Mitarbeiterbefragung in Hausarztpraxen
Mitarbeiterbefragung in Hausarztpraxen
Mitarbeiterbefragung in Hausarztpraxen
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Integrierte Versorgung<br />
<strong>Mitarbeiterbefragung</strong> <strong>in</strong> <strong>Hausarztpraxen</strong><br />
A. Mühlbacher 1 , M. Nübl<strong>in</strong>g 1 , E. Unteregger 2 , W. Niebl<strong>in</strong>g 4<br />
Zusammenfassung<br />
Im Kontext der Entwicklung e<strong>in</strong>es Qualitätsmanagementsystems<br />
für Haus- und Allgeme<strong>in</strong>arztpraxen, zeigt dieser Artikel, wie e<strong>in</strong>e<br />
<strong>Mitarbeiterbefragung</strong> entwickelt und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hausärztenetz<br />
durchgeführt wurde.<br />
Schlüsselwörter<br />
Integrierte Versorgung, Haus- und Allgeme<strong>in</strong>arztnetze, Qualitätsmanagement,<br />
EFQM, <strong>Mitarbeiterbefragung</strong><br />
Summary<br />
In spite of the discussion about quality management <strong>in</strong> primary<br />
care, this article demonstrates how a employee satisfaction surveys<br />
was developed an shows the results after implement<strong>in</strong>g this<br />
survey at a primary care network.<br />
Key words<br />
Health care delivery networks, networks of primary care physicians,<br />
quality management, EFQM, employee survey<br />
E<strong>in</strong>leitung<br />
<strong>Mitarbeiterbefragung</strong>en (MAB) gehören zu den bewährten<br />
Methoden e<strong>in</strong>er erfolgreichen Personalführung und<br />
s<strong>in</strong>d gerade im Zusammenhang mit Total Quality Management<br />
und dem EFQM-Modell unverzichtbar (10, 11,<br />
12). Sie dienen der Organisationsentwicklung <strong>in</strong> privatwirtschaftlichen<br />
Unternehmen ebenso wie im öffentlichen<br />
Bereich. E<strong>in</strong>e MAB kann sich an den folgenden<br />
Schwerpunkten orientieren (13):<br />
Arbeitszeitregelung<br />
Bezahlung<br />
Beziehung der Mitarbeitenden zu den Vorgesetzten<br />
Beziehung der Mitarbeitenden zu anderen Mitarbeitenden<br />
Aufstiegsmöglichkeiten<br />
Verantwortung<br />
Weiterbildung<br />
Organisation der Arbeit<br />
1 Gesellschaft für Empirische Beratung mbH (GEB)<br />
2,3 QP-Qualitätspraxen GmbH (siehe auch 11/03; Seite 530)<br />
4 Lehrbereich Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong> an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau<br />
Durchführung der <strong>Mitarbeiterbefragung</strong><br />
Von Juni bis August 2003 wurde bei den QP-Qualitätspraxen<br />
e<strong>in</strong>e MAB mithilfe e<strong>in</strong>er schriftlichen Befragung<br />
durchgeführt. Die Teilnahme war für alle Mitarbeitenden<br />
<strong>in</strong> den Praxen freiwillig. Die Fragebögen wurden <strong>in</strong><br />
den teilnehmenden Praxen an alle Mitarbeitenden verteilt<br />
und von diesen nach dem Ausfüllen anonym direkt<br />
an das Postfach des Auswertungs<strong>in</strong>stituts geschickt.<br />
Mit Rücksicht auf die Anonymität der befragten Mitarbeitenden<br />
musste auf persönliche Angaben (Alter, Geschlecht<br />
etc.) verzichtet werden. Aus demselben Grund<br />
konnte auch die Praxiszugehörigkeit nicht erfasst werden,<br />
da die meisten Praxen nur über wenige Beschäftigte<br />
verfügen. Damit entfallen die Analysen nach soziodemografischen<br />
Faktoren und die Vergleichsmöglichkeiten<br />
der angeschlossenen <strong>Hausarztpraxen</strong> untere<strong>in</strong>ander.<br />
Inhalte des Mitarbeiterfragebogens<br />
Bei den Inhalten des Fragebogens wurde bewusst auf bereits<br />
vorliegende und validierte Instrumente zurückgegriffen.<br />
Neben den methodischen Vorteilen ist e<strong>in</strong> wichtiger<br />
Grund, dass schon bei e<strong>in</strong>er ersten Durchführung<br />
der MAB externe Vergleichsdaten vorliegen. Die Erkenntnisqualität<br />
dieser Daten ist natürlich derjenigen<br />
von Längsschnittdaten <strong>in</strong> derselben Beschäftigtengruppe<br />
unterlegen, trotzdem lassen sich aus diesen externen<br />
Vergleichsdaten erste Anhaltspunkte für Stärken und<br />
Schwächen <strong>in</strong> der untersuchten Gruppe ableiten.<br />
Wichtigster Kernbereich des Fragebogens s<strong>in</strong>d die drei<br />
Skalen zur psychischen Belastung im Beruf aus der Kurzversion<br />
des Copenhagen Psychosocial Questionnaire<br />
(COPSOQ) (8, 9). Die Kurzversion des COPSOQ be<strong>in</strong>haltet<br />
Dr. rer. oec. Axel Mühlbacher<br />
Technische Universität Berl<strong>in</strong>, Fakultät Wirtschaft und Management,<br />
Fachgebiet F<strong>in</strong>anzwissenschaft und Gesundheitsökonomie,<br />
Straße des 17. Juni 135, 10623 Berl<strong>in</strong>, Tel.: 030-31 42 41 90,<br />
E-mail: AxelMuehlbacher@f<strong>in</strong>ance.ww.tu-berl<strong>in</strong>.de<br />
Z. Allg. Med. 2003; 79: 535–540. © Hippokrates Verlag <strong>in</strong> MVS Mediz<strong>in</strong>verlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003 535
Integrierte Versorgung<br />
In der wissenschaftlichen Forschung zu psychosozialen<br />
Belastungen bei der Arbeit werden <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
im Wesentlichen zwei Ansätze diskutiert: Das ursprünglich<br />
auf Karasek (7) beruhende demand-control-Modell,<br />
das später zum demand-control-support-Modell erweitert<br />
wurde (4) und das effort-reward-imbalance<br />
(ERI)-Modell (15, 16).<br />
Beide Modelle gehen davon aus, dass objektive Belastungen<br />
nicht unmittelbar zu subjektiv erfahrenen Beanspruchungen<br />
werden, sondern dass hier weitere Faktoren<br />
als Moderatoren relevant s<strong>in</strong>d. Im ERI-Modell ist es<br />
das Zusammentreffen von hohen Belastungen mit niedrigen<br />
Belohnungschancen, das die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
negativer Folgen steigen lässt. Im erweiterten Modell<br />
von Karasek ist es die Komb<strong>in</strong>ation von hohen Belastungen<br />
(demands) bei gleichzeitig niedrigem Handlungsspielraum<br />
(control) und niedriger Unterstützung (support).<br />
In beiden Modellen wird davon ausgegangen, dass<br />
zusätzlich persönliche Faktoren e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle<br />
spielen.<br />
Die hier e<strong>in</strong>gesetzte Kurzversion des dänischen COPSOQ<br />
basiert auf dem Modell von Karasek. Wie <strong>in</strong> Tabelle 1 dargelegt,<br />
ist die Kurzversion aus der umfangreicheren Forschungsversion<br />
entstanden, <strong>in</strong>dem jeweils mehrere E<strong>in</strong>zelskalen<br />
aus der Langversion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gesamtskala <strong>in</strong>tegriert<br />
wurden (9). In der folgenden Tabelle s<strong>in</strong>d die Reliabilitätskoeffizienten<br />
(Cronbach’s alpha) und die Anzahl<br />
der für die jeweilige Skala verwendeten E<strong>in</strong>zelfragen dokumentiert<br />
(Lange Version: (9), Kurzversion: persönliche<br />
Mitteilung von Tage Kristensen). Der Koeffizient<br />
Cronbach’s alpha zeigt, <strong>in</strong>wiefern die e<strong>in</strong>zelnen Aspekte<br />
e<strong>in</strong>er Skala zue<strong>in</strong>ander passen, d.h. als Teilbereiche e<strong>in</strong>es<br />
übergeordneten Sammelbegriffs gelten können. Werte<br />
im Bereich von 0,7 bis 0,9 besche<strong>in</strong>igen e<strong>in</strong>e gute Skalenkonsistenz.<br />
Es wird deutlich, dass die Skalenreliabilitäten <strong>in</strong> dieser<br />
Studie (QP MAB 2003) denen der dänischen COPSOQ<br />
Studie sehr nahe kommt. E<strong>in</strong>e flankierend durchgeführte<br />
Faktorenanalyse bestätigt die E<strong>in</strong>dimensionalität der<br />
Skalen. Die Subsumierung der 26 Items zu den genannneben<br />
anderen Themen drei zentrale Skalen zu den Bereichen<br />
Arbeitsanforderungen, Handlungsspielraum<br />
und Soziale Unterstützung am Arbeitsplatz. Der Fragebogen<br />
beruht auf der demand-control-support-Theorie<br />
von Karasek und Johnson (s.u.), diese wurde <strong>in</strong> Kopenhagen<br />
entwickelt und wird mittlerweile <strong>in</strong> vielen europäischen<br />
Staaten e<strong>in</strong>gesetzt. Zudem kamen die weit verbreiteten<br />
Itembatterien zu Arbeitsorientierungen und<br />
Arbeitsbewertungen aus dem ISSP 1997 (International<br />
Social Survey Programme: Work Orientations II (18) und<br />
aus dem ALLBUS 2000 (Allgeme<strong>in</strong>e Bevölkerungsumfrage<br />
<strong>in</strong> den Sozialwissenschaften) (19) bzw. aus den Vorgängerversionen<br />
1980, 1982 und 1991 zum E<strong>in</strong>satz.<br />
H<strong>in</strong>zu kamen e<strong>in</strong>ige Fragen zur Gesamtzufriedenheit<br />
und die Fragen nach dem Dienstalter (bis 5 Jahre, über 5<br />
Jahre), der Anzahl Mitarbeitende (1, 2–4, 5 und mehr)<br />
und der Anzahl Wochenstunden (unter 15, 15–34, 35<br />
und mehr, Azubi/ Praktikant/-<strong>in</strong>). Am Ende des Bogens<br />
war neben der Abfrage der Ausfülldauer e<strong>in</strong>e offene Frage<br />
für Kommentare und zusätzliche Vorschläge platziert.<br />
Zudem wurden e<strong>in</strong>ige QP Qualitätspraxen-spezifische<br />
Fragen aus der EFQM-Selbstbewertung (11, 12) und der<br />
Patientenbefragung <strong>in</strong>tegriert (14).<br />
Statistische Analysen<br />
Neben re<strong>in</strong> deskriptiven Verfahren (Häufigkeitsauszählung<br />
mit Verteilungskennwerten, Kreuztabellen) wurden<br />
die aus dem COPSOQ übernommenen Fragen auf<br />
ihre Faktorenstruktur und die <strong>in</strong>terne Konsistenz der resultierenden<br />
Skalen überprüft. Hierzu kamen die explorative<br />
Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse mit<br />
Varimax-Rotation) und die Reliabilitätsanalyse zum E<strong>in</strong>satz.<br />
Alle Analysen wurden mit dem Statistikprogramm<br />
SPSS 10 durchgeführt.<br />
Ergebnisse der <strong>Mitarbeiterbefragung</strong><br />
Fast alle Mitarbeitenden <strong>in</strong> den teilnehmenden Praxen<br />
füllten den ausgeteilten Bogen aus. Der Rücklauf betrug<br />
n = 155 Bögen von ca. 170 ausgeteilten Bögen <strong>in</strong> 45 teilnehmenden<br />
Praxen.<br />
Der Fragebogen war bewusst als Kurz<strong>in</strong>strument konzipiert<br />
worden, was <strong>in</strong> der kurzen Beantwortungszeit zum<br />
Ausdruck kommt: 39% der Befragten brauchten unter 10<br />
M<strong>in</strong>uten, weitere 53% 10–20 M<strong>in</strong>uten zum Ausfüllen des<br />
Bogens.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich des Dienstalters verbrachten 70% der Befragten<br />
schon 5 und mehr Jahre im aktuellen Beruf, 30%<br />
bis zu 5 Jahre. Die meisten Mitarbeitenden (66%) arbeiten<br />
<strong>in</strong> Praxen mit 2–4 Mitarbeitern (<strong>in</strong>klusive dem/der<br />
Befragten, aber ohne den Inhaber oder die Inhaber<strong>in</strong>),<br />
e<strong>in</strong> Drittel <strong>in</strong> Praxen mit 5 und mehr Beschäftigten und<br />
1% s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong>ige Angestellte.<br />
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass e<strong>in</strong> großer Anteil der<br />
Befragten nicht Vollzeit berufstätig ist: nur 36% arbeiten<br />
35 und mehr Wochenstunden, 32% s<strong>in</strong>d mit 15–34 Wochenstunden<br />
teilzeitbeschäftigt, 19% mit unter 15 Wochenstunden<br />
stundenweise tätig und 13% der Befragten<br />
s<strong>in</strong>d Auszubildende oder Praktikanten/-<strong>in</strong>nen.<br />
Psychosoziale Belastungen bei der Arbeit<br />
536<br />
Z. Allg. Med. 2003; 79: 535–540. © Hippokrates Verlag <strong>in</strong> MVS Mediz<strong>in</strong>verlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003
Integrierte Versorgung<br />
Tabelle 1.: Interne Konsistenz der Skalen zu psychosozialen Belastungen bei der Arbeit, Anzahl Aspekte pro Skala und Cronbach’s<br />
alpha. (COPSOQ: N = 1858; QP MAB: N = 155)<br />
Skala COPSOQ: Lange Version COPSOQ: Kurzversion QP MAB – 2003<br />
Anzahl items Anzahl items Anzahl items<br />
(Cronbach’s alpha) (Cronbach’s alpha) (Cronbach’s alpha)<br />
Anforderungen (demands)<br />
quantitative Anforderungen 7 (0.80) 3 3<br />
emotionale Anforderungen 3 (0.87) 2 2<br />
Anforderungen, Gefühle zu verbergen 2 (0.59) 1 1<br />
sensorische Anforderungen 5 (0.70)<br />
kognitive Anforderungen 8 (0.86)<br />
total Anforderungen – 6 (0.68) 6 (0.69)<br />
Handlungsspielraum (control)<br />
E<strong>in</strong>fluss bei der Arbeit 10 (0.83) 3 3<br />
Entwicklungsmöglichkeiten 7 (0.82) 2 2<br />
Freiheitsgrade bei der Arbeit 4 (0.68) 1 1<br />
S<strong>in</strong>n der Arbeit 3 (0.77) 2 2<br />
B<strong>in</strong>dung an Arbeitsplatz 4 (0.74) 2 2<br />
total Handlungsspielraum – 10 (0.78) 10 (0.72)<br />
Unterstützung (support)<br />
soziale Unterstützung 4 (0.74) 2 2<br />
soziale Beziehungen 2 (0.65)<br />
Rollenklarheit 4 (0.77)<br />
Rollenkonflikte 4 (0.72)<br />
Vorhersehbarkeit 2 (0.78) 2 2<br />
Feedback 2 (0.64) 2 2<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl 3 (0.80) 2 2<br />
Führungsqualität 8 (0.93) 2 2<br />
total Unterstützung – 10 (0.81) 10 (0.84)<br />
Wie <strong>in</strong> Abb. 1 dargestellt, wurde bei den Anforderungen<br />
mit 69 von 100 Punkten der höchste Wert für die Frage<br />
»Müssen Sie sehr schnell arbeiten« erreicht. Relativ hohe<br />
Werte werden auch für die emotionale Anforderungen<br />
und die Anforderung »Gefühle zu verbergen« gemessen.<br />
Der Vergleich mit den Daten der dänischen COPSOQ-Studie<br />
zeigt, dass die Anforderungen <strong>in</strong> diesen drei Bereichen<br />
im untersuchten Kollektiv deutlich erhöht s<strong>in</strong>d. Im<br />
Vergleich zu den Daten der COPSOQ-Studie kommt es<br />
dagegen <strong>in</strong> den Haus- und Allgeme<strong>in</strong>arztpraxen relativ<br />
seltener vor, dass Arbeit ungleich verteilt ist.<br />
Bei der Interpretation der 10 Aspekte zum Handlungsspielraum<br />
stehen hohe Werte für e<strong>in</strong>en hohen Handlungsspielraum.<br />
In absoluten Werten gesehen bewerten<br />
die Mitarbeitenden die Teilbereiche S<strong>in</strong>n der Arbeit und<br />
Zugehörigkeit (Abb. 2b) deutlich positiver als die Unterten<br />
drei Skalen wird somit durch die Analysen gestützt;<br />
die Gütekriterien der Skalen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der QP-MAB ähnlich<br />
wie <strong>in</strong> der dänischen Bevölkerungsstudie.<br />
Bei der erstmaligen Durchführung e<strong>in</strong>er Befragung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Kollektiv ist der Mangel an Fixpunkten, an denen<br />
die gemessenen Werte beurteilt werden können, problematisch.<br />
Die besten diesbezüglichen Referenzwerte wären<br />
Längsschnittdaten, die durch die Wiederholung der<br />
Befragung gewonnen werden und es erlauben, zeitliche<br />
Veränderungen aufzuzeigen (s.u.). Das ist aber erst bei<br />
Folgebefragungen möglich. Aber auch E<strong>in</strong>fachmessungen<br />
<strong>in</strong> Querschnittstudien können Defizite aufzeigen.<br />
Handlungsprioritäten müssen dann aber durch die Akteure<br />
selbst aus den Daten abgeleitet werden. Als Hilfestellung<br />
dienen dabei externe Vergleichsdaten, obwohl<br />
die Vergleichbarkeit dieser Daten zum Teil kritisch bewertet<br />
werden muss. Im Folgenden werden die Ergebnisse<br />
der QP-Qualitätspraxen GmbH denjenigen der dänischen<br />
COPSOQ Studie gegenübergestellt. Dabei gilt es<br />
zu vergegenwärtigen, dass die dänische Stichprobe e<strong>in</strong>en<br />
repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt abbildet,<br />
während die hier vorgestellten Ergebnisse nur e<strong>in</strong>e Berufsgruppe<br />
repräsentieren.<br />
Alle 26 E<strong>in</strong>zelfragen auf den 3 Skalen wurden anhand e<strong>in</strong>er<br />
5-stufigen Antwortskala abgefragt, deren Werte auf<br />
e<strong>in</strong>en Wertebereich von 0–100 umgerechnet wurden.<br />
Der Wert 100 steht dabei immer für die maximale Zustimmung<br />
0 für die maximale Ablehnung.<br />
Arbeitsanforderungen an die Mitarbeitenden<br />
Z. Allg. Med. 2003; 79: 535–540. © Hippokrates Verlag <strong>in</strong> MVS Mediz<strong>in</strong>verlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003 537
Integrierte Versorgung<br />
100<br />
90<br />
MAB OP 03<br />
COPSO Q DK 2000<br />
100<br />
90<br />
90<br />
88<br />
MAB OP 03<br />
COPSO Q DK 2000<br />
80<br />
80<br />
75<br />
82 81<br />
62<br />
Mittelwert (95% Konfidenz Intervall)<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
69<br />
56<br />
40<br />
52<br />
41<br />
34<br />
40 39<br />
51<br />
38<br />
45<br />
34<br />
Mittelwert (95% Konfidenz Intervall)<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
65<br />
53<br />
54<br />
61<br />
20<br />
20<br />
10<br />
10<br />
0<br />
1. schnell<br />
arbeiten<br />
2. Arbeit<br />
ungleich<br />
verteilt<br />
3. nicht<br />
genügend<br />
Zeit<br />
4. emotional<br />
belastend<br />
Frage (Kurztext)<br />
5. emotional<br />
e<strong>in</strong>gebunden<br />
6. Gefühle<br />
verbergen<br />
0<br />
6. Freiheit<br />
Pause selbst<br />
bestimmen<br />
7. S<strong>in</strong>n: Arbeit<br />
s<strong>in</strong>nvoll<br />
8. S<strong>in</strong>n: Gefühl 9. Zugehörigkeit 10. Zug<br />
wichtiger Arbeit stolz auf Pause Arbeitsstelle<br />
große Bedeutung<br />
Frage (Kurztext)<br />
Abbildung 1: Anforderungen (demands)<br />
Abbildung 2b: Handlungsspielraum (control): Freiheitsgrade, S<strong>in</strong>n<br />
der Arbeit, Zugehörigkeit<br />
100<br />
90<br />
B3: Möglichkeiten; E<strong>in</strong>zelaspekte (1): E<strong>in</strong>fluss, Entwicklung<br />
MAB OP 03<br />
COPSO Q DK 2000<br />
Soziale Unterstützung der Mitarbeitenden<br />
Mittelwert (95% Konfidenz Intervall)<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
53<br />
66<br />
1. E<strong>in</strong>fluss<br />
auf Arbeit<br />
40<br />
49<br />
2. E<strong>in</strong>fluss auf<br />
Arbeitsmenge<br />
54<br />
3. E<strong>in</strong>fluss auf<br />
Art Arbeit<br />
Frage (Kurztext)<br />
64<br />
68 67<br />
4. Entwicklung:<br />
Initiative<br />
ergreifen<br />
62<br />
69<br />
5. Entwicklung:<br />
Neues lernen<br />
Bei den 10 E<strong>in</strong>zelaspekten zur sozialen Unterstützung<br />
zeigt sich wieder e<strong>in</strong> differenziertes Bild:<br />
Mittelwert (95% Konfidenz Intervall)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
73<br />
55<br />
78<br />
62<br />
MAB OP 03<br />
COPSO Q DK 2000<br />
72<br />
54<br />
66<br />
52<br />
Abbildung 2a: Handlungsspielraum der Mitarbeitenden (control):<br />
E<strong>in</strong>fluss auf Entwicklung<br />
20<br />
10<br />
bereiche Freiheit (Abb. 2b) und Entwicklung (Abb. 2a).<br />
Ganz am Ende rangieren die drei Aspekte zu den eigenen<br />
E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten (Abb. 2a).<br />
Stellt man die dänischen Daten gegenüber, so zeigt sich,<br />
dass die absolut niedrigen Werte für die E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten<br />
auch <strong>in</strong> diesem Vergleich als unterdurchschnittlich<br />
resultieren. Die Werte für die Bereiche Entwicklung<br />
und Freiheit liegen <strong>in</strong> beiden Stichproben etwa<br />
gleich hoch, während die QP-Werte für S<strong>in</strong>n der Arbeit<br />
und vor allem für Zugehörigkeit deutlich über den COP-<br />
SOQ-Vergleichswerten liegen. Vor allem sticht hier der<br />
Aspekt »stolz auf die Zugehörigkeit zur Praxis« zu se<strong>in</strong>,<br />
heraus.<br />
0<br />
1. Vorhersehbarkeit:<br />
rechtzeitig<br />
<strong>in</strong>formiert<br />
2. Vorhersehbarkeit:<br />
Erhalt Infos<br />
3. Führung:<br />
Arbeitsplanung<br />
Vorgesetzter<br />
Frage (Kurztext)<br />
4. Führung:<br />
Konfliktlösung<br />
Vorgesetzter<br />
Abbildung 3a: Soziale Unterstützung (support): Vorhersehbarkeit,<br />
Führung<br />
Die höchsten Werte erzielen die Aspekte der Teilskala<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl (Abb. 3b). Danach rangiert soziale<br />
Unterstützung (v.a. von Kollegen/<strong>in</strong>nen, Abb. 3b) vor der<br />
Vorhersehbarkeit und Führung (Abb. 3a). Die niedrigste<br />
Bewertung erhielten die Werte des Teilkriteriums Feedback<br />
der Vorgesetzten (Abb. 3b).<br />
538<br />
Z. Allg. Med. 2003; 79: 535–540. © Hippokrates Verlag <strong>in</strong> MVS Mediz<strong>in</strong>verlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003
Integrierte Versorgung<br />
Mittelwert (95% Konfidenz Intervall)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
86<br />
63<br />
5. Soz.<br />
Unterstützung:<br />
Hilfe von<br />
Kollegen<br />
75<br />
58<br />
6. Soz.<br />
Unterstützung:<br />
Hilfe von<br />
Vorgesetzten<br />
Im Vergleich zu den dänischen Daten liegen die Befragten<br />
<strong>in</strong>sgesamt deutlich höher <strong>in</strong> Ihrer Bewertung aller 10<br />
Teilkriterien der sozialen Unterstützung. Dabei bewerten<br />
die Mitarbeitenden der Haus- und Allgeme<strong>in</strong>arztpraxen<br />
besonders die Unterstützung und Hilfe durch<br />
Kollegen im Vergleich sehr positiv.<br />
Diskussion und Schlussfolgerung<br />
54<br />
36<br />
7. Feedback:<br />
Arbeitsqualität<br />
mit VG<br />
besprechen<br />
8. Feedback:<br />
Arbeitsqualität<br />
mit Kollegen<br />
besprechen<br />
9. Zus.geh.:<br />
Zusammenarbeit<br />
zw.<br />
Kollegen<br />
10. Zus.geh.:<br />
Teil e<strong>in</strong>er<br />
Geme<strong>in</strong>schaft<br />
Die wichtigste praktische Frage bei <strong>Mitarbeiterbefragung</strong>en<br />
ist die, nach der Interpretation der Daten und<br />
nach den daraus abzuleitenden Verbesserungsmaßnahmen.<br />
Zur Priorisierung von Maßnahmen bieten sich verschiedene<br />
Orientierungspunkte an:<br />
Die absolute Höhe der gemessenen Werte: So könnten<br />
z.B. Belastungswerte oberhalb von 50 Punkten als<br />
verbesserungswürdig def<strong>in</strong>iert werden (z.B. 69 Punkte<br />
für »schnell arbeiten«).<br />
Der Anspruch bzw. das eigene Leitbild. Im Vergleich<br />
der gemessenen Werte mit dem eigenen Anspruch<br />
oder Leitbild, könnten auch absolut »bessere« Werte<br />
kritischer bewertet werden als re<strong>in</strong> numerisch<br />
»schlechtere« Werte (z.B. könnte die Organisation QP<br />
def<strong>in</strong>ieren, dass die 69 Punkte für »schnell arbeiten«<br />
nicht so schwer wiegen wie die 45 Punkte für »Gefühle<br />
verbergen«).<br />
E<strong>in</strong>e Kosten-Nutzen Abwägung potentieller Maßnahmen:<br />
Hier werden diejenigen Maßnahmen priorisiert,<br />
bei denen mit relativ ger<strong>in</strong>gem Aufwand e<strong>in</strong> relativ<br />
großer Effekt zu erwarten ist. Z.B. ist es sicherlich<br />
e<strong>in</strong>facher, durch regelmäßige Besprechungen den<br />
Aspekt »Arbeitsqualität mit dem Praxis<strong>in</strong>haber be-<br />
57<br />
Frage (Kurztext)<br />
MAB OP 03<br />
COPSO Q DK 2000<br />
Abbildung 3b: Soziale Unterstützung (support): Unterstützung,<br />
Feedback, Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl<br />
40<br />
86<br />
75<br />
88<br />
82<br />
sprechen« zu verbessern, als die Arbeitsbelastungen<br />
durch e<strong>in</strong>e umfassende Umorganisation der Praxenabläufe<br />
zu verr<strong>in</strong>gern.<br />
Der Vergleich mit externen Daten: Der Vergleich mit<br />
externen Daten bietet die Möglichkeit, die Bewertungen<br />
<strong>in</strong> der eigenen Organisation an denjenigen anderer<br />
Organisationen zu messen. Solche Vergleiche s<strong>in</strong>d<br />
um so aussagekräftiger, je ähnlicher sich die Kollektive<br />
s<strong>in</strong>d. Gemäß dieser Def<strong>in</strong>ition müssen die gezeigten<br />
Vergleiche mit der dänischen COPSOQ-Bevölkerungsstichprobe<br />
– wie geschehen – sehr vorsichtig<br />
durchgeführt werden. Besser wären Vergleichsdaten<br />
aus anderen <strong>Hausarztpraxen</strong> oder -netzwerken, die <strong>in</strong><br />
Kürze vorliegen werden.<br />
Längsschnittliche Vergleiche: Der längsschnittliche<br />
Vergleich bietet die höchste Datenqualität. Hier werden<br />
die Ergebnisse derselben Organisation (QP) über<br />
zwei oder mehr Erhebungszeitpunkte verglichen. Damit<br />
lässt sich die Dynamik von Entwicklungen aufzeigen<br />
und <strong>in</strong>terpretieren. Zudem kann evaluiert werden,<br />
ob Maßnahmen, die nach der ersten Befragungsrunde<br />
e<strong>in</strong>geleitet wurden, messbare Effekte <strong>in</strong> späteren<br />
Befragungen zeigen. Dieser Goldstandard der<br />
Vergleichsmöglichkeiten wird ab der zweiten Befragungsgrunde<br />
gegeben se<strong>in</strong>.<br />
Die QP Qualitätspraxen werden die vorliegenden Ergebnisse<br />
aufarbeiten und anhand der genannten Orientierungspunkte<br />
1.–4. Handlungsprioritäten ableiten und<br />
diese <strong>in</strong> Verbesserungsmaßnahmen umsetzen. In der<br />
zweiten Befragungsrunde, die <strong>in</strong> 1–2 Jahren stattf<strong>in</strong>den<br />
wird, können die implementierten Maßnahmen dann im<br />
Längsschnitt evaluiert werden.<br />
Literatur<br />
1. Borg I: Führungs<strong>in</strong>strument <strong>Mitarbeiterbefragung</strong>. Gött<strong>in</strong>gen:<br />
Verlag für Angewandte Psychologie 2000.<br />
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Integrierte Versorgung<br />
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zu Köln) (Hrsg): Codebook ZA study 3090 ISSP 1997, Work Orientations<br />
II, 1997. http://www.za.uni-koeln.de/data/en/issp/codebooks/s3090cdb.pdf<br />
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19. ZA, ZUMA (Zentralarchiv für Empirische Forschung an der Universität<br />
zu Köln, Zentrum für Methoden, Umfragen und Analysen<br />
Mannheim) (Hrsg): Allgeme<strong>in</strong>e Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften<br />
(ALLBUS), ZA-Studien Nr. 3450.<br />
http://www.gesis.org/en/data_service/allbus/<strong>in</strong>dex.htm (Abfrage<br />
vom 1.9.2003) 2001.<br />
Zur Person<br />
Dr. rer. oec. Axel Mühlbacher, Diplom<br />
Kaufmann.<br />
Herr Axel Mühlbacher, Jahrgang 1970,<br />
lehrt an der Technischen Universität<br />
Berl<strong>in</strong>, der Universität Freiburg, der Fachhochschule<br />
Neubrandenburg. Er ist Habilitant<br />
und Wissenschaftlicher Assistent an<br />
der Technischen Universität Berl<strong>in</strong>. Herr<br />
Mühlbacher hat derzeit die Vertretungsprofessor für Volkswirtschaftslehre<br />
und Gesundheitsökonomie an der FH Neubrandenburg.<br />
Bevor er die Vertretungsprofessur für Volkswirtschaftslehre<br />
und Gesundheitsökonomie antrat, studierte<br />
er von 1992–1996 das Fach Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Universität Tüb<strong>in</strong>gen. Von 1996–2001 war er Mitarbeiter<br />
der Deutschen Koord<strong>in</strong>ierungsstelle für Gesundheitswissenschaften.<br />
Von 1999–2001 DFG-Stipendiat am<br />
Graduiertenkolleg »Bedarfsgerechte und kostengünstige<br />
Gesundheitsversorgung – Grundlagen e<strong>in</strong>er optimalen<br />
Allokation der Ressourcen« der TU Berl<strong>in</strong>, HU Berl<strong>in</strong> und der<br />
FU Berl<strong>in</strong>.<br />
Forschungsschwerpunkt: Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik,<br />
Gesundheitsmanagement und Innovationsökonomie.<br />
540<br />
Z. Allg. Med. 2003; 79: 535–540. © Hippokrates Verlag <strong>in</strong> MVS Mediz<strong>in</strong>verlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 2003