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Aktuelles aus Österreich<br />

als Kollege ein gewisser Klaus Florian Vogt das Horn. Aber weder Jasmin<br />

noch Klaus Florian konnten sich vorstellen, lebenslang im Orchestergraben<br />

zu versinken. Man weiß, was daraus geworden ist – Klaus Florian<br />

Vogt ist heute einer der führenden Wagner-Tenöre nicht nur Deutschlands,<br />

sondern der Welt, und Jasmin Solfaghari baute sich eine bemerkenswerte<br />

Karriere als freie Regisseurin auf…<br />

Die Regisseuse Jasmin Solfaghari<br />

Erinnerungen an Persien<br />

Jasmin Solfaghari, die ihr Geburtsdatum (1963) keinesfalls verschweigt,<br />

kam in Freiburg im Breisgau zur Welt, übersiedelte aber schon im Babyalter<br />

nach Teheran. Ihr Vater hatte bei seinem Wirtschaftsstudium in<br />

Deutschland ihre Mutter kennen gelernt („Persisch-deutsche Ehen waren<br />

damals sehr häufig, da viele Perser aus bürgerlicher Familie in Deutschland<br />

studierten,– ich treffe immer wieder Leute wie mich, die aus solchen Beziehungen<br />

stammen!“). Jasmin Solfaghari hat nur positive Erinnerungen daran,<br />

als kleines Mädchen in Persien aufzuwachsen, inmitten einer riesigen Familie,<br />

in der sich ihre Mutter auch sehr wohl und keinesfalls unterdrückt<br />

fühlte. Dennoch waren die kulturellen Unterschiede im Lauf der Zeit zu<br />

groß – nach der Trennung ihrer Eltern kehrte sie mit ihrer Mutter nach<br />

Deutschland zurück. Problemlos. Die große Dramatik, die etwa in dem<br />

Buch der Amerikanerin Betty Mahmoody „Nicht ohne meine Tochter“<br />

geschildert wird, fand bei den Solfagharis nicht statt.<br />

„Ich habe aus meinen wunderschönen Jahren in Teheran den passiven Sprachschatz<br />

einer Sechsjährigen mitgebracht, verstehe viel mehr, als ich leider spreche“,<br />

meint Jasmin Solfaghari, die seit ihrer Kindheit nie mehr im Iran<br />

war, denn ihre Familie hat das Persien von einst mit dem Schah nach der<br />

Revolution verlassen. Heute wohnen die meisten in Los Angeles, wo sie<br />

ihren alten, vitalen Vater und ihren Bruder mit Familie gerne besucht.<br />

Freiburg und Wagner<br />

Aufgewachsen ist Jasmin dann in Freiburg im Breisgau, einem von Kultur<br />

durchdrungenen Universitäts-Städtchen, Frankreich und die Schweiz<br />

gleich „nebenan“ (Sprachen sind übrigens eine Leidenschaft von Jasmin<br />

Solfaghari, die an der ordentlichen französischen (ihre Großmutter stammt<br />

aus der französischen Schweiz) oder italienischen Aussprache ihrer Sänger<br />

unermüdlich arbeiten kann), und Wagner mittendrin. Josef Lienhart<br />

führte hier nicht nur eine traditionsreiche Bäckerei, die zum Zentrum aller<br />

Musik-Liebhaber wurde, er war auch Präsident des Internationalen<br />

Richard-Wagner-Verbands, und die kleine Jasmin, die dort Stammgast<br />

war, wuchs mit Musik auf – aber, was sie heute noch besonders schätzt,<br />

keinesfalls eindimensional. „Leute, die im Sommer nach Bayreuth fuhren,<br />

waren ebenso bei moderner Musik in Donaueschingen zu finden, gingen in<br />

Kammer- und Kirchenkonzerte.“<br />

Von familiärer Seite hatte sie zunächst positive Einflüsse durch ihren<br />

mehr als opernbegeisterten Onkel, der in seiner Freizeit Bühnenbildmodelle<br />

und Figurinen von u.a. Jean-Pierre Ponnelle nacharbeitete, und ihrer<br />

Tante, die Ballerina am Freiburger Stadttheater war. Dort gab Jasmin Solfaghari<br />

mit 18 Jahren innerhalb ihrer einjährigen Hospitanz im „Rheingold“<br />

auch als Statistin hinter der Bühne „die Welle rechts“ (Regie: Siegfried<br />

Schoenbohm).<br />

Für Jasmin begann die „praktische“ Auseinandersetzung mit Musik mit<br />

der Querflöte – später im Orchester der Hamburgischen Staatsoper blies<br />

Das Handwerk lernen und weitergeben<br />

Das Handwerk hat sie bei bedeutenden Regisseuren gelernt, und Namen<br />

wie Harry Kupfer, Götz Friedrich oder Marco Arturo Marelli heben sie<br />

auf ein ganz hohes Niveau. Aber Jasmin Solfaghari erinnert sich auch sehr<br />

gerne an Christine Mielitz, der sie ein besonderes Erlebnis verband: Wie<br />

deren „Fidelio“ nämlich kurz vor dem Fall der Mauer an der Dresdner<br />

Semperoper zu einem Beispiel politischen Theaters wurde („Wir sind belauscht<br />

mit Ohr und Blick“), wie man es selten so deutlich erleben konnte…<br />

Solange man es noch nicht wagen kann, in der Unsicherheit des „freien<br />

Schaffens“ zu leben, ist eine Anstellung natürlich wünschenswert, und<br />

Jasmin Solfaghari, die heute mit ihren beiden Söhnen in Berlin lebt, hat<br />

sich immer wieder gebunden: Von 1993 bis 1998 war sie Spielleiterin an<br />

der Hamburgischen Staatsoper, zuständige Betreuerin für den „Ring“ von<br />

Günther Krämer, dann von „Rheingold und „Siegfried“ an der Deutschen<br />

Oper, und „wenn man über Jahre immer wieder Sänger in ihre Rollen einweist<br />

und dabei auch ihre vielleicht nicht anwesenden Partner spielen muss,<br />

lernt man ein Werk auch so intensiv wie nur möglich. Gerne erinnere ich mich<br />

an meine „Einspringer“ bei Hamburger Bühnenorchesterproben als Riese, Wotan<br />

oder Mime im 1. Akt Siegfried, aber auch als Ida in der ‚Fledermaus’“.<br />

Diese Kenntnis hat sie immer wieder versucht, an Studierende weiterzugeben<br />

– nach (und neben) einigen Jahren (2001 bis 2004) als „inszenierende<br />

Oberspielleiterin“ in Bremerhaven („vier eigene Produktionen im Jahr<br />

klingt viel, ist aber machbar“) und 2004 bis 2006 Oberspielleiterin an der<br />

Deutschen Oper Berlin, hat sie an verschiedenen Hochschulen unterrichtet,<br />

Schwerpunkt Leipzig (5 Jahre als Professorin) und Dresden, sowie innerhalb<br />

ihrer internationalen Meisterkurse.<br />

Auf die Frage, ob es nicht eine Schwemme junger Sänger gibt, die keine<br />

Chance im großen Opernbetrieb haben, verweist Jasmin Solfaghari erstaunlicherweise<br />

auf die entgegen gesetzte Erfahrung: „Es gibt sogar manchmal<br />

immer wieder junge Leute mit Stimmen und Talent, die man geradezu<br />

ermutigen muss, sich in die Karriere hineinzuwagen.“<br />

Die Regisseurin, die so viel von Musik versteht (welche berühmten Regiekollegen<br />

nicht imstande sind, eine Partitur zu lesen, sagt sie natürlich<br />

nicht), rühmt sich auch ihrer guten Ohren: „Ich habe mich in Leipzig als<br />

Professorin sehr dafür eingesetzt, Anette Fritsch als meine ‚Figaro‘-Gräfin zu<br />

besetzen, weil ich wusste, dass sie es kann – und wenig später war sie schon<br />

Hanekes Fiordiligi in Madrid und Brüssel. Zu schade, dass ihr Staatsoperndebut<br />

als Marie in der ‚Regimentstochter’ krankheitshalber nicht zustande kam.“<br />

Vielseitigkeit ist ihre Stärke<br />

Ob „Tannhäuser“, ob „Eine Nacht in Venedig“, ob Händel oder Henze,<br />

ob die ganz Modernen (sehr gern erinnert sich an „L’absence“ der deutschjüdischen<br />

israelischen Komponistin Sarah Nemtsov, die sie 2012 bei der<br />

Münchner Biennale mit größtem Erfolg herausgebracht hat) – Jasmin Solfaghari<br />

setzt sich mit allem auseinander, was sie interessiert. Wagner steht<br />

dabei immer in vorderster Reihe – und ihn Kindern nahe zu bringen, ist<br />

ihr besonders wichtig. „<strong>Der</strong> Ring für Kinder“, den sie in Leipzig herausgebracht<br />

hat, war ein solcher Erfolg, dass er 2014 wieder aufgenommen<br />

wird, und ein „Ring in 100 Minuten“ wird im April 2014 im Atze Musiktheater<br />

in Berlin Premiere haben, ebenfalls mit dem Erzähler Luna. Ernst<br />

genommen, keine Parodie.<br />

Würde Jasmin Solfaghari gerne den „Ring“ in Bayreuth inszenieren? Welch<br />

eine Frage! Jedenfalls wäre es nach der Castorf’schen Willkür doch ganz<br />

schön, wieder einmal jemand Kompetenten zu holen, der das Werk nicht<br />

nur bis in jedes Detail kennt, sondern es auch liebt und ehrt und keinerlei<br />

Zerstörungsgelüste kennt? <strong>Der</strong> Name Jasmin Solfaghari böte sich da<br />

geradezu zwingend an… <br />

Renate Wagner<br />

DER NEUE MERKER 12/2013| 11

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