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Aktuelles aus Österreich<br />

lem zwei Werke des Lord Byron. Aus seinem Schauspiel „The Two Foscari“<br />

(1821) hat Francesco Maria Piave das Libretto zur entsprechenden<br />

Tragedia lirica von 1844 gewonnen. Den Stoff für das Melodramma tragico<br />

„Il Corsaro“ (1848) hat derselbe Textdichter von Byrons Verserzählung<br />

„The Corsair“ (1814) in einer italienischen Übersetzung hergeleitet.<br />

im Auftrag des Direktors der Mailänder Scala zwischen drei fertigen Libretti<br />

des angesehenen Felice Romani zu wählen und entschied sich für<br />

„das am wenigsten schlechte“ „Il finto Stanislao“, das vor ihm bereits Adalbert<br />

Gyrowetz komponiert hatte. Immerhin liegt selbst diesem ‚Durchläufer‘<br />

ein geschätztes Schauspiel – die Komödie „Le faux Stanislas“ von<br />

Alexandre-Vincent Pineux-Duval (1809) – zugrunde.<br />

Wesenszüge<br />

An einigen dramaturgischen Versatzstücken seien nun noch ein paar charakteristische<br />

Merkmale der frühen Opern Verdis hervorgehoben. Die Verbindungslinien<br />

zu den Werken seiner reifen und späten Meisterjahre ergeben<br />

und verstehen sich dabei wohl durchwegs von selbst.<br />

<strong>Der</strong> Sinnbezirk „Liebe und Politik“ durchzieht leitmotivisch eine ganze<br />

Reihe von Stücken aus dem betrachteten Jahrzehnt. Ob in „Nabucco“ die<br />

babylonische Königstochter Fenena dem feindlichen Hebräer Ismaele zugeneigt<br />

ist, in „Giovanna dʼArco“ die Titelheldin zwischen dem Kampf<br />

für das Vaterland und der Leidenschaft für ihren König schwankt, oder<br />

in „La battaglia di Legnano“ das emotionale Geschehen von den Wirren<br />

des Krieges überlagert wird: Immer ist es die Spannung zwischen subjektivem<br />

Gefühl und objektiven, realen Zwängen, die Friktionen und Konflikte<br />

erzeugt.<br />

<strong>Der</strong> Themenbereich „Vaterfiguren“, bei dem wir an spätere Werke wie „Rigoletto“,<br />

„La Traviata“ oder „Aida“ weiterdenken, ist gleichfalls eindrucksvoll<br />

repräsentiert: Ich erwähne in Auswahl den alten Dogen Francesco<br />

Foscari, die beiden konträren Gestalten Miller und Walter in „Luisa Miller“,<br />

den alten Massimiliano Moor in „I Masnadieri“, den Schäfer Giacomo,<br />

der seine Tochter Giovanna, die er von bösen Geistern besessen<br />

glaubt, verflucht.<br />

Auch an „Außenseitern“, modern gesprochen „Outlaws“, wie wir sie von<br />

Manrico, Alvaro oder Violetta Valéry kennen, mangelt es im Frühwerk keineswegs:<br />

Corrado, der Korsar, hatte sich einst aus enttäuschter Liebe den Piraten<br />

angeschlossen. Ernani, eigentlich Herzog Juan von Aragon, lebt nach<br />

der Hinrichtung seines Vaters als Rebell in der Verbannung. Und Carlo,<br />

also der Karl Moor der Vorlage, ist nach einem gefälschten Brief seines<br />

Anna Netrebko in Giovanna d‘Arco Salzburg 2013 (© Salzburger Festspiele)<br />

Und noch weitere Frühwerke aus dem so produktiven Dezennium verdanken<br />

sich der – zumindest nach damaligen Wertmaßstäben – großen<br />

Literatur. Die wohl merkwürdigste und nur schwach rezipierte Oper „Alzira“<br />

(1845, Salvatore Cammarano) mit ihrem exotischen Ambiente im<br />

Kriegsgeschehen zwischen Spaniern und Inkas geht auf Voltaires Tragödie<br />

„Alzire ou Les Américains“ (1736) zurück. Das Künstlertandem modernisierte<br />

den alten, ethisch-religiös befrachteten Stoff zu einem Liebesdrama<br />

mit politischem Hintergrund und verlieh der Handlung mit<br />

griffigen Etiketten weitere Brisanz: „<strong>Der</strong> Gefangene“ – „Leben um Leben“<br />

– „Die Rache eines Wilden“.<br />

Auch das beim Publikum ebenso erfolgreiche wie finanziell ertragreiche<br />

Dramma lirico „Ernani“ (1844, Francesco Maria Piave) verdankt sich einer<br />

bedeutenden literarischen Vorlage: Kein Geringerer als Victor Hugo,<br />

auf den die beiden Schöpfer später bei „Rigoletto“ erneut zurückgreifen<br />

werden, war der Autor des Schauspiels „Hernani ou Lʼhonneur castilien“<br />

(1830). Und selbst den stofflichen Hintergrund und die ästhetische Inspirationsquelle<br />

für „I Lombardi alla prima crociata“ (1843, Temistocle<br />

Solera) bildete das damals berühmte und vielgelesene gleichnamige Epos<br />

des renommierten Schriftstellers Tomaso Grossi.<br />

Etwas abseits steht nur das literarische Angebot zu Verdis – auch aus bekannten<br />

biographischen Gründen – nicht recht geglückter komischer<br />

Oper „Un giorno di regno“ (1840). <strong>Der</strong> blutige Anfänger hatte damals<br />

1995 in Wien: José Carreras als Stiffelio mit Mara Zampieri<br />

als ungetreue Ehefrau (© Axel Zeininger)<br />

intriganten Bruders Francesco zum Haupt einer Räuberbande geworden.<br />

„Die notorischen Gegner“, zumeist um die Gunst einer geliebten Frau,<br />

bisweilen auch („I Masnadieri“, „I Lombardi“) feindliche Brüder, sind regelmäßig<br />

auf verschiedene Stimmcharaktere verteilt. Meist ist der Tenor<br />

der erfolgreiche Kandidat (Carlo Moor, Ernani, Rodolfo in „Luisa Miller“).<br />

In „Alzira“ verkörpert der Inkahäuptling Zamoro zugleich den Zeittypus<br />

des edlen Wilden, der gleichwohl aus Eifersucht zum Mörder am<br />

Nebenbuhler wird. Dieser, der spanische Gouverneur Gusman verzeiht<br />

freilich wie später Riccardo im „Ballo in maschera“ noch im Sterben dem<br />

Attentäter und sorgt so für ein versöhnliches Ende.<br />

4 | DER NEUE MERKER 12/2013

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