Der neue Merker
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Deutschland<br />
Dann ist dieses Rokoko-Theater für Touristenführungen geöffnet, also<br />
fällt der Eiserne und ich kann auf der Bühne nichts mehr machen. Punkt<br />
18 Uhr geht der Eiserne wieder hoch und dann erst kann ich proben.<br />
Werden Sie die Herausforderung der wechselnden Räume vermissen,<br />
wenn das Stammhaus wieder bespielbar wird?<br />
Vielleicht, denn das Herumreisen ist natürlich auch eine große kreative<br />
Herausforderung, andererseits freuen wir uns alle auch wieder auf einen<br />
geordneten Spielbetrieb an einem festen Haus.<br />
Sie inszenieren 3 Produktionen pro Spielzeit in München, machen noch<br />
Gastregien und haben nebenbei während der Ferien im Burgenland<br />
„Hänsel und Gretel“ inszeniert. Können Sie ohne Arbeit nicht leben?<br />
Ich will ja gar nicht, ich kann schon. Die Gastregien sind zum Teil noch<br />
alte Verträge. Außerdem bringen die Kooperationen und das Inszenieren<br />
So kennen wir ihn - Josef E. Köpplinger (© Sarah Rubensdörffer)<br />
an anderen Häusern unserem Haus Geld. Was ich einstellen musste, ist<br />
die Arbeit an großen internationalen Häusern. Vom Ministerium habe<br />
ich die Vorgabe, zwei bis drei Inszenierungen am Haus selbst zu machen.<br />
Allerdings bin ich nicht der Ansicht, dass man am Haus der beste Regisseur<br />
sein muss. Als Intendant muss man schauen, dass man die spannendsten<br />
Kollegen herbekommt und ihnen das anbietet, mit dem sie dann dem<br />
Haus auch bestmöglich dienen.<br />
Sie erhielten am 7.11.13 den Bayerischen Kulturpreis in der Kategorie<br />
Kunst. In der Laudatio heißt es u. a. „Mit herausragender Kreativität,<br />
Mut und hohem Arbeitseifer gibt Köpplinger dem Staatstheater<br />
am Gärtnerplatz seine eigene Note…“<br />
Wir werden derzeit mit Lob überschüttet: Die Feuilletons der Münchner<br />
Zeitungen bedenken uns mit „Sternen“ und „Rosen“. Neben dem Bayerischen<br />
Kulturpreis wurden wir von „Die deutsche Bühne“ (Magazin des<br />
Deutschen Bühnenvereins) in deren Ranking als Nr. 5 aller deutschsprachigen<br />
Theater genannt. Da haben wir uns höchst überrascht und beglückt<br />
die Augen gerieben und festgestellt: das, was wir machen, wird<br />
auch überregional angenommen.<br />
Haben Sie trotz der vielen Arbeit gelegentlich noch Stunden der Muße?<br />
Man findet schon einige Mußemomente – die muss man haben. Ich bin<br />
bei aller Besessenheit definitiv kein Workaholic. Egal welchen Beruf man<br />
hat, je höher die Verantwortung und die Position, desto geringer der Lustgewinn,<br />
und dann muss man eben auch die Mußestunden einplanen, um<br />
etwa in Ruhe eine Besetzung durchzudenken. Außerdem versuche ich, obwohl<br />
kein ausgewiesener Morgenmensch, die Kreativarbeit, die ja zu einem<br />
inszenierenden Intendanten dazu gehört, entweder nachts zu machen<br />
oder frühmorgens. Dann bleibt Zeit fürs Klavierspielen – und da<br />
kann ich herrlich entspannen.<br />
Sie fordern viel von sich und anderen. Können Ihre Mitarbeiter da<br />
mithalten?<br />
Ich glaube, im Prinzip ganz gut. Das Gros meiner Mitarbeiter ist hoch<br />
motiviert. Als ich bei meinem Arbeitsantritt das Ensemble schweren Herzens<br />
auflösen musste, war mir klar, dass es einen Rattenschwanz von Problemen<br />
nach sich zieht. Man stößt auf Unverständnis, bekommt Prügel<br />
von allen Seiten. Es war aber aus finanziellen Gründen nicht anders möglich.<br />
Das ist die eine Seite. Die andere ist die künstlerische Verpflichtung,<br />
die man hat: Ich muss die Sänger doch beschäftigen. Bei den Bedingungen,<br />
unter denen wir momentan Theater machen müssen, hatte ich aber<br />
keine dauernde Beschäftigung für die Solisten. Ich kann einem Künstler<br />
nicht 13 Gehälter zahlen und ihm dazu eineinhalb Partien anbieten. Am<br />
Anfang dachte ich noch, ich könnte zu den Unkündbaren etwa 10 Sänger<br />
im Ensemble als Stamm halten. Aber es ging nicht.<br />
Aber Sie haben doch die Kollektive (Chor und Orchester) behalten,<br />
dazu die eigenen Werkstätten, insgesamt 500 Menschen, die Sie bezahlen<br />
müssen?<br />
Das Orchester ist natürlich mit jeder Produktion beschäftigt. Dieses hervorragende<br />
Orchester halte ich für das flexibelste der Stadt. Da wird ohne<br />
Probleme von einem Broadway-Klassiker über eine Revue-Operette zum<br />
Feuervogel und zur Barockoper gewechselt, wirklich phantastisch. Auch<br />
der Chor ist gut ausgelastet: Wir machen Gastspiele in anderen Städten.<br />
Ich habe von Beginn an gesagt, keine einzige künstlerische Planstelle bei<br />
den Kollektiven wird bei mir gestrichen. Die brauchen wir. Sowohl Chor<br />
als auch Orchester sind teilweise mehr ausgelastet als in einem normalen<br />
Repertoirebetrieb. Die spielen vormittags im Kinderkonzert, am Abend<br />
Oper oder Ballett und dazwischen gibt es noch Probeneinheiten. Da kommen<br />
Menschen auch an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Da muss man miteinander<br />
reden und schauen, wie man neben Zeiten mit großer Belastung<br />
auch Zeiten mit weniger Diensten schafft. Wir setzen uns selbst die Herausforderung,<br />
100 Vorstellungen pro Spielzeit zu spielen. Das ist für das<br />
Haus, das eben kein festes Haus hat, also nicht Repertoire spielen kann,<br />
gar nicht so wenig.<br />
Wien, Berlin, Paris und London haben je zwei Opernhäuser (Berlin<br />
und Wien sogar drei). Das sind Hauptstädte. Braucht die Provinzstadt<br />
München zwei Opernhäuser?<br />
Brauchen tut man in der Kunst gar nix. Aber Kunst ist die höchste Form<br />
der Sozialisierung. Man kann alles wegsparen, die Frage ist jedoch, was<br />
will sich eine Stadt, ein Staat leisten. Unser Theater ist nicht nur für München<br />
gedacht, wir haben auch die Aufgabe, Menschen aus dem Umland<br />
in unser Haus zu locken. Und: Was niemand bedenkt, die am Theater<br />
Beschäftigten zahlen hier ihre Steuern, das sind 30-35 % direkter Steuerrückfluss.<br />
Dazu kommt die Umweg-Rentabilität. Taxifahrer, Gastronomie,<br />
Hotels leben auch vom Kulturangebot einer Stadt.<br />
Wir müssen keine Kopie der Staatsoper sein, die Bayerische Staatsoper ist<br />
eines der führenden Häuser der Welt. Aber mal ehrlich, wie viele Münchner<br />
können sich mehrere Besuche im Jahr in der Staatsoper leisten? Deswegen<br />
sind wir die Volksoper, auch im Bereich der Kartenpreise. Wir machen<br />
Musical, Operette, Tanz, Spieloper, aber auch große Oper.<br />
Was sollte ein guter Intendant tun oder besser lassen?<br />
Zunächst: Intendant sein kann man nicht lernen, irgendwie muss man etwas<br />
in sich tragen, dass man sich das antut. Denn es ist wirklich viel Arbeit<br />
– und einsame Arbeit. Die Eitelkeit darf nie größer sein als die Begabung;<br />
das Ego (ich spreche von inszenierenden Intendanten) darf sich nie<br />
über die Bedürfnisse des Hauses stellen; man sollte sich nicht einbilden,<br />
nur das eigene Haus sei gut und alles Andere nichts; man hat unabhängig<br />
zu bleiben von Kulturpolitik; man muss wissen, dass der Unterschied<br />
zwischen Opportunismus und Diplomatie löschblattdünn ist; man muss<br />
in der Kunst, in der Neugierde sehr beweglich bleiben; mit Respekt all seinen<br />
Mitarbeitern begegnen, keinen Unterschied machen, auch wenn man<br />
eventuell Ja sagen möchte, aber in Verantwortung für das Haus Nein sagen<br />
muss. Ein bisschen sollte ein Intendant auch eine despotische Ader haben,<br />
DER NEUE MERKER 12/2013| 47