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Deutschland<br />
schend, klar, duftig und schuf somit die feine, zarte Instrumental-Atmosphäre<br />
für dieses antike Epos. Paula Murrihy (Dido) verfügt zwar über eine<br />
angenehme, höhensichere Stimme, doch vermisste ich die warme Mittellage,<br />
welche der desparaten Königin die tragische Tiefe verleiht. Kernige, baritonale<br />
Substanz schenkt hingegen Sebastian Geyer dem bestens interpretierten<br />
Aeneas. Keck, angenehm im Timbre bezaubert Kateryna Kasper als<br />
Belinda. Elizabeth Reiter (Second Woman) steht ihr in nichts nach. Köstlich<br />
im Spiel, vokal überzeugend die drei Counter-Tenöre Martin Wölfel,<br />
Dmitry Egorov, Roland Schneider als Sorceress, first and second Witch.<br />
Ebenso trefflich fügen sich Michael Porter (Spirit/Sailor) sowie die prächtig<br />
agierenden Mitglieder des Opernchores ins turbulente Geschehen.<br />
„Herzog Blaubarts Burg“:<br />
Szenen einer ungewöhnlichen Eheverbindung á la Strindberg vermittelt<br />
Kosky auf der beweglichen Scheibe der dunklen Bühne mit den schwarzen<br />
Kostümen (Katrin Lea Tag), alles schwarz, abgrundtief wie die Seelenzustände<br />
der Protagonisten, welche sich mit großer darstellerischer Intensität<br />
schier bis zur Selbstaufgabe zerfleischen. Diese optischen Eindrücke<br />
gingen regelrecht unter die Haut. Mit schönen baritonalen Couleurs und<br />
markanter Diktion singt Johannes Martin Kränzle den Blaubart. Mir<br />
fehlte bei seinem bewundernswerten Schöngesang lediglich die dämonische<br />
Hintergründigkeit. Expressiv, flackernd in dynamischen Fortebereichen<br />
bewegte sich der Mezzo von Claudia Mahnke, doch seien ihr bei<br />
dieser intensiv gestalteten Judith jene weniger klangvollen Töne verziehen.<br />
Maestro Carydis entfesselt mit dem nun vollzähligen Orchesterapparat<br />
und ausgeklügelter Klangfarben-Dramaturgie eine spannende Analyse der<br />
gestörten Geschlechterbeziehungen. In blendender Verfassung vermittelt<br />
Blaubart und Judith - Johannes Martin Kränzle mit Claudia Mahnke<br />
(© Wolfgang Runkel)<br />
das bestens disponierte Orchester die ausdrucksstarke Tiefenschärfe, jede<br />
Phase, jede motivische Regung dieser gewaltigen Partitur. Bravo! Ein großer,<br />
packender Opernabend wurde lauthals bejubelt.<br />
Auf weitere Aufgaben dieses vortrefflichen Dirigenten hier am Hause und<br />
ganz besonders der Wiederaufnahme von „Tristan und Isolde“ darf man<br />
mit Spannung entgegen sehen. <br />
Gerhard Hoffmann<br />
„Ezio“ (Gluck) – Pr. 10.11.<br />
Mit „Ezio“ von Christoph Willibald Gluck hat an der Frankfurter Oper<br />
eine frühe Oper des späteren Reformers und Schöpfers einiger Repertoiregängiger<br />
Werke Premiere. Das Dramma in musica, auf ein Libretto des<br />
Balance an der Kante - Max Emanuel Cencic (Valentiniano)<br />
(© Barbara Aumüller)<br />
großen Barockdichters Pietro Metastasio. erlebte 1750 in Prag seine Uraufführung.<br />
Natürlich war der Ezio (Aethius)-Stoff eine große Barocknummer,<br />
und auch Händel schrieb eine Oper mit diesem Sujet. Später<br />
kommt der Held in Verdis „Attila“ vor.<br />
Ezio kehrt nach siegreicher Schlacht gegen die Attilas Hunnen nach Rom<br />
zurück, und Kaiser Valentinian eröffnet ihm, dass er sich mit seiner Geliebten<br />
Fulvia vermählen will und bietet ihm seine Schwester Onoria als<br />
Gattin an. Gleichzeitig plant der Vertraute des Kaisers, Massimo, einen<br />
Anschlag auf denselben, da er seine Frau vergewaltigt hatte. Das Attentat<br />
auf den Kaiser schlägt aber fehl. Ezio, der zu seiner Liebe steht und Onoria<br />
ausgeschlagen hat, gerät in Verdacht und wird verhaftet. Auf Bitten<br />
Fulvias und Onorias lässt Valentiniano den Feldherrn wieder frei, ordnet<br />
aber seine heimliche Ermordung durch Varo an. Da inzwischen der beauftragte<br />
Kaisermörder seinen Mordanschlag gestanden hat, lenkt Onoria<br />
den Verdacht auf Massimo, worauf dieser aufsteht, um den Kaiser selber<br />
zu erstechen. Da taucht der lebende, von Varo nicht getötete Ezio auf<br />
und verhindert die Ermordung des Kaisers, der daraufhin ihn und sogar<br />
Massimo begnadigt. Er verzichtet auf Fulvia und bleibt in diesem „lieto<br />
fine“, wie auch seine Schwester Onoria, die Ezio ebenfalls liebte, allein.<br />
Die Oper zeichnet sich durch viele spannende Secco-Rezitative aus, die<br />
die Handlung immer kurz vorantreiben. Dazwischen befinden sich meist<br />
längere Arien, alle mit Wiederholung des ersten Teils, die oft sehr empfindsam<br />
dahinplätschern. Einige Juwelen befinden sich aber auch darunter,<br />
besonders wenn sie so erfrischend gespielt werden wie vom stark reduzierten<br />
Frankfurter Museumsorchester, das mit kaum Vibrato, aber<br />
umso größerer Verve unter dem Dirigent Christian Curnyn agiert, der<br />
schon einige Preise mit diversen Barockensembles eigeheimst hat.<br />
Beim Regieteam mit Vincent Boussard (Inszenierung), Kaspar Glarner<br />
(Bühnenbild), Christian Lacroix (Kostüme), Joachim Klein/Licht<br />
und Bibi Abel/Video haben sich die Ideen anscheinend gegenseitig etwas<br />
neutralisiert, so dass die großen Akzente in der szenischen Umsetzung<br />
fehlten. In einem zur Bühne etwas versetzten rechteckigen Raum,<br />
der aber meist nach rechts offen war, spielten sich die vielen Szenen ohne<br />
Innen-Interieur (mit Ausnahme einer kleinen weißen Bank) ab. Zu Beginn<br />
soll eine Videoprojektion mit vielen Stuka-Fliegern wohl die Hunnenschlacht<br />
nach heute holen, danach sieht man nur reduzierte Projektionen<br />
und Schattenspiele, und zweimal fährt ein ominöses Eisenteil von<br />
oben herab, das seine Schatten wirft. Durch verschiedene, manchmal ab-<br />
62 | DER NEUE MERKER 12/2013