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Deutschland<br />

Berlin:<br />

Oper International<br />

Deutsche Oper: Verdi, Verdi, Verdi…<br />

„Don Carlo“ – 31.10.<br />

Diese Aufführung war des großen Verdi-Jubiläums 2013 absolut würdig. Hier<br />

brillierten nicht nur zwei Stars. Alle Mitwirkenden sorgten dafür, dass der<br />

Abend das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss. Donald Runnicles am Pult<br />

des ausgezeichneten Orchesters war ein überlegener, temperamentvoller Leiter<br />

der Aufführung und gleichzeitig ein aufmerksamer Begleiter der Sänger, bei<br />

denen natürlich an erster Stelle die beiden starken Frauen des Abends standen.<br />

Anja Harteros, die ich leider jetzt erst in der Partie der Elisabeth von Valois<br />

erleben konnte, ist einfach überwältigend in ihrer Vollendung, mit<br />

der sie alle Facetten dieser leidenden Frau zur Geltung bringt, denn sie hat<br />

neben ihren engelhaften Piano-Tönen die dramatische Kraft, mit der sie<br />

auch ohne den Fontainebleau-Akt die Standhaftigkeit und Opferbereitschaft<br />

der unglücklich liebenden Frau in der Fremde verständlich macht.<br />

Ein stimmlicher Höhepunkt war dabei natürlich die große Arie im Schlussbild.<br />

Violeta Urmana, hier wieder im Mezzo-Fach (sie sang ja auch die<br />

Amneris in Verona) war eine Eboli der stürmischen Leidenschaft, für die<br />

sie fulminant ihre stimmlichen Mittel schonungslos einsetzte, wobei gelegentliche<br />

Schärfen in der Höhe überhaupt nicht störten.<br />

Neben diesen beiden großartigen Sängerinnen wurde Hans-Peter König<br />

stürmisch gefeiert als starker, zupackender Philipp II. mit großer Stimme,<br />

dem man allerdings die quälenden Zweifel, auch in der großen Arie, kaum<br />

anmerkt. Paata Burchuladze sang den Großinquisitor mit fahler, dunkler<br />

Stimme und war in der Darstellung ein überzeugend unerbittlicher Kirchenfürst.<br />

Die beiden jungen Rebellen waren bei Russell Thomas in der<br />

Titelpartie und Dalibor Jenis als Posa bestens aufgehoben. <strong>Der</strong> amerikanische<br />

Tenor mit seinem schönen Timbre sang und spielte den verzweifelten<br />

Infanten sichtbar noch ohne jede Routine sehr eindringlich und berührend.<br />

Die dramatische Stimme von Dalibor Jenis hatte schon in der<br />

konzertanten „Attila“-Aufführung beeindruckt, und auch hier überzeugte<br />

er als leidenschaftlicher Streiter für Gerechtigkeit.<br />

Die kleineren Partien waren ebenfalls durchweg ausgezeichnet besetzt.<br />

Erwähnt seien hier Alexandra Hutton als quicklebendiger Tebaldo, Slobhan<br />

Stagg mit ihrem glockenhellen Sopran (sie ist bereits als Waldvogel im<br />

„Siegfried“ sehr angenehm aufgefallen) im Autodafé als eine junge Frau,<br />

der man das Kind nimmt – eigentlich ja die Stimme von oben), sowie<br />

Tobias Kehrer, der nicht nur einen der flandrischen Deputierten sang,<br />

sondern auch mit schöner, klarer Stimme die Partie des Mönchs, der Don<br />

Carlo hier nicht vor dem Tode retten kann. Das Publikum war hörbar begeistert<br />

von diesem mitreißenden Opernabend, an dessen Gelingen auch<br />

der großartige Chor wieder führend beteiligt war.<br />

„Falstaff“ – Pr. 17.11.<br />

Ja, das Leichte ist oft schwieriger als das Schwere. Christof Loy, der mit<br />

seiner „Jenůfa“ sehr erfolgreich war, konnte mit Verdis Spätwerk weniger<br />

überzeugen. Dass man ihm allerdings vorwirft, sich wie einige andere Regisseure<br />

auf Verdis Casa di Riposo, das berühmte Mailänder Altersheim<br />

für bedürftige Künstler, zu beziehen, halte ich für absolut ungerecht, denn<br />

dieser Bezug bietet sich gerade für ein Werk an, bei dem es um das Altern<br />

geht. Da jeder auf seine Weise mit dem Thema umgeht, ist das kein<br />

Plagiat. Die Einleitung mit dem Kurzfilm über das Leben in der Casa di<br />

Riposo (gedreht in einem beliebten Berliner Künstlerhotel, das jetzt seinen<br />

Betrieb einstellen muss – und es erklingt „Quand’ero paggio“ mit der<br />

Stimme von Verdis Falstaff Victor Maurel) hat durchaus Charme und<br />

die Überleitung zur Bühne mit rotem hinteren Vorhang war gelungen.<br />

Vor diesem Vorhang wurden dann in aller Eile die jeweils benötigten Requisiten,<br />

sogar ein riesiger aufklappbarer Bücherschrank, auf die leere<br />

Bühne gebracht (Bühne: Johannes Leiacker). Auch der Wirbel, wenn die<br />

alten Menschen blitzschnell sich ihrer Perücken und Oberkleider entledigten<br />

und darunter ohne jedes Gebrechen die Sänger der Oper zum Vorschein<br />

kamen, entsprach weitgehend dem Wirbel der Handlung und der<br />

Musik. Leider wurde dieser schnelle Wechsel von alt zu jung und umgekehrt<br />

mitunter zu einem übertriebenen Durcheinander. Bei Falstaff kam<br />

noch hinzu, dass auch der Bauch jeweils abgeschnallt wurde, danach<br />

zeigte sich ein fast noch jugendlicher kräftiger Mann, der so gar nicht<br />

dem alternden Haudegen entsprach, den Verdi hier portraitierte. Dieses<br />

Manko wurde noch dadurch verstärkt, dass Noel Bouley, ein Stipendiat<br />

des Förderkreises der Oper, der für den erkrankten Markus Brück einsprang,<br />

auch nicht das stimmliche Format für diese Rolle hatte. Über das<br />

Bemühen kam der junge amerikanische Bassbariton mit seiner angenehmen<br />

Stimme leider nicht hinaus.<br />

Das weitere Ensemble konnte immerhin sehr solide Leistungen bieten –<br />

Michael Nagy war der temperamentvolle eifersüchtige Ehemann Ford,<br />

der auch stimmlich überzeugte, Barbara Havemann und Jana Kurucová<br />

sangen die spielfreudigen Damen, die sich für die Annäherungsversuche<br />

Falstaffs rächen wollten. Als Mrs. Quickly präsentierte sich Dana<br />

Beth Miller mit tiefen Tönen und als Sexbombe, später als Hexe verkleidet.<br />

Thomas Blondelle (Doktor Cajus), Gideon Poppe (Bardolfo) und<br />

Marko Mimica (Pistoia) konnten da sehr gut mithalten. Herausragend<br />

aus diesem Ensemble waren mit ihren schönen Stimmen die beiden jungen<br />

Liebenden Nannetta (Elena Tsallagova) und Fenton (Joel Prieto).<br />

In den ersten beiden Akten war vieles überdreht, was sicher auch dazu<br />

führte, dass es musikalisch mitunter zu Ungenauigkeiten kam. Andererseits<br />

liegt diese Art der Komposition dem Dirigenten Donald Runnicles<br />

doch weniger als die Werke der großen Dramatik und der symphonischen<br />

Breite. Doch trotz vieler Unzulänglichkeiten kamen diese beiden<br />

Akte dem Werk wesentlich näher als der 3. Akt nach der Pause, denn da<br />

wurde aus den stimmungsvollen Szenen eine mondäne Großveranstaltung,<br />

bei der die musikalische Poesie Verdis weitgehend auf der Strecke<br />

blieb. Am Schluss, nachdem sie wieder in ihr Altersdasein zurückgekehrt<br />

waren, konnten alle Mitwirkenden den freundlichen Beifall des Publikums<br />

entgegennehmen.<br />

„Macbeth“ – 21.11.<br />

Auch dieser Abend zeigte eindrucksvoll die musikalische Vielfalt des großen<br />

Komponisten, den wir gerade wegen eines Jubiläums feiern, obwohl<br />

keine Jahreszahl nötig wäre, sein Genie dankbar zu genießen, was ja zum<br />

Glück auch seit langer Zeit weltweit geschieht.<br />

<strong>Der</strong> Dirigent Paolo Arrivabeni bemühte sich erfolgreich, die vielen Aspekte<br />

dieser Shakespeare-Nachdichtung mit Leben zu erfüllen, und das<br />

Orchester folgte ihm dabei großartig.<br />

Bei den Sängern gab es zwei interessante Neubesetzungen. Liudmyla Monastyrska,<br />

die in der Philharmonie beim konzertanten „Attila“ bereits<br />

stürmisch gefeiert wurde, konnte auch hier durch ihre überwältigende<br />

Dramatik und den Umfang ihrer Stimme das Publikum zur Begeisterung<br />

hinreißen. Besonders eindrucksvoll ist es, dass sie auch die leisen Töne<br />

makellos beherrscht, so dass vor allem die Wahnsinnsszene zu einem Höhepunkt<br />

der Aufführung wurde. Simon Keenlyside, hier bisher vor allem<br />

als Konzertsänger bekannt, erfüllte die Titelpartie mit Leben, obwohl<br />

das in der hiesigen Inszenierung mit den Machtspielen eines autoritären<br />

Staates nicht ganz einfach ist. Bei Keenlyside war der Zwiespalt zwischen<br />

Amtsmissbrauch und Machtanspruch stets sichtbar, auch die Abhängigkeit<br />

von seiner Frau machte er gut verständlich. Hinzu kam seine großartige<br />

stimmliche Leistung, so dass kein Wunsch offen blieb. Die Besetzung<br />

des Banquo machte an diesem Abend Schwierigkeiten, da Ante Jerkunica<br />

ganz kurzfristig erkrankte, aber in der Lage war, die Partie auf der<br />

Bühne zu spielen. Daher gab es wieder einmal die Notlösung, dass auf<br />

der Bühne stumm agiert wurde, während am Bühnenrand Marco Mi-<br />

DER NEUE MERKER 12/2013| 41

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