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Europa<br />

punkt selbst setzte sich Wotan Vitalij Kowaljow als Hüter der Macht mit<br />

kräftigem Bariton, aber schwer verständlichem Deutsch. Die unglaublich<br />

schön timbrierte Stimme ist gut fokussiert, nur schade, dass er die Partie<br />

noch nicht ganz auswendig konnte. Die launische und berechnende<br />

Fricka war hervorragend besetzt mit Tanja Ariane Baumgartner. Sie bestach<br />

durch prägnanten Ausdruck und starken Gesang. Marion Ammann<br />

als Freia wartete mit jugendfrischem Sopran auf und überzeugte in ihrer<br />

Erscheinung, blond und groß gewachsen.<br />

Ausgezeichnet präsentierten sich Fasolt Martin Snell und Fafner Martin<br />

Blasius mit ebenmäßigem Schöngesang. Grandios in Stimme, Ausdruck<br />

und Erscheinung die Erda von Jordanka Milkova. Mehrere Kritiker renommierter<br />

Fachzeitschriften schätzen sie als eine der besten Nachwuchskünstlerinnen<br />

ein und prophezeien ihr eine große Karriere.<br />

<strong>Der</strong> Bayreuth-geprüfte Loge des Niederländers Arnold Bezuyen kam<br />

als imposanter Charaktertenor daher, mit viel ironischem Witz, gekonntem<br />

Spiel, schönem Timbre, empfindsamen lyrischen Tönen und perfekter<br />

Diktion.<br />

Das Götterquartett komplettierten John Uhlenhopp als Froh mit einem<br />

etwas zu großen Vibrato und der Bariton Robin Adams als cholerischer<br />

Donner, der mit stimmlicher Rauheit immer wieder dazwischenfuhr. Andreas<br />

Jäggi bot als Mime mit strahlkräftigem Tenor eine verspielte, aber<br />

genaue Charakterisierung, darstellerisch wie stimmlich. Die Rheintöchter<br />

waren ebenfalls gut besetzt, die neckische Woglinde Ljupka Rac, die<br />

verführerische Wellgunde Christine Buffle und die schöne Flosshilde Susannah<br />

Haberfeld boten solide Leistungen.<br />

Stolz darf man verkünden: Dieses „Rheingold“ war orchestral und stimmlich<br />

fulminant. Freuen wir uns auf die komplette Tetralogie und treffen<br />

uns wieder in einem Jahr bei der „Walküre“ in Biel… Marcello Paolino<br />

Genf: „Die Walküre“ –<br />

Grand Théâtre de Genève, 7.11.<br />

Wotan straft seine liebste Tochter Brünnhilde, indem er sie verbannt und<br />

ihr ein Schicksal als Hausfrau, als Mensch, beschert. Wehr- und willenlos<br />

soll sie auf dem Berggipfel schlafen, bis ein Mann sie nimmt. Brünnhilde<br />

ist das Bauernopfer in einem System voller Abhängigkeiten und Intrigen.<br />

Getrieben vom Kampf ums eigene Überleben, ist eine freie Entscheidung<br />

nicht mehr möglich. Durch die Ausgrenzung Brünnhildes kann Wotan<br />

den Schaden von sich abwenden, um die Götter zu schützen. Ohne<br />

Zweifel ist der 3. Akt wohl der sensibelste und innigste Teil des gesamten<br />

„Ring“-Zyklus. Die Trennung ist rational nicht zu verstehen. Aber man<br />

kann begreifen, dass er ihr doch noch Schutz gewährt und sie doch nicht<br />

ganz schutzlos preisgeben will. Auf ihren Wunsch umgibt sie ein Feuerwall,<br />

nur ein tapferer Mann wird ihn durchschreiten, nur einer, der Wotans<br />

Speer nicht fürchtet.<br />

Hundings Haus bestand aus einer riesigen Baumwurzel, in die der Schutz<br />

suchende Siegmund wie ein unbeholfener Bär hineintappste, von seiner<br />

Zwillingsschwester Sieglinde liebevoll aufgenommen, verpflegt und von<br />

dem wenig erfreuten Hausherrn als Gast geduldet. Günther Groissböck<br />

spielte Hunding brutal und unzugänglich. Mit wunderbarem Klang beherrschte<br />

er seine verängstigte Frau total. So kann man sich häusliche<br />

Gewalt vorstellen, wenn er sie an den Haaren packte, demütigte, erniedrigte<br />

und sie das Messer zückte, um ihn am liebsten zu töten. Die stattliche<br />

Michaela Kaune wirkte ihrem schmächtigen Bruder gegenüber wie<br />

eine Hünin und gab der domestizierten Sieglinde mit ihrem kraftvollen,<br />

sicher geführten Sopran und wundervollen Pianis feinen Ausdruck. <strong>Der</strong><br />

Tenor Will Hartmann vermochte als verliebter Siegmund nicht ganz zu<br />

gefallen, geriet stimmlich an seine Grenzen und überzeugte in seiner Sorge<br />

um die bräutliche Schwester nicht wirklich.<br />

Jürgen Rose reduzierte die Handlung auf kleinstem Raum in einer unendlich<br />

grenzenlos wirkenden Weite. Das vermochte zu beeindrucken.<br />

Walküre-Finale 1.Akt: Michaela Kaune (Sieglinde) und<br />

Will Hartmann (Siegmund) (© GTG/Carole Parodi)<br />

Fricka Elena Zhidkova stellte nicht die Idealbesetzung einer beherrschten<br />

Fricka dar, man nahm ihr die überlegene Hüterin der Familie nicht<br />

ab und gesanglich war sie eher spröde und eindimensional. <strong>Der</strong> 3. Akt, in<br />

dem Dieter Dorn den „Walkürenritt“ auf einer kleinen Plattform spielen<br />

ließ, auf der die Töchter die toten Helden bargen, die verstoßene Brünnhilde<br />

vergebens Wotan um Mitleid für die schwangere Sieglinde anflehte<br />

und in echter Verzweiflung kniefällig ersuchte, die unerhörte Strafe wenigstens<br />

etwas zu mildern, wurde berührend und wirkungsvoll umgesetzt.<br />

Im Finale wirkte Wotan Tom Fox nicht nur etwas zu steif, sondern nuschelte<br />

ausdrucksschwach und mit seinen Stimmresten textunverständlich<br />

in sich hinein. Petra Lang war zweifelslos die Sensation des Abends,<br />

die mit viel Expressivität und Wohllaut, mit hervorragend sicher geführter<br />

Stimme der Brünnhilde überzeugende Gestalt gab.<br />

Zu großer Form lief auch das Orchestre de la Suisse Romande auf. Unter<br />

der profunden Leitung von Ingo Metzmacher glänzte das Orchester.<br />

Mit Dynamik, Flexibilität und innigen Farben sorgte er für anhaltende<br />

Spannung und gab der poetischen Gesamtwirkung viel Raum. Nicht die<br />

lauten Töne und anhaltenden Bögen waren gefragt, sondern das Reduzieren<br />

der Musik auf das Wesentliche, sich anpassend an das kammerhafte<br />

des Bühnenbildes, um somit eine Symbiose zu bilden, die sehr einleuchtend<br />

und gefällig war.<br />

Das Publikum war begeistert und bejubelte frenetisch die Protagonisten<br />

und die gesamte Regie. <br />

Marcello Paolino<br />

76 | DER NEUE MERKER 12/2013

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