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Aktuelles aus Österreich<br />
und noch mehr unwitzige Späßchen nicht zur Rettung der eher trostlosen<br />
Inszenierung.<br />
Trostlosigkeit ist beim Sängerensemble nicht auszumachen, aber auch<br />
nicht gerade eine umwerfende Qualität. Eine Ausnahme bildet zweifellos<br />
Yosep Kang, der im Frühjahr am Stadttheater Klagenfurt als<br />
Nadir in Bizets „Perlenfischer“ reüssierte. Sein Tamino klingt einfach<br />
prachtvoll mit seinem kräftigen, strahlenden Tenor. Auch André<br />
Schuen singt den Papageno mit großer Natürlichkeit, mit ausgesprochen<br />
schönem Bariton und exemplarischer Wortdeutlichkeit. Er wird<br />
im Frühjahr 2014 am Theater a. d. Wien in Harnoncourts konzertantem<br />
Mozart-Da Ponte Zyklus den Figaro, den Don Giovanni und<br />
den Guglielmo singen. Manuel von Senden ist ein fieser Monostatos<br />
mit idealem Stimmmaterial. Wilfried Zelinka als Sarastro hat wenig<br />
von einem Herrscher. Er wirkt stimmlich zwar sehr gepflegt, aber insgesamt<br />
eher blass und zurückhaltend. Hila Fahima, kurzfristig von<br />
der Staatsoper Wien eingesprungen, singt die Königin der Nacht zwar<br />
eher kleinstimmig, aber mit perfekten und blitzsauberen Koloraturen.<br />
Nazanin Ezazi verfügt als Pamina über eine feine Höhe, singt sehr<br />
warmherzig, hat jedoch Intonationsprobleme, die aber vielleicht mit<br />
der Premierennervosität erklärbar sind. Tatjana Miyus ist eine ideale<br />
Papagena. Vibratoreich hört man David McShane als Sprecher.<br />
Fehlerlos singen Konstantin Sfiris und Taylan Reinhard die Priester.<br />
Mit reinster Intonation hört man die drei Damen – Margareta<br />
Klobucar, Dshamilja Kaiser, Xiaoyi Xu –, die die drei Lebensalterabschnitte<br />
darstellen – eine sieht man als junges Mädchen, die zweite<br />
als Schwangere und die dritte als alte Frau, die am Stock geht. Hingegen<br />
nicht immer sauber singen die drei Knaben. Homogen klingt der<br />
Chor des Hauses (Einstudierung: Bernhard Schneider).<br />
Die Grazer Philharmoniker unter dem <strong>neue</strong>n Chefdirigenten Dirk<br />
Kaftan musizieren Mozart mit Leichtigkeit und Vitalität, aber auch<br />
mit extrem zugespitzten Tempi – teilweise mit solcher Eile, dass die<br />
Sänger nicht mehr folgen können. Starker Applaus! Helmut Christian<br />
Mayer<br />
nie in die Nähe von Lärm, wie das so oft passiert, weil es beachtlich<br />
gut vom Dirigenten disponiert und vom Orchester realisiert wurde.<br />
Das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ ist eines der meistdiskutierten und<br />
analysierten. 1860 erschien Wagners Interpretation als Programmbeitrag<br />
für die Pariser Konzerte im Jänner und Februar. Wenn man das<br />
liest, beneidet man den Dirigenten nicht mehr. Wenn er einen Aspekt<br />
von Wagners genialem Klangrausch realisiert, bleibt immer noch ein<br />
gehöriger „ Erdenrest, zu tragen peinlich“. Das sehr langsame Grundtempo<br />
(„langsam und schmachtend“) wurde vom Dirigenten etwas<br />
gestrafft, wodurch er die Spannung erhöhte. Die Kette der Dissonanzen,<br />
ein ganz wesentliches Merkmal in diesem revolutionären Stück<br />
am (oder schon) im Eingang zur Welt der Atonalität, fand im Orchester<br />
mit imponierender Farbkraft eine ausgeprägte Betonung.<br />
Den vokalen Beitrag zu diesem Abend leistete die hochdramatische<br />
Linda Watson, in den Medien gerne als „Sopran der Rekorde“ apostrophiert.<br />
Sie nahm bisher (angeblich) die meisten „Ring“-Gesamteinspielungen<br />
auf. Ihr etwas pompöses Kostüm und ihr majestätisches<br />
Auftreten passten gut zu Wagners Pathos. Die große Stimme glänzt<br />
und strahlt nach wie vor. Die Schlussszene aus „Götterdämmerung“<br />
bestach vor allem durch die sicheren exponierten Höhen. <strong>Der</strong> Liebestod<br />
gelang ihr recht gut, aber gegen Schluss schien das Orchester eine<br />
Art von Ekstase zu überkommen – es klang etwas unkontrolliert. „Unbewusst,<br />
höchste Lust“ konnte sich deshalb trotz des Wagner-Weltstars<br />
nicht so durchsetzen wie erhofft.<br />
Frenetischer Applaus! <br />
Ferdinand Rudolf Dreyer!<br />
Innsbruck: „DON PASQUALE“ – Von der comedia<br />
dell‘ arte inspiriert<br />
Einen Fehler dürfen die Besucher dieser Neuinszenierung von Donizettis<br />
meisterlicher Opera buffa nicht begehen – Dominique Menthas<br />
Salzburg:<br />
WAGNER-MATINEE des MOZARTEUM<br />
ORCHESTERS mit LINDA WATSON 10.11. –<br />
Geglückte Hommage zum 200. Geburtstag<br />
Wir saßen im Großen Festspielhaus und zum Glück nicht in der Rheinoper,<br />
wo der „Tannhäuser“ in Grund und Boden inszeniert worden<br />
war (Venus in SS- Uniform mit ihren Schergen, wie sie eine Familie<br />
tötet und Tannhäuser zum Morden anhält – wurde am Rhein Wagners<br />
„Idee vom Konflikt zwischen exzesshafter und keuscher Liebe“<br />
verwirklicht). „Unsere“ Tannhäuser-Ouvertüre machte Zusammenhänge<br />
und Gegensätze (Erlösung und Vergebung) eindringlich hörbar,<br />
ja spürbar. Geheimnisvolle Pianostellen wechselten mit auftrumpfenden<br />
Tutti. Überzeugend der Übergang in das Bacchanale, mit viel<br />
Temperament und Erotik dirigiert und gespielt. Das Mozarteum Orchester<br />
Salzburg musste auf den angekündigten, erkrankten Chefdirigenten<br />
Ivor Bolton verzichten. Ihn vertrat Johannes Wildner mit<br />
viel Routine und bewies, dass Wagners Vorspiele auch auf dem Konzertpodium<br />
attraktiv und mitreißend sein können.<br />
Nach dem filigranen, innigen Beginn des Vorspiels zu „Lohengrin“ mit<br />
„den klarsten, blauen Himmelstönen“ (Wagner) entfaltete das Orchester<br />
einen kraftvollen, mitreißenden klanglichen Prunk mit elektrisierenden<br />
Beckenschlägen und siegreichen Trompetenklängen. Schließlich<br />
kehrte die ursprüngliche ätherische Stimmung wieder zurück. Die<br />
achtstimmigen Violinen dominierten. <strong>Der</strong> vom Komponisten ersonnene<br />
weihevolle Orchesterklang verzauberte nochmals. <strong>Der</strong> Trauermarsch<br />
war von unheimlicher Wucht, aber auch die kurzen leisen Trauermomente<br />
ergriffen mich! Trotz der Klangmassen geriet dieses Stück<br />
2 tolle Buffo-Charaktäre: Malatesta (Davide Fersini) und<br />
Don Pasqaule (Noè Colin) (© Rupert Larl)<br />
virtuose Produktion von 1994/95 geistig abzurufen. Konzentriert man<br />
sich hingegen ausschließlich auf die Neudeutung durch Stefan Tilch,<br />
die von einem ganz anderen Aspekt ausgeht, wird man auch Freude<br />
an einer soliden, familientauglichen Produktion haben, trotz einiger<br />
sich tot laufender Gags (Italiener essen ausschließlich Spaghetti und<br />
rauchen ohne Unterlass). Ein Regie-Einfall wird wegen seiner Stimmigkeit<br />
besonders nachwirken: als der vom Onkel verstoßene Ernesto<br />
durch das Gassengewirr irrt und einen traurigen Clown auf der Straße<br />
sitzend antrifft, der die melancholische Einleitung zur Arie „Povero Ernesto“<br />
auf seiner Trompete intoniert.<br />
<strong>Der</strong> Regisseur verlegt die Handlung in die 50er des letzten Jahrhun-<br />
32 | DER NEUE MERKER 12/2013