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Vortrag Dr. Lehmann - Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung

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Schlaf und Erholung – verkannte Ressourcen <strong>für</strong> die Arbeit<br />

<strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> und<br />

<strong>Dr</strong>. Kai Seiler<br />

9.BGF-Symposium, 17.11.2010, Köln<br />

26.11.2010


Inhalt<br />

Einstellungen<br />

Ein paar Fakten zum Schlaf<br />

Schlaf, Erholung und Arbeitswelt<br />

Interventionskonzepte<br />

Fazit und Ausblick<br />

Folie 1 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Einstellungen<br />

„Bei uns ist ja jemand, der am Tage schläft,<br />

ein „Penner“; das gilt als Arbeitsverweigerungshaltung,<br />

weil man das immer mit „nicht leisten“ verbindet.<br />

(…) In den östlichen Kulturen sieht man<br />

den Schlaf als etwas Positives an.“<br />

Prof. <strong>Dr</strong>. Jürgen Zulley, 2009<br />

Folie 2 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Einstellungen<br />

Beobachtungen (auch im eigenen Betrieb):<br />

Bildschirmarbeit: Pausenzeiten werden aufgespart und am Stück<br />

genommen<br />

Essen wird am Arbeitsplatz zu sich genommen<br />

E-Mails werden zu später Stunde geschrieben<br />

Aber auch: Arbeitswelt und private Welt bieten wenig Gelegenheiten und<br />

Rahmenbedingungen zur Regeneration<br />

Folie 3 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Ein paar Fakten zum Schlaf<br />

57 % der Deutschen kommen mit 5 - 7 Stunden Schlaf aus<br />

27 % der Befragten würden gerne etwas länger schlafen<br />

75 % stehen vor sieben Uhr auf, viele dem individuellen Biorythmus<br />

entgegen<br />

19 % wünschen sich einen Mittagsschlaf, den sie nicht abhalten können<br />

(Allianz-Schlafstudie, 2009)<br />

Folie 4 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Ein paar Fakten zum Schlaf<br />

Ca. 1/3 des Lebens verbringt der Mensch im Schlaf<br />

Baby: ca. 16h Schlaf, Erwachsener: individuell; Ø 7-8h<br />

Im Durchschnitt schläft man 7h 14min; die Schlafdauer hat in den letzten<br />

Jahren abgenommen<br />

Schlafstörungen nehmen zu<br />

Quelle (soweit nicht anders angegeben): Penzel 2009.<br />

Folie 5 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Ein paar Fakten zum Schlaf<br />

Typische Charakteristika<br />

Zyklischer Verlauf<br />

ca. 6 Phasen à 60-70 min<br />

4 Stadien pro Phase<br />

Ø 28 Mal Aufwachen unter 3 min pro<br />

Nacht (Zulley 2009)<br />

Idealtypisches Schlafprofil eines<br />

jungen Erwachsenen (Quelle: Penzel<br />

et al. Schlafstörungen. Themenheft 27, RKI,<br />

2005)<br />

Erholungseffekte<br />

Nicht REM-Phasen: vermutlich<br />

körperliche Erholung<br />

REM-Phasen: vermutlich psychische<br />

Erholung<br />

Folie 6 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Ein paar Fakten zum Schlaf<br />

Frage: Leiden Sie unter Schlafproblemen?<br />

Nein, ich schlafe wie ein Murmeltier<br />

Ja, ich habe Probleme durchzuschlafen<br />

Ja, ich habe Probleme einzuschlafen<br />

Wegen Schlafprobelmen fühle ich mich am nächsten<br />

Tag nicht erholt<br />

Es schränkt mich in meiner Leistungsfähigkeit ein<br />

Deswegen fühle ich mich erschöpft und es fehlt mir die<br />

Konzentration<br />

Deswegen kann ich meine Arbeit nur schwer erledigen<br />

Keine Angabe<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach Emnid 2009 (N=1002)<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />

Mehrfachnennungen möglich<br />

Folie 7 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Ein paar Fakten zum Schlaf<br />

Schlafmittel und Neuro-Enhancement<br />

Zunehmende Tendenz zu Schlafmittelabgabe (→ Abhängigkeit) und zu<br />

Neuro-Enhancement (laut DAK-Report 2009 1 % der Befragten 20-55 Jg.;<br />

Dunkelziffer vermutlich deutlich höher)<br />

Schätzung des Anstiegs von 2,3 Mio Abhängigen evtl. in 5 Jahren zu 4 Mio<br />

(Raschke zitiert nach vom Lehn, 2009)<br />

Verordnung von Zolpidem und Zopiclon im Verlauf 1993-2007 max. 4<br />

Wochen: über Kassenrezepte seit 2000 konstante Verordnung; deutliche<br />

Steigerung bei Abgabe auf Privatrezept (Glaeske, Hoffmann & Scharfetter<br />

2009)<br />

Folie 8 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Schlaf, Erholung und Arbeitswelt<br />

Der Teufelskreis<br />

Synchronisierungsprobleme<br />

privat / bei der Arbeit<br />

Sorgen,<br />

Stress,<br />

Überforderung<br />

Erkrankungen,<br />

Ausfälle,<br />

Leistungseinbußen<br />

Einschlaf-, Durch-<br />

Schlafschwierigkeiten sowie<br />

Erholungsbarrieren<br />

Verringerung<br />

psych.<br />

Robustheit/<br />

Immunsystem<br />

Folie 9 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Schlaf, Erholung und Arbeitswelt<br />

Arbeitszeit und Schlafstörungen<br />

GA= Befragung „Was ist Gute Arbeit? Anforderungen aus der Sicht von Erwerbstätigen“ aus dem Jahr 2004 (Fuchs, 2006);<br />

BB=BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung 2006 (BIBB/ BAuA, 2006).<br />

Quelle: Wirtz et al. (2009) Lange Arbeitszeiten und Gesundheit. Url.:<br />

www.baua.de/Publikationen/Fachbeiträge/artikel20.,xv=vt.pdf<br />

Folie 10 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Schlaf, Erholung und Arbeitswelt<br />

Belastungen im Trend<br />

Hoher Zeitdruck<br />

Hohe Verantwortung<br />

Überforderung durch<br />

Arbeitsmenge<br />

Restrukturierung<br />

Lärm<br />

Ungünstige Arbeitszeiten<br />

Angst vor<br />

Arbeitsplatzverlust<br />

Vorschriften, Kontrolle<br />

Körperliche<br />

Zwangshaltungen<br />

Mangelnde Information<br />

1994<br />

1999<br />

2004<br />

2008<br />

(Gesunde Arbeit NRW 2009, LIGA.NRW)<br />

Befragte in % (ziemlich oder stark belastet)<br />

Die meisten gehören zur Gruppe der psychosozialen Belastungen!<br />

Folie 11 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Schlaf, Erholung und Arbeitswelt<br />

Belastungsfaktoren und Beanspruchungsfolgen<br />

In NRW gibt jeder vierte der Befragten „Schlafstörungen“ als Folge von<br />

Belastungen bei der Arbeit an; Unterschiede bezüglich Geschlecht und<br />

Alter sind nachweisbar<br />

Personen, die mindestens 3 der Auswirkungen<br />

„Schlafstörungen“,<br />

„Lustlosigkeit, Ausgebrannt sein“,<br />

„Erschöpfung“,<br />

„Nicht abschalten können“,<br />

„Konzentrationsprobleme“<br />

genannt haben, sind bei bestimmten Belastungsfaktoren auch<br />

häufiger „stark belastet“<br />

Sonderauswertung aus:<br />

Gesunde Arbeit NRW 2009, LIGA.NRW N = 634<br />

Folie 12 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Belastungsfaktoren und Beanspruchungsfolgen - Hitliste<br />

Hoher Zeitdruck<br />

Überforderung durch<br />

Arbeitsmenge<br />

Hohe Verantwortung<br />

Umstrukturierungs- bzw.<br />

Neuorganisationsmaßnahmen<br />

Ungünstige Arbeitszeiten<br />

Körperliche Zwangshaltungen<br />

Ärger und Konflikte mit<br />

Vorgesetzten<br />

Körperlich schwere Arbeit<br />

Mangelnde Information<br />

Angst vor Arbeitsplatzverlust<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Anteil der Befragten in % (min. 3 Auswirkungen genannt)<br />

gar nicht belastet etwas belastet ziemlich belastet stark belastet<br />

Folie 13 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Schlaf, Erholung und Arbeitswelt - Theoretischer Rahmen<br />

Modell nach Sonnentag (2010)<br />

Charakter: Rückführung der beanspruchten<br />

menschlichen Funktionssysteme<br />

in ihren Ausgangszustand<br />

Erholung<br />

Gelegenheiten: Pausen, Feierabend,<br />

Wochenende, Urlaub, Sabatical, aber<br />

auch in der Tätigkeit selbst<br />

Erholungsaktivitäten<br />

Erholungserleben<br />

aktiv / passiv<br />

- Sport,<br />

- soziale Aktivitäten,<br />

- Fernsehen,<br />

- Sauna<br />

- etc.<br />

Wahrnehmung und Empfindung der Aktivität<br />

- Gedankliches abschalten können,<br />

- Entspannung,<br />

- Bewältigung von Herausforderungen (so<br />

genannte Mastery-Erlebnisse)<br />

- Kontrolle<br />

Untersuchungsansätze<br />

-Veränderungen innerhalb der Person im zeitlichen Verlauf (within-person-Ansatz)<br />

- Unterschiede zwischen Personen (between-person-Ansatz)<br />

- organisationale und private Erholungsbarrieren<br />

(eigene Darstellung)<br />

Folie 14 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Schlaf, Erholung und Arbeitswelt<br />

Forschungsergebnisse zur Erholung von Arbeitsstress<br />

(Sonnentag et al. 2007 und 2009; Krajewski et al. in <strong>Dr</strong>uck)<br />

Viele Stressoren am Arbeitsplatz führen zur deutlichen Beeinträchtigung<br />

der Erholungsprozesse, trotz eines hohen Erholungsbedarfes der<br />

Betroffenen<br />

Gelingende Erholung ist abhängig von Persönlichkeitsmerkmalen, dem<br />

privaten Umfeld und Charakteristika der Arbeitssituation<br />

„Abschalten können“ ist ein guter Prädiktor <strong>für</strong> geringeres Burnout,<br />

weniger Schlafstörungen und Lebenszufriedenheit<br />

Personen, die von ihrer Arbeit abschalten, fühlen sich zur Schlafenszeit<br />

weniger erschöpft und sind nach einem gesunden Schlaf gut erholt<br />

Wie Arbeitspausen verbracht werden, ist wichtig <strong>für</strong> das nachfolgende<br />

Befinden und die Arbeitsleistung<br />

Folie 15 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Schlaf, Erholung und Arbeitswelt<br />

Sind unsere bisherigen Konzepte zur<br />

Arbeitsgestaltung und zur<br />

Arbeitszeitgestaltung tragfähig?<br />

Wird Erholung auch beim BGM ausreichend berücksichtigt?<br />

Folie 16 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Interventionskonzepte<br />

Sollten nicht nur in der Arbeitswelt ansetzen<br />

Sollten dem Einzelnen Wissen und Strategien zu Schlaf und<br />

Erholung vermitteln<br />

Sollten den kulturellen Kontext berücksichtigen bzw. ebenfalls<br />

beeinflussen<br />

Betriebsärzte <strong>für</strong> Schlafproblematik sensibilisieren und in<br />

Diagnose und Beratung schulen<br />

Hausärzte <strong>für</strong> psychologische Probleme in der Arbeitswelt<br />

sensibilisieren<br />

Folie 17 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Interventionskonzepte - Schlaf<br />

Beispiel: Stadtverwaltung Vechta (2000)<br />

Maßnahme: Einführung von Powernapping-Möglichkeiten (20-minütige<br />

Pausen mit Isomatten im eigenen Büro – unterstützt von der AOK mit<br />

Anleitung und regelmäßigem Training)<br />

Ziel: Verbesserung der Leistungsfähigkeit bei gestiegener<br />

Arbeitsbelastung, Entlastung der Bandscheiben<br />

Hohe Akzeptanz: 153 von 180 Beschäftigten beteiligen sich<br />

Effekte: weniger Fehlzeiten, höhere Zufriedenheit und ähnlich<br />

hohe Produktivität nachmittags wie vormittags bei den<br />

Beschäftigten<br />

Aber auch: Negative Darstellung in den Medien durch Bedienung<br />

alter Klischees; Kritik vom Beamtenbund<br />

Folie 18 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


Fazit und Ausblick<br />

Zunahme der Schlaf- und Erholungsstörungen durch Beschleunigung,<br />

Verdichtung und Flexibilisierung des Alltags sowie<br />

Entgrenzungsprozessen mit der Folge psychischer und physischer<br />

Beeinträchtigungen<br />

Verstärkte öffentliche Thematisierung der Problematik<br />

Ausbau der interdisziplinären Schlaf- und Erholungsforschung<br />

Überarbeitung/Anpassung von Arbeitsgestaltungskonzepten<br />

Beginnendes Umdenken auch in anderen Bereichen: Diskussionen um<br />

späteren Beginn des Schulunterrichts<br />

Folie 19 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


„Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Zivilisation in eine neue<br />

Barbarei aus. Zu keiner Zeit haben die Tätigen, das heißt die<br />

Ruhelosen, mehr gegolten. Es gehört daher zu den notwendigen<br />

Korrekturen, welche man am Charakter der Menschheit<br />

vornehmen muss, das beschauliche Element in großem Masse<br />

zu verstärken“<br />

Friedrich W. Nietzsche (1844 – 1900)<br />

Folie 20 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler


… übrigens: ca. 10 min dauert der optimale Mittagsschlaf…<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Folie 21 26.11.2010 <strong>Dr</strong>. Eleftheria <strong>Lehmann</strong> / <strong>Dr</strong>. Kai Seiler

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