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Aktuelles aus Österreich<br />

16.11.: „LES DANAΪDES“ (konzertant)<br />

Wieder einmal konnte man im Theater an der Wien ein seltenes und äußerst<br />

interessantes Werk erleben, das in Kooperation mit dem Pariser Palazzetto<br />

Bru Zane aufgeführt wurde. Antonio Salieri bekam durch Gluck,<br />

der den jungen Kollegen sehr förderte, die Gelegenheit, dieses Sujet, das<br />

schon bei Metastasio ein Thema war, zu vertonen, und damit in Paris ein<br />

erfolgreiches Debut als Opernkomponist zu machen.<br />

Die Handlung – bei Aischilos überliefert – ist äußerst blutrünstig: es geht<br />

um die zutiefst verfeindeten Zwillingsbrüder Danaos und Aigyptos, die,<br />

um den Familienstreit zu beenden, beschließen, ihre je 50 Töchter und 50<br />

Söhne (wie außerordentlich fruchtbar!!) miteinander zu verheiraten. Danaos<br />

ist jedoch unversöhnlich und verpflichtet seine Töchter, ihre jungen<br />

Ehemänner in der Hochzeitsnacht zu ermorden. Nur die älteste Tochter<br />

Hypermnestra, die sich schon in ihren Bräutigam verliebt hat, folgt diesem<br />

Befehl nicht und warnt ihren Gatten Lynkeus. <strong>Der</strong> Vater bezichtigt sie<br />

des Verrats und wird von Lynkeus, der seine Brüder rächt, getötet. Danaos<br />

und seine Töchter müssen in der Unterwelt von Furien gequält für ihre Taten<br />

bis in alle Ewigkeit büßen.<br />

Salieri hat das Werk ganz im Stile von Glucks Reformopern komponiert,<br />

schon weit entfernt von barocken Traditionen. Das Orchester steigert<br />

sich in die Düsternis und Dramatik der Handlung wechselnd mit lieblichen<br />

Melodien, sodass man meint, schon die zukünftige Entwicklung zur<br />

französischen Grand Opéra ahnen zu können. <strong>Der</strong> Chor spielt sowohl in<br />

kommentierender als auch in handelnder Funktion eine tragende Rolle.<br />

Man könnte die „Danaiden“ als eine Choroper bezeichnen.<br />

Die Aufführung lag in den fähigen Händen von Christophe Rousset, der<br />

sein Ensemble Les Talens Lyriques zu wahrem musikalischen Ausdruck und<br />

Furor anfeuerte, der auch Bühne und Publikum mitriss. <strong>Der</strong> ausgezeichnete<br />

Chor Les Chantres du Centre de Musique baroque de Versailles, der hörbar<br />

nur aus mehrjährig ausgebildeten Sängern besteht, begeisterte das Publikum<br />

und war wesentlich am Erfolg des Abends beteiligt.<br />

Ferner gab es ein ausgezeichnetes Sängerensemble, das der Musik Salieris<br />

voll Rechnung tragen konnte:<br />

Zuerst möchte ich die niederländische Sopranistin Judith van Wanroij<br />

nennen, die mit schöner, klarer Stimme sowohl die lyrischen Aspekte der<br />

Hypermnestre ausfüllte als auch zu dramatischen Ausbrüchen in ihrer<br />

großen Bravourarie fähig war.<br />

Ihr Vater Danaos wurde vom Bass Thassis Christoyannis mit der hier<br />

notwendigen Strenge und Düsternis gesungen, sodass der rachsüchtige<br />

König auch ohne Kostüm auf der Bühne erstand.<br />

Im Gegensatz dazu stand der Bräutigam Lyncée von Philippe Talbot mit<br />

lyrischen und lieblicheren Tönen. Ergänzend in kleineren Rollen: Katia<br />

Velletaz und Thomas Dolié.<br />

Ein sehr schöner und interessanter Abend, der die Möglichkeit bot, den<br />

Komponisten Salieri, der im Bewusstsein der heutigen Musikfreunde meist<br />

nur durch die Mordgerüchte um Mozart verankert ist, einmal wirklich zu<br />

hören und an einem Jugendwerk zu messen. Silvia Herdlicka<br />

Kammeroper: „LA CENERENTOLA“ – Pr. 25.11. -<br />

Junges Ensemble zu bewundern<br />

<strong>Der</strong> jugendliche Antonio Salieri im zeitgenössischem Porträt<br />

Als Ableger des Theaters an der Wien, das sich damit wohl bis zu einem<br />

gewissen Grad den eigenen Nachwuchs aufbaut, hat die Kammeroper natürlich<br />

eine andere Basis als früher unter eigener Leitung. Die Sänger der<br />

Hauptrollen dieser Rossini-Buffa könnten wohl auch im größeren Haus<br />

schon sehr wohl bestehen.<br />

Als fabelhafte Titelrollensängerin gab es die Italienerin Gaia Petrone zu hören.<br />

Sie ist Besitzerin eines prachtvollen Mezzosoprans, apart timbriert, beachtlichen<br />

Volumens und vor allem butterweich sich jeder Kantilene anschmiegend<br />

und genussvoll dort verweilend, egal ob im lyrisch-elegischen „Una volta c’era<br />

un re“, als ruhig-feste vokale Basis in den Szenen mit ihren keifenden Schwestern<br />

oder im finalen Koloratur-reichen, virtuosen Höhenaufschwung. In dieser<br />

Stimme steckt wohl noch sehr viel mehr drinnen. Schlicht und sympathisch<br />

gestaltete sie die Angelina, ohne sich demonstrativ in den Mittelpunkt<br />

zu spielen. Die Gewinnerin mehrerer internationaler Gesangswettbewerbe<br />

wird u.a. noch in dieser Spielzeit den Sesto im „Titus“ singen.<br />

Einen ebensolchen Publikumserfolg konnte der Tenor Andrew Owens<br />

als Don Ramiro einheimsen. Kraft und Saft einer gut geführten Stimme<br />

vereinigte sich mit schönem Höhenglanz und sein temperamentvoll geäußertes<br />

Vorhaben, die geliebte Braut wiederzufinden: „Noi voleremo, domanderemo…“<br />

erntete hellen Jubel. Die kernige, flexible und schon recht<br />

große Baritonstimme seines „Dieners“ Dandini, Ben Connor gehörend,<br />

war seinem prinzlichen Herrn durchaus ebenbürtig.<br />

Obwohl sich der Bassist Igor Bakan, der in dieser Produktion gleich in beiden<br />

Rollen, als Don Magnifico und Alidoro, auftrat, wegen gesundheitlicher<br />

Probleme entschuldigen ließ, schlüpfte er mit viel Stimmkraft und großem<br />

spielerischem Einsatz von einer Rolle in die andere, sodass er trotz allem einen<br />

sehr positivnr Eindruck hinterließ. Gar so greisenhaft hätte er freilich nicht<br />

umhertapsen müssen. Und auch die beiden bösen Schwestern, Gan-ya Bengur<br />

Akselrod (Clorinda) und Natalia Kawalek-Plewniak (Tisbe) agierten<br />

derart überdreht und waren ebenso dümmlich aufgemacht, dass eine seriöse<br />

Beurteilung auch der durchaus respektablen vokalen Leistungen schwer fällt.<br />

Doch dafür ist wohl in der erster Linie die Regie verantwortlich. Jasmin<br />

Solfaghari ist zweifellos eine sehr musikalische Regisseurin, war (siehe das<br />

DER NEUE MERKER 12/2013| 9

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