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Deutschland<br />

ten gaben den Tönen ihre Form, ohne übertrieben „gespuckt“ zu werden.<br />

Als Brangäne war die mir unbekannte Julia Faylenbogen zu hören. Mit einer<br />

schönen Mezzostimme versehen, mit guter Höhe, sang sie den Wachtgesang,<br />

auf dem Balkon über dem Orchester platziert, volltönend und<br />

eindringlich. Als Tristan war Michael Baba mit von der Partie. Ein solider,<br />

guter Wagner-Sänger, alles gelingt ihm und man hat bei ihm nie das<br />

Gefühl, dass es ihm sonderlich Mühe bereiten würde, gegen die Wagnersche<br />

Orchesterflut anzusingen. Doch während seine Isolde in Ausdruck<br />

und Gebärde ganz in der Rolle war, wirkte Baba dagegen eher wie ein reservierter<br />

Konzertsänger und gab nicht viel Ausstrahlung ab. Leider war<br />

die Besetzung des Königs Marke mit Robert Holl kein guter Griff. Holl,<br />

eine lange und solide Karriere hinter sich wissend, investierte viel in den<br />

Monolog, aber leider wollte die Stimme nicht recht mitmachen. Zu hohl<br />

und knarrig klang sie, um den Argumenten Markes jene Eindringlichkeit<br />

zu verleihen, die sie sonst auch haben. Schade, dass wir Holl so hören mussten.<br />

Dagegen nahm Thomas de Vries als Melot seine Chance wahr, seine<br />

Anklage bebend vor Wut vorzubringen. Leider hat der Kurwenal im 2. Akt<br />

nur höchst wenig zu singen – von Marios Sarantidis hätte man gern mehr<br />

vernommen. – Nach der Pause gab‘s dann noch ein hervorragend musiziertes<br />

Vorspiel zum 1. Akt und einen herrlich durchglühten Liebestod, in<br />

dem Dara Hobbs einmal mehr beweisen konnte, dass sie ein großer Gewinn<br />

für die Welt des aktuellen Wagner-Gesangs darstellt. Freuen wir uns<br />

auf weitere Begegnungen mit ihr! <br />

John H. Mueller<br />

Nürnberg: „DAS RHEINGOLD“<br />

Pr. – 30.11. –<br />

Freia und die Riesen (Michaela Maria Mayer mit Taehyun Jun und Nicolai<br />

Karnolsky) (© Staatstheater Nürnberg)<br />

Zum Abschluss des Wagner (und Verdi) Jahres 2013 hätte man sich ja<br />

gleich den ganzen RING DES NIBELUNGEN von Richard Wagner gewünscht,<br />

aber so mussten wir uns mit einem sehr vielversprechenden Ausblick<br />

des restlos ausverkauften Staatstheaters Nürnberg auf den RING<br />

mit RHEINGOLD zufrieden geben. Wenn das Publikum in atemloser<br />

Stille verharrt und kein auch noch so kleiner Laut die Andacht trübt, und<br />

man erwartungsvoll lauscht…dann beginnt das tiefe Es der Kontrabässe…<br />

und der erste wohlige Schauer überläuft den Rücken des Wagnerianers…<br />

dann ist es so weit: Mit dem Vorabend des Bühnenfestspiels RING DES<br />

NIBELUNGEN beginnt die erhabene Tetralogie.<br />

Das Bühnenbild von Stefan Brandtmayr in der Inszenierung von Georg<br />

Schmiedleitner hinterlässt so den Eindruck, dass alles auf einer riesigen<br />

Müllhalde passiert. Und dies in den mehr oder weniger beliebigen Kostümen<br />

von Alfred Mayerhofer. Unmengen von Plastikfolie und Wasserflaschen<br />

sind auf dem Boden mehr oder weniger kunstvoll drapiert, sollen<br />

wohl die Wogen des Rheins darstellen. Dann senkt sich noch ein Algenwald<br />

herab und wir sind wirklich unter Wasser. Inmitten dieser Szenerie<br />

erhebt sich ein riesiges Podest mit echten Badewannen, in denen die Rheintöchter<br />

umher plantschen und den armen Alberich nassspritzen. Dieser<br />

bemächtigt sich ja bekanntlich des Goldes und lässt selbiges in flüssiger<br />

Form mit so einer Art Dusche aus dem Kanister über sich laufen…Wotan<br />

bedient Fricka erst von hinten, dann von vorne und genießt schlussendlich<br />

auf einem Sofa, das sich in den Plastikmüll verirrt hat, die sogenannte<br />

Reiterstellung. Da allen Wagners Musik heilig ist, ertönen keine<br />

Szene-Buhs. Was Wunder, dass der Götterboss von diesen Aktivitäten, die,<br />

damit sie auch ja keiner verpasst, per Videoprojektion von Boris Brinkmann<br />

und Stefan Brandtmayr auf den Bühnenhintergrund in Großaufnahme<br />

projiziert werden, ermattet ist; aber mit den Worten „Wotan! Gemahl!<br />

Erwache!“ wird der Chef nach gehabten ehelichen Vergnügungen<br />

nun wieder auf die Bühne heldisch-göttlicher Aktion zurück gerufen. Und<br />

die ist bitter vonnöten, nahen doch die finsteren Riesen Fasolt und Fafner,<br />

um Freia als Lohn für die Vollendung Walhalls einzuklagen. Georg<br />

Schmiedleitner hat nicht mal den Versuch unternommen, uns mit Riesen<br />

zu konfrontieren, es sind einfach etwas derbe Herren in blauen Anzügen…<br />

Mit Loge geht’s dann ab in die Unterwelt. Hier sitzt, inzwischen kann er<br />

sich vom Golde einen Smoking leisten, Alberich, und dirigiert das ambosshämmernde<br />

Nibelungenorchester. Mime sieht aus wie ein Spätachtundsechziger<br />

Hippie-Aussiedler aus dem Haight/Ashbury District in San<br />

Francisco und muss viele Tritte und Schläge kassieren. <strong>Der</strong> Tarnhelm ist,<br />

wie schon oft gesehen, ein goldenes Tuch, das man sich über den Kopf<br />

legt, und Alberich wird erst zu einer Riesen-Raupe oder so und dann zu<br />

einem Froschkönig, der von Loge und Wotan auch gleich übel misshandelt<br />

wird. Ebenso kommt hier (in Video-Großaufnahme) die Version zur<br />

Darstellung, wonach Wotan Alberich den Finger abschneidet, um an den<br />

„gelben Reif“ zu kommen. Meiner Meinung nach gibt Wagner das aber<br />

nicht her…Wieder in der Götterwelt zurück, erscheint mit einem gewaltigen<br />

Blendscheinwerfer, der die Zuschauer die Hände vor die Augen halten<br />

lässt, Erda – mit blankem Busen und einer Fasanenfederkrone wie die<br />

Königin der Nacht, um Wotan zu ermahnen. Während Fricka ein weißrosa<br />

blinkendes Lebkuchenhaus, das sehr an die Walhalla bei Regensburg<br />

erinnern soll und mit einem „W“ verziert ist, hochhält, kann von der Burg<br />

Besitz genommen werden: Im Hintergrund der Bühne erscheint ein düsteres<br />

Gemäuer, das sehr an ein südamerikanisches Foltergefängnis erinnert,<br />

und zu den Klängen des „Einzugs der Götter nach Walhall“ transformiert<br />

sich dies in eine lichtdurchbrochene Fensterfront, während Loge<br />

über das Ende der Götter sinniert…<br />

Marcus Bosch am Pult der Staatsphilharmonie Nürnberg lässt das Rheingold<br />

quasi kammermusikalisch erklingen. Die Sänger werden’s ihm gedankt<br />

haben – und für Kenner war das ein echtes Bayreuth-Feeling. Allerdings<br />

glaube ich, dass die Mehrheit der Zuschauer einen laut krachenden<br />

Wagner bevorzugt hätte. <strong>Der</strong> Nürnberger Meistersinger, Stimmwunder<br />

Vincent Wolfsteiner (obwohl angesagt), führte die großartige Sängerriege<br />

an. Fabelhafte Darstellung des listigen Loge, perfekter Sang; aber ich<br />

glaube, hier hat er sich erst warmgelaufen für den „eigentlichen“ RING.<br />

Beeindruckend souverän der Wotan von Gast Egils Silinš, der mit überaus<br />

gepflegter Stimme kurzfristig für den eigentlich vorgesehenen Randall<br />

Jakobsh dankenswerterweise eingesprungen ist. Antonio Yang – ein unvergesslicher<br />

Alberich. Stark in der Stimme, stark im Spiel. Hans Kittelmann<br />

hatte als geplagter Schmied Mime zwar nur einen kurzen Auftritt,<br />

wusste sich aber insbesondere auch durch seine Darstellung der Partie in<br />

die Herzen der Zuschauer zu singen. Adäquate Leistungen von David Yim<br />

als Froh, Martin Berner als Donner, Taehyun Jun als Fasolt und Nicolai<br />

Karnolsky als Fafner. Ein Lob geht auch an Roswitha Christina Müller<br />

als Fricka und Michaela Maria Mayer als Freia und ein Extralob an Leila<br />

Pfister als Erda. Nicht zu vergessen auch die sexy drei Rheintöchter in –<br />

überraschend – zivilen Kostümen, nämlich Hrachuhí Bassénz als Woglinde,<br />

Leah Gordon als Wellgunde und Judita Nagyová als Flosshilde.<br />

Riesen-Applaus hochverdient für alle, am meisten für Vincent Wolfsteiner.<br />

Bei der Regie gab es im Publikum offenbar eine Große Koalition zwischen<br />

Buhrufern und Bravoschreiern: Unentschieden!<br />

Versäumen Sie nicht WALKÜRE am Sa.5. April 2014 in Nürnberg!<br />

<br />

Rüdiger Ehlert<br />

DER NEUE MERKER 12/2013| 57

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