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Juli 2013 - ORTSZEIT

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Inklusion<br />

Auch im Kreis Unna diskutieren Lehrer, Eltern und Verwaltung<br />

über neuen Gesetzesentwurf<br />

Inklusion an Schulen: Chance oder Risiko?<br />

Inklusion: Neun Buchstaben, ein Wort und<br />

eine mächtige Aussage: Menschen mit<br />

und ohne Einschränkungen sollen im Alltag<br />

selbstverständlich an allen gesellschaftlichen<br />

Ereignissen teilhaben. So sieht es die<br />

Konvention zum Schutz und zur Förderung<br />

der Rechte behinderter Menschen vor, die<br />

die UNO-Generalversammlung schon 2006<br />

verabschiedet hat. Teil ist auch das „inklusive<br />

Bildungssystem auf allen Ebenen“.<br />

Kurz: Kinder mit und ohne besonderem<br />

Förderungsbedarf, beziehungsweise Einschränkungen,<br />

sollen gemeinsam beschult<br />

werden. In einer Schule, in einer Klasse, in einer<br />

Gemeinschaft. Aktuell wird die Umsetzung<br />

eines entsprechenden Gesetzesentwurfs<br />

diskutiert. Diskutiert wird allerdings<br />

nicht nur in der Politik, sondern auch unter<br />

Eltern, Lehrern und Verwaltung im Kreis<br />

Unna. Schließlich stellt die Inklusion große<br />

Herausforderungen – organisatorisch, pädagogisch,<br />

baulich und vor allem finanziell.<br />

Dabei gehen die Meinungen zu Sinn und<br />

Unsinn der Inklusion im großen Stil durchaus<br />

auseinander. Während die einen darin<br />

eine große Chance sehen, befürchten andere<br />

ein Förderschul-Sterben und damit<br />

eine fatale Entwicklung für Menschen, die<br />

in ihren Augen ohne individuelle Förderung<br />

kaum eine Chance hätten.<br />

Inklusions-Pioniere in Bergkamen<br />

Beispiel Bergkamen: Die 50.000-Einwohner-<br />

Stadt ist Träger von insgesamt neun Grund,-<br />

einer Haupt-, zwei Real,- und einer Gesamtschule<br />

sowie eines Gymnasiums und einer<br />

Förderschule. Damit deckt sie alle Schulformen<br />

ab. Andreas Kray ist Leiter des Amtes<br />

für Schulverwaltung, Weiterbildung und<br />

Sport. Er blickt mit gemischten Gefühlen<br />

auf den möglicherweise schon bald rechtskräftigen<br />

Anspruch auf inklusive Beschulung.<br />

Denn noch kann niemand beziffern,<br />

wie groß die Investitionen sein werden, die<br />

auf die Städte und Gemeinden zukommen.<br />

Gleichzeitig ist das Thema für ihn kein unbekanntes.<br />

Schon lange gibt es in Bergkamen<br />

inklusive Ansätze und dementsprechend<br />

bauliche und organisatorische Maßnahmen.<br />

Hier, in der Schulverwaltung, muss also niemand<br />

ins „kalte Wasser“ springen. „Inklusion<br />

ist für die Stadt schon sehr lange Thema,<br />

seit mehr als zehn Jahren. Damals gab<br />

es den Begriff noch gar nicht. Es lief unter<br />

Integration“, sagt er. „Es“: Damit meint Andreas<br />

Kray die Eingliederung von Kindern<br />

mit besonderem Förderbedarf in den regulären<br />

Schulbetrieb. Schon 2001 gab es den<br />

so genannten zieldifferenzierten gemeinsamen<br />

Unterricht. In der Praxis lernen alle<br />

Schüler gemeinsam, allerdings nicht nach<br />

demselben Lehrplan, sondern mit individuellen<br />

Aufgaben. Zusätzliche pädagogische<br />

Betreuung soll den Prozess unterstützen. Pionier<br />

mit einer solchen Schulklasse war damals<br />

die Freiherr-von-Ketteler-Grundschule<br />

in Bergkamen-Rünthe. Ausschlaggebend<br />

für diese damals besondere Entscheidung<br />

waren zwei wesentliche Aspekte. „Zum einen<br />

waren da die Eltern, die sich für diese<br />

Art der Beschulung eingesetzt haben. Und<br />

auf der anderen Seite gab es die Schulen,<br />

die mitgemacht haben“, erinnert sich Kray<br />

und ergänzt: „So eine Entwicklung muss<br />

von beiden Seiten gewollt sein.<br />

Dann können wir als Stadt unterstützen.<br />

Doch irgendetwas<br />

vom Schreibtisch aus zu verordnen,<br />

das geht nicht.“<br />

„Inklusion ist<br />

außerordentlich wichtig“<br />

Eine dieser engagierten Mütter<br />

ist Heike Schmidt. Ihre<br />

Tochter Annika wurde mit dem<br />

Down-Syndrom geboren. Sie<br />

war eine der „Inklusions-Pioniere“<br />

in Bergkamen, wurde als<br />

Teil einer kleinen Schülergruppe<br />

von der ersten bis zur achten<br />

Klasse auf einer Bergkamener<br />

Hauptschule inklusiv und zieldifferent<br />

beschult. Dann folgte<br />

ein Schulwechsel auf eine Förderschule.<br />

„Es hatte damals unter<br />

anderem viele Lehrerwechsel<br />

gegeben mit dem Ergebnis, dass<br />

Annika mehr und mehr vom Unterricht<br />

ausgeschlossen wurde.<br />

Mit dem Wissen von heute hätte<br />

ich damals – in Annikas Sinne –<br />

anders gehandelt. Denn sie war es<br />

gewohnt, mit nicht-behinderten<br />

Kindern zu lernen und wollte das<br />

eigentlich auch weiterhin. Auch<br />

heute sagt sie: ‚Ich will nicht nur mit Menschen<br />

mit Behinderung zusammen sein.’<br />

Und das ist ihr gutes Recht“, sagt Heike Schmidt.“<br />

Es gibt das Recht auf Inklusion, nicht<br />

auf Aussonderung!“ Sie betont: „Inklusion<br />

an Schulen ist außergewöhnlich wichtig,<br />

um eine Gesellschaft zu entwickeln, die jedem<br />

Menschen die ihm gebührende Wertschätzung<br />

entgegenbringt. Und um Kinder<br />

nicht zu trennen, sondern ihnen den<br />

gemeinsamen Umgang beizubringen, damit<br />

das Miteinander ganz selbstverständlich<br />

wird. Dafür ist es wichtig, dass sich alle<br />

Beteiligten öffnen und es als ihre Aufgabe<br />

ansehen.“ Natürlich sei die individuelle<br />

Förderung dafür unabdingbare Voraussetzung.<br />

„Inklusion scheitert nur dann, wenn<br />

Ressourcen weiterhin durch das zweigleisiges<br />

Schulsystem gebunden werden.“, ist<br />

sich Heike Schmidt sicher.<br />

Foto: Dieter Schütz / pixelio.de<br />

8 Ortszeit <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>

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