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Aktuelles aus Österreich<br />

NEUE OPER WIEN<br />

1.11. Muqua-Halle E: „Paradise reloaded“<br />

(Lilith) – <strong>Der</strong>nière<br />

Die im Rahmen von WIEN MODERN uraufgeführte Oper von Peter Eötvös<br />

stieß auf so großes Interesse, dass sogar die letzte Aufführung dicht gefüllt<br />

war und mit starkem Beifall bedacht wurde. Dabei ist der Plot wirklich<br />

nicht einfach zu erzählen und der Abstieg in die Frühgeschichte über<br />

Adams erste Frau, die gleichberechtigt mit ihm vom Schöpfer aus Lehm<br />

geformt wurde, führt etymologisch bis ins alte Sumer. Die anschmiegsame<br />

Eva, aus Adams Rippe gestaltet, schaffte es bis in die Schöpfungsgeschichte<br />

und damit in die Bibel, die Lilith, selbstbestimmend und die Unabhängigkeit<br />

suchend, wurde in Apokryphen verbannt, wo sie der Vergessenheit anheimfiel.<br />

(Vor starken Frauen fürchten sich die Männer – und das in allen<br />

Religionen und Kulturkreisen. Eine Erinnerung an das Matriarchat?)<br />

Worüber soll man heutzutage noch eine Oper schreiben? An die verteufelte<br />

Lilith traut sich außer Albert Ostermeier kaum jemand heran. So schrieb<br />

er das Libretto für Eötvös, schon als zweite Auseinandersetzung mit dem<br />

Stoff, nach „Die Tragödie des Teufels“. Leider verstand man den Text nicht,<br />

eine Übertitelung gab es nicht, und so war man auf die nachträgliche Textlesung<br />

im Programm angewiesen, die einem dann auch nicht mehr viel hilft,<br />

weil man Text und Musik nicht mehr in Verbindung bringen kann. Scharfe<br />

Schlagzeugfetzen und eine farbige Instrumentation markieren die Dominanz<br />

der dämonischen Lilith; mit der Eötvös eigenen Sensibilität werden<br />

auch zarte, irisierende Farben gemischt, die, von Elektronik unterwandert,<br />

seinen Personalstil kennzeichnen. (Nicht umsonst hat er an IRCAM gearbeitet<br />

und das Ensemble InterContemporain geleitet.)<br />

Hervorragend gelang Walter Kobéra mit dem amadeus-ensemble wien<br />

die musikalische Realisierung des schwierigen Orchesterparts, die Regie von<br />

Johannes Erath musste zwangsläufig eher im Statischen verharren (Ausstattung:<br />

Katrin Connan), was den positiven Effekt hatte, dass man sich<br />

umso mehr auf die Musik konzentrieren konnte.<br />

Annette Schönmüller gab der Lilith die Wildheit und Dämonie, die man<br />

mit dieser Gestalt verbindet, und dazu einen kraftvollen Mezzo, Rebecca<br />

Nelsen formte den sanften Gegenpol Eva mit höhensicherem Sopran; Eric<br />

Stoklossa gab den Adam als Schwächling zwischen den beiden Frauen<br />

und sang mit sicherem Tenor. David Adam Moore tobte als Lucifer vergebens,<br />

Eva hat gewonnen.<br />

Peter Eötvös wurde auch bei der <strong>Der</strong>nière noch besonders gefeiert. I.M.S.<br />

den Parterrelogen, die Besucher der Ränge oder im hinteren Parkett können<br />

das sicher nur mit einem Feldstecher ausnehmen.<br />

Sehr gut hingegen in der Klosterszene die Tarnung von Luna. Da wird<br />

einfach der Christus vom Kreuz gestohlen und Luna legt sich darauf, um<br />

sich rechzeitig auf Leonora zu stürzen. Die Schlussszene hatte ihre Wirkung<br />

nur dank der enormen Bühnenpersönlichkeit von Frau Mavropoulou.<br />

Warum man die arme Azucena auch noch blenden muss? Eine keineswegs<br />

zwingende Art der Demütigung.<br />

Das nicht immer schöne Bühnenbild von Dieter Richter ist allerdings<br />

sehr praktisch zur Gänze auf der Drehbühne aufgebaut, was rasche Wechsel<br />

möglich macht. Sehr gut wirkt das Klosterbild, das auch dann Lunas<br />

Soldatenlager wird. Weniger glücklich, dass das Zigeunerlager auch die Zufluchtstelle<br />

von Manrico und Leonora ist. Na ja. Warum aber Luna die beiden<br />

dann in Leonoras Schlafzimmer zu Gericht führt, ergibt sich nicht unbedingt<br />

logisch. Somit ist dann das erste Bild, die Soldaten-Türmerstube,<br />

zum Kerker mutiert. Aber immerhin ist die Produktion repertoiretauglich.<br />

Die Kostüme von Renate Schmitzer sind einfallslos bis hässlich. Die<br />

Volksopernpremiere:<br />

„IL TROVATORE“ – 16.11.<br />

Ein ungeplantes sensationelles Comeback nach 11 Jahren<br />

Janina Baechle musste aus Gesundheitsgründen die Premiere am Vormittag<br />

absagen, und so hatte man das Glück, Chariklia Mavropoulou als Azucena<br />

zu erleben. Die Künstlerin sang die Bonner Premiere dieser Inszenierung<br />

und so lief für sie eigentlich alles wie gehabt. Die Stimme der Mavropoulou<br />

wurde in diesen elf Jahren noch größer, verlor aber nicht an Flexibilität<br />

und ist ideal für die „finsteren Verdi-Damen“. Ob „Stride la vampa“<br />

oder „Condotta“, man konnte alles so hören, wie man es von Zeiten einer<br />

Simionato oder Cossotto gewohnt war. Die Stimme hält diesen Vergleichen<br />

stand. Eine sehr gute Schauspielerin war sie ja immer, aber bei<br />

dieser Rollengestaltung lief es einem kalt über den Rücken. Sie lebt diese<br />

gequälte, auf Rache und Vergeltung sinnende Frau mit enormer stimmlicher<br />

und physischer Kraft.<br />

Das Regieteam, in Koproduktion mit der Bonner Oper, machte „gründliches“<br />

Theater. Da wird nichts ausgelassen. Die Personenführung von<br />

Dietrich W. Hilsdorf ist zum größten Teil perfekt, manchmal aber auch<br />

etwas zu dick aufgetragen, wie zum Beispiel: die abgehackten Finger von<br />

Manrico oder dass während des Soldatenchores Folterknechte armen Gefangenen<br />

die Fingernägel ziehen, wirkt bis zur ca. 5. Reihe Parkett und in<br />

Manrico, il trovatore und seine angebetete Leonora<br />

(Stuart Neill, Melba Ramos)<br />

Knochenarbeit der Einstudierung machte wohl Ralf Budde, der als Co-<br />

Regisseur angegeben ist. Das ganze wird zu einer Schauergeschichte. <strong>Der</strong><br />

romantische Ritterroman wurde nicht berücksichtigt.<br />

Die zweite große Dame war Melba Ramos, die erstmals die Leonora sang.<br />

Man bedauerte, dass es kein Duett Leonora-Azucena gibt. Sie singt diese<br />

Rolle schon mit etwas dramatischem Ausdruck, hat aber nach wie vor<br />

leichte, schöne Pianohöhen, die für die große Arie vor dem Miserere so<br />

wichtig sind. Schade, dass man sie die Cabaletta nicht singen ließ. Schönere<br />

Kleider hätte sie auf jeden Fall verdient, aber bei dem heutigen Regiestil<br />

sind die „Primadonnen“ ja nicht sehr verwöhnt. Die beiden Sängerinnen<br />

und der Bass Yasushi Hirano waren die Sänger, die wirklich<br />

12 | DER NEUE MERKER 12/2013

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