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Der neue Merker

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Aktuelles aus Österreich<br />

herangewachsen ist. Seine Pamina wurde von Chen Reiss gesungen, die<br />

sich sehr um die Gesangslinie bemühte und bewies, wie schwer die g-moll-<br />

Arie wirklich ist. Höchst erfreulich ist der sehr natürliche Papageno von<br />

Markus Werba. Er nützt auch die ihm von der Regie geschaffenen Möglichkeiten<br />

bei seinem Auftritt aus dem Zuschauerraum und hat nicht umsonst<br />

bei der Applauschoreographie den letzten Auftritt. Seine Papagena<br />

ist Valentina Nafornita. Sie hat es während ihrer ersten Auftritte nicht<br />

leicht, als Vogel zu agieren, löst diese Aufgabe aber mit Bravour. Nach<br />

dem entzückend gesungenen Pa-pa-pa –Duett verschwinden die Beiden<br />

dann Richtung Schnürboden.<br />

Ungewohnt ist der Sprecher mit Alfred Šramek besetzt. Er hat so gar<br />

nichts Hoheitsvolles, sondern ist der Typ „väterlicher Freund“. Stimmlich<br />

ist er erfreulicherweise sehr gut in Form und kann als 2. Priester (neben<br />

Benedikt Kobel) auch einige kleine Gags anbringen. Die drei Damen in<br />

ihren Faschingskostümen sind Olga Bezsmertna, Christina Carvin und<br />

Alisa Kolosova. Bei ihnen (und Chen Reiss) sind die Dialoge besonders<br />

schlecht verständlich. Thomas Ebenstein als Monostatos wirkt in seinem<br />

Aufzug, als käme er direkt aus Jonny spielt auf. Mit ziemlich scharfem Tenor<br />

charakterisiert er den schmierigen Opportunisten. Um das Transportieren<br />

des von Sarastro erlegten Hirschen in die Kühlkammer zu überwachen,<br />

wurden die beiden Geharnischten (Marian Talaba und Dan Paul<br />

Dumitrescu) in den akustisch ungünstigsten Winkel der Bühne verbannt,<br />

wo sie wie zwei Mafiosi die Geschehnisse beobachten und dann mit der<br />

Zigarette die Feuerprobe anzünden. Die drei Knaben haben mehr Spielfreude<br />

als Wohlklang zu bieten.<br />

Am Pult steht Christoph Eschenbach und beweist, dass die <strong>neue</strong> Produktion<br />

sicher nicht seinetwegen zustande kam. Eine solide Repertoireleistung,<br />

die aber aus dem Orchester sicher nicht das Mögliche herausholt.<br />

Gut der von Martin Schebesta einstudierte Chor, auch wenn ihm augenscheinlich<br />

nur die Polizistenszene Freude macht.<br />

Die Repertoiretauglichkeit dieser Produktion hängt an hohen Kothurnen,<br />

denn ein <strong>neue</strong>r Sarastro muss wohl erst ein Trainingslager absolvieren.<br />

Und hoffentlich findet man auch schwindelfreie Sänger für Pamina,<br />

Papagena und Papageno und – unter den vielen guten Mozart-Dirigenten,<br />

die es tatsächlich gibt, auch einen für die Wiener Staatsoper…<br />

<br />

Wolfgang Habermann<br />

21. und 22.11.: „TANZPERSPEKTIVEN“ – Besetzung wie 2.11.<br />

Überlebensgroßer Sarastro (Brindley Sherratt), Pamina (Chen Reiss)<br />

zu seinen Füßen<br />

Den oft gewählten Ansatz einer Einführung in die Freimaurerei ignorieren<br />

die Regisseure bewusst und interpretieren die Handlung als Entwicklung<br />

zum Erwachsensein. Lohnt es aber, Prüfungen auf sich zu nehmen,<br />

um dann Mitglied einer uniformen, hässlich gekleideten Masse (Kostüme:<br />

Agostino Cavalca), die marionettenhaft agiert, zu werden? Denn gerade<br />

dem Chor wird von der Regie eine grauenhafte Choreographie verschrieben:<br />

Im ersten Finale zappeln alle, als wären sämtliche Toiletten des Hauses<br />

besetzt, zum Adagio des „O Isis und Osiris“ laufen sie von der Seite<br />

herein, als wäre endlich eine frei geworden und im Finale beglückwünschen<br />

sich alle mit Handschlag, dass sie nun endlich eine gefunden haben.<br />

Natürlich gibt es, vor allem im 1. Teil viele schön gelungene Szenen, angefangen<br />

vom ersten Auftritt Taminos und der Schlange als überdimensionierte<br />

Schatten (die von der Galerie nur leider kaum sichtbar sind) oder<br />

den Papageno-Auftritt mit lebenden Tauben. (Ob die blendend dressierte<br />

weiße Taube, die ihm während der Arie zufliegt, bereits ein Angebot für<br />

einen Parsifal hat?). Dazu einige Holzhammer-Gags, die aber ihre Wirkung<br />

erzielen: Wenn Monostatos gleich seine Absichten verrät und in der<br />

Unterwäsche zu Pamina kommt oder die Sklaven in der Polizeiuniform,<br />

die bei „Das klinget so herrlich“ im Tutu von der Bühne tanzen. (Hoffentlich<br />

kriege ich nicht Probleme, wenn ich bei einer Verkehrskontrolle den<br />

Polizisten nach seinem Tutu frage.) Auch die wilden Tiere (Bären, Nashorn<br />

und Strauße) verfehlen ihre Wirkung nicht.<br />

Musikalisch sind in dieser Produktion jeweils die „Chefs“ für Wien neu<br />

und hier ist an erster Stelle die Königin der Nacht von Olga Pudova zu<br />

nennen. Ein wirklich dramatischer Sopran mit blitzenden Koloraturen,<br />

der auch die notwendige Attacke nicht fehlt. <strong>Der</strong> Sarastro von Brindley<br />

Sherratt überragt dank seiner Kothurne alle anderen. Er hat aber leider<br />

nur eine sonore Tiefe zu bieten. In den höheren Lagen wird die Stimme<br />

sehr flach. Möglicherweise ist das aber noch eine Nachwirkung der Verkühlung,<br />

die ihm bei der Premiere zu schaffen machte. Als Tamino war,<br />

wie in den letzten Vorstellungen der alten Inszenierung, Benjamin Bruns<br />

aufgeboten und er bewies, dass in ihm ein wirklich guter Mozart-Tenor<br />

23.11.: „PETER GRIMES“ – Wiederaufnahme der Inszenierung von<br />

1996 (34. Vorstellung), die zugleich die Erstaufführung an der Wiener<br />

Staatsoper (unter dem noch mit dem Komponisten befreundeten<br />

Mstislav Rostropovich) war.<br />

Damals war Benjamin Britten erst 20 Jahre tot, Peter Grimes aber schon<br />

50 Jahre „auf der Welt“. Ich hatte etliche Bühnenwerke des Komponisten<br />

in den 60er-Jahren in England kennen und schätzen gelernt. Heute<br />

liebe ich sie alle. Und es gibt sicher nicht mehr viele Opernfreunde, die<br />

es nicht tun. <strong>Der</strong> Britten-„boom“ anlässlich seines 100. Geburtstages ist<br />

überaus erfreulich.<br />

<strong>Der</strong> „<strong>Merker</strong>“ brachte bereits im Oktoberheft 2012 einen umfassenden<br />

Leitartikel unseres England-Korrespondenten und großen Britten-Kenners<br />

Stephen Mead mit einer Würdigung aller seiner Bühnenwerke. Auf<br />

meine Frage im Editorial jenes Heftes: „Wer (außer dem Autor des Artikels)<br />

alle Britten-Opern kennt, möge sich melden!“ kam keine Rückmeldung. Dass<br />

sich diese Situation zunehmend ändert, wäre wünschenswert. Das Hauptkriterium<br />

für geniale Schöpfungen, nämlich, dass sie mit jeder Wiederbegegnung<br />

an Faszination gewinnen, trifft nämlich auf alle Britten-Werke zu.<br />

Ich habe „Peter Grimes“ in den letzten 50 Jahren in den unterschiedlichsten<br />

Inszenierungen gesehen (London, Wien, Salzburg, Berlin, München,<br />

Karlsruhe, Zürich, Turin, Bratislava) und fand das Stück jedes Mal noch<br />

ergreifender. Interessanterweise erlebte ich in allen diesen Opernhäusern<br />

durchwegs erstklassige Sängerdarsteller. Das hängt vielleicht damit zusam-<br />

22 | DER NEUE MERKER 12/2013

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