märz 2012 - experimenta.de

fernöstlichen Sonnenuntergangs bei. Der Sonnenball hat sich nun ganz hinter die Kuppe des
Mount Davis verzogen und färbt den Himmel über der Insel in schmieriges Rot. Um mich
herum wuselt es wie in einem Ameisenhaufen und lärmt es wie in einem großen Call-Center.
Unaufhörlich fließt der Strom touristischer Festlandchinesen über die Plattform. Sie lieben es,
sich kreuz und quer zu unterhalten. Um dies zu schaffen, überbrüllt der eine den anderen.
Damit noch nicht genug, schreien sie auch wie wild in ihr Mobiltelefon. Wahrscheinlich
könnten sie auch direkt ohne dieses Gerät miteinander kommunizieren. Der Lärmpegel ist
nicht romantisch. Und der Sonnenuntergang auch nicht. Aus dem Meer der asiatischen
Touristen ragen ab und zu auch westliche Türme heraus. Die versprengten Gweilo-
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Grüppchen sind zwar etwas leiser, dafür behäbig und linkisch in ihren Bewegungen. Man
könnte die Westler auch als ruppig ansehen, aber es ist nicht klar, ob sie so ungelenk und
grobschlächtig sein wollen oder es sein müssen wegen der wuseligen Behändigkeit der
Asiaten. Ich starre wieder nach Wan Chai, um doch noch meinen Häuserblock zu erspähen,
als mir von rechts hinten ein bayrisches „Mei, is des schee! Da mechat ma goa nimma hoam“
ins Ohr fällt.
Ja, vielleicht, denke ich, vielleicht aber auch nicht. Ungewollt beginne ich wieder auf
Deutsch zu denken und fühle eine warme Verbundenheit sogar mit den Bayern in mir
aufsteigen, auch wenn es Blödsinn ist, was sie gesagt haben. Nun schlittert mir wieder und
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wieder die Zeile „Heimat, süße Heimat, wann werden wir uns wiedersehen?“ durch den Kopf.
Ich weiß nicht recht, was ich dazu denken soll. Ist nicht Hongkong meine jetzige Heimat, bin
Gweilo: Kantonesisches Wort für Ausländer.
Zeile aus einem Lied der einstigen Kabarett-Gruppe „Insterburg & Co“.
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© Florian Czech
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März 2012