Mismatch-Arbeitslosigkeit in Oberösterreich - L&R Sozialforschung
Mismatch-Arbeitslosigkeit in Oberösterreich - L&R Sozialforschung Mismatch-Arbeitslosigkeit in Oberösterreich - L&R Sozialforschung
nungsgründe wurde die falsche Qualifikation zweier BewerberInnen sowie Arbeitszeitdifferenzen angegeben, da die vom Unternehmen angebotenen Arbeitszeiten zu kurz sind. Weiters werden Probleme aufgrund der anfänglichen Befristung des angebotenen Beschäftigungsverhältnisses eingeräumt. Benachteiligungen aufgrund von Alter, Kinderbetreuungspflichten und mehrmaliger Arbeitslosigkeit bestehen nach Auskunft des Personalverantwortlichen nicht. Die Stelle war zum Zeitpunkt des Interviews noch unbesetzt. Der Bewerber hat eine abgeschlossene Lehre als Tischler und ist seit mehr als einem halben Jahr als arbeitslos gemeldet. Zuletzt war er in der Baubranche tätig und hat aufgrund „körperlich zu großer Anstrengungen“ gekündigt. Sein Alter ist mit „über 54 Jahre“ angegeben. Soft skills werden in der Eigenwahrnehmung durchgängig als ausgezeichnet beschrieben. Diese Angaben stehen jedoch nicht nur im Widerspruch mit der Einschätzung des Interviewers, sondern widersprechen, insbesondere im Bereich der Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit, auch den eigenen Angaben (siehe oben). Somit kann hier vermutet werden, dass – zumindest zum Teil – sozial erwünschtes Antwortverhalten vorliegt. Das angestrebte Arbeitsverhältnis soll jedenfalls eine Vollzeitstelle sein und es besteht keine Bereitschaft für arbeitszeitliche Flexibilität. Die Gehaltsvorstellungen können mit € 1.200 Nettomonatslohn jedoch nicht als überzogen bezeichnet werden. Insgesamt vermittelt das Interview den Eindruck, dass die Motivation des Bewerbers zur erneuten Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses, insbesondere wenn es in der Bau- oder einer ähnlichen körperlich verschleißenden Branche angesiedelt ist, als eher gering erscheint. Das verwundert vor dem Hintergrund der dargelegten Erwerbsbiographie kaum, musste doch schon mehrere Jahrzehnte schwere und körperlich anstrengende Arbeit, im Baugewerbe sowie später dann im Bereich der Möbelmontage, geleistet werden. Ohne genauere Einblicke in die jeweiligen Entscheidungsprozesse der beiden Akteure zu haben, liegt es, aufgrund der in den Interviews gemachten Angaben nahe, dass die offensichtlich geringe Motivation im Bewerbungsprozedere nicht verschleiert werden konnte (oder möglicherweise auch sollte) und diese Botschaft beim Unternehmen entsprechend angekommen ist. In diesem Sinne überrascht es wenig, wenn auf dieser Basis kein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt. 92
7 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Mismatch-Arbeitslosigkeit ist, nicht zuletzt durch die zunehmende Differenzierung der beiden Arbeitsmarktseiten, von zunehmender Relevanz. Dies unterstreichen empirische Untersuchungen am Arbeitsmarkt im Allgemeinen, wie auch die Ergebnisse dieser Studie für den oberösterreichischen Arbeitsmarkt. Deutlich wird dies bereits durch die einfache Gegenüberstellung von Arbeitslosenzahlen und offenen Stellen, wie dies beispielsweise die Beveridgekurve darstellt. Um aber Ursachen und Gründe näher fassen zu können, sind weitere Analysen notwendig. Dies war auch das Ziel dieser Studie. Mit unterschiedlichen Vorgangsweisen, nämlich durch die Berechnung von Mismatch-Indikatoren auf der Basis von Nichtbesetzung offener Stellen aus der Perspektive der Arbeitsuchenden und der Nachfragenden auf der anderen Seite, wurde diese Zielsetzung verfolgt. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen sollen politische Empfehlungen abgeleitet werden können. 7.1 Resümee Um die Situation und Entwicklung des oberösterreichischen Arbeitsmarktes zu spezifizieren, zunächst noch ein Blick auf die Besonderheiten dieses Bundeslandes, die sich aus den Strukturdaten des Arbeitsmarktes ablesen lassen bzw. in aktuellen Studien zum oberösterreichischen Arbeitsmarkt dargestellt werden (Fritz et al. 2006; Bock-Schappelwein et al. 2006): Oberösterreich weist eine im Vergleich zu Gesamtösterreich deutlich positivere Beschäftigungs- und Arbeitsmarktentwicklung auf. Seit Anfang der 1990er Jahre besteht ein deutlich überdurchschnittlicher Beschäftigungszuwachs. Zwischen 1990 und 2005 stieg die unselbständige Beschäftigung um 14,7% in Oberösterreich im Vergleich zu 10,2% in Gesamtösterreich. Als Ursachen dafür kann sowohl die günstige geographische Lage, wie auch die erfolgreiche Restrukturierung der Wirtschaft angeführt werden. Es erfolgte ein Strukturwandel in Richtung technologie- und humankapitalintensive Produktion. Mit einher ging eine steigende Flexibilisierung der Beschäftigung, was sich u. a. dadurch zeigt, dass das Beschäftigungswachstum seit 2002 ausschließlich über Teilzeit erfolgte. Besonders günstig verläuft die Entwicklung der Arbeitslosigkeit: Oberösterreich ist das einzige Bundesland, indem die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Untersuchungszeitraum annähernd stagnierte. Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2005 2,6 Prozentpunkte unter dem österreichischen Durchschnitt. Begründet wird dies mit einem breit ausgebauten Instrumentarium der Arbeitsmarktpolitik sowie einen geringen Mismatch zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage (Fritz et al. 2006). Aber wieweit wird 93
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