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märz 2012 - experimenta.de

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tanzten diese Chassidim im Zentrum Jerusalems. Ihre Hem<strong>de</strong>n waren feucht, die Hüte fielen<br />

ihnen fast vom Kopf und sie trugen ihre Kin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Schultern.<br />

„Warum freuen sie sich?“, fragten sich die Passanten, „Wenn man doch angesichts <strong>de</strong>s<br />

Lebens lieber sterben wür<strong>de</strong>.“ „Warum tanzen sie, wenn einem nach Weinen zumute ist? Sind<br />

sie Seher o<strong>de</strong>r fahren<strong>de</strong> Sänger, die ein Unheil ankündigen?“<br />

Merkwürdig tanzen die Chassidim, <strong>de</strong>m Schicksal ergeben, eifrig, entrückt. Sie haben sich in<br />

ihrem Universum eingeschlossen, gemäß <strong>de</strong>r Zeit und <strong>de</strong>m Gesetz…<br />

Sie waren zwanzig. Wir, die Zuschauer waren ungefähr zweihun<strong>de</strong>rt. Alles „Russen“. Sie<br />

lu<strong>de</strong>n uns in <strong>de</strong>n Kreis. Boten uns Wein an – wir tranken nicht. Auch die Israelis ließen sie links<br />

liegen. Was konnte man da über uns sagen?<br />

Die Chassidim haben mit dieser Er<strong>de</strong> ihre eigene Beziehung.<br />

Wir haben unsere.<br />

Und jemand an<strong>de</strong>rs hat wie<strong>de</strong>rum ein ganz eigenes Verhältnis dazu.<br />

Und wie<strong>de</strong>r dachte ich, dass sie sich nicht über uns ärgern. Sie hatten nur Mitleid mit uns.<br />

Vielleicht wollten sie auch nur <strong>de</strong>n Russen erklären, was ein Ju<strong>de</strong> eigentlich ist. Wenn ich mit<br />

einem Sabra (gebürtiger Israeli) re<strong>de</strong>, habe ich dasselbe Gefühl: Kommt, ich erkläre euch<br />

jetzt, was ein Ju<strong>de</strong> ist.<br />

In einem Kinofilm fing ein Ju<strong>de</strong>, das Oberhaupt einer großen Familie, an zu singen, als er vor<br />

<strong>de</strong>m Erschießungskommando auf die weinen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r blickte. Er sang ganz leise, doch die<br />

Melodie übertönte das Weinen. Und am En<strong>de</strong> brachte er alle, die stehen konnten, dazu, sich<br />

zu erheben und zu tanzen. Merkwürdig tanzten sie, <strong>de</strong>m Schicksal ergeben, eifrig, entrückt…<br />

Wer bist Du, Ju<strong>de</strong>?<br />

Wo bist Du, Ju<strong>de</strong>?<br />

In welcher biblischen Einö<strong>de</strong> hat sich <strong>de</strong>in „Ich“ verkrochen?<br />

In welcher Dimension? Vielleicht in allen gleichzeitig?<br />

…Wir saßen am Fuß <strong>de</strong>s Klosters und es schien, als gäbe es nichts mehr zu bere<strong>de</strong>n. Die<br />

Sonne ging langsam unter. Und plötzlich erzählte einer eine Parabel.<br />

Ein Chassidim beschwerte sich bei Rabbi Sesva über gewisse Leute, die nachts Karten<br />

spielten. „Herrlich.“, antwortete <strong>de</strong>r Zadik (<strong>de</strong>r Gerechte). „Wie alle an<strong>de</strong>ren Leute auch<br />

wollen sie Gott dienen, aber sie wissen eben nicht wie. Und so lernen sie, sich die Nacht um<br />

die Ohren zu schlagen und sind ständig beschäftigt. Wenn sie darin vollkommen gewor<strong>de</strong>n<br />

www.eXperimenta.<strong>de</strong> 36<br />

März <strong>2012</strong>

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