Eberle-Schule Nossen - Druckerei Wagner
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In meinen Beiträgen findet sich<br />
oft der Quellenhinweis „<strong>Nossen</strong>er<br />
Anzeiger“, und viele ältere<br />
Einwohner werden sich noch<br />
gut an die bis 1945 erscheinende<br />
Tageszeitung erinnern können.<br />
Vielleicht hat der eine oder<br />
andere noch ein Exemplar auf<br />
dem Boden liegen und hütet das<br />
vergilbte, brüchige Papier als<br />
Erinnerung.<br />
Am 22. September 1848<br />
erschien mit der Nummer 18<br />
der erste „Anzeiger für Stadt<br />
und Amtsgerichtsbezirk <strong>Nossen</strong>“<br />
unter seinem neuen Besitzer<br />
Carl Friedrich Hensel. Bis<br />
dahin war das damals noch recht<br />
kleine Blättchen in einer Nachbarstadt<br />
gedruckt worden. Die<br />
Herausgabe erfolgte einmal<br />
wöchentlich und zwar freitags.<br />
Der jährliche Abonnementspreis<br />
betrug, wie im Kopf vermerkt<br />
war, jährlich einen Taler, halbjährlich<br />
15 Neugroschen und<br />
vierteljährlich 7,5 Neugroschen.<br />
Die gewöhnliche Schrift oder<br />
deren Raum kostete pro Zeile<br />
13 Pfennige.<br />
Vom 1. Januar 1875 an erschien<br />
die Zeitung schon dienstags und<br />
freitags und von 1880 gab es ihn<br />
dreimal pro Woche. Seit dem 1.<br />
Juli 1898 war der „<strong>Nossen</strong>er<br />
Anzeiger“ täglich zu haben.<br />
Beim Durchblättern unseres<br />
Museumsbestandes fiel mir vor<br />
einiger Zeit ein größerer Beitrag<br />
zum damaligen 75-jährigen<br />
Jubiläum des Verlages Carl Friedrich<br />
Hensel aus dem Jahre<br />
1923 auf, den ich Ihnen nicht<br />
vorenthalten möchte. Der Autor<br />
war der damalige Stadtrat und<br />
Kaufmann Robert Mutze,<br />
Markt 10.<br />
„Ich war damals ein Knabe von<br />
13 Jahren. Eines Tages kam die<br />
Neuigkeit in unser kleines, nur<br />
2000 Einwohner zählendes<br />
Städtchen: es hat sich in der<br />
Neugasse (in der jetzigen inneren<br />
Waldheimer Straße) ein<br />
Buchdrucker niedergelassen,<br />
welcher ein „Wochenblatt für<br />
<strong>Nossen</strong> und Umgebung“ herausgeben<br />
will. Es geschah dies in<br />
dem Hause von Zirkelschmied<br />
Wilhelm Funke im Parterre,<br />
jetzt Herrn Friseur Hänsler<br />
gehörig (Waldheimer Straße 2).<br />
Ich war wie schon gesagt damals<br />
13 Jahre. Wie alle Jungen neugierig,<br />
standen wir vorm Hause<br />
und sahen durch das Fenster zu,<br />
wie mein späterer Freund und<br />
Sangesbruder Carl Friedrich<br />
Hensel da fleißig sich mit seiner<br />
25<br />
160 Jahre „<strong>Nossen</strong>er Anzeiger“<br />
jungen Frau rührte. Er setzte<br />
und druckte mit seiner kleinen<br />
Handpresse das erste „Wochenblatt<br />
für <strong>Nossen</strong>, Siebenlehn<br />
und Umgebung“. Die junge<br />
Frau stand an der Handpresse,<br />
der Mann setzte die Schriften<br />
und so kam das „Wochenblatt“<br />
zustande; an Abonnenten fehlte<br />
es nicht.<br />
<strong>Nossen</strong> war vordem auf das<br />
„Wochenblatt für Wilsdruff,<br />
Tharandt, <strong>Nossen</strong>, Siebenlehn<br />
und die Umgebung“ angewiesen,<br />
welches mit Königlicher<br />
Konzession ausgestattet, seit<br />
1840 erschien und von Moritz<br />
Christian Klinkicht jun. in<br />
Meißen gedruckt wurde. Von<br />
diesem „Wochenblatt“ erschien<br />
jeden Freitag eine Nummer im<br />
Quartformat. Der Preis für den<br />
Vierteljahrgang betrug 10 Neugroschen.<br />
Bekanntmachungen,<br />
welche im nächsten Stück<br />
erscheinen sollten, wurden in<br />
<strong>Nossen</strong> bis Mittwoch vormittags<br />
11 Uhr in der Wochenblatt-<br />
Expedition entgegengenommen.<br />
Für <strong>Nossen</strong> fing nun mit<br />
dem Erscheinen eines eigenen<br />
Blättchens eine neue Zeit an.<br />
So arbeiteten die jungen Hensels<br />
fleißig 2 Jahre. Da kam die<br />
Zeit, dass die Schulräume der<br />
<strong>Nossen</strong>er <strong>Schule</strong>, welche sich in<br />
dem vor wenigen Jahren erbauten<br />
Hause neben der Superintendentur<br />
an der oberen Dresdner<br />
Straße befand, und welche<br />
der Schreiber (Robert Mutze)<br />
noch besucht hatte zu klein<br />
wurden. Die <strong>Schule</strong> wurde in<br />
das früher Eckelmannsche<br />
Bauern-Grundstück neben dem<br />
„Deutschen Haus“ (jetzt die<br />
Das „neue“ Druckhaus in der Dresdner Straße 4.<br />
Heute befindet sich darin eine Fahrschule.<br />
Einmündung der Bismarckstraße<br />
in den Untermarkt) verlegt.<br />
Das geschah im Jahre<br />
1849, in dem Jahre, wo ich konfirmiert<br />
wurde. Die früheren<br />
niedrigen Kuhställe waren zu<br />
Klassenzimmern umgebaut.<br />
Noch lebhaft sind mir bei der<br />
<strong>Schule</strong>inweihung die Worte des<br />
damaligen Superintendenten<br />
Locke in Erinnerung geblieben:<br />
„Hier, wo vordem dem Tier das<br />
leibliche Futter geboten wurde,<br />
sollen nun unsere Schüler die<br />
geistige Nahrung erhalten.“<br />
Der Buchdrucker C. F. Hensel<br />
war schnell bei der Hand und<br />
kaufte das alte, aber bessere<br />
Schulhaus als Buchdruckerei, in<br />
welchem Grundstück sie heute<br />
noch besteht. Auch wurde bald<br />
mit der Buchdruckerei „Buchund<br />
Papierhandel“ verbunden;<br />
so ging das Geschäft rüstig vorwärts.“<br />
„Neben seiner Tätigkeit machte<br />
sich der Vater Hensel auch in<br />
städtischen Angelegenheiten<br />
nützlich und wurde bald als<br />
Stadtrat und Kirchenvorstandsmitglied<br />
gewählt. Auch half er<br />
mit den Spar- und Darlehns-<br />
Verein (jetzt <strong>Nossen</strong>er Bank<br />
A.G.) zu gründen. Über alle die<br />
Ehren ging ihm sein lieber „Liederkranz“,<br />
und habe auch ich, da<br />
ich Mitglied im Alter von 23<br />
Jahren wurde, schöne Erholungsstunden<br />
dort verlebt.<br />
Leider trat der Tod an den<br />
Gründer des ersten <strong>Nossen</strong>er<br />
Wochenblattes, an den hochgeachteten<br />
Menschenfreund zu<br />
schnell heran. Tief betrauert von<br />
Stadt und Land, ging sein Weg<br />
im Jahre 1878 ins Himmelreich.<br />
Sein Sohn Emil übernahm nun<br />
in jungen Jahren das Geschäft<br />
und es wurde dasselbe von ihm<br />
gut fortgeführt. Zum fünfzigsten<br />
Jahrgang des Blattes wurde<br />
es als Tageblatt, wie heute noch,<br />
herausgegeben. Leider nahm<br />
auch hier der Tod sein Opfer. In<br />
noch rüstigem Mannesalter verstarb<br />
im August 1909 der Sohn<br />
des Gründers der <strong>Nossen</strong>er<br />
Buchdruckerei. Im neuen Friedhof<br />
ruht die irdische Hülle.<br />
In noch jugendlichem Alter<br />
übernahm der jetzige Besitzer<br />
das Geschäft, welches in der jetzigen<br />
schlechten Zeit besonders<br />
schwer zu kämpfen hat. Aber<br />
wer hofft nicht auf bessere Zeiten!<br />
Diese Hoffnung wollen<br />
auch wir beim fünfundsiebzigsten<br />
Erscheinen des „Anzeigers“<br />
fest halten, und so hoffe auch<br />
ich auf eine bessere Zeit.Wenn<br />
auch unsere Tage gezählt sind,<br />
aber die Hoffnung darf man<br />
nicht sinken lassen. Mit dem<br />
Wunsche, dass sich diese Hoffnung<br />
bald erfüllen möge, will<br />
ich schließen. Wie bald vergehen<br />
fünfundzwanzig Jahre, dann<br />
ist der hundertste Jahrgang in<br />
einer hoffentlich, wieder besseren<br />
Zeit erreicht. Das walte<br />
Gott. Robert Mutze.“<br />
Diese Hoffnung von Herrn<br />
Mutze erfüllte sich aber leider<br />
nicht mehr.<br />
Allein im Jahr 1923 verteuerte<br />
sich der Abo-Preis infolge der<br />
Inflation von monatlich 840<br />
Mark (Einzelpreis 35 Mark) auf<br />
am 31. Dezember 1923 1000<br />
Milliarden Mark, bei einem<br />
Einzelpreis von 170 Milliarden<br />
Mark. Hinzu kam jeweils noch<br />
die Zustellgebühr! Sehr oft liest<br />
man in dieser Zeit auch die<br />
dringende Bitte des Verlages,<br />
doch sofort die noch ausstehenden<br />
Rechnungen in bar zu<br />
begleichen, da sonst die Lieferung<br />
eingestellt würde. Ab dem<br />
15. November 1923 konnten die<br />
Anzeigen nur noch mit Goldmark<br />
bezahlt werden. So kostete<br />
eine Reklamezeile 50 Goldpfennige,<br />
das waren damals umgerechnet<br />
ca. 75 Milliarden<br />
Papier-Mark !<br />
Der „<strong>Nossen</strong>er Anzeiger“ erschien<br />
noch bis 1945.<br />
Jürgen Gauernack<br />
Quellennachweis:<br />
Beilage zum <strong>Nossen</strong>er Anzeiger vom 23. September<br />
1923, Heimatmuseum <strong>Nossen</strong><br />
Foto: Heimatmuseum <strong>Nossen</strong><br />
November 2008 I Nossner Rundschau 25