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Elīna Garanča:<br />
„WIRKLICH WICHTIG SIND DIE SCHUHE“ -<br />
Aufgezeichnet von Ida Metzger und Peter Dusek<br />
212 Seiten, Ecowin Verlag, 2013<br />
Früher schrieb man Memoiren, wenn man alt war. Heute tun es – vor<br />
allem in der Welt der Schauspieler, Sänger, Medienleute – bereits junge<br />
Leute, die wie Elīna Garanča das Beste noch vor sich haben (zumindest ist<br />
sie selbst davon überzeugt). Aber zugegeben, von der Karriere der 37-Jährigen<br />
gibt es bereits genug zu berichten, um ein Buch zu füllen. Ida Metzger<br />
und Peter Dusek haben aufgezeichnet, was es zu erzählen gibt.<br />
Die titelgebenden Schuhe sind für die Karriere vielleicht nicht ganz so<br />
wichtig, obwohl es eine einsichtige Anekdote darüber gibt. Wichtiger war<br />
wohl, dass die kleine Elīna Garanča aus Riga schon von Geburt an in<br />
Richtung Kultur geprägt wurde: Das erste Kapitel nennt sich „Zwischen<br />
Kuhstall und Musiksalon“, und da war der Musiksalon der Eltern schon<br />
um einiges prägender. Dass die Großeltern am Land lebten und Elina am<br />
Bauernhof den Kühen („Sie waren mein erstes Publikum“) vorspielte und<br />
vorsang, ist ihr deshalb so wichtig, weil sie stolz auf ihre lettische Herkunft<br />
ist – Tochter eines Volkes, das immer singt und tanzt, wie es heißt. Und sie<br />
möchte, dass ihre Kinder (Tochter Nr. 2 wird derzeit noch erwartet) etwas<br />
über die Welt wissen, aus der ihre Mutter herkommt. Papa Karel Mark<br />
Chichon, der in Gibraltar geboren wurde, ist eine spanisch-englische Mischung,<br />
wie es scheint. Nun, Elīna Garanča tut sich – das Leben eines<br />
Opernstars ist international – in vielen Welten und Sprachen um: Lettisch,<br />
Russisch, Deutsch, Spanisch, Englisch. Nur mit dem Französischen<br />
steht sie auf Kriegsfuss, obwohl sie doch eine berühmte Carmen ist…<br />
Die Jugend der am 16. September 1976 in Riga Geborenen war nicht<br />
leicht, denn noch war das Baltikum Teil der Sowjetunion, man lebte unter<br />
teils elenden Bedingungen, die prägten: „Diese Überlebensnot von damals<br />
gibt mir heute eine gewisse Gelassenheit, über kleine Probleme zerbreche ich<br />
mir nicht den Kopf. Unsere Generation hat gelernt: Arbeite und du wirst<br />
belohnt.“<br />
<strong>Der</strong> Weg in die Karriere war holprig, weil Elīna Garanča zwar als kleines<br />
Mädchen erklärt hatte, sie wolle Sängerin werden wie die Mama – aber als<br />
sie älter wurde, keineswegs mehr von dieser Idee besessen war. Tatsächlich<br />
wusste sie in ihrer Jugend eine zeitlang gar nicht, was sie wirklich wollte.<br />
Schauspielerin wurde nichts, Kulturmanagement auch nicht, Musikpädagogin<br />
ebenso wenig. Und die Stimme? Viele Discos und viele Zigaretten<br />
schienen da ihr Zerstörungswerk getan zu haben. Nun, um eine lange Geschichte<br />
kurz zu machen: Sie nahm doch Gesangsunterricht. Und merkte,<br />
dass ohne harte Arbeit nichts geht. Das machte ihr Mama-Gesangslehrerin<br />
auch klar.<br />
Ihre erste große Reise führte Elīna Garanča 1998 nach Wien, um dort<br />
mit ihrer rumänischen Gesangslehrerin zu arbeiten. Vielleicht stand sie<br />
am Galerie-Stehplatz neben Leuten, die ihr heute begeistert zujubeln. Sie<br />
nahm am Hans-Gabor-Gesangwettbewerb teil und wurde von Christine<br />
Mielitz nach Meiningen engagiert.<br />
Von da an kann man jeden einzelnen Auftritt der Elīna Garanča, von ersten<br />
Konzerten und ihrem Debut 1999 als Dritte Dame in Meiningen im<br />
Anhang nachlesen – Vorstellung für Vorstellung bis zum 18. August 2013,<br />
das Verdi-Requiem unter Muti in Salzburg. (Es hätte eigentlich genügt,<br />
die jeweiligen Blöcke einer Rolle zusammen zu fassen, aber immerhin haben<br />
die Herausgeber in Bienenfleiß ja auch, soweit möglich, die einzelnen<br />
Partner der Garanča angeführt.)<br />
Elīna Garanča brachte sich selbst Deutsch bei und sang sozusagen – viel zu<br />
jung, wie sie selbst wusste – auf Anhieb den Octavian. Von da an erzählt<br />
sie von Rolle zu Rolle, wie sie sich der jeweiligen Figur und den stimmlichen<br />
Anforderungen nähert. (Dass es auch noch Inhaltsangaben zu den<br />
Opern gibt, ist eigentlich nicht wirklich nötig.)<br />
Von Meiningen ging es über Frankfurt nach Wien. Das Kapitel Ioan Holender<br />
packt das Buch vorsichtig an (sie nennt ihn immerhin den „ebenso<br />
launischen wie mächtigen Operndirektor“) – man weiß, dass die beiden<br />
sich nicht auf die Dauer gut verstanden haben. Aber er gab ihr die Chance<br />
an der Wiener Staatsoper, und sie arbeitete sich hoch, von Nebenrollen<br />
(Debut als Lola in der „Cavalleria“, derzeit strebt sie für die zweite Karrierehälfte<br />
die Santuzza an) zur „Werther“-Premiere.<br />
Und auch parallel lief es dann Schlag auf Schlag: Salzburger Festspiele, Paris,<br />
Aix, Berlin, Baden-Baden…Vieles sei im Opernleben das, was sie „die<br />
Kunst des richtigen Zeitpunkts“ nennt. Etwa die zeitweise „Paarung“ mit<br />
Anna Netrebko, die dunkle Russin und die blonde Lettin, die sich so gut<br />
vermarkten ließen, nicht nur in der „Anna Bolena“ und den „Capuleti“,<br />
auch in vielen spektakulären Groß-Konzerten. Von einer privaten Freundschaft<br />
zwischen den beiden kann hingegen nicht die Rede sein.<br />
Elīna Garanča sang an der Met (debutierte als Cenerentola, obwohl Rossini<br />
ein Komponist ist, den sie nicht besonders mag), sie sang in München,<br />
in Covent Garden, nur an der Scala hat es bisher nur für Konzerte gereicht.<br />
Seit einem knappen Jahrzehnt gibt es den Dirigenten Karel Mark<br />
Chichon in ihrem Leben, den sie 2006 geheiratet hat. Offensichtlich stolz<br />
ist die Garanča auf die jährlichen Konzerte in Stift Göttweig, die sie mit<br />
ihrem Mann initiiert hat. Man versucht, zusammen zu arbeiten, erzwingt<br />
es aber nicht. Seit man eine Familie ist, hat sich der Alltag zweier reisender<br />
Künstler mit Kleinkind zu einer logistischen Herausforderung erster Ordnung<br />
verkompliziert.<br />
Sie ist eine Karriereplanerin, man sah es an ihrer Carmen, die sie 2007<br />
in Riga „ausprobierte“ und dann faktisch in jedem großen Opernhaus der<br />
Welt sang, wobei es ihr Spaß machte, in jeder Inszenierung anders auszusehen<br />
und auch zu spielen. Die erste vorgesehene Wiener „Carmen“ 2010<br />
hat Elīna Garanča „streichen müssen“ (ohne genauere Gründe anzugeben),<br />
Holender war erbost, nicht zum ersten Mal (schließlich ließ sie Ende<br />
Dezember 2008 einen Wiener „Barbier“ sausen, um am nächsten Tag ein<br />
Fernseh-Silvesterkonzert in Baden-Baden zu singen, was sie mit Krankheit<br />
entschuldigt…nicht alle Erklärungen wirken gänzlich glaubhaft). Sie sang<br />
die Carmen in Wien dann erst in der Direktion Meyer und überraschte das<br />
Publikum als kühle Blonde, der man die leidenschaftliche Zigeunerin nicht<br />
so recht abnahm…<br />
Elīna Garanča hat, als ihre Karriere gar zu stürmisch zu werden drohte,<br />
die Bremse gezogen. Brachte im September 2011 ihre Tochter Katie zur<br />
Welt, die sie von jeder Publicity fernhält. Das zweite Kind wird Ende 2013<br />
erwartet – und dann hat die Garanča einen Karriere-Schwenk ins Hochdramatische<br />
vor. Santuzza, Eboli (die sie mit Eleganz spielen möchte) und<br />
Amneris sind die Rollen, die sie sich vornimmt, obwohl sie meint, dann<br />
wahrscheinlich nur noch bis Mitte 50 singen zu können. Nun, das sind<br />
dann auch noch fast zwei Jahrzehnte – das füllt dann sicher einen nächsten<br />
Memoirenband.<br />
Dieser liest sich gut, gibt den Lebenslauf chronologisch wieder, hält aber<br />
immer wieder auch inne, um grundsätzlichen Überlegungen Platz einzuräumen.<br />
Sie erzählt beispielsweise (nicht als Erste), wie einsam das Leben<br />
eines Opernstars wochenlang in fremden Städten sein kann (im Gegensatz<br />
zu vielen Kollegen hegt sie keine Vorliebe für New York). Sie berichtet auch<br />
von künstlerischen Selbstzweifeln.<br />
Und sie legt großen Wert darauf, nicht als „Star“, sondern als ganz normale<br />
Frau zu erscheinen, die ein ganz normales Leben führt, wenn sie nicht auf<br />
der Bühne steht, die dann ins Fitness-Center geht und sich beispielsweise<br />
über ihren „grünen Daumen“ freut. Die erdverbundene „lettische Seele“ des<br />
„intellektuellen Bauernmädchens“ (Selbstdefinition) steht am Anfang und<br />
am Ende des Buchs, an dessen Nachspann man dann nur ein Personenregister<br />
schmerzlich vermisst. <br />
Renate Wagner<br />
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