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Der neue Merker

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Deutschland<br />

mica im Frack am Notenpult sang. Großen Beifall erhielt Yosep Kang<br />

als Macduff mit seiner wunderschönen Arie, auch zusammen mit Clemens<br />

Bieber in dem kurzen Duett der beiden Tenöre. Bei den kleinen<br />

Partien war besonders Fionnuala McCarthy als Kammerfrau und Erscheinung<br />

herausragend, obwohl sie in den Ensembles neben Liudmyla<br />

Monastyrska kaum eine Chance hatte, zur Geltung zu kommen. Dieses<br />

Problem hatten die eindrucksvollen Chöre unter William Spaulding<br />

überhaupt nicht, waren sie doch auch bei dieser Verdi-Oper die Garanten<br />

für die Kraft und Wirkung der Musik, sowohl in allen großen Ensembles<br />

als auch bei dem wunderbaren Chor der Flüchtlinge und nicht<br />

zuletzt als lebhafte Hexen der tollen Putzkolonne. Dafür wurden sie<br />

am Schluss ebenso begeistert gefeiert wie die Solisten dieses großartigen<br />

Abends. <br />

Käthe Wegler-Heinze<br />

Klar, dass sie auch klangschön sterben kann, so schön, dass das Publikum<br />

fast das Husten vergisst.<br />

Ein Einspringer – Gaston Rivero – gibt den Troubadour Manrico. In den<br />

leisen, lyrischen Passagen klingt sein Tenor ansprechend, verliert aber im<br />

Forte an Farbe. Gut gelingen ihm stimmlich die Szenen mit seiner Zigeunermutter<br />

Azucena. Die – Marina Prudenskaya – war mit ihrem satten<br />

Mezzo in Wien ebenso hoffentlich genau so großartig wie jetzt in Berlin.<br />

Zum Schluss erhält sie fast ebenso viel Applaus wie Anna!<br />

Und nun zu Plácido Domingo, dem ergreifenden Simone Boccanegra<br />

in 2009 und 2012 am gleichen Haus. Noch immer ist er voller Bühnenpräsenz<br />

und Spieleifer, doch ganz so überzeugend gelingt ihm diese <strong>neue</strong><br />

Baritonrolle nicht. Bei der Schilderung seiner Besessenheit für die (nicht<br />

Staatsoper: „IL TROVATORE“ – Premiere in Starbesetzung<br />

– 29.11.<br />

„‚Il Trovatore‘ ist ein Emotionsgewitter“, hat Regisseur Philipp Stölzl gesagt,<br />

aber auch eingeräumt, dass er den Inhalt erst nach mehrfachem Lesen<br />

verstanden hätte. Tatsächlich ist der sonderbar sprunghaft und nicht<br />

immer logisch.<br />

Die Story bloß nicht zu ernst nehmen – ist daher erkennbar Stölzls Devise.<br />

Also inszeniert er dieses durchaus so von Verdi gewünschte Schauermärchen<br />

– angesiedelt im mittelalterlichen Spanien – als einen frühen<br />

Comic, stellt aber das Geschehen auf eine zunächst völlig karge Schräg-<br />

Würfel-Bühne (erdacht von Conrad Moritz Reinhardt und ihm selbst).<br />

Musikliebhaber, die diese Inszenierung bereits in Wien gesehen haben, werden<br />

sich sicherlich an manche Details erinnern. So an Hauptmann Fernando,<br />

der – auf den Zehenspitzen tänzelnd – seiner rhythmisch swingenden<br />

Zylindersoldatentruppe die haarsträubende Geschichte von Prinzenraub, Zigeunerin-<br />

und Baby-Verbrennung zu Gehör bringt (Adrian Sâmpetrean).<br />

Sie werden sich auch an die Reifröcke erinnern, in denen die Damen<br />

durchs Geschehen kreisen wie Püppchen auf einem Spieluhrset (Kostüme<br />

Ursula Kudrna). Sicherlich haben auch viele über die altertümliche<br />

Kanone geschmunzelt, die mit einem gewaltigen Krachbumm ein<br />

Kampfgetümmel karikiert.<br />

Andere sehen vielleicht noch den Grafen Luna vor sich, der in dunkler<br />

Nacht seinen Rivalen Manrico mordlüstern umschleicht. Angetan mit<br />

Kapuze und Henkersbeil, das Leonora ihm zu entwinden versucht. Dem<br />

Filmemacher Stölzl ist vieles eingefallen, Lustiges, Sarkastisches und Makaberes,<br />

letzteres speziell bei den Massenszenen. Mit solchen Bildern belebt<br />

er das recht störrische Stück.<br />

Verdi, der Stimm-Fetischist, hat die in seiner mittleren Schaffensphase<br />

komponierte Oper auf die Sänger zugeschnitten, und die sind in der<br />

Staatsoper im Schillertheater andere als kürzlich in Wien.<br />

Wir erleben (und gar zu selten) Anna Netrebko, in diesem Fall als die von<br />

den beiden bereits genannten Männern begehrte Leonora. Einer von ihnen<br />

ist Plácido Domingo als Graf Luna. Diese Weltstars verleihen der<br />

Berliner Premiere und den folgenden Aufführungen gehörigen Glanz, so<br />

dass auch diese schon seit Monaten ausverkauft sind.<br />

Anna sieht trotz Blondperücke und Reifrock verführerisch aus. Bewegungsfreundlich<br />

ist solch ein Outfit allerdings nicht. Versiert, wie sie ist,<br />

macht sie das Beste daraus. Bei Verdi und auch hier zählt die Stimme und<br />

nicht das Kleid. Ihre ersten Töne kommen, vermutlich schmuddelwetterbedingt,<br />

noch etwas rau, doch schnell wird ihr weit reichender Sopran<br />

immer runder und glutvoller. Schon eingekleidet als Nonne, kommt ihr<br />

Beten wunderbar zart und innig herüber, schwingt sich aber – beim unerwarteten<br />

Erscheinen des totgeglaubten Geliebten – in kraftvoll strahlendem<br />

Jubel ohne jede Schärfe empor. (Vulgo: lieber Kerl als Kloster).<br />

Absoluter Höhepunkt wird durch sie der 4. Akt, in dem sie all ihr Können<br />

abruft. Fabelhaft, wie sie auf der Tonleiter balanciert. Auch bei den<br />

Koloraturen ist sie auf gutem Weg. Ungemein farbenreich gestaltet sie<br />

einzelne Sätze, auch manches Wort. Mal glutvoll, mal scheinbar nachgebend,<br />

kämpft sie vokal mit allen Finessen um das Leben des Geliebten.<br />

Netrebko und Domingo in <strong>neue</strong>n Verdi-Rollen in einer comic-strip-Inszenierung<br />

(© Website Deutsche Staatsoper)<br />

anwesende) Leonora bricht ihm im hohen Bereich mal die Stimme weg,<br />

klingt aber, wenn es um Kampf und Rache geht, wieder markig. Als „Domingo,<br />

the one and only,“ wird er bei der anschließenden Premierenfeier<br />

aufs Podium gebeten. <strong>Der</strong> bleibt ein Phänomen und ein Publikumsliebling.<br />

Außerdem bewähren sich Anna Lapkovskaja als Ines, Florian Hoffmann<br />

als Ruiz und „natürlich“ der Staatsopernchor, einstudiert von<br />

Martin Wright. Großes Lob verdient und erhält die Staatskapelle Berlin<br />

unter Daniel Barenboim. <strong>Der</strong> lässt nichts anbrennen und die Musik<br />

Verdi gemäß oft dramatisch aufrauschen. Doch auch in den lyrischen<br />

Passagen ist ihm sehr angenehm auf der Spur.<br />

Nach viel Zwischenapplaus dröhnt zuletzt kräftiger Beifall durchs Haus,<br />

vermischt mit einigen Buhs fürs Regieteam, aber mit vielen Bravos für die<br />

Sänger. Anna Netrebko und Marina Prudenskaya sind an diesem Ausnahmeabend<br />

die „Königinnen der Nacht“. Ursula Wiegand<br />

Komische Oper: „COSÌ FAN TUTTE“ – Pr. 3.11.<br />

Den Subtitel „Dramma giocoso“ sollten Liebhaber dieser Mozart-Oper<br />

nicht wortwörtlich nehmen, jedenfalls nicht das „giocoso“. Denn was so<br />

fröhlich beginnt, nimmt bekanntlich ein recht tragisches Ende. Aus der<br />

angeblichen „Schule der Liebenden“ gehen alle als Verlierer oder zumindest<br />

als Geschädigte hervor.<br />

42 | DER NEUE MERKER 12/2013

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