06.05.2014 Aufrufe

Der neue Merker

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutschland<br />

Dresden: „Tannhäuser“ – 31.10.<br />

Peter Konwitschnys „Tannhäuser“ – Inszenierung stammt aus dem<br />

Jahre 1997. Von Abnutzungserscheinungen kann keine Rede sein. Bereits<br />

die Ouvertüre offenbarte die Qualitäten der Sächsischen Staatskapelle<br />

Dresden. Wagner selber hätte an seiner „Wunderharfe“ ungetrübte<br />

Freude gehabt. Constantin Trinks und seine Musiker zelebrieren<br />

einen mit angemessenen Tempi ausgestatten nervigen Wagner. Da wird<br />

nichts zu dick aufgetragen oder unnötig in die Länge gezogen. Wunderbar<br />

gelingt es, die Situationen auf der Bühne musikalisch zu untermalen.<br />

<strong>Der</strong> Sängerkrieg besitzt Präzision und dramatische Spannung –<br />

das Vorspiel zum 3. Akt gestaltet sich zu einem atmosphärisch dichten<br />

Stimmungsbild.<br />

Bei Konwitschny ist Tannhäuser der nach Wahrheit suchende Künstler.<br />

Die Wartburggesellschaft ist in ihrem Denken und Handeln verkrustet.<br />

Tannhäuser muss ihr den Rücken kehren. Die antike sinnliche Welt<br />

der Venus scheint ein Pendant zu sein, entpuppt sich jedoch als Albtraum.<br />

Die Suche nach dem Heil in Rom erweist sich ebenfalls als Irrfahrt.<br />

Während die anderen Pilger entsühnt, jedoch ihrer Identität beraubt,<br />

aus Rom zurückkehren, kriecht Tannhäuser zerknirscht auf die<br />

Bühne. An der Seite Elisabeths gibt er sich den Tod. Konwitschny findet<br />

für seine Lesart mit seinem Ausstatter Hartmut Meyer und seiner<br />

Kostümbildnerin Ines Hertel beeindruckende Bilder und Momente.<br />

Nicht jeder im Publikum wird diese Ansicht teilen. Freilich schlägt Konwitschny<br />

bei der einen oder anderen Szene auch über die Stränge. Aber<br />

das kennt man inzwischen.<br />

Innerhalb kürzester Zeit hatte Frank von Aken die Titelpartie übernommen.<br />

Er weilte in Dresden, um sich intensiv auf den Tristan vorzubereiten.<br />

Das Ergebnis muss daher mit Respekt betrachtet werden.<br />

<strong>Der</strong> Sänger verfügt über einen baritonal gefärbten Tenor, der sich kraftstrotzend<br />

in Szene zu setzen weiß. Angesichts tagelanger „Tristan“-Proben<br />

ging der Sänger ökonomisch mit seinen Kräften um. Ermüdungserscheinungen<br />

zeigte er im 3. Akt. Dort deklamierte er mehr, als dass er<br />

sang. Mich störte es nicht. Ich empfand es eher als rollendeckend, denn<br />

Tannhäuser ist am Boden zerstört.<br />

Marjorie Owens war im 2. Akt eine sehr selbstbewusste Elisabeth, die<br />

sich emotionsgeladen schützend vor Tannhäuser stellt. Im 3. Akt gefällt<br />

ihre beseelte Gestaltungsintensität. Die Partie der Venus wurde mit verführerischem<br />

Ton und äußerst höhensicher von Michelle Breedt gesungen.<br />

Christoph Pohl war ein gesanglich wie darstellerisch ein hinreißender<br />

Wolfram. Mit herrlich fließender und wohlklingender Stimme<br />

stattete er diese Figur aus. Hervorzuheben ist seine beispielhafte Artikulation.<br />

Jede Phrasierung war angemessen und durchdacht.<br />

Selbst Insider können sich nicht daran erinnern, dass in dieser Inszenierung<br />

außer Tom Martinsen ein anderer Interpret den Walther von<br />

der Vogelweide gesungen hätte. Ein zuverlässiger Sänger, der mit schöner<br />

Stimmgebung und ansprechendem Tenor seine Aufgabe erfüllte!<br />

Erstmalig sang Tilmann Rönnebeck die Partie des Landgrafen. <strong>Der</strong><br />

Bassist verfügt über eine sehr kultiviert klingende Stimme. <strong>Der</strong> Sänger<br />

ging allerdings recht vorsichtig zu Werke. Raumfüllend war sein Vortrag<br />

nicht. Seiner Stimme fehlte es gelegentlich auch an Tiefe. Die Figur des<br />

Landgrafen blieb aus meiner Sicht daher etwas unterbelichtet. Gut in<br />

Szene zu setzen wusste sich dagegen Bernd Zettisch als Biterolf. Seine<br />

robuste Stimme passte so recht zu der Person, die Tannhäuser sehr treffend<br />

beschreibt. Timothy Oliver als Heinrich der Schreiber und Tomislav<br />

Lucic Reinmar von Zweter passten sich nahtlos in die Gruppe<br />

der Minnesänger ein. Tadellos erfüllte Christiane Hossfeld ihre Aufgabe<br />

als Hirtenknabe. Ein Garant für die Qualität der Aufführung waren<br />

die von Pablo Assante hervorragend einstudierten Chöre, die weder<br />

Klangfülle noch Perfektion vermissen ließen.<br />

Das Publikum honorierte die solistischen Leistungen mit entsprechend<br />

abgestuftem Applaus. Einhellig und frenetisch war jedoch der Jubel für<br />

Constantin Trinks und die Staatskapelle. Christoph Suhre<br />

„Carmen“ – 25.11. (Pr.28.10.)<br />

Opern, die in der Publikumsgunst sehr weit oben stehen, sind zweifellos<br />

mit vielen Erwartungshaltungen und Klischees beladen. Um dem zu entgehen,<br />

versuchen Regisseure oftmals, <strong>neue</strong> Lesarten zu konzipieren, die<br />

mit dem eigentlichen Stück kaum noch etwas gemein haben. Dem geht<br />

Axel Köhler bei seiner Dresdner „Carmen“-Inszenierung aus dem Weg.<br />

Er stellt Beziehungen zwischen den Figuren her und bezieht Impulse aus<br />

der Partitur. Für ihn ist Carmen eine begehrenswerte junge Frau, die nicht<br />

mit ihren Reizen geizt und die leidenschaftlich unterschiedlichste Situationen<br />

bis zur Neige auskostet und auslebt. Dass José ihr nicht sofort zu<br />

Füßen liegt, befremdet sie. Sie muss aktiv werden. Don José verfällt ihr.<br />

Dann begegnet sie Escamillo. Durch ihn fühlt sie sich aufgewertet. Er,<br />

der aus einer höheren Schicht stammt, bekennt ihr gegenüber öffentlich<br />

seine Liebe. Axel Köhler erzählt das geradlinig und schnörkellos. Er ist<br />

sich allerdings auch dessen bewusst, dass ganz im Shakespearschen Sinne<br />

tragische Momente auch komische Gegengewichte brauchen. Auch das<br />

funktioniert im Wesentlichen ohne Brüche. Die Choreografin Katrin<br />

Wolfram nutzt die stellenweise leichte und federnde Musik Bizets dazu,<br />

einige Auftritte tänzerisch zu gestalten. Betroffen sind davon vor allem<br />

die Szenen der Schmuggler. Viel Bewegung gibt es auch in dem Bühnenbild<br />

von Arne Walther. Es entstehen immer wieder <strong>neue</strong> Räume, die, obwohl<br />

sie klare Strukturen besitzen, dem Publikum Fantasie abverlangen.<br />

Carmen - Nadja Mchantaf mit Escamillo - Kostas Smoriginas<br />

(© Creutziger)<br />

Die Dresdner Inszenierung besticht freilich auch dadurch, dass alle Partien<br />

sehr ausgewogen besetzt werden können und dass die Staatskapelle<br />

unter der musikalischen Leitung von Josep Caballé-Domenech Bizets<br />

Musik in allen möglichen Schattierungen exzellent zu Gehör bringt. Es<br />

fehlt weder an Leidenschaft und Feuer noch an Sinnlichkeit und Anmut.<br />

Einzelnen Orchesterstimmen lauscht man mit Genuss.<br />

Anke Vondung stellt eine sehr selbstbewusste, aber nie vordergründig<br />

agierende Carmen auf die Bühne. Sie lässt die Titelfigur nicht unbedingt<br />

als „femme fatale“ erscheinen, die mit ihrem Eroszauber die Männerwelt<br />

herabzieht. Sie singt mit schöner natürlicher Stimmgebung, bleibt ihrem<br />

Part vielleicht in den Tiefen etwas schuldig, besticht dafür aber mit mühelosen<br />

Höhen. Die sogenannte Kartenarie gestaltet sie besonders bewegend.<br />

Es ist ein Moment innerer Zurückgezogenheit, in dem alles andere<br />

um sie herum erstarrt. Dass sie sich am Schluss ihrem Schicksal relativ<br />

widerstandslos ergibt, befremdet allerdings. Die Micaela ist ein sehr ernst<br />

DER NEUE MERKER 12/2013| 51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!