten, wie langsameres Einwachsen des Spongiosatransplantates nach<br />

Phenolbehandlung, sekundärer Gewebeschaden und lokale Frakturen nach flüssigem Stickstoff und<br />

mögliche Hitzenekrosen des Gelenkknorpels bei der Anwendung von PMMA- Knochenzement.<br />

Aufgrund der Möglichkeit, aggressive Tumorresektion mit struktureller Stabilität zu kombinieren<br />

wird derzeit die Methode mit PMMA- Knochenzement favorisiert. Eine zusätzliche Osteosynthese ist<br />

unter Umständen erforderlich. Der lokal erhoffte, adjuvante Effekt durch die freigesetzte<br />

Polymerisationshitze hat sich als nicht stichhaltig erwiesen und kann zudem Nekrosen des<br />

Knochens oder Gelenkknorpels verursachen. Die Technik wird in Grenzbereichen zum Knorpel oder<br />

auch zu dünnen Corticalisanteilen mit Spongiosatransplantaten kombiniert. Eine Entfernung der<br />

Zementplombe ist routinemäßig nicht erforderlich.<br />

Bei sehr fortgeschrittenen Fällen ist eine en-bloc Resektion und anschließende Rekonstruktion<br />

durch ein osteoartikuläres Allograft empfehlenswert - allerdings mit den bekannten<br />

Komplikationsmöglichkeiten großer Allografts.<br />

Eine weitere Möglichkeit der Rekonstruktion sind Endoprothesen.<br />

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In inoperablen Lokalisationen oder bei enormer Größe (Sacrum, Wirbelsäule) ist die<br />

Strahlentherapie als Option zu erwägen mit dem Risiko der malignen Entartung.<br />

Erfolgversprechend ist eine aktuelle Phase-II Studie zur Therapie des Riesenzelltumors durch einen<br />

humanen Antikörper gegen RANK-Ligand.<br />

Osteoblastom<br />

Das Osteoblastom findet sich vergleichsweise selten. Beschrieben wird es in etwa 3% aller<br />

benignen <strong>Knochentumoren</strong>. Histologisch ist es vom Osteoidosteom nicht zu differenzieren. Klinisch<br />

findet sich die Mehrzahl der Patienten in der zweiten Lebensdekade. Der Tumor ist zu etwa 25% in<br />

der Wirbelsäule, zu 15% im Schädel und zu je ca. 10% in Femur und Tibia lokalisiert. Läsionen von<br />

etwa 1,5 cm Größe an werden eher als Osteoblastom denn als Osteoidosteom eingeordnet.<br />

Generell ist das Osteoblastom destruktiver und schmerzärmer. Längere Verläufe sind bekannt. Im<br />

Gegensatz zum Osteoidosteom findet sich oft keine ausgeprägte Randsklerose, der Tumor kann<br />

aufgrund seiner Destruktivität in der Abgrenzung zum Osteosarkom problematisch sein. In der<br />

Nomenklatur findet dies in Bezeichnungen wie „Aggressives Osteoblastom“ oder umgekehrt<br />

„osteoblastoma like osteosarcoma“ Berücksichtigung. Anders als das Osteoidosteom ist die<br />

histologische Klärung obligat. Die Therapie besteht in der marginalen Resektion, soweit<br />

funktionserhaltend möglich, ansonsten in der aggressiven Kürettage und z.B. Zementplombage des<br />

Defektes. Rezidivraten im zweistelligen Prozentbereich sind beschrieben.<br />

Chondroblastom<br />

Das Chondroblastom findet sich typischerweise zu 80% im 2. Lebensjahrzehnt, klassischerweise in<br />

der Epiphyse langer Röhrenknochen lokalisiert.<br />

Führende Symptomatik ist der Schmerz, die Diagnose wird durch eine Biopsie gestellt.<br />

Therapeutisch wird wie bei vielen benignen im Verlauf jedoch aggressiven Läsionen die Kürettage<br />

und Auffüllung, ggf. mit Knochenzement empfohlen. Lokale Adjuvantien sind möglich und<br />

empfohlen, die Wirksamkeit von Alkohol oder Phenol ist jedoch umstritten.<br />

Die Rezidivrate wird mit 10-20% angegeben. Diskutiert wird zusätzlich der Begriff des „Malignen<br />

Chondroblastoms“, da sich in einigen Fällen trotz typischer Histologie ein maligner Verlauf mit<br />

Fernmetastasen (typischerweise pulmonal) finden kann.<br />

Riesenzelltumor<br />

Der Riesenzelltumor findet sich im epimetaphysären Bereich, meist exzentrisch gelegen,<br />

vergleichsweise gut umschrieben, ausschließlich osteolytisch ohne Randreaktion. Das typische<br />

Erkrankungsalter liegt bei 10-30 Jahren.<br />

Häufige Lokalisationen sind das distale Femur, die proximale Tibia und der distale Radius.<br />

Pulmonale Läsionen treten in ca 10% bei Lokalrezidiv auf.<br />

Der Spontanverlauf ist nicht absehbar, histologische Prognosefaktoren gibt es nicht. Wichtig ist die<br />

Bestimmung des Parathormons, da histologisch eine Differenzierung zum „Braunen Tumor“ bei<br />

Hyperparathyreoidismus nicht möglich ist.<br />

Die klassische Therapie ist die intraläsionale aggressive Kürettage unter Anwendung zusätzlicher<br />

mechanischer (Hochgeschwindigkeitsfräse) und physikalisch/chemischer Adjuvantien<br />

(Knochenzement, Alkohol, Phenol, Kryochirurgie, Kauterisierung). Das Rezidivrisiko korreliert mit<br />

dem Ausmaß der Freilegung des Tumors mit kompletter Entdachung der Läsion und sorgfältigstem<br />

operativen Vorgehen. Im eigenen Krankengut bewährt hat sich die Methylmetacrylatauffüllung des<br />

Defektes. Die Knochenzementplombe die sofortige und dauerhafte Stabilität, sowie eine<br />

vereinfachte Rezidivdiagnostik.<br />

Da die Tumoren typischerweise epimetaphysär vorliegen ist der Gelenkerhalt bei sehr enger Lage<br />

zur Gelenkfläche nicht immer möglich. Aufgrund der Neigung zu Spätrezidiven ist die Nachsorge<br />

über einen längeren Zeitraum (z.B. 10 Jahre) ratsam. In letzter Zeit werden auch sehr gute<br />

Ergebnisse mit der langfristigen Gabe von RANKL-Inhibitoren (Denosumab, Prolia®) diskutiert.<br />

Kritisch zu sehen ist hier jedoch neben den Kosten und Nebenwirkungen die Frage der Beendigung<br />

einer solchen Therapie.<br />

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Aneurysmale Knochenzyste<br />

Die aneurysmale Knochenzyste (AKZ) liegt prinzipiell in zwei Formen vor:<br />

In der primären Form – nur diese zeigt die Translokation, und der sekundären Form, als reaktive<br />

Begleitläsion bei einem ansonsten neoplastischen oder nicht-neoplastischen Prozess des Knochens.<br />

Die Unterscheidung ist wesentlich, da die Primärläsion (z.B. ein Riesenzelltumor) einer sekundären<br />

AKZ durchaus maligne sein könnte oder eine andere Therapie erfordern würde.<br />

Differentialdiagnostisch muß vor allem ein teleangiektatisches Osteosarkom ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Mit einer Inzidenz von etwa 3-4% aller registrierten <strong>Knochentumoren</strong> ist sie selten, und vor allem<br />

im 2. Lebensjahrzehnt mit unspezifischer Symptomatik auftretend.<br />

Röntgenologisch zeigt sich die Läsion, im Anfangsstadium als exzentrische, metaphysär gelegene<br />

Osteolyse, im späteren Verlauf mit Auftreibung des Knochens und schalenartiger Neokortikalis.<br />

Die Therapie besteht in der Kürettage ggf. mit Adjuvantien und Auffüllung der Läsion, häufig mit<br />

Knochenzement. Marginale Resektionen sind selten möglich. Prognostisch zeigen insbesondere<br />

Kinder unter 10 Jahren eine erhebliche Neigung zu Lokalrezidiven.<br />

Osteoid Osteom<br />

Das Osteoid Osteom ist ein gutartiger, selbst limitierender aber symptomatischer Knochentumor<br />

der überwiegend Kinder, heranwachsende und junge Erwachsene betrifft. Das Alter liegt zwischen<br />

5 und 35 Jahren.<br />

Das Hauptsymptom ist ein intensiver Schmerz, vor allem nachts, welcher signifikant durch Aspirin<br />

oder andere NSAR Medikamente behandelt werden kann.<br />

Hauptlokalisation sind die diaphysären und metaphysären Kortices langer Röhrenknochen, es kann<br />

jedoch in jedem anderen Knochen vorkommen, besonders an der Wirbelsäule (Dorsale Anteile),<br />

den Händen und Füßen. An der Wirbelsäule kann sich eine Schmerzskoliose zeigen, mit der<br />

Konkavität auf der betroffenen Seite. Bei Lokalisationen Gelenksnähe kann einen Erguss vorliegen<br />

und eine Bewegungseinschränkung.<br />

Radiologisch zeigt sich ein minus, umgeben von einem sklerotischen Hof bzw. einer<br />

Periostreaktion, was am besten mit der Computertomographie dargestellt werden kann. Die<br />

Kerspintomographie zeigt ein intensives Ödem, die Szintigraphie einen deutlichen Uptake.<br />

Differenzialdiagnostisch ist an eine Stressfraktur und die fokale Osteomyelitis sowie an einen<br />

kleinen neoplastischen Prozess zu denken.<br />

Therapeutisch kann entweder offen durch das schichtweise Abtragen von Knochen bis zum Nidus<br />

und Kurettage desselben vorgegangen werden (Vorteil Histologie) oder CT-gesteuert, minimal<br />

invasiv durch eine Radiofrequenzablation (Vorteil: minimal invasiv). Letztere erfordert eine<br />

Narkose und kann bei Lage des Osteoid Osteoms in der Nähe neuraler oder anderer kritischer<br />

Strukturen nicht zur Anwendung kommen kann. Die Rezidivrate mit der RFA- Technik liegt<br />

zwischen 10 und% und 15 %.<br />

Nach dem Eingriff ist mit einer sofortigen Besserung des Schmerzes zu rechnen.<br />

Grundsätzlich ist die konservative Therapie durch Langzeitgabe von NSAR möglich und wird auch<br />

als erfolgreich beschrieben. Allerdings sind dabei die Nebenwirkungen des Medikamentes und die<br />

emotionale Belastung durch ständige Schmerzen zu berücksichtigen und gegen die Vorteile der<br />

erfolgreichen operativen Behandlung abzuwägen.<br />

Enchondrom<br />

Enchondrome machen 12-24 % aller gutartigen <strong>Knochentumoren</strong> und 3-10 % aller<br />

<strong>Knochentumoren</strong> aus. 23 % der Enchondrome treten während der zweiten Lebensdekade auf rund<br />

42 % davon in den kleinen Röhrenknochen der Hand. Liegt ein Enchondrom in den Metaphysen<br />

oder Diaphysen von langen Röhrenknochen (Femur, Tibia, Humerus) ähnelt es häufig dem<br />

Knocheninfarkt.<br />

14 % der Enchondrome liegen im Humerus.<br />

Die meisten Enchondrome entsprechen Stadium 1 oder 2, sind meist asymptomatisch und werden<br />

als Zufallsbefund entdeckt.<br />

Stadium 1 Befunde werden meist beobachtet während Stadium 2 Läsionen der Hand oder des<br />

Fußes häufig durch eine pathologische Fraktur erstmals auffallen. Letztere können konservativ<br />

behandelt werden, meist wird jedoch eine Kurettage mit Spongiosatransplantation durchgeführt.<br />

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Mitunter kann an den langen Röhrenknochen die Abgrenzung des Stadium 2 Enchondroms zum G1-<br />

Chondrosarkom Schwierigkeiten bereiten. Klinische Hinweise sind der lokale Schmerz, die<br />

endostale Ausmuldung (> 2/3), die Destruktion der corticalis, der extra ossäre Weichteilanteil und<br />

die Periostreaktion mit deutlich positiver Skelettszintigraphie.<br />

Die Therapie des Stadium 2 Enchondroms besteht in einer gründlichen Kurettage, die des G1<br />

Chondrosarkom in einer en-bloc Resektion oder aggressiven Kurettage.<br />

Es gibt zwei Arten von Enchondromatose (multiple Enchondrome):<br />

Der Morbus Ollier und das Mafucci-Syndrom.<br />

Beim seltenen Morbus Ollier handelt es sich um multiple Enchondrome, vorwiegend unilateral,<br />

überwiegend metaphysär.. Die Krankheit tritt häufig früh im Leben auf und führt zu Deformationen<br />

der Knochen, was häufig zu erheblichen Funktionsverlust führen kann.<br />

Die Therapie ist überwiegend auf die Korrektur von Deformitäten ausgerichtet. Patienten müssen in<br />

regelmäßigen Abständen nachuntersucht werden, da das Risiko der malignen Entartung bei der<br />

Enchondromatose mit 25 % und darüber angegeben wird.<br />

Beim Mafucci-Syndrom liegt noch zusätzlich eine Weichteilangiomatose vor.<br />

Die maligne Entartung zum Chondrosarkom oder Angiosarkom liegt höher als beim Morbus Ollier.<br />

Osteochondrom<br />

Das Osteochondrom ist der häufigste benigne Knochentumor, macht etwa ein Drittel aller<br />

gutartigen <strong>Knochentumoren</strong> aus und ein Zehntel aller <strong>Knochentumoren</strong>.<br />

Die häufigste Lokalisation sind die Metaphysen des Humerus, Femur und der Tibia, sind jedoch<br />

auch im Beckenbereich und am Schulterblatt zu finden. Sie kommen überwiegend in der zweiten<br />

Lebensdekade vor (50 % aller Osteochondrome). Ihre Form ist entweder breit aufsitzend oder<br />

gestielt, im Kniebereich wachsen sie vom Gelenk weg.<br />

Die Exostose ist gewöhnlich bedeckt von einer Knorpelkappe, die das Osteochondrom wachsen<br />

lässt und unterschiedlich dick sein kann. Während des Wachstumsalters wächst auch das<br />

Osteochondrom, wobei sich die Knorpelkappe regressiv verändert nach Wachstumsabschluss.<br />

Das Osteochondrom kann solitär oder multipel auftreten (autosomal dominante Vererbung der<br />

multiplen Form mit variabler Penetranz). Jeder Knochen kann betroffen sein und je nach Lage zu<br />

Deformitäten führen. Die Entartungswahrscheinlichkeit wird für die solitäre Form mit etwa 1 %<br />

angegeben, für das multiple auftreten mit 10 %. Man spricht dann vom peripheren oder<br />

sekundären Chondrosarkom, welches gewöhnlich als G1 Chondrosarkom auftritt. Dies bedeutet<br />

lokale Schmerzen und Wachstum nach Wachstumsabschluss bei dicker Knorpelkappe.<br />

Grundsätzlich ist es bei den meisten Osteochondromen nicht erforderlich, sie zu entfernen, dies<br />

meist nur dann, wenn sie Schmerzen oder Funktionsstörungen verursachen. Hierzu ist es<br />

erforderlich zumindest die Knorpelkappe zu entfernen. Es hat sich bewährt die Exostose an der<br />

Basis abzutragen um mechanische Irritationen zu vermeiden.<br />

Fibröse Dysplasie<br />

Diese Entwicklungsstörung des Knochens tritt monostotisch oder poliostotisch auf. Sie kann<br />

zusammen mit so genannten Cafe au lait-Flecken auftreten. Wenn diese zusammen mit endokrinen<br />

Störungen (Pubertas praecox) und multiplen Lokalisationen auftreten spricht man vom Mc Cune<br />

Albright Syndrom.<br />

Grundsätzlich kann jeder Knochen davon betroffen sein, wobei der Befall des proximalen Femur<br />

überwiegt. Radiologisch sind osteolytische Bereiche mit Knochenausdünnung und einer<br />

sogenannten Milchglastransparenz typisch. Häufig sind die Bereiche sklerotisch abgegrenzt und<br />

kommen einseitig in mehreren Knochen gleichzeitig vor.<br />

Sofern keine lokalen Beschwerden und Deformitäten auftreten ist die Therapie konservativ.<br />

Bei Deformitäten besteht die Indikation zur Korrekturosteotomie. Hierzu können Verplattungen<br />

oder auch Marktnägel verwendet werden. Kurretagen mit Plombage führen bei jungen Patienten<br />

häufig zum Rezidiv mit Auflösung des transplantierten Knochens, während dies nach dem<br />

Wachstumsalter, wenn die Krankheit nicht mehr aktiv ist, deutlich seltener vorkommt. Konservativ<br />

kann eine antiresorptive Behandlung mit Bisphosphonaten erfolgreich sein.<br />

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Langerhans Zell Histiozytose (Hand-Schüller-Christian; Letterer-Siewe; Eosinophiles<br />

Granulom)<br />

Dass eosinophile Granulom ist die häufigste Form dieser Erkrankung des retikuloendothelialen<br />

Systems. Häufiges nur ein einzelner Knochen betroffen, gelegentlich können jedoch multiple<br />

Lokalisationen vorliegen.<br />

Klinisch bestehen Schmerz und Schwellung, radiologisch ist eine osteolytische, aggressive Version<br />

erkennbar, wobei eine corticale Destruktion mit Periostreaktion vorhanden sein kann. Grundsätzlich<br />

kann jeder Knochen betroffen sein.<br />

Grundsätzlich handelt es sich um einen selbstlimitierenden Prozess für dessen Therapie<br />

verschiedene Methoden als erfolgreich beschrieben sind.<br />

1. Low dose Strahlentherapie (600-800 cGy)<br />

2. Kurettage und Plombage mit Spongiosa<br />

Da das eosinophile Granulom multipel auftreten kann und bei den anderen Variationen der<br />

Erkrankung eine viszerale Beteiligung besteht ist zur Statuserhebung eine Ganzkörper-<br />

Kernspintomographie erforderlich. Beide multiplen Form kann eine Chemotherapie dringend<br />

indiziert sein.<br />

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Maligne <strong>Knochentumoren</strong><br />

Lektion 15 – Prof. Dr. Dr. med. Hans Rechl, München<br />

Die Prognose der malignen <strong>Knochentumoren</strong> hat in den letzten Jahrzehnten einen entscheidenden<br />

Wandel erfahren. Während 1970 die 5-Jahres-Überlebensrate beim Oteosarkom noch unter 20%<br />

lag, überleben heute ca. 70% der meist jugendlichen Patienten. Eine sorgfältige Therapieplanung<br />

setzt sowohl die exakte Artdiagnose als auch die präzise anatomische Lokalisierung des<br />

Primärtumors und die Kenntnis des Metastasierungsstatus voraus.<br />

Bei den chirurgischen Prinzipien muss die Entwicklung von der Amputation hin zu<br />

extremitätenerhaltenden Techniken aufgezeigt werden. Derzeit gelingt dies bei ca. 90% aller<br />

malignen primären <strong>Knochentumoren</strong> ohne Einschränkung des onkologischen Ergebnisses. Diese<br />

Erfolge sind der engen interdisziplinären Zusammenarbeit von Operateuren, Onkologen,<br />

Strahlentherapeuten, Radiologen und Pathologen zu verdanken. Neuere Therapieansätze mit präoder<br />

postoperativer Chemotherapie bzw. Bestrahlung sowie die Erweiterung der diagnostischen<br />

und operativen Möglichkeiten führen zu einem nach Tumorausdehnung, Chemo- oder<br />

Strahlensensibilität und Grading differenzierten operativen Vorgehen, wobei sich in erster Linie<br />

zwei wesentliche Faktoren, die das operative Handeln wesentlich beeinflussen, verändert haben.<br />

1. Verbesserte, durch standardisierte Studien protokollierte und kontrollierte, onkologische<br />

Therapiekonzepte, die bereits vor der Resektion der Tumoren festgesetzt und dann<br />

postoperativ je nach Regressionsgrad über mehrere Monate fortgesetzt werden. Dies hat<br />

im Wesentlichen zu der verbesserten Prognose geführt.<br />

2. Einführung der Magnetresonanztomographie (MRT) zur Verbesserung der operativen<br />

Planung.<br />

Durch MRT und der PET-CT/MRT sind die Tumorgrenzen und damit das Resektionsausmaß wesentlich<br />

genauer zu definieren. Die kritische Abwägung und Therapie sollte in Zentren erfolgen.<br />

Chirurgisches Staging und Resektionsgrenzen<br />

Ziel der operativen Therapie ist die vollständige Entfernung des Tumors, wobei der präoperativen<br />

Planung des Eingriffs größte Bedeutung zukommt.<br />

Die heute erforderliche, weite Resektion setzt dabei die Entfernung „im Gesunden“ voraus, d.h.<br />

dass der Tumor allseits von einer Manschette gesunden Gewebes umgeben sein muß. Durch<br />

spindelförmige Umschneidung der Biopsienarbe mit Drainageöffnung ist diese mit dem Tumor en<br />

bloc zu entfernen. In der Tiefe muss der Tumor mit Abstand im Gesunden reseziert werden. Ist<br />

dieser Sicherheitsabstand nicht gegeben, riskiert man das Verbleiben von Satellitenläsionen.<br />

„Weit“ resezieren bedeutet konkret, ohne Funktionsverlust möglichst mehre Millimeter in axialer<br />

und mehrere Zentimeter im longitudinaler Ausdehnung zu resezieren.<br />

Je nach Ausdehnung des Befundes muss ggf. sowohl bei der weiten wie auch bei der<br />

Kompartmentresektion zusätzlich die vollständige Resektion eines Gelenkes, eines Knochens, von<br />

Nerven und Gefäßen durchgeführt werden.<br />

Tabelle I. Resektionsgrenzen.<br />

Resektionsebene<br />

Pathologisches<br />

Ergebnis<br />

R-<br />

Status<br />

Intraläsional Im Tumor Tumor randbildend R2, R1<br />

Marginal Extrakapsulär, aber im angrenzenden,<br />

Tumor randbildend R1<br />

reaktiven Gewebe<br />

(Sateliten)<br />

Weit<br />

Außerhalb des reaktiven, im normalen<br />

Tumorfreier<br />

R0<br />

Gewebe (ca 1,5 cm)<br />

Resektionsrand<br />

Radikal Extrakompartimental Tumorfreier<br />

Resektionsrand<br />

R0<br />

Verbindliche Aussagen über den minimal einzuhaltenden Sicherheitsabstand bei weiten<br />

Resektionen gibt es nicht in der Literatur.<br />

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Sogenannte Kompartmentresektionen haben keinen onkologischen Vorteil gegenüber der weiten<br />

Resektion und werden kaum noch durchgeführt. Als Beispiel würde für einen Tumor im distalen<br />

Femur eine Kompartmentresektion die komplette Entfernung des Femurs bis zum Hüftgelenk<br />

bedeuten – für einen Tumor im distalen M. quadriceps femoris die Entfernung des Muskels mit<br />

Ansatz und Ursprung von der Patella bis zum Becken. Bei diesen Lokalisationen erreicht auch eine<br />

hohe Oberschenkelamputation keine Kompartmentresektion. Daneben liegen viele Tumoren bereits<br />

primär extrakompartimental (z. B. in der Fossa poplitea), sodass eine Kompartmentresektion hier<br />

schon definitionsgemäß nicht möglich ist.<br />

Die Sicherheit der Tumorentfernung ist abhängig von der Ausdehnung und der Qualität des<br />

zwischen Tumor und Resektionsrand liegenden gesunden Gewebes (wegen der Kompartments sind<br />

1-2 mm Sicherheitsabstand transversal mit Einschluss einer Faszie günstiger als beispielsweise 5<br />

mm longitudinal im Markraum des Knochens zu werten).<br />

Resektionsverfahren<br />

Bei malignen Knochen- und Weichteilsarkomen muss grundsätzlich die weite Resektion angestrebt<br />

werden. Wegen der hohen Sensibilität auf Strahlen- und Chemotherapie hat das Ewing-Sarkom<br />

Sonderstellung. Im Ausnahmefall kann hier bei gutem Ansprechen des Tumors auf Chemo- und<br />

Strahlentherapie bei einem sonst funktionell belastenden Eingriff im Rahmen einer<br />

interdisziplinären Entscheidung auch eine marginale Resektion oder auch lediglich „das<br />

konservative Vorgehen“ vertretbar sein.<br />

Auch beim gut differenzierten Chondrosarkom ist im Einzelfall eine intraläsionale Resektion<br />

vertretbar. Ansonsten ist bei marginalen/intraläsionalen Resektionen von einer Lokalrezidivrate von<br />

60-90% auszugehen.<br />

Wenn primär unter der Verdachtsdiagnose eines benignen Tumors operiert wurde, ist eine<br />

Nachresektion erforderlich. Ein am MRT geplanter Sicherheitsabstand im Zentimeterbereich kann<br />

bei Extremitäten erhaltenden Eingriffen im Bereich vitaler Strukturen wie Gefäßen oder Nerven<br />

zum Teil nicht eingehalten werden.<br />

Durch Entfernung der vasalen Adventitia oder des Perineurium mit dem Tumor scheint die<br />

Unterschreitung der Zentimeter-Grenze an örtlich begrenzter Resektionsfläche bei ansonsten<br />

„weiter“ Exzision akzeptabel und ohne Beeinträchtigung der Prognose möglich. Andererseits macht<br />

eine radikale Resektion wenig Sinn, wenn sich an einer Stelle nur eine marginale Resektion erzielen<br />

lässt. Ein solches Vorgehen muss bereits präoperativ geplant sein.<br />

Operationstechnische Gesichtspunkte<br />

Zur exakten, präoperativen Planung ist die Tumorausdehnung in longitudinaler Richtung zu<br />

bestimmen. Dazu müssen knöcherne Fixpunkte wie z. B. der Kniegelenkspalt oder der Trochanter<br />

minor auf CT- oder MRT-Untersuchungen mit abgebildet sein. Eine MRT-Abbildung des gesamten<br />

Kompartimentes ist zum Ausschluss von Satellitenläsionen notwendig. Knöcherne Resektionslinien<br />

müssen zusätzlich auf Maßaufnahmen der Knochen festgelegt werden.<br />

Es muß dann entschieden werden, welche Strukturen für eine Deckung des Resektionsdefektes zur<br />

Verfügung stehen und ob bei einer extremitätenerhaltenden Operation bei ausreichender,<br />

onkologischer Radikalität die erhaltene Extremität anschließend auch noch sinnvoll genutzt werden<br />

kann.<br />

Bei der operativen Therapie von <strong>Knochentumoren</strong> sind neben allgemeiner Erfahrung in der<br />

Tumorchirurgie häufig auch Spezialkenntnisse auf den Gebieten der Wirbelsäulenchirurgie,<br />

plastischen Chirurgie, Gefäßchirurgie, Thorax- und Abdominalchirurgie, Endoprothetik usw.<br />

erforderlich, eine Interdisziplinarität, welche in enger Zusammenarbeit im Tumorzentrum möglich<br />

ist.<br />

Die intraoperative Markierung des Resektates erleichtert zum Einen die genaue Beschreibung des<br />

Präparates durch den Pathologen, zum Anderen wird eine spätere Radiatio oder Nachresektion<br />

dadurch erleichtert.<br />

Aufgrund des bevorzugt hämatogenen Metastasierungsweges wird eine systematische<br />

Lymphknotendissektion bei Knochensarkomen nur ausnahmsweise durchgeführt.<br />

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Operative Methoden<br />

An den Extremitäten stehen grundsätzlich folgende, operative Methoden zur Verfügung:<br />

1. Erhalt der Extremität in der ursprünglichen Form mit Überbrückung eines entstehenden<br />

knöchernen Defektes<br />

2. Segmentamputation<br />

3. Amputationen<br />

Die eingeschlagene Operationsmethode sagt dabei nichts über den erreichten Resektionsabstand<br />

zum Tumor aus, da es bei insuffizienter Planung auch zur intraläsionalen Amputation kommen<br />

kann.<br />

Für die Entscheidung ob bzw. welches Rekonstruktionsverfahren verwendet wird, ist die zu<br />

erwartende Funktion und die Akzeptanz durch den Patienten entscheidend. Extremitätenerhaltende<br />

Operationen bringen nicht per se ein besseres funktionelles Ergebnis als eine<br />

Amputation. Eine instabile, schmerzhafte, untere Extremität ohne Sensibilität ist bspw. im<br />

Vergleich zur Amputation mit adäquater Prothesenversorgung kein Gewinn. Bei postoperativ<br />

geplanter, für die Prognose essentieller Chemotherapie ist auch auf ein Verfahren mit gesicherter<br />

rascher Wundheilung Wert zu legen, was insbesondere für die Patienten mit Osteo- oder<br />

Ewingsarkomen gilt, welche auf eine rasch postoperativ beginnende Chemotherapie angewiesen<br />

sind.<br />

Die Therapie von <strong>Knochentumoren</strong> ist immer hochgradig individuell zu planen. Die Funktion richtet<br />

sich nach den erhaltbaren Strukturen und den einsetzbaren Rekonstruktionsmöglichkeiten.<br />

Voraussetzung für eine Extremitätenerhaltung ist eine postoperativ zu erwartende, auseichende<br />

Nerven- und Blutversorgung sowie eine suffiziente Muskelfunktion und Weichteildeckung. Deshalb<br />

sind bei schlechter Muskelfunktion auch Arthrodesen in der Behandlungsplanung mit<br />

einzubeziehen.<br />

Zum Extremitätenerhalt geeignet sind spezielle Endoprothesen, welche aus dem künstlichen<br />

Gelenk, einem Fixationsstiel und einem Überbrückungsteil bestehen.<br />

Aus der Kombination der Endoprothese mit einem Allograft entsteht das sog. Composite-Allograft.<br />

Allografts zusammen mit rigider Osteosynthese können als Überbrückungsteile zur biologischen<br />

Defektrekonstruktion ebenso verwendet werden, wie Autografts, meist in Form einer<br />

gefäßgestielten oder nicht gefäßgestielten Fibula.<br />

In den letzten Jahren sind mit der Kombination von Allografts mit gefäßgestieltem Autograft gute<br />

Resultate publiziert worden.<br />

Unter Segmentamputation wird die Entfernung eines Segmentes einer Extremität und die<br />

Replantation des distalen Anteils der Extremität an die proximale Absetzungsstelle verstanden.<br />

Durchgängig erhalten bleibt nur die Nervenversorgung. Klassisches Beispiel ist die Umkehrplastik<br />

nach Borggreve, bei der Kniegelenk und distales Femur entfernt werden und der N. ischiadicus als<br />

einzige Struktur durchgehend erhalten bleibt. Vorteil dieser Verfahren an der unteren Extremität<br />

sind der endbelastbare Stumpf und die im Vergleich zur Amputation deutlich bessere Funktion. An<br />

der oberen Extremität bleibt die Funktion der Hand erhalten. Hauptnachteil ist der ungünstige<br />

optische Eindruck.<br />

Bei Befall der versorgenden nervalen Strukturen sind die Amputationen, Exartikulation oder<br />

externe Hemipelvektomie auch heute noch erforderlich. Sie können auch indiziert sein bei<br />

Rezidiven, speziell bei schweren Strahlenschäden der Weichteile und nach nicht adäquat<br />

durchgeführten Voroperationen.<br />

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