Lesen - Oberhessischer Geschichtsverein GieÃen eV
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tigen sich die folgenden zwei Beiträge<br />
mit den im ehemaligen Kloster erhaltenen<br />
Wandmalereien aus dem Ende<br />
des 14. und 15. Jahrhunderts.<br />
Der 35 Seiten umfassende Teil von<br />
Esther Meier, die mit einer Studie<br />
über eine Gregorsmesse promovierte,<br />
beschäftigt sich aus kunsthistorischer<br />
Sicht mit den Wandmalereien des<br />
ehemaligen Antoniterklosters: der<br />
Passion und Kreuzigung Christi, einem<br />
Apostelzyklus und der Gregorsmesse<br />
in der Saktistei. Ihre kurze<br />
Übersicht zur Funktions- und<br />
Nutzungsgeschichte des ehemaligen<br />
Klosters erleichtert den Einstieg ins<br />
Thema. Dieses älteste Antoniterkloster<br />
Deutschlands weist drei<br />
Bauphasen auf. Der Grundstein zum<br />
ersten Gebäude wurde um 1193 gelegt.<br />
Durch umfangreichere<br />
Nutzungsanforderungen bedingt,<br />
entstand schon Mitte des 13. Jahrhunderts<br />
ein Neubau, den jedoch der<br />
verheerende Stadtbrand vom August<br />
1391 weitgehend zerstörte. Kurz<br />
darauf wurde eine neue Anlage mit<br />
gesüdeter Kirche und Hospital gebaut.<br />
Die erhaltenen Wandmalereien der<br />
Kirche datieren aus dieser Zeit. Die<br />
Malerei der Gregorsmesse in der<br />
Sakristei ist etwa 100 Jahre jünger.<br />
An der Ostwand des Langhauses sind<br />
Reste der Passion und Kreuzigung<br />
Christi erkennbar. Links und rechts<br />
über dem Querarm des Kreuzes wurde<br />
eine Sonne, für Unsterblichkeit und<br />
Auferstehung und ein Mond, als Zeichen<br />
der kosmischen Dimension<br />
dieser Kreuzigung aufgebracht.<br />
Wegen des schlechten Erhaltungszustands<br />
kann von Meier keine ausführlichere<br />
Aussage über Details des<br />
Bildprogramms getroffen werden.<br />
254<br />
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts<br />
wurde der Chor mit einem in der mittelalterlichen<br />
Wandmalerei verbreiteten<br />
Motiv des Apostelzyklus geschmückt.<br />
Die Autorin beschreibt die<br />
Ikonographie der Dargestellten und<br />
den Erhaltungszustand der Malerei.<br />
Sie erwähnt den Verlust einer im<br />
Rahmen der 1978 vorgenommenen<br />
Restaurierung erstellten Fotodokumentation<br />
im zuständigen Denkmalamt,<br />
der für die Forschung erheblich<br />
ist, weil der heutige Erhaltungszustand<br />
große zusätzliche Substanzverluste<br />
zeigt. Aus diesem Grund kann<br />
über exakten Inhalt und Bedeutung<br />
des vorgefundenen Wandgemäldes<br />
nur spekuliert werden. Anhand kirchenpolitischer<br />
und ikonographischer<br />
Erläuterungen entwickelt Esther<br />
Meier einen Zusammenhang zwischen<br />
der Anzahl der Grünberger Kanoniker<br />
und der in der Wandmalerei präsentierten<br />
elf Apostel. In der Entstehungszeit<br />
der Malerei, am Ende<br />
des 14. Jahrhunderts, lebten in Grünberg<br />
nach den Augustinerregeln zehn<br />
Klosterbrüder und ein Vorsteher des<br />
Klosters, somit elf Personen. Meier<br />
zieht eine Verbindung zwischen den<br />
dargestellten elf Aposteln, die um<br />
zwei weitere bisher unidentifizierte<br />
heilige Figuren in ihrer Mitte ergänzt<br />
werden und der Zahl der Grünberger<br />
Mönche. Bisher war wegen der<br />
schlechten Erhaltung der Malerei<br />
nicht zu ermitteln, ob es sich bei einer<br />
der beiden nicht zuzuordnenden<br />
Figuren um Christus oder eine Antoniusfigur<br />
handelt.<br />
Sowohl vom Kirchenraum als auch<br />
vom Hospitalgebäude aus konnte die<br />
Sakristei, im Südosten der Kirche<br />
gelegen, betreten werden. Hier wurde<br />
schon 1975 während Restaurierungsarbeiten<br />
die hier behandelte Wand-<br />
MOHG 94 (2009)<br />
malerei entdeckt, ihr Bildthema<br />
konnte jedoch nicht entschlüsselt<br />
werden. Erst 2007, mit der aktuellen<br />
Restaurierungskampagne, wurde<br />
deutlich, dass es sich hierbei um eine<br />
„Gregorsmesse“ handelte; damit trat<br />
eines der populärsten sakralen Themen<br />
des Mittelalters zutage. Trotz<br />
enormer Verbreitung dieses Bildmotivs<br />
in verschiedenen Präsentationsformen<br />
des späten Mittelalters und der<br />
frühen Neuzeit (z.B. Glasmalereien,<br />
Drucke, Miniaturen) ist heute, nach<br />
Meier, nur noch ca. 5% davon als<br />
Wandmalerei vorhanden. Die Gregorsmesse<br />
nimmt in ihrem Beitrag<br />
den breitesten Raum ein. Dies hängt<br />
auch damit zusammen, dass der<br />
Grünberger Version aus dem Ende<br />
des 15. Jahrhunderts durch die Seltenheit<br />
dieses überlieferten Bildtypus<br />
als einer von insgesamt nur 28 bekannten<br />
im deutschsprachigen Raum,<br />
eine Sonderstellung zukommt. Die<br />
Autorin ordnet die Darstellung nicht<br />
nur in das kunsthistorische Umfeld<br />
des Bildmotivs ein, sondern beschreibt<br />
auch dessen Reichweite auf<br />
das alltägliche Leben der Grünberger<br />
Antoniter. Meier erläutert die Funktion<br />
der Sakristei (dt.: Schatzkammer,<br />
Kleiderkammer), für die das Bild<br />
geschaffen wurde. In diesem Raum<br />
soll durch das umfangreiche Zeremoniell<br />
im Vorfeld der Messe u.a. aus<br />
Ablegen der alltäglichen Kleidung<br />
und Anziehen der liturgischen Gewänder<br />
eine Einstimmung des<br />
Priesters zur seelischen Reinheit<br />
bewirkt werden. Die Grünberger<br />
Gregorsmesse diente in diesem<br />
Zusammenhang als Andachts- und<br />
Ablassbild.<br />
Von den elf Seiten Abbildungen (inkl.<br />
Grundrissplan) wurden fünf schwarzweiße<br />
im Text platziert. Drei ganzseitige<br />
Referenzabbildungen dienen<br />
dabei dem Verständnis der Ikonographie<br />
der Gregorsmesse. Sechs<br />
Seiten mit farbigen kleinformatigen<br />
Fotos im Anhang des Beitrages illustrieren<br />
die im Text angesprochenen<br />
drei Wandmalereien im ehemaligen<br />
Kloster. Leider entstand bei der Reihenfolge<br />
der Zählung bzw. Platzierung<br />
der Abbildungen etwas Durcheinander,<br />
so dass eine fehlende<br />
Durchnummerierung leicht irritiert<br />
(z.B. folgt auf die Abb. 1, S. 4, die<br />
Abb. 5 auf S. 8). Kohärente Verweise<br />
zwischen Abbildungsnummern im<br />
Text und den dazugehörigen Bildern,<br />
gemeinsam mit der überschaubaren<br />
Anzahl der Abbildungen, glätten diesen<br />
kleinen Fauxpas jedoch.<br />
Esther Meier stellt sowohl zu dem<br />
Apostelzyklus als auch zur Gregorsmesse<br />
neben der kunsthistorischen<br />
Einordnung wichtige Bezüge zur<br />
kirchenpolitischen Geschichte her,<br />
ohne deren Kenntnis die Themen<br />
kaum in den richtigen Zusammenhang<br />
gebracht werden könnten.<br />
Der mit neun Text- und zwei farbigen,<br />
kleinformatigen Abbildungsseiten<br />
kürzere Beitrag der beiden Restauratoren<br />
Barbara Dietz und Karl Bernd<br />
Beierlein bietet die Hauptergebnisse<br />
zur restauratorischen Untersuchung<br />
der Gregorsmesse. Zusätzlich zur<br />
Beschreibung des Raumes und der<br />
Malerei wird über die vorgefundene<br />
Maltechnik (secco) und die sechs<br />
verwendeten Farben, ihren Erhaltungszustand<br />
sowie den Ursprung der<br />
Pigmente informiert. Zwei kurze aber<br />
informative Darstellungen zum vorgefundenen<br />
Schadensbild und der<br />
Restaurierungsmaßnahme schließen<br />
sich an. Mit einer auf die historische<br />
Bedeutung des Bildthemas für das<br />
MOHG 94 (2009) 255