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Guiseppe Verdi<br />

„Il Trovatore“, „La Traviata“) wirkt es, wenn immer wieder kurze Vorspiele<br />

mit charakterisierenden Klangfarben auf die folgenden Ereignisse einstimmen.<br />

Eine weitgesponnene traditionelle Ouvertüre im Potpourri-Stil wie<br />

z. B. in „Nabucco“ wird allmählich zur Ausnahme. Am Ende seines Schaffens,<br />

in den ‚Literaturopern‘ „Otello“ und „Falstaff“, wird der Altmeister<br />

ja sogar völlig unvermittelt in das musikalische Geschehen einsteigen.<br />

Stoffe der Weltliteratur<br />

Von Andrea Graf Maffei, dem Dichter und Vermittler deutscher Literatur,<br />

war schon einmal die Rede. Als enger Freund Verdis hat er als Übersetzer<br />

von Werken Goethes, Schillers und Grillparzers dem Musiker eine<br />

Brücke zum Drama der Weimarer Klassik errichtet. Für „I Masnadieri“<br />

(1847) war er selbst Librettist, zu Textbüchern von „Giovanna dʼArco“<br />

(1845, Temistocle Solera) und „Luisa Miller“ (1849, Salvatore Cammarano)<br />

hat er wenigstens geistig Pate gestanden.<br />

Ein wichtiger ideeller und kultureller Umschlagplatz war für Verdi auch<br />

der Salon von Clara Maffei, der Frau des Freundes, in dem ein reges intellektuelles<br />

Klima zwischen Künstlern, Denkern und Vertretern der ‚guten<br />

Gesellschaft‘ Kontakte stiftete und Anregungen schuf. Galionsfigur<br />

in diesem Kreis war jene legendäre Madame de Staël, deren essayistisches<br />

Hauptwerk „De lʼAllemagne“ (1813) eine unschätzbare Rolle bei der Vermittlung<br />

des deutschen Schrifttums in Italien gespielt hat. Sicher hat Verdi<br />

in diesem Kreis das Historiendrama „Attila, König der Hunnen“ von Zacharias<br />

Werner kennengelernt, aus dem ihm Temistocle Solera das Libretto<br />

des Dramma lirico von 1846 destillierte.<br />

Aber die dichte musische Atmosphäre dieses besonderen Ortes dürfte<br />

dem Komponisten auch weitere Sujets näher gebracht haben: so vor al-<br />

Leo Nucci als mordender Schottenkönig (© Decca Klassik-Magazin)<br />

Dichter, Übersetzer und Germanisten Andrea Maffei als Berater an die<br />

Seite. Gerade bei „Macbeth“ bewähren sich jene Tugenden, die mit dem<br />

Namen des Opernkomponisten Verdi untrennbar verbunden sind: effetto<br />

als verdichtete Bühnenwirkung, dazu parola scenica im Sinne der zupackenden,<br />

stimmigen Wortkraft und varietà als unerhörte Begebenheit im<br />

Schnittbereich von Abwechslung, Dringlichkeit und entladener Emotion.<br />

Auch bei der Aufführungspraxis achtete der Musiker peinlich auf die Einhaltung<br />

seiner unabdingbaren Normen und mehrfach begründeten Absichten.<br />

Berühmt geworden sind die Anforderungen an Maria Barbieri-<br />

Nini, seine erste Lady Macbeth, der er im Zeitalter des Schöngesangs das<br />

ästhetische Postulat der Wahrheit des Ausdrucks als Leitprinzip predigte:<br />

„Ungestalt und hässlich“ sollte sie singen, „mit einer rauen, erstickten, hohlen<br />

Stimme“ – eine Forderung, an der in den kommenden Generationen<br />

und bis heute manche ehrgeizige Primadonna zu nagen hatte.<br />

Als Salvatore Cammarano die Erstaufführung dieses Werks am Teatro San<br />

Carlo in Neapel zu beaufsichtigen hatte, erreichte ihn 1848 folgende Botschaft<br />

Verdis: „Wecken Sie die Aufmerksamkeit dafür, dass es zwei zentrale<br />

Stücke in dieser Oper gibt: Das Duett zwischen der Lady und ihrem Gatten<br />

und den Sonnambulismo. Wenn diese Szenen misslingen, ist es um die ganze<br />

Oper geschehen. Und diese Stücke dürfen absolut nicht gesungen werden. Sie<br />

müssen agiert und deklamiert werden, mit einer recht hohlen und verschleierten<br />

Stimme; andernfalls werden sie nicht den geringsten Effekt machen.“<br />

Auch in zwei anderen Merkmalen zeigt sich der dramaturgische Anspruch<br />

Verdis an seine Libretti schon in dieser frühen Periode: Wie später etwa<br />

im „Trovatore“ lässt er die Thematik der einzelnen Opernakte durch besondere<br />

Titel ankündigen und erläutern. In den „Lombardi“ finden wir<br />

die Übertitel „Die Rache“, „<strong>Der</strong> Mann in der Grotte“, „Die Bekehrung“ und<br />

„Das heilige Grab“. „Ernani“ wiederum gliedert sich in die Abschnitte „<strong>Der</strong><br />

Rebell“, „<strong>Der</strong> Gast“, „Die Milde“, „Die Maske“. In „Luisa Miller“ endlich<br />

werden dem Publikum gleichsam die Gliederungsbegriffe des Sujets an<br />

die Hand gegeben: „Die Liebe“ – „Die Intrige“ – „Das Gift“.<br />

Gleichfalls wie ein Vorgriff auf Verdis reifes Opernschaffen („Rigoletto“,<br />

Nicolai Ghiaurov, Hunnenkönig Attila (© Fayer)<br />

DER NEUE MERKER 12/2013| 3

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