Tox-Fibel - OFD Hannover
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 13 von 40 Tabelle 4: Beschreibung spezifischer Wirkmechanismen Wirkung Besonderheit Erläuterung Mutagen Carcinogen Teratogen Allergen Organotropie Punktmutation Chromosomen aberration Genmutation Genotoxisch epigenetisch Sensibilisierung Abwehrreaktion • durch physikalische (Strahlen, Hitze) oder chemische Einwirkungen hervorgerufene Veränderung der in der DNS gespeicherten Erbinformation • je nach Ausmaß der mutagenen Wirkung sind zu unterscheiden: Kleinste Veränderung in den chemischen Eigenschaften und in der Reihenfolge der Basen Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin im DNS-Strang Mikroskopisch erkennbare Veränderungen in der Anordnung der Chromosomen Abweichungen von der normalen Chromosomenanzahl • Potenz chemischer Stoffe, Krebs auszulösen • es werden folgende Wirkungsmechanismen unterschieden: • es finden Interaktionen des Carcinogens mit dem Kernmaterial statt • Wirkung kann direkt erfolgen • i.d.R. muß jedoch die chemische Verbindung erst von einem Procarcinogen in das wirksame Carcinogen umgewandelt werden (z.B. Benzol in Benzolepoxid) auf außerhalb des Genmaterials zurückzuführende Einflüsse (z.B. Asbest, Phenole) • die beim Embryo Mißbildung hervorrufende Wirkung physikalischer Störfaktoren (Strahlen, Hitze), mikrobieller Einwirkungen (Viren, bakterielle Toxine), das gesundheitliche Befinden der Mutter schädigende Einflüsse (Streß, Nahrungsmittelmangel) und chemische Verbindungen (z.B. Arzneimittel – Contergan !) • diese Wirkungen beschränken sich auf die Zeit der Organdifferenzierung, die beim Menschen vom 14.-18.Tag bis zum 75. Tag nach der Befruchtung stattfindet (Embryogenese) Fähigkeit und Neigung bestimmter Substanzen, eine Überempfindlichkeit des Organismus bei wiederholter Einwirkung hervorzurufen Bindung der chemischen Substanz an körpereigene Eiweiße – zusammen ein komplettes Antigen (Hapten) und Bildung spezifischer Antikörper gegen dieses Antigen bei wiederholtem Kontakt mit dem Schadstoff überschießende Abwehrreaktion des Immunsystems (vorher gebildete Antikörper) gegen die erneut gebildeten Antigene Eine auf bestimmte Organe spezifisch ausgerichtete toxische Wirksamkeit von Schadstoffen (z.B. Schwermetallanreicherung in Leber und Niere) Mai 1998
Seite 14 von 40 Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Bei der Ableitung von Orientierungswerten, d.h. Gesamtkörperdosen eines Gefahrstoffes, bei denen keine nachteiligen Effekte auf die Gesundheit erwartet werden bzw. nur ein geringes Risiko für Erkrankungen angenommen wird, ist zwischen Schadstoffen mit Wirkungsschwelle (chronisch toxische Wirkungen entsprechend der Dosis-Wirkungs-Beziehung) und Stoffen ohne Wirkungsschwelle (kanzerogene und gentoxische Wirkungen) zu unterscheiden. Abbildung 6 verdeutlicht schematisch die Unterschiede. Bei Stoffen mit Wirkungsschwelle kann der sogenannte NOAEL (no observed adverse effect level), also die Dosis, bei der im Tierversuch keine gesundheitsschädlichen Wirkungen zu beobachten waren, ermittelt werden. Dieser experimentell bestimmte Wert wird durch Einbeziehung von Sicherheitsfaktoren, die die Übertragung der Ergebnisse vom Tier auf den Menschen, die lebenslange Betrachtung (70 Jahre) und den Schutz empfindlicher Personengruppen berücksichtigen, auf einen stoff- und pfadspezifischen Orientierungswert transformiert. Hauptanwendung ist die Ableitung von tolerablen, täglich resorbierten Körperdosen (TRD). Beträgt zum Beispiel die orale resorbierte Dosis 0,025 µg/kg KG*d (Wert für Cadmium) heißt das, daß bei einer täglichen Schadstoffaufnahme von 0,025 µg pro kg Körpergewicht über 70 Lebensjahre hinweg aller Wahrscheinlichkeit nach keine gesundheitlichen, nichtkanzerogenen Wirkungen zu erwarten sind, die auf die Cadmiumaufnahme zurückzuführen sind. Bei krebserregenden Stoffen kann keine unbedenkliche Dosis angegeben werden, sondern es erfolgt die Verknüpfung einer bestimmten Dosis mit dem daraus resultierenden Krebsrisiko. Die Abschätzung des Krebsrisikos im Niedrigdosisbereich wird durch Anwendung mathematischer Modelle realisiert. Im Ergebnis dieser Betrachtung kann ein Risikowert angegeben werden, wenn eine dauernde, lebenslange Exposition gegenüber dem Schadstoff in einer bestimmten Konzentration besteht. Beträgt dieser Risikowert (unit risk) z.B. 8,3*10 -6 (Wert für die lebenslange inhalative Exposition gegenüber 1 µg Benzol/m³ Luft) heißt das, daß die Möglichkeit besteht, daß ca. 8 von 1 Million Menschen zusätzlich aufgrund dieser dauernden Benzolexposition an Krebs erkranken. Adverse Effekte Krebsrisiko Unit risk NOAEL LOAEL Dosis Dosis Abbildung 6: Schadstoffe mit und ohne Wirkungsschwelle 2.4 Untersuchungsmethoden Schadstoffe, die für den Menschen hinsichtlich ihrer einwirkenden Mengen oder ihrer invasiven Wirkungen gesundheitlich relevant werden können, bedürfen einer toxikologischen Bewertung. Für die Erkennung schädigender Wirkungen von chemischen Verbindungen stehen unterschiedliche Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Die direkte Applikation von Schadstoffen beim Menschen zur Testung schädlicher Auswirkungen verbietet sich aus ethischen Gründen. Um nach Möglichkeit vor dem Einsetzen von Gesundheitsstörungen Mai 1998
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Bei der Ableitung von Orientierungswerten, d.h. Gesamtkörperdosen eines Gefahrstoffes, bei<br />
denen keine nachteiligen Effekte auf die Gesundheit erwartet werden bzw. nur ein geringes<br />
Risiko für Erkrankungen angenommen wird, ist zwischen Schadstoffen mit Wirkungsschwelle<br />
(chronisch toxische Wirkungen entsprechend der Dosis-Wirkungs-Beziehung) und Stoffen<br />
ohne Wirkungsschwelle (kanzerogene und gentoxische Wirkungen) zu unterscheiden.<br />
Abbildung 6 verdeutlicht schematisch die Unterschiede.<br />
Bei Stoffen mit Wirkungsschwelle kann der sogenannte NOAEL (no observed adverse effect<br />
level), also die Dosis, bei der im Tierversuch keine gesundheitsschädlichen Wirkungen zu<br />
beobachten waren, ermittelt werden. Dieser experimentell bestimmte Wert wird durch<br />
Einbeziehung von Sicherheitsfaktoren, die die Übertragung der Ergebnisse vom Tier auf den<br />
Menschen, die lebenslange Betrachtung (70 Jahre) und den Schutz empfindlicher Personengruppen<br />
berücksichtigen, auf einen stoff- und pfadspezifischen Orientierungswert transformiert.<br />
Hauptanwendung ist die Ableitung von tolerablen, täglich resorbierten Körperdosen<br />
(TRD). Beträgt zum Beispiel die orale resorbierte Dosis 0,025 µg/kg KG*d (Wert für Cadmium)<br />
heißt das, daß bei einer täglichen Schadstoffaufnahme von 0,025 µg pro kg Körpergewicht<br />
über 70 Lebensjahre hinweg aller Wahrscheinlichkeit nach keine gesundheitlichen,<br />
nichtkanzerogenen Wirkungen zu erwarten sind, die auf die Cadmiumaufnahme zurückzuführen<br />
sind.<br />
Bei krebserregenden Stoffen kann keine unbedenkliche Dosis angegeben werden, sondern<br />
es erfolgt die Verknüpfung einer bestimmten Dosis mit dem daraus resultierenden Krebsrisiko.<br />
Die Abschätzung des Krebsrisikos im Niedrigdosisbereich wird durch Anwendung<br />
mathematischer Modelle realisiert. Im Ergebnis dieser Betrachtung kann ein Risikowert<br />
angegeben werden, wenn eine dauernde, lebenslange Exposition gegenüber dem Schadstoff<br />
in einer bestimmten Konzentration besteht. Beträgt dieser Risikowert (unit risk) z.B.<br />
8,3*10 -6 (Wert für die lebenslange inhalative Exposition gegenüber 1 µg Benzol/m³ Luft)<br />
heißt das, daß die Möglichkeit besteht, daß ca. 8 von 1 Million Menschen zusätzlich aufgrund<br />
dieser dauernden Benzolexposition an Krebs erkranken.<br />
Adverse Effekte<br />
Krebsrisiko<br />
Unit risk<br />
NOAEL<br />
LOAEL<br />
Dosis<br />
Dosis<br />
Abbildung 6: Schadstoffe mit und ohne Wirkungsschwelle<br />
2.4 Untersuchungsmethoden<br />
Schadstoffe, die für den Menschen hinsichtlich ihrer einwirkenden Mengen oder ihrer invasiven<br />
Wirkungen gesundheitlich relevant werden können, bedürfen einer toxikologischen<br />
Bewertung. Für die Erkennung schädigender Wirkungen von chemischen Verbindungen<br />
stehen unterschiedliche Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Die direkte Applikation von<br />
Schadstoffen beim Menschen zur Testung schädlicher Auswirkungen verbietet sich aus<br />
ethischen Gründen. Um nach Möglichkeit vor dem Einsetzen von Gesundheitsstörungen<br />
Mai 1998