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Aktuelles aus Österreich<br />

Die Wiener Staatsoper im November<br />

1.11.: „LA FILLE DU RÉGIMENT“ – Blumen für die Kontrabässe<br />

Kein Wunder, dass das Haus bis auf den letzten Platz gefüllt war, sang<br />

doch Juan Diego Florez den dritten seiner nur vier Abende in dieser Saison.<br />

Passend zu Allerheiligen stand die vergnügliche Inszenierung der „Regimentstochter“<br />

auf dem Programm, die ursprünglich nur als Zwischenstation<br />

einer Reise durch verschiedene Opernhäuser geplant war und erst<br />

nachdem sie zu einem der größten Premierenerfolge der letzten Ära geworden<br />

war, ans Haus am Ring zurückgeholt wurde.<br />

Als dritte Marie in dieser Produktion war diesmal Iride Martinez zu sehen<br />

und sie machte ihre Sache sehr gut. Man sieht, dass es nun üblich ist, vor<br />

Vorstellungsserien auch wirklich zu proben und damit die ursprünglichen<br />

Inszenierungen doch weitestgehend zu erhalten. Sowohl das „Il faut partir“,<br />

als auch das „Par le rang“ gelangen ihr sehr berührend und ich finde es erfreulich,<br />

dass diese Partie auch aus dem Ensemble besetzt werden kann. Natürlich<br />

ist aber die „Fille“ eine Oper, bei der das Publikum auf die C’s der Bravourarie<br />

„Ah mes amis“ wartet. Und es wurde von Juan Diego Flórez nicht<br />

enttäuscht. Er schoss seine Acuti ins Haus und wiederholte, wie auch die<br />

letzten beiden Male, nach frenetischem Jubel das „Pour mon âme“, (was der<br />

Tonio (Juan Diego Flórez) mit Marie,<br />

seiner alpenländischen Braut (Iride Martinez)<br />

einsame Buhrufer auf der Galerie meinte, kann ich nicht nachvollziehen.)<br />

Carlos Álvarez scheint ganz gesundet und lieferte in seiner skurrilen Verkleidung<br />

wieder ein liebenswürdiges Portrait des bärbeißigen Sulpice, wobei<br />

ihm anzusehen war, welchen Spaß er an dieser Rolle hat. Aura Twarowska<br />

als Marquise, die das Resultat ihres Fehltrittes letztlich wieder in<br />

ihre Arme schließt, hatte da einen schweren Stand, auch wenn sie von dem<br />

köstlich spielenden Marcus Pelz blendend unterstützt wurde. In ihrem<br />

Kurzauftritt als Duchesse bewies Kiri te Kanawa mit ihrer 40-jährigen<br />

Bühnenerfahrung, wie man mit wenigen Gesten ein Publikum gewinnen<br />

kann und sich einen doppelten Auftrittsapplaus sichert.<br />

Was ist aber mit dem Orchester unter Bruno Campanella? Nicht dass<br />

er zu laut oder zu langsam oder schnell wäre, aber es klingt nach „Dienst<br />

nach Vorschrift“ und wirkt wie ein Gugelhupf ohne Staubzucker. <strong>Der</strong><br />

Chor (Einstudierung: Thomas Lang) kann in dieser Inszenierung wieder<br />

viel Spielfreude zeigen.<br />

<strong>Der</strong> Blumenwerfer bei den Schlussvorhängen sollte entweder noch etwas<br />

Krafttraining machen oder Zielwasser trinken, denn nahezu alle Blumen<br />

landeten bei den Kontrabässen. Erst Flórez zeigte ihm, wie man das richtig<br />

macht, und warf seine Blume weit in das Parkett. Wolfgang Habermann<br />

2.11.: „TANZPERSPEKTIVEN“ – Lehtinen; Esina, Konowalova, Poláková,<br />

Tsymbal, Yakovleva, Cherevychko, Babdullin, Konvlaev, Lazik, Shishov.<br />

3.11.: „ANNA BOLENA“<br />

Nach langer Wartezeit seit der Premierenserie stand diese schöne Opernproduktion<br />

endlich wieder auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper. Es<br />

gab eine komplett <strong>neue</strong> Sängerbesetzung, die einige Überraschungen bot<br />

und das Werk in anderem Licht sehen ließ.<br />

Ein Fixpunkt hingegen war Evelino Pidò, der auch diesmal wieder<br />

Gaetano Donizettis Oper mit Einfühlungsvermögen für die Sänger und<br />

richtigem Gespür für die bei Belcanto nötigen Tempi und mit Drive leitete.<br />

Die Titelrolle übernahm die enorm vielseitige Krassimira Stoyanova,<br />

die obwohl sie jetzt ja schon bei Verd-Heroinen und Strauss-Rollen angelangt<br />

ist, durchaus überzeugen konnte. Stimmlich alles überhaupt kein<br />

Problem, Höhen, Tiefen, Piani, Legato, da passte alles. Dennoch ist sie<br />

keine wirkliche Belcanto-Diva, denn ihre Ausbrüche waren zu wenig dramatisch<br />

und mitreißend. Sie vermittelte nicht feuriges leidenschaftliches<br />

Donizetti-Temperament, sondern war eher die leidende, ungerecht behandelte<br />

Ehefrau, nicht die Königin, nicht die Frau, die aus Berechnung<br />

und Ehrgeiz den König erobert hatte. Auch in ihrer großen Schlussszene<br />

überzeugte sie mehr im Lyrischen als mit dramatischem Furioso.<br />

Ihre Rivalin Giovanna Seymour, gesungen von der in diesem Fach beheimateten<br />

Sonia Ganassi, konnte nicht vermitteln, warum sie des wankelmütigen<br />

Königs Zuneigung gewonnen hat. Sie warf sich zwar mit vollem Einsatz<br />

in ihre Rolle, aber ihre kernige Stimme wies doch ein recht deutliches<br />

Vibrato auf, das in diesem Genre kaum tolerierbar ist. Dadurch entstand<br />

nicht der Eindruck einer<br />

jungen, sondern einer<br />

etwas reiferen Hofdame.<br />

Eine Überraschung war<br />

für mich Luca Pisaroni<br />

als Enrico, den ich nie<br />

mit dieser Rolle in Zusammenhang<br />

gebracht<br />

hätte. Sein Bass-Bariton<br />

passte sich gut an<br />

den bösen Charakter<br />

der Figur und den Erfordernissen<br />

von Donizettis<br />

Musik an, und so<br />

gefiel er mir sowohl optisch<br />

als auch stimmlich<br />

sehr gut.<br />

Stephen Costello, der<br />

verlassene Riccardo<br />

Percy, ließ sich nach<br />

einer Absage zuvor,<br />

als indisponiert ansagen,<br />

man merkte aber<br />

kaum Probleme. Sein<br />

Die gramgebeugte Königin (Krassimira Stoyanova)<br />

lyrischer Tenor mit me-<br />

DER NEUE MERKER 12/2013| 15

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