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Aktuelles aus Österreich<br />

Das gefiederte Paar bot einen Lichtblick, denn es gab nichts auszusetzen,<br />

außer dem hässlichen und sicher sehr strapaziösen Rabenkostüm der Papagena<br />

Valentina Nafornita, die ihre Model-Figur erst im Höhenflug<br />

mit Papageno zeigen konnte. Gesanglich ist sie natürlich über die Rolle<br />

längst hinaus. Markus Werba ist ein sehr natürlicher, munterer und herzlicher<br />

Papageno, der alles absolut richtig macht, was für die Rolle erforderlich<br />

ist. Dafür hat er für seine Witze pünktlich die Lacher. Thomas<br />

Ebenstein (Monostatos), der von der Berliner Komischen Oper kommt,<br />

ist, wie dort üblich, äußerst spielfreudig. Auch seine Arie hat er im Griff.<br />

Marian Talaba und Dan Paul Dumitresco waren stimmkräftige Geharnischte,<br />

natürlich ohne Harnisch. Benedikt Kobel ergänzte die (sogenannte)<br />

Priesterschaft. Die drei Sängerknaben, die nicht zu ihrer Auftrittsmusik<br />

anfliegen durften, sondern erst mit Pamina, nachdem sie deren<br />

Selbstmord verhindert hatten, wegfliegen, waren außer Form. Auch da<br />

kriselt es offenbar, seit drei Chöre Geld verdienen müssen.<br />

Keine guten Impulse kamen vom Pult. Christoph Eschenbach hat zwar in<br />

mehreren Chefposten ein Repertoire angesammelt, das er jederzeit überall<br />

einsetzen kann, aber er tut es überhastet, so schnell, dass die Sänger kaum<br />

artikulieren können, oder so langsam, dass man einen Stillstand befürchtet.<br />

Mehr Ruhe, mehr Übersicht, mehr Begleitqualitäten würde er brauchen,<br />

um in der Oper reüssieren zu können, wie einstmals als Pianist. Das<br />

Staatsopernorchester spürte das auch, realisierte diszipliniert all die verlangten<br />

Tempi, aber gelegentlich hatte man den Eindruck, es würde den stärksten<br />

Fluch verhängen, den es auf Lager hat: „Wir spielen, was er dirigiert“!<br />

<strong>Der</strong> Staatsopernchor (unter Martin Schebesta) sang tadellos und trotz<br />

der schäbigen Verkleidung sehr animiert.<br />

Nehmt alles nur in allem: Mit Mozart geht es derzeit an der Staatsoper<br />

(und auch anderswo) nicht so gut.<br />

Trotzdem freundlicher Applaus. <br />

I.M.S.<br />

Ein verwüstetes und unheimlich-dunkles Kreta erwartet uns in der Inszenierung<br />

von Damiano Michieletto. Sind die vielen Gummistiefel, die auf<br />

dem vergammelten Sand des Strandes herumliegen, die kärglichen Überreste<br />

der Seeleute, die mit Idomeneo zurückkehrten und beim Scheitern<br />

seines Schiffes ertranken, obzwar er den verhängnisvollen Eid geleistet<br />

hatte, Neptun das erste Lebewesen zu opfern, das ihm nach seiner Rettung<br />

begegnen würde? Doch nein, er wird in einem Spitalsbett wach –<br />

offenbar nach einem Alptraum, denn der (lt. Homer) „lanzenberühmte“<br />

Held, der so stolz „mit achtzig dunkelen Schiffen“ gen Troja zog, ist nur<br />

mehr ein Schatten seiner selbst. Sein Sohn Idamante, den er, wie in einem<br />

Video während der Ouvertüre erklärt wird, mit der Einkleidung in den<br />

herkömmlichen Politikeranzug zum Statthalter und Nachfolger geweiht<br />

hat, ist offenbar seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen und hat stattdessen<br />

Ilia, die gefangene trojanische Prinzessin, geschwängert (Schwangere<br />

sind momentan in vielen Stücken zu sehen, wo sie gar nicht hingehören,<br />

das ist derzeit „in“). Und der politische Flüchtling Elettra geht<br />

hochmodische Teile shoppen und stöckelt damit über den verwüsteten<br />

Strand. Das ist die Situation.<br />

Michieletto hat aber eine bemerkenswerte Eigenschaft: Er kann faszinierende<br />

Bilder entwerfen! Wenn sie auch noch so triste sind, sie wirken packend<br />

und schaffen den Hintergrund einer Situation, auch wenn sie gar<br />

nicht der gerade zu spielenden entspricht. Als ihn Alexander Pereira in<br />

Salzburg aus dem Hut zog, hat er mit „Mimis Würstelstand an der Autobahn“<br />

(La Bohème) seine Blitzkarriere weltweit gestartet. Und so treibt er<br />

es auch im „Idomeneo“. Was hier aufgeführt wird, ist ein anderes Stück,<br />

wirkt aber gut gemacht. Er überzeugt das Personal, das sich die Seele aus<br />

dem Leib singt und spielt – und damit überzeugt er (zumindest teilweise)<br />

auch das Publikum.<br />

Und so taumelt die Bevölkerung des hundertburgigen Kreta wie vom Taifun<br />

verblasen umher, wälzt sich wie die aus Eifersucht und Neid wahnsinnig<br />

werdende Elettra im Dreck, der alte König stirbt und wird auch<br />

gleich im Sand verscharrt, Ilia bringt ihr Kind zur Welt und so hat das<br />

junge Paar auch sofort einen Thronfolger – fast wie in England. Wenn<br />

man Mozarts Idomeneo schon kennt und ohnedies der Decker-Inszenierung<br />

der Ära Holender nachweint, die nach zwei kurzen Serien spurlos<br />

verschwand, ist man zumindest interessiert daran, was die Regisseure mit<br />

den wehrlosen alten Stücken noch aufführen werden.<br />

Musikalisch ging allerdings alles seinen geregelten Gang. René Jacobs<br />

hat nie die magersüchtige Darstellungsweise der „echten“ Originalklangler<br />

goutiert, auch nicht ihr atemloses Hineinhacken. Er war immer bestrebt,<br />

eine schöne Linie zu finden, er ist oft gescholten worden wegen<br />

„üppiger“ Besetzungen oder (bei Monteverdi) auch ebensolcher Instrumentationen,<br />

die man als zu dick empfand. Offenbar hat er seine Sängererfahrungen<br />

für eine abgerundete Gesamtwirkung genützt. Und so ist<br />

er heute ebenso beliebt wie angesehen und wird bejubelt, wo immer er<br />

auftritt, und mit ihm sein hervorragendes Ensemble, das Freiburger Barockorchester.<br />

<strong>Der</strong> phänomenale Arnold Schoenbergchor macht höchst<br />

professionell alle Extreme mit, die der Regisseur fordert und singt dabei<br />

großartig, mit perfekter Phrasierung und Intonation. Und gute Sänger<br />

hat Jacobs auch immer wieder.<br />

Richard Croft, sehr zurückgenommen (sein böser Mitridate in Salzburg<br />

05/06 ist unvergessen!), gibt den alten, müden König mit Stil und Ausdruck.<br />

Idamante war für uns neu, ein aparter Mezzo in stimmlicher und darstellerischer<br />

Hinsicht: Gaëlle Arquez. Weitere Begegnungen sind erwünscht! Sehr<br />

fein und intensiv gestaltete Sophie Karthäuser die Ilia. Marlis Petersen<br />

sang nicht nur die gefürchtete Partie der Elettra fabelhaft, sie spielte auch<br />

ein weites Ausdrucksregister auf faszinierende Weise. Julien Behr machte als<br />

Theater an der Wien<br />

15.11. „IDOMENEO“<br />

<strong>Der</strong> Titelheld in Aktion - Richard Croft (© Werner Kmetitsch)<br />

Arbace mit einer sehr gut gesungenen Arie aufhorchen, Mirko Guadagnini<br />

war ein kraftvoller Sacerdote. Das Orakel kam vom Band. (Luca Tittoto.)<br />

Voller Erfolg. <br />

I.M.S.<br />

8 | DER NEUE MERKER 12/2013

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