Tox-Fibel - OFD Hannover
Tox-Fibel - OFD Hannover
Tox-Fibel - OFD Hannover
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Materialien<br />
Arbeitshilfen<br />
Altlasten<br />
Grundlagen der Human- und<br />
Ökotoxikologie<br />
• Begriffe und Definitionen<br />
1<br />
<strong>OFD</strong> <strong>Hannover</strong> - Leitstelle des Bundes für Altlasten<br />
Mai 1999<br />
• <strong>Tox</strong>ikokinetik, <strong>Tox</strong>ikodynamik, Ökotoxikologie<br />
• Grenzwerte<br />
• Spezielle toxikologische Stoffeigenschaften<br />
• Literaturempfehlungen
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
IMPRESSUM<br />
Redaktion und Herausgeber:<br />
<strong>OFD</strong> <strong>Hannover</strong> - LBA -<br />
Referat LA 21<br />
Leitstelle des Bundes für Altlasten<br />
Waterloostr. 4<br />
30169 <strong>Hannover</strong><br />
Tel. 0511/101-0<br />
Fax 0511/101-2499<br />
Der fachliche Inhalt wurde 1998 im Auftrag der <strong>OFD</strong> <strong>Hannover</strong> durch die Firma UGM<br />
(Umweltbüro Dr. G. Möschwitzer, Berlin) erarbeitet und vom Herausgeber nur geringfügig<br />
redaktionell ergänzt. Der Herausgeber übernimmt daher für die Richtigkeit der fachlichen<br />
Inhalte keinerlei Verantwortung.<br />
Herstellung:<br />
Hausdruckerei der <strong>OFD</strong> <strong>Hannover</strong><br />
gedruckt auf Recyclingpapier<br />
Vertrieb:<br />
Staatshochbauamt <strong>Hannover</strong> II - G 1135<br />
Postfach 5780<br />
30057 <strong>Hannover</strong><br />
Telefon 0511/106-0<br />
Telefax 0511/106-5499
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Seite I<br />
Vorwort zum Materialienband<br />
„Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie“<br />
Durch Erlaß des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau)<br />
B II 5 - B 1011-12/12 vom November 1992 wurde die <strong>OFD</strong> <strong>Hannover</strong> zur „Altlasten-Leit-<br />
<strong>OFD</strong>“ benannt. Zu ihren Aufgaben gehören u. a. die Erarbeitung von Handlungskonzepten<br />
zur Erkundung und Sanierung kontaminierter Flächen, Einrichtung und Betrieb einer zentralen<br />
Datenbank, die Weiterbildung der Angehörigen der Finanzbauverwaltungen der Länder<br />
auf dem Gebiet der Planung und Ausführung der Sicherung und Sanierung von belasteten<br />
Böden und die fachtechnische Unterstützung bei konkreten Projekten. Im Rahmen dieser<br />
Tätigkeiten wurde bereits ein großes Erfahrungspotential über den Umgang mit kontaminiertem<br />
Boden und Grundwasser angesammelt, das es effektiv zu nutzen gilt.<br />
Im April 1996 wurden die von der <strong>OFD</strong> <strong>Hannover</strong> erarbeiteten „Arbeitshilfen Altlasten“<br />
gemeinsam durch BMBau und BMVg als Loseblattsammlung herausgegeben. Sie beschreiben<br />
Verfahrensablauf, Zuständigkeiten und das Phasenkonzept (Phase I: Erfassung und<br />
Erstbewertung - Phase II: Untersuchungen und Gefährdungsabschätzung - Phase III: Sanierung),<br />
geben Hinweise zur Entsorgung, beprobungslosen Erkundung, zum Fachinformationssystem<br />
Altlasten und zu formalisierten Bewertungsverfahren und bieten in ihren<br />
Anlagen Leistungsverzeichnisse, Musterverträge, Datenerfassungsformulare, Arbeitsschutzhinweise<br />
und anderes mehr. Sie wurden bisher zweimal fachlich aktualisiert und erweitert.<br />
Im Zuge der Fortschreibung der „Arbeitshilfen Altlasten“ zeigte es sich allerdings, daß diese<br />
allein nicht den gesamten Informationsbedarf abdecken können.<br />
Für aktuelle Themen ist selbst die Reaktionszeit einer Loseblattsammlung zu langsam.<br />
Einige Informationen sind nur von vorübergehendem Interesse, müssen aber kurzfristig<br />
verfügbar sein. Viele verschiedene Beteiligte müssen die Möglichkeit bekommen, Fragen in<br />
die Runde zu stellen und Antworten auf Fragen anderer zu geben. Um diesen Bedürfnissen<br />
gerecht zu werden, wurde die Informationsschrift Arbeitshilfen Altlasten - aktuell initiiert.<br />
Sie wird als zunächst ca. halbjährlich und zusätzlich bei aktuellem Bedarf erscheinendes<br />
Mitteilungsblatt von der <strong>OFD</strong> <strong>Hannover</strong> herausgegeben und demnächst auch über Internet<br />
verbreitet.<br />
Auch fachliche Details zu Spezialthemen sprengen den Rahmen der „Arbeitshilfen<br />
Altlasten“. Sie sind nicht für jeden von Bedeutung und müssen nicht routinemäßig benutzt<br />
werden, müssen aber doch bei Bedarf schnell und übersichtlich verfügbar sein. Daher wurde<br />
auf Initiative des BMBau beschlossen, eine Reihe von unregelmäßig erscheinenden<br />
Materialien herauszugeben. Sie sollen unter der fachlichen Verantwortung der <strong>OFD</strong><br />
<strong>Hannover</strong> stehen und sowohl eigene wie auch im Auftrag erarbeitete oder von kompetenten<br />
Stellen übernommene Beiträge umfassen.<br />
Eine ausschlaggebende Rolle bei der Bewertung der möglichen Gefahren, die von<br />
kontaminierten Flächen ausgehen können, spielen chemische Analysenergebnisse der<br />
Umweltmedien Wasser, Boden und Luft. Aber nicht allein die Konzentration eines Stoffes ist<br />
entscheidend für seine Gefährlichkeit, sondern u. a. auch das Schutzgut, das er bedroht,<br />
und der mögliche Pfad, auf dem er es erreichen kann.<br />
Das Schutzgut menschliche Gesundheit ist von zentraler Bedeutung und damit auch die<br />
Beurteilung der Expositionssituation, Aufnahme- und Resorptionsmechanismen, akute und<br />
chronische Auswirkungen von Schadstoffen, Synergismen und vieles mehr. In zunehmendem<br />
Maße werden Gefährdungsabschätzungen und andere Entscheidungsfindungspro-
Seite II<br />
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
zesse daher durch toxikologische Stellungnahmen oder Gutachten ergänzt. Deren Inhalte<br />
sind jedoch ohne einschlägige Vorbildung oft nur schwer zu verstehen.<br />
Dieser erste Materialienband „Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie“ soll die Verantwortlichen<br />
für die Planung und Ausführung der Sicherung und Sanierung belasteter Böden<br />
auf Liegenschaften des Bundes bei der Bewertung der Ergebnisse chemischer Analysen<br />
unterstützen. Er soll ihnen helfen, toxikologische Gutachten und andere fachliche Stellungnahmen<br />
besser verstehen und nachvollziehen zu können, und es ihnen ermöglichen, Ermessensspielräume<br />
des Einzelfalles verantwortlich zu nutzen.<br />
Dabei kann und soll der Materialienband kein Lehrbuch und keine Fachzeitschrift ersetzen.<br />
Er soll vor allem die wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge verdeutlichen, um damit bei<br />
Bedarf gezielte Nachfragen beim Gutachter oder andere Wege der Informationsergänzung<br />
zu ermöglichen.<br />
Informationen zu den vermuteten oder nachgewiesenen Schadstoffen können z.B. schon<br />
seit Jahren aus der Schadstoffinformation für die Anwendung der baufachlichen "Richtlinien<br />
für die Planung und Ausführung der Sicherung und Sanierung belasteter Böden" des<br />
BMVBW für Liegenschaften des Bundes erhalten werden. Diese Loseblattsammlung wurde<br />
ebenfalls durch <strong>OFD</strong> <strong>Hannover</strong> bereitgestellt.<br />
Die Schadstoffinformation wurde als Modul SINA (Stoffinformation Altlasten) in das<br />
Informationssystem Altlasten integriert. Grundlage für SINA ist die in Zusammenarbeit mit<br />
dem Umweltbundesamt in Berlin entwickelte SToffdatenbank für AltlastenRelevante<br />
Schadstoffe (STARS). Die STARS enthält neben den Daten der Stoffinformation des<br />
BMVBW noch weitere Informationen, insbesondere zum Abbauverhalten von Stoffen in der<br />
Umwelt und zur Ökotoxikologie.<br />
SINA macht die Daten der STARS für die Anwender in der Bau- und Wehrverwaltung<br />
nutzbar:<br />
• allgemeine Stoffdaten und physikalische Stoffparameter<br />
• Informationen zur Analytik (Probenahme, Methode, Gerät)<br />
• Daten zur Arbeitssicherheit (Gefahrstoffinformationen, Schutzmaßnahmen, Erste Hilfe)<br />
• Informationen zur <strong>Tox</strong>izität (Human- und Säugetiertoxizität, akute und chronische<br />
<strong>Tox</strong>izität , Kanzerogenität)<br />
• Sanierungsverfahren<br />
• Listen- und Grenzwerte (Länderlisten, Ausgabe nach Medium, Nutzungsart und Wertart)<br />
• Gemischdaten<br />
Zusätzlich werden in SINA die Daten der Datenbank über Kontaminationsprofile von<br />
militärischen und Rüstungsaltlasten bereitgestellt.<br />
• Informationen zu KVF-Typen (allgemeine und nutzerspezifische Informationen,<br />
Schadstoffinventar und Schadstoffrelevanz)<br />
SINA wurde als PC-Programm auf der Umwelt-CD-ROM des BMBau einem weiten<br />
Anwenderkreis zur Verfügung gestellt.<br />
Die humantoxikologische Bewertung von Bodenkontaminationen befindet sich nicht zuletzt<br />
durch das Gesetzgebungsverfahren zu dem seit dem 01.03.1999 in allen seinen Bestimmungen<br />
gültigen Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und der noch in der Abstimmung<br />
befindlichen Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BodSchV) in ständigem Fortschritt<br />
und anhaltender Diskussion. Insbesondere bei der Anwendung von Konzentra-
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Seite III<br />
tionswerten sind daher die Angaben dieses Materialienbandes vor weitreichenden Entscheidungen<br />
hinsichtlich ihrer Aktualität zu überprüfen. Entsprechende Hinweise an die <strong>OFD</strong><br />
<strong>Hannover</strong> werden dankbar entgegengenommen und können ggf. über die Arbeitshilfen<br />
Altlasten - aktuell allen Nutzern der Materialien zur Verfügung gestellt werden.<br />
Hinweise zur Planung und Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen bei Untersuchungen<br />
und Sanierungen kontaminierter Böden gibt auch die Anlage 8 der „Arbeitshilfen Altlasten“.<br />
Als Themen weiterer Materialien sind bisher geplant: Hinweise zur Errichtung von Grundwassermeßstellen,<br />
Geophysikalische Erkundungsmethoden und ausgewählte, kommentierte<br />
Fallbeispiele zu Erkundungen und Sanierungen.<br />
Die Redaktion
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einführung in die <strong>Tox</strong>ikologie...............................................................................................1<br />
1.1 Definition und Gegenstand ............................................................................................1<br />
1.2 Giftbegriff .......................................................................................................................1<br />
1.3 Teilgebiete und Zusammenwirken mit anderen Wissenschaftsbereichen.......................2<br />
2 Humantoxikologische Grundlagen .......................................................................................6<br />
2.1 Bedeutung physikalisch-chemischer Eigenschaften von Schadstoffen für ihre<br />
toxische Wirkung .................................................................................................................6<br />
2.2 <strong>Tox</strong>ikokinetik..................................................................................................................7<br />
2.3 <strong>Tox</strong>ikodynamik.............................................................................................................10<br />
2.4 Untersuchungsmethoden.............................................................................................14<br />
3 Ökotoxikologische Grundlagen ..........................................................................................17<br />
3.1 Kriterien für die ökotoxikologische Beurteilung von Stoffen..........................................17<br />
3.2 Relevanz ökotoxikologischer Stoffdaten.......................................................................19<br />
4 <strong>Tox</strong>ikologische Grenzwerte................................................................................................20<br />
4.1 Grenzwerte für Arbeitsstoffe ........................................................................................20<br />
4.2 Grenzwerte für Luftschadstoffe ....................................................................................22<br />
4.3 Grenzwerte für Nahrungsmittel ....................................................................................22<br />
4.4 Gesetzliche Regelungen..............................................................................................22<br />
5 Spezielle toxikologische Eigenschaften der für den Umwelt- und Altlastenbereich<br />
relevanten Schadstoffgruppen ...........................................................................................26<br />
5.1 Mineralöle/ Mineralölkohlenwasserstoffe......................................................................26<br />
5.2 Schwermetalle .............................................................................................................27<br />
5.3 Aromatische Kohlenwasserstoffe.................................................................................29<br />
5.4 Polycylische aromatische Kohlenwasserstoffe.............................................................30<br />
5.5 Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe..........................................................31<br />
5.6 Polychlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe...........................................................32<br />
5.7 Mineralfasern...............................................................................................................35<br />
5.8 Explosiv- und Kampfstoffe ...........................................................................................36<br />
5.8.1 Explosivstoffe ........................................................................................................36<br />
5.8.2 Chemische Kampfstoffe ........................................................................................37<br />
6 Literaturempfehlungen.......................................................................................................40<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Verzeichnis der Abbildungen<br />
Abbildung 1: Teilgebiete der <strong>Tox</strong>ikologie ............................................................................... 3<br />
Abbildung 2: Verbindungen der <strong>Tox</strong>ikologie zu anderen Fachrichtungen............................... 5<br />
Abbildung 3: <strong>Tox</strong>ikokinetik [aus „<strong>Tox</strong>ikologie“ Fonds der Chemischen Industrie, 1985].......... 8<br />
Abbildung 4: Dosis-Wirkungs-Kurve .................................................................................... 11<br />
Abbildung 5: Rezeptortheorie [aus „<strong>Tox</strong>ikologie“ Fonds der Chemischen Industrie, 1985]... 12<br />
Abbildung 6: Schadstoffe mit und ohne Wirkungsschwelle .................................................. 14<br />
Abbildung 7: Einordnung der Schwermetalle in das Periodensystem der Elemente............. 27<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Verzeichnis der Tabellen<br />
Tabelle 1: Inhalt und Aufgabenbereiche der Teilgebiete der <strong>Tox</strong>ikologie ............................... 4<br />
Tabelle 2: Physikalisch-chemische Stoffeigenschaften.......................................................... 7<br />
Tabelle 3: Phasen der toxikokinetischen Betrachtung............................................................ 9<br />
Tabelle 4: Beschreibung spezifischer Wirkmechanismen .................................................... 13<br />
Tabelle 5: Untersuchungsmethoden der Humantoxikologie in Abhängigkeit von der zu<br />
betrachtenden Schadwirkung............................................................................... 15<br />
Tabelle 6: Ökotoxikologische Bewertungskriterien............................................................... 17<br />
Tabelle 7: Gewerbetoxikologisch wichtige Grenzwerte ........................................................ 20<br />
Tabelle 8: Definition der gewerbetoxikologisch wichtigen Grenzwerte für Arbeitsstoffe........ 21<br />
Tabelle 9: Übersicht über wichtige Teile des Gefahrstoffrechts............................................ 23<br />
Tabelle 10: Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen ............................................... 25<br />
Tabelle 11: Vertreter der Mineralölkohlenwasserstoffe ........................................................ 26<br />
Tabelle 12: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Schwermetalle.......................................................... 28<br />
Tabelle 13: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter aromatischer Kohlenwasserstoffe............................. 29<br />
Tabelle 14: Vertreter der Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) ............. 30<br />
Tabelle 15: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Leichtflüchtiger Chlorierter Kohlenwasserstoffe<br />
(LCKW)................................................................................................................ 31<br />
Tabelle 16: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter chlorierter Monoaromaten ........................................ 33<br />
Tabelle 17: PCB-Grundstruktur und Indikatorkongenere...................................................... 33<br />
Tabelle 18: PCDD/PCDF-Grundstruktur und ausgewählte Beispiele für die<br />
<strong>Tox</strong>izitätsbetrachtung mit Hilfe von <strong>Tox</strong>izitätsäquivalenzfaktoren (TEF)............... 35<br />
Tabelle 19: Übersicht zur <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Mineralfasern...................................... 36<br />
Tabelle 20: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Explosivstoffe ........................................................... 37<br />
Tabelle 21: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Kampfstoffe .............................................................. 38<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Verzeichnis der Abkürzungen / Glossar<br />
Begriff<br />
ADI<br />
akut<br />
allergen<br />
BAT<br />
Biotransformation<br />
BTEX<br />
BUA<br />
ChemG<br />
chronisch<br />
dermal<br />
Dissoziation<br />
dissoziiert<br />
EINECS<br />
EKA<br />
Evasion<br />
Exposition<br />
Extrazellulärraum<br />
FCKW<br />
GefStoffV<br />
hydrophil<br />
hydrophob<br />
inhalativ<br />
Invasion<br />
kanzerogen<br />
LCKW<br />
LHKW<br />
Lipidmembran<br />
Lipidschicht<br />
lipophil<br />
LOAEL<br />
Erläuterung<br />
engl.: Acceptable Daily Intake:<br />
duldbare tägliche Aufnahmemenge eines Stoffes<br />
Einmalige Exposition über weniger als 24 Stunden<br />
Potential einer chemischen Substanz, eine Überempfindlichkeitsreaktion<br />
des Organismus bei wiederholter Einwirkung auszulösen<br />
Biologischer Arbeitsstoff Toleranzwert<br />
Substanzumbau, Strukturveränderung, die durch körpereigene<br />
Stoffe hervorgerufen wird - Metabolisierung<br />
Schadstoffgruppe – Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylole<br />
(Neu: Benzen, Toluen, Ethylbenzen, Xylene)<br />
Beratergremium für Umweltrelevante Altstoffe<br />
Chemikaliengesetz<br />
wiederholte Exposition länger als drei Monate<br />
über die Haut<br />
Bildung von beweglichen Ionen aus einem Gesamtmolekül<br />
als Ion mit freien Ladungsträgern vorliegend<br />
engl.: European Inventory of Existing Chemical Substances<br />
Europäische Altstoffinventarliste<br />
Expositionsäquivalente für krebserzeugende Arbeitsstoffe<br />
Entweichen, Ausscheiden<br />
Ausgesetztsein<br />
Zellzwischenraum<br />
Schadstoffgruppe – Fluorchlorkohlenwasserstoffe<br />
Gefahrstoffverordnung<br />
Wasserverträglich, wasseraufnehmend<br />
Wasserabstoßend, nicht wasserlöslich<br />
über die Lunge, mit der Atemluft<br />
Eindringen, Aufnehmen<br />
Potential einer chemischen Substanz, Krebs auszulösend<br />
Schadstoffgruppe – Leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe<br />
Schadstoffgruppe – Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe<br />
Zellwand, aus körpereigenen Fetten bestehend<br />
Fettschicht<br />
fettähnlich, in Fett löslich<br />
engl.: Lowest Observed Adverse Effect Level<br />
niedrigeste Dosis eines verabreichten chemischen Stoffes, bei der<br />
im Tierexperiment noch gesundheitsschädliche Effekte beobachtet<br />
wurden<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Begriff<br />
MAK<br />
Metabolisierung<br />
MKW<br />
Mutagen<br />
NOAEL<br />
Oral<br />
Organotropie<br />
PAK<br />
PCB<br />
PCDD<br />
PCDF<br />
Persistenz<br />
Resorption<br />
Subakut<br />
Subchronisch<br />
Symptom<br />
TEF<br />
Teratogen<br />
TRK<br />
Unit Risk<br />
WHO<br />
Erläuterung<br />
Maximale Arbeitsplatz Konzentration<br />
Substanzumbau, Strukturveränderung, die durch körpereigene<br />
Stoffe hervorgerufen wird - Biotransformation<br />
Schadstoffgruppe - Mineralölkohlenwasserstoffe<br />
Potential einer chemischen Substanz, Veränderungen in der<br />
Erbinformation hervorzurufen, erbgutschädigend<br />
Engl.: No Obeserved Adverse Effect Level<br />
Höchste Dosis eines verabreichten chemischen Stoffes, bei der im<br />
Tierexperiment keine erkennbare toxische Wirkung mehr festgestellt<br />
werden konnte<br />
über den Mund (Magen-Darm-Trakt)<br />
eine auf bestimmte Körperorgane spezifisch ausgerichtete toxische<br />
Wirksamkeit einer chemischen Substanz<br />
Schadstoffgruppe – Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe<br />
Schadstoffgruppe – Polychlorierte Biphenyle<br />
Schadstoffgruppe – Polychlorierte Dibenzo-Dioxine<br />
Schadstoffgruppe – Polychlorierte Dibenzo-Furane<br />
Dauer der Beständigkeit einer chemischenn Substanz in ihrer<br />
ursprünglichen Struktur<br />
Tatsächliche Stoffaufnahme nach Invasion<br />
Wiederholte Exposition bis zu 28 Tagen<br />
Wiederholte Exposition zwischen ein und drei Monaten<br />
Anzeichen einer Wirkung<br />
Engl.: <strong>Tox</strong>icity Equivalency Faktor<br />
<strong>Tox</strong>izitätsäquivalent, <strong>Tox</strong>izitätsäquivalenzfaktor<br />
Potential einer chemischen Substanz, Schädigungen während der<br />
embryonalen Entwicklung hervorzurufen, fruchtschädigend<br />
Technische Richtkonzentration<br />
Geschätztes zusätzliches Krebsrisiko, wenn eine dauernde,<br />
lebenslange (70 Jahre) inhalative bzw. orale Exposition gegenüber<br />
dem Gefahrstoff in Höhe von 1 µg/m³ bzw. 1 mg/kg/d besteht<br />
Engl.: World Health Organisation<br />
Weltgesundheitsorganisation<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 1 von 40<br />
1 Einführung in die <strong>Tox</strong>ikologie<br />
1.1 Definition und Gegenstand<br />
Ein breiteres öffentliches Interesse an der <strong>Tox</strong>ikologie und ihren Fragestellungen wurde erst<br />
in den letzten 20 Jahren durch Berichte über aktuelle Umweltprobleme, spektakuläre Schadensfälle<br />
in der Industrie und nicht zuletzt durch die Betrachtung der von vorigen Generationen<br />
„geerbten“ Probleme in Form der Altlasten geweckt.<br />
Anliegen der vorliegenden Darstellung ist es, gerade für den letztgenannten Bereich die<br />
Grundlagen der <strong>Tox</strong>ikologie und das für eine Gefahren- und Risikoabschätzung im Altlastenbereich<br />
relevante Basiswissen kurz darzustellen und an Beispielen zu erläutern.<br />
Eine wissenschaftliche Basis für die <strong>Tox</strong>ikologie wurde von Paracelsus (1493-1541) entwikkelt.<br />
Er erkannte als erster chemisch definierte Stoffe als Auslöser von Vergiftungen. Aus<br />
dieser Zeit stammt auch die bis heute erhaltene, konventionelle Definition des Lehrgebietes:<br />
4 Die <strong>Tox</strong>ikologie ist die Lehre von Giften und Gegengiften. Sie beschreibt die schädlichen<br />
Effekte chemischer Substanzen auf Lebewesen, insbesondere den Menschen.<br />
Neben dieser qualitativen Aufgabe, gefährliche Stoffeigenschaften von Chemikalien zu<br />
erkennen und zu beschreiben, befaßt sich die <strong>Tox</strong>ikologie mit quantitativen Aussagen. Es<br />
wird geklärt, unter welchen Expositionsbedingungen mit Schädigungen der Gesundheit des<br />
Menschen zu rechnen ist. Um die Gesundheitsgefährlichkeit von Substanzen abschätzen zu<br />
können, müssen neben den toxischen Wirkungen die zugrunde liegenden Mechanismen, der<br />
Expositionsweg, die Kinetik, die Expositionshöhe und –dauer und die Empfindlichkeit der<br />
exponierten Person erforscht werden.<br />
Modernere Definitionen beziehen den Präventionsgedanken ein und definieren die <strong>Tox</strong>ikologie<br />
auch als die Lehre über die Verhinderung gesundheitsschädlicher Effekte. Die <strong>Tox</strong>ikologie<br />
leistet einen Beitrag bei der Erkennung, Behandlung und Vorbeugung von Vergiftungen.<br />
Aus der Definition des Lehrgebietes ergeben sich folgende Forschungsgegenstände:<br />
Die <strong>Tox</strong>ikologie widmet sich<br />
4 dem qualitativen Nachweis und der quantitativen Bestimmung giftiger Stoffe,<br />
4 der Erforschung der Eigenschaften dieser Giftstoffe und der durch diese Eigenschaften<br />
bedingten Wirkungen auf den menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Organismus,<br />
4 der Ableitung von Grenz- und Richtwerten sowie von Vorschriften für den sicheren<br />
Umgang mit Giften,<br />
4 der Gefahrenbeseitigung oder –minderung durch Unschädlichmachen freigesetzter oder<br />
bereits einwirkender Gifte einschließlich<br />
4 der Entwicklung von Entgiftungsmitteln und Gegengiften sowie<br />
4 der Behandlung von Vergiftungen.<br />
1.2 Giftbegriff<br />
Einsetzen und Intensität einer toxischen Wirkung sind abhängig von der Dosis. Dabei<br />
versteht man unter Dosis diejenige Menge eines Stoffes (Giftes), die innerhalb einer<br />
bestimmten Zeit zur Exposition kommt.<br />
Mai 1998
Seite 2 von 40<br />
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Diese grundlegende Erkenntnis der <strong>Tox</strong>ikologie wurde bereits von Paracelsus im 16. Jahrhundert<br />
formuliert. Seine Giftdefinition ist die berühmteste, weil auch treffsicherste Beschreibung<br />
des Giftbegriffes:<br />
4 Was ist das nit Gift?. Alle Dinge sind Gift und nichts ohn‘ Gift. Allein die Dosis macht, daß<br />
ein Ding kein Gift.<br />
Die Dosis wird in der <strong>Tox</strong>ikologie zumeist als Menge Stoff pro Kilogramm Körpergewicht des<br />
betrachteten Lebewesens in einer bestimmten Zeit angegeben. Man hat dabei zu unterscheiden<br />
zwischen der Menge, die zur Exposition kommt und der tatsächlich aufgenommenen<br />
Schadstoffmenge. Je nach Expositionspfad (ob oral, dermal oder inhalativ aufgenommen)<br />
können diese Werte in Abhängigkeit vom Resorptionsfaktor für ein und denselben<br />
Stoff sehr unterschiedlich sein.<br />
1.3 Teilgebiete und Zusammenwirken mit anderen Wissenschaftsbereichen<br />
Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Chemikalien in allen Bereichen des Lebens<br />
haben dazu geführt, daß sich auch innerhalb des großen Wissensgebietes <strong>Tox</strong>ikologie<br />
Spezialisierungen herausbildeten. Die daraus resultierenden verschiedenen Teilgebiete der<br />
<strong>Tox</strong>ikologie unterscheiden sich nicht in der Art der Anwendung von Bewertungskriterien oder<br />
der Vorgehensweise der Betrachtung von Stoffen und deren Wirkungen. Die unterschiedlichen<br />
Anwendungsbereiche von Chemikalien und unterschiedliche gesetzliche Regelungen<br />
für deren Einsatz führen zu unterschiedlichen Anforderungen an die Durchführung von<br />
Untersuchungen und grenzen die Stoffpalette je Teilgebiet ein.<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 3 von 40<br />
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Hauptzweige der Gesamtwissenschaft<br />
<strong>Tox</strong>ikologie.<br />
Chemische<br />
Chemische<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
Öko-(Umwelt-)<br />
Öko-(Umwelt-)<br />
toxikologie<br />
toxikologie<br />
Klinische<br />
Klinische<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
Forensische<br />
Forensische<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
Nahrungsmitteltoxikologie<br />
Nahrungsmitteltoxikologie<br />
Strahlentoxikologie<br />
Strahlentoxikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
der<br />
der<br />
Bedarfsgegenstände<br />
Bedarfsgegenstände<br />
Arzneimitteltoxikologie<br />
Arzneimitteltoxikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
der<br />
der<br />
Pflanzenschutzmittel<br />
Pflanzenschutzmittel<br />
Veterinärtoxikologie<br />
Veterinärtoxikologie<br />
Industrie-<br />
Industrieund<br />
und<br />
Gewerbetoxikologie<br />
Gewerbetoxikologie<br />
Militärtoxikologie<br />
Militärtoxikologie<br />
Abbildung 1: Teilgebiete der <strong>Tox</strong>ikologie<br />
In der sich anschließenden Tabelle 1 werden die Aufgabenbereiche und der Inhalt der<br />
einzelnen in der Abbildung genannten Teilgebiete der <strong>Tox</strong>ikologie erklärt.<br />
Mai 1998
Seite 4 von 40<br />
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Tabelle 1: Inhalt und Aufgabenbereiche der Teilgebiete der <strong>Tox</strong>ikologie<br />
Teilgebiet<br />
Chemische <strong>Tox</strong>ikologie<br />
Arzneimitteltoxikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie der<br />
Pflanzenschutzmittel<br />
Veterinärtoxikologie<br />
Klinische <strong>Tox</strong>ikologie<br />
Industrie- und<br />
Gewerbetoxikologie<br />
Militärtoxikologie<br />
Forensische<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
Strahlentoxikologie<br />
Aufgabenbereich / Inhalt<br />
• Untersuchung chemischer Aspekte der Giftwirkung (Struktur-<br />
/Wirkungsbeziehungen, Stabilität und Entgiftung, molekulare Wirkungsmechanismen,<br />
durch körpereigene Stoffe induzierte<br />
Umwandlungsreaktionen (Biotransformation))<br />
• Chemische Analyse von Giften<br />
• <strong>Tox</strong>izitätsprüfung neuer Wirkstoffe (Tierversuche, alternative<br />
Tests, klinische Testung)<br />
• Untersuchung von Nebenwirkungen bei regelrechter medizinischer<br />
Anwendung und von Vergiftungen bei Überdosierung oder nicht<br />
medizinisch indizierter Verwendung (Fallauswertung, Tierexperimente,<br />
Diagnose- und Therapiehinweise)<br />
• <strong>Tox</strong>izität von Wirkstoffen und Formulierungen (Fertigpräparate)<br />
besonders bei Feldanwendung<br />
• Rückstandsbestimmung, Untersuchung der Dauer des Erhalts der<br />
chemischen Struktur (Persistenz), Festlegung von Schutz- und<br />
Kontrollmaßnahmen<br />
• Feststellung, Prophylaxe und Therapie von Vergiftungen an Tieren<br />
(besonders Nutztieren)<br />
• Untersuchungen zur <strong>Tox</strong>izität gegenüber den relevanten Tierarten<br />
• Diagnose und Therapie von (vorwiegend akuten) Vergiftungen<br />
• Therapiehinweise für die Notfallbehandlung in nichtspezialisierten<br />
Einrichtungen und für die Erste Hilfe (auch durch Laien)<br />
• <strong>Tox</strong>ikologischer Auskunftsdienst auf der Basis von Giftprodukten<br />
und Fall-Dokumentationen<br />
• Untersuchungen zu akuten und chronischen Intoxikationen durch<br />
Stoffe der Arbeitsumwelt (Feststellung der Art- und Dosis / Wirkungs-Relation<br />
toxischer Schädigungen<br />
• Diagnose und Therapie arbeitsbedingter Erkrankungen<br />
• Prophylaxe durch Festlegung von Schutz- und Havariemaßnahmen<br />
sowie von Toleranzgrenzen<br />
• Nachweis chemischer Kampfstoffe<br />
• Schutzmaßnahmen und Therapie<br />
• Entgiftung, Konversion und schadlose Beseitigung<br />
• Aufklärung fraglicher Vergiftungen und Mißbrauchsfälle (Analysen<br />
zur Feststellung der Art und Konzentration von Giften in biologischem<br />
Material und Spuren, Beurteilung der Kausalität)<br />
• Untersuchung nachteiliger Effekte auf den Organismus durch<br />
ionisierende und radioaktive Strahlung, Schutzmaßnahmen<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 5 von 40<br />
Teilgebiet<br />
Öko- (Umwelt-)<br />
toxikologie<br />
<strong>Tox</strong>ikologie der<br />
Bedarfsgegenstände<br />
Nahrungsmitteltoxikologie<br />
Aufgabenbereich / Inhalt<br />
• Aufdeckung und Aufklärung der Schadwirkungen von Stoffen auf<br />
Ökosysteme (Luft, Wasser, Boden, Pflanzen, Tiere) und deren<br />
Rückwirkung auf den Menschen (Feststellung der Art und Menge<br />
bzw. Konzentration von Schadstoffen, deren Ausbreitung und Persistenz,<br />
von Konzentrations/Wirkungs-Beziehungen, Festlegung<br />
von Emissions- und Immissionsgrenzwerten, Präventivmaßnahmen,<br />
Deponie- und Entgiftungsverfahren, Überwachungsregimes)<br />
• Feststellung toxischer Komponenten in Gegenständen des täglichen<br />
Bedarfs (z.B. Haushaltwaren, Kosmetika)<br />
• Analytik und Wirkuntersuchungen dieser Schadstoffe<br />
• Feststellung toxischer Komponenten (natürliche Bestandteile,<br />
Zersetzungsprodukte, Zusatzstoffe, Kontaminanten) von Lebensmitteln<br />
• Untersuchung der toxischen Wirkung dieser Bestandteile<br />
• Festlegung von Konzentrations-Grenzwerten und Kontrollverfahren<br />
sowie technologischen Alternativen<br />
Zur Bearbeitung toxikologischer Fragestellungen benötigt man eine Vielzahl von Informationen<br />
aus den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Sie reichen von der analytischen<br />
Chemie über die Biochemie, Molekularbiologie, Genetik, Physiologie bis zu den<br />
spezialisierten Fachrichtungen der Medizin und Veterinärmedizin. Die <strong>Tox</strong>ikologie nutzt zur<br />
Kenntnisgewinnung Methoden und Erfahrungen aus allen diesen Disziplinen, um toxikologisch<br />
relevante Stoffeigenschaften von Chemikalien zu beschreiben und die aus deren<br />
Verhalten resultierenden gesundheitlichen Risiken abzuschätzen.<br />
Abbildung 2 stellt die Verbindungen zu den anderen Fachrichtungen schematisch dar.<br />
Pathologie<br />
Pathologie<br />
Physiologie<br />
Physiologie<br />
Pharmakologie<br />
Pharmakologie<br />
Rechtsmedizin<br />
Rechtsmedizin<br />
Beschreibung von<br />
Veränderungen in<br />
Körperform u. -struktur<br />
Wirkungsorte,<br />
Mechanismen auf<br />
Organ- und Zellebene<br />
Vergiftungsursachen<br />
Giftnachweis<br />
Chemie<br />
Synthetika<br />
Naturstoffe<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
Akute Vergiftungen<br />
Therapie<br />
Giftinformation<br />
Innere Medizin<br />
Kinderheilkunde<br />
Intensivtherapie<br />
Stoffkonzentrationen<br />
Metabolite<br />
Molekulare<br />
Wirkungsmechanismen,<br />
Metabolismus<br />
Chemische<br />
Auslösung von<br />
Mutationen<br />
Analytische<br />
Analytische<br />
Chemie<br />
Chemie<br />
Biochemie<br />
Biochemie<br />
Genetik<br />
Genetik<br />
Abbildung 2: Verbindungen der <strong>Tox</strong>ikologie zu anderen Fachrichtungen<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
2 Humantoxikologische Grundlagen<br />
2.1 Bedeutung physikalisch-chemischer Eigenschaften von Schadstoffen für<br />
ihre toxische Wirkung<br />
Die Kenntnis der physikalisch-chemischen Eigenschaften eines Schadstoffes ermöglicht<br />
bereits eine grobe Abschätzung seines zu erwartenden Verhaltens und seiner toxischen<br />
Auswirkungen im Organismus. Zu den physikalisch-chemischen Eigenschaften, die bei einer<br />
derartigen Einschätzung eine Rolle spielen, gehören die Löslichkeit, der Verteilungskoeffizient,<br />
der Dissoziationsgrad und die Oberflächenaktivität.<br />
Das Lösungsverhalten einer Verbindung gibt Anhaltspunkte für ihre Verteilung im Körper.<br />
Polare bzw. wasserlösliche (hydrophile) Stoffe werden kaum aktiv aus dem Magen-Darm-<br />
Trakt resorbiert, sondern unterliegen wie Wasser den Prinzipien der passiven Diffusion.<br />
Wenn sie in die Blutbahn gelangt sind, werden sie als polare Verbindungen meist relativ<br />
schnell über die Nieren und mit dem Urin ausgeschieden. Sollten sie die Blutbahn verlassen,<br />
werden sie in Abhängigkeit von ihrer Ladung überwiegend außerhalb der Zellen verbleiben<br />
und kaum die Lipidmembranen der Zellen durchdringen. Unpolare, wasserunlösliche (hydrophobe)<br />
bzw. fettlösliche (lipophile) Verbindungen werden im Magen-Darm-Trakt sehr gut<br />
resorbiert. Sie gelangen mit dem Blut in den Raum zwischen den Zellen (Extrazellulärraum),<br />
können die Fettmembranen der Zellen durchdringen und somit in das Innere einer Zelle<br />
gelangen. Die Löslichkeitsverhältnisse spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der<br />
Überwindung natürlicher Schutzbarrieren im Organismus. So können fettlösliche Verbindungen<br />
im Gegensatz zu polaren Stoffen die Blut-Hirn-Schranke oder die Blut(Mutter)-Plazenta-<br />
Blut(Embryo)-Schranke überwinden und nahezu ungehindert in jeden Zellbereich gelangen.<br />
Es besteht die Möglichkeit, die biologische Wirksamkeit einer Verbindung anhand ihres<br />
Verteilungskoeffizienten zwischen polaren und unpolaren Lösungsmitteln einzuschätzen. So<br />
wird in der Regel die Verteilung einer Verbindung zwischen Öl (Octanol) und Wasser geprüft<br />
und als Octanol/Wasserverteilungs-Quotient bzw. als dessen dekadischer Logarithmus als<br />
Verteilungskoeffizient log P OW angegeben.<br />
Viele biologisch wirksame Verbindungen weisen positive oder negative Ladungen auf. In<br />
Abhängigkeit vom pH-Wert des umgebenden Milieus können diese chemischen Verbindungen<br />
in Bruchstücke mit freien Ladungen, in Ionen, aufgespalten (dissoziiert) oder weiter als<br />
polare Gesamtverbindung (undissoziiert) vorliegen. Als Grundprinzip kann hier erkannt<br />
werden, daß sich dissoziiert vorliegende Verbindungen wie polare und undissoziierte Verbindungen<br />
wie unpolare Stoffe verhalten.<br />
Vereinigt eine nicht mehr einfach strukturierte chemische Verbindung polare und unpolare<br />
Eigenschaften, kann in Abhängigkeit davon, in welchem Verhältnis und in welchen Abständen<br />
die polaren und unpolaren Gruppen in dieser Verbindung zueinander stehen, das<br />
oberflächenaktive Verhalten stark variieren. So können unpolare Strukturanteile in die<br />
Fett(Lipid)schicht von Membranen eindringen, während die polaren Strukturen oder funktionellen<br />
Gruppen in den Extrazellulärraum ragen. Durch diese Grenzflächenaktivität können<br />
Änderungen in der äußeren Ladung und Durchlässigkeit der Zellmembran eintreten, die mit<br />
weitreichenden Folgen für den Zellstoffwechsel verbunden sind.<br />
Der Zusammenhang zwischen den physikalisch-chemischen Stoffeigenschaften und dem<br />
daraus abzuschätzenden Verhalten ist zusammenfassend in Tabelle 2 dargestellt.<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 7 von 40<br />
Tabelle 2: Physikalisch-chemische Stoffeigenschaften<br />
Merkmal Stoffeigenschaft abzuschätzendes Stoffverhalten<br />
Löslichkeit<br />
unpolar,<br />
wasserunlöslich,<br />
lipohil bzw. hydrophob<br />
Verteilungskoeffizient<br />
(zwischen<br />
polaren und<br />
unpolaren<br />
Lösungsmitteln)<br />
i.d.R. Octanol/Wasser<br />
Oberflächenaktivität<br />
polar,<br />
wasserlöslich bzw.<br />
hydrophil<br />
Verteilungsquotient<br />
klein (eher in Wasser<br />
als in Octanol)<br />
Verteilungsquotient<br />
groß (eher in Octanol<br />
als in Wasser)<br />
• Verhalten entspricht den fettlöslichen Verbindungen<br />
• Verteilung über Membranen und Barrieren in<br />
alle Körper- und Zellstrukturen möglich<br />
Dissoziationsgrad<br />
Dissoziationskonstante<br />
für Säuren<br />
und Basen in Abhängigkeit<br />
vom (Blut-)<br />
pH-Wert<br />
Vereinigung von<br />
polaren und unpolaren<br />
Gruppen in einer<br />
Verbindung<br />
• kaum aktive Resorption aus dem Magen-<br />
Darm-Trakt<br />
• wie Wasser passive Diffusion in die Blutbahn<br />
• schnelle Ausscheidung mit dem Urin über<br />
die Nieren<br />
• kaum Durchdringung der Lipidmembranen<br />
der Zellen (Verbleib im Extrazellulärraum)<br />
• gute Resorption im Magen-Darm-Trakt<br />
• nach Durchdringen der Lipidmembran<br />
Wanderung in das Zellinnere<br />
• Passage spezifischer Zellbarrieren möglich<br />
(Blut – Hirn – Schranke, Blut (Mutter) –<br />
Plazenta – Blut (Embryo) – Schranke)<br />
• Verhalten entsprechend Wasser<br />
• Verteilungsverhalten wie polare Stoffe<br />
• dissoziiert vorliegende Verbindungen mit<br />
freien Ladungsträgern verhalten sich wie<br />
polare Stoffe<br />
• undissoziierte Verbindungen können analog<br />
unpolaren Verbindungen die Blut-Hirn-<br />
Schranke durchdringen<br />
• unpolare Strukturanteile können in die<br />
Lipidschicht von Membranen eindringen und<br />
mit polarem Strukturanteil in den Extrazellulärraum<br />
herausragen<br />
• Bewirken von Änderungen in der äußeren<br />
Ladung, Konformation und Durchlässigkeit<br />
der Zellmembran<br />
• weitreichende Folgen für den Zellstoffwechsel<br />
möglich<br />
2.2 <strong>Tox</strong>ikokinetik<br />
Die <strong>Tox</strong>ikokinetik beschreibt den Weg und den Konzentrationsverlauf einer chemischen<br />
Substanz im Organismus. Dabei steht die Exposition am Anfang (Kontakt des Organismus<br />
mit der Chemikalie). Die <strong>Tox</strong>ikokinetik bestimmt mit ihren Teilprozessen Invasion (Resorption<br />
und Verteilung) und Evasion (Biotransformation und Ausscheidung) quantitativ in Abhängigkeit<br />
von der Zeit die Wirksamkeit einer Substanz wesentlich mit.<br />
Die Aufnahme eines Schadstoffes erfolgt in den meisten Fällen durch Verschlucken (oral),<br />
über die Haut (dermal) oder durch Einatmen (inhalativ). Eine biologische Wirkung kann nach<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Kontakt mit dem Schadstoff nur dann eintreten, wenn dieser vom Organismus auch aufgenommen<br />
(resorbiert) wird. Dazu sind natürliche biologische Barrieren zu überwinden und<br />
spezifische Transportmechanismen zu aktivieren.<br />
Die Substanzresorption hängt stark davon ab , in welcher Konzentration und wie lange der<br />
Wirkstoff mit den zur Aufnahme befähigten Körperoberflächen in Kontakt steht. Weiterhin<br />
bestimmen Stoffeigenschaften wie Aggregatzustand, Kristallgröße und –form bzw. die Fettoder<br />
Wasserlöslichkeit diesen Schritt.<br />
Nach der Resorption werden die Wirkstoffe in der Regel mit dem Blutstrom durch den<br />
gesamten Organismus transportiert. Dabei passieren sie Bereiche, zu denen sie aufgrund<br />
spezieller Eigenschaften eine besondere Affinität besitzen (Organotropie). So reichern sich<br />
stark fettlösliche Substanzen bevorzugt im Fettgewebe an, während die eher wasserlöslichen<br />
Schadstoffe im Blut bzw. in den Zellzwischenräumen angesammelt werden.<br />
Die Ausscheidung von Stoffen aus dem Organismus erfolgt in vielen Fällen mit dem Urin<br />
oder über die Gallenflüssigkeit. Auf diesem Wege können aber nur wasserlösliche Stoffe den<br />
Organismus verlassen. Bei fettlöslichen Substanzen bestünde die Gefahr, daß sie sich im<br />
Fettgewebe anreichern und somit im Körper verbleiben würden. Der Organismus besitzt<br />
deshalb biochemische Systeme, die in der Lage sind, fettlösliche Stoffe in mehr wasserlösliche<br />
Substanzen oder Substanzbausteine umzuwandeln, die dann leichter ausgeschieden<br />
werden können (Metabolisierung). Hauptort dieser Biotransformationsmechanismen ist die<br />
Leber. Die dabei ablaufenden Vorgänge werden unterteilt in Phase-I-Reaktionen (Hydrolysen,<br />
Oxidationen und –Reduktionen) und Phase-II-Reaktionen, bei denen eine zusätzliche<br />
Erhöhung der Wasserlöslichkeit durch Konjugationsreaktionen mit körpereigenen Stoffen<br />
stattfindet.<br />
Abbildung 3 stellt die Komplexität der toxikokinetischen Vorgänge dar; Tabelle 3 faßt die<br />
Aussagen zu den einzelnen Phasen der <strong>Tox</strong>ikokinetik im menschlichen Organismus zusammen.<br />
Aufnahme<br />
Inhalation<br />
Verschlucken<br />
Injektion<br />
Hautresorption<br />
Lunge<br />
Blut<br />
Haut<br />
Verteilung<br />
Metabolismus<br />
Magen<br />
Darm<br />
Galle<br />
andere<br />
Organe<br />
(Gehirn,<br />
Fettgewebe)<br />
Leber<br />
Niere<br />
Ausscheidung<br />
Exhalation<br />
Stuhl<br />
Urin<br />
Schweiß<br />
Abbildung 3: <strong>Tox</strong>ikokinetik [aus „<strong>Tox</strong>ikologie“ Fonds der Chemischen Industrie, 1985]<br />
Mai 1998
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Tabelle 3: Phasen der toxikokinetischen Betrachtung<br />
Phase Besonderheit Erklärung<br />
Aufnahme<br />
Resorption<br />
Verteilung<br />
Oral<br />
Inhalativ<br />
Dermal<br />
Injektionen<br />
Lunge/Alveolen<br />
Magen/Dünndarm<br />
Organotropie<br />
• Zufuhr von Schadstoffen über Mund und Speiseröhre<br />
in den Magen (möglicherweise mit Speisen<br />
und Getränken)<br />
• Aufnahme leichtflüchtiger oder gasförmiger<br />
Verbindungen sowie von Staub bzw. Staubpartikeln<br />
über die Atemluft in die Lunge<br />
• Aufnahme eines Schadstoffes über die intakte<br />
Haut oder Schleimhaut<br />
• direkte Aufnahme von Schadstoffen in die<br />
Blutbahn durch Verletzungen im Aufnahmebereich<br />
der anderen Pfade oder durch Applikation<br />
in/unter die Haut (intra/subcutan), in das<br />
Muskelgewebe (intramuskulär), in die Blutbahn<br />
intravenös oder intraarteriell oder in die Bauchhöhle<br />
(intraperitoneal)<br />
• tatsächliche Aufnahme von Schadstoffen in die<br />
Blutbahn, die nicht durch Injektionen zugeführt<br />
wurden<br />
• Vollständigkeit und Geschwindigkeit variieren in<br />
Abhängigkeit vom Resorptionsort und aufgrund<br />
unterschiedlicher Schadstoffeigenschaften<br />
• Überwindung einer relativ dünnen Barriere<br />
verschiedener Membranen<br />
• oft sehr hohe Resorptionsraten<br />
• Transport von der Lunge über Herz unmittelbar<br />
in den großen Blutkreislauf, so daß Schadstoffe<br />
ungefiltert auch das Gehirn erreichen können<br />
• Schadstofftransport über Vena porta direkt in die<br />
Leber<br />
• first-pass-effect in der Leber = Rückhalt von<br />
Schadstoffanteilen und Umwandlung<br />
• Verteilung des Schadstoffes im Blutplasma, das<br />
als Bindungs- und Transportpartner Eiweiße<br />
(Globuline, Albumin) enthält<br />
• Möglichkeit der Wiederfreisetzung durch Verdrängungsmechanismen<br />
besteht<br />
• besondere Bindungsneigung (Affinität) einzelner<br />
Organe für bestimmte Schadstoffe (z.B. stark<br />
fettlösliche Stoffe binden sich an Fettgewebe)<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Phase Besonderheit Erklärung<br />
Metabolismus<br />
(Biotransformation)<br />
Ausscheidung<br />
(Elimination)<br />
2.3 <strong>Tox</strong>ikodynamik<br />
Phase-I-Reaktionen<br />
Phase-II-Reaktionen<br />
• über den Urin bzw. die Gallenflüssigkeit können<br />
nur wasserlösliche Stoffe ausgeschieden werden<br />
• fettlösliche Stoffe werden überwiegend in der<br />
Leber mit Hilfe metabolisierender Enzyme in<br />
wasserlösliche Abbausteine umgewandelt<br />
• Hydrolysen, Oxidationen und Reduktionen zur<br />
Vermittlung polarer Eigenschaften am Schadstoffgrundgerüst<br />
• weitere Erhöhung der Wasserlöslichkeit durch<br />
zusätzliche Konjugationsreaktionen mit körpereigenen<br />
Stoffen<br />
• Ausscheidung über Nieren – Urin bzw.<br />
Leber/Galle – Gallenflüssigkeit<br />
• Eliminationsgeschwindigkeit entscheidet über<br />
schnelle Konzentrationsabnahme des Schadstoffes<br />
oder seine Akkumulation im Körper<br />
Die <strong>Tox</strong>ikodynamik beschreibt die Entstehung/Entwicklung der Vergiftung (Pathogenese)<br />
und erklärt das Wesen der Giftwirkung. Sie untersucht den Mechanismus sowie die Erkennungszeichen<br />
(Symptomatologie) und die durch die Vergiftung ausgelösten krankhaften<br />
Veränderungen (Pathologie).<br />
Die <strong>Tox</strong>ikodynamik bildet die Grundlage für Diagnostik, Therapie und Prophylaxe von<br />
Vergiftungen.<br />
Die Wirkungen eines Schadstoffes (W) sind neben den Schadstoffeigenschaften selbst (k)<br />
abhängig von der einwirkenden Konzentration des Schadstoffes (S), von seiner Einwirkungsdauer<br />
(t) und von seiner Ausscheidung bzw. Metabolisierung innerhalb einer<br />
bestimmten Zeit, die mit der Abnahme der einwirkenden Schadstoffkonzentration (-S t )<br />
verbunden ist. Mit einer vereinfachten Gleichung kann das zum Ausdruck gebracht werden:<br />
W = k x t (S-S t )<br />
k= schadstoffabhängige Konstante<br />
Zur Charakterisierung toxischer Effekte werden unterschiedliche Merkmale herangezogen.<br />
So lassen sich Wirkungen folgendermaßen klassifizieren:<br />
A: nach Einwirkungsdauer, -häufigkeit:<br />
akut:<br />
chronisch:<br />
einmalige, kurze Einwirkung des Schadstoffes (Sekunden bis 24 Stunden),<br />
z.B. durch Blausäuredämpfe verursachte Lähmung der Zellatmung<br />
langanhaltende Schadstoffeinwirkung (Tage, Wochen bis lebenslang),<br />
z.B. durch Alkoholgenuß verursachte Leberzirrhose<br />
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B: nach Einwirkungsort:<br />
lokal:<br />
systemisch:<br />
begrenzter Effekt direkt am Einwirkungsort, z.B. Säureverätzung der Haut<br />
Effekt an bestimmten Zielorganen, unabhängig vom Einwirkungsort, z.B.<br />
Knochemarkschäden nach chronischer Benzolvergiftung<br />
C: nach Rückbildungsfähigkeit des Effektes:<br />
reversibel:<br />
irreversibel:<br />
vollständige Rückbildung des beobachteten Effekts, z.B. durch Teerprodukte<br />
verursachte Warzenbildung<br />
permanenter Schaden, z.B. durch Teerprodukte verursachter Hautkrebs<br />
Die Stärke einer Wirkung hängt nicht von der absoluten Menge des Wirkstoffes im Organismus,<br />
sondern von seiner Konzentration am Angriffsort ab. Zur Quantifizierung dieser Wirkkonzentration<br />
wird in der <strong>Tox</strong>ikologie die Dosis als Bezugsgröße eingeführt. Sie bezeichnet<br />
die wirksame Menge eines Schadstoffes bezogen auf das Körpergewicht des beeinflußten<br />
Organismus oder bezogen auf die Körperoberfläche, z.B. Angaben in mg Stoff / kg Körpergewicht<br />
= mg/kg KG.<br />
Um Wirkungen in Abhängigkeit von der beeinflussenden Dosis zu erfassen, bedient man<br />
sich der Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Zum Vergleich der Wirkungen einzelner Stoffe erfolgt<br />
die Darstellung dieser Beziehung als Kurve in halblogarithmischem Maßstab. Abbildung 4<br />
zeigt eine derartige Dosis-Wirkungs-Kurve. Als Wirkung kann z.B. die Erhöhung der Herzfrequenz<br />
oder hier der Prozentsatz der betroffenen Organismen aus einer Versuchsgruppe<br />
gegen den Logarithmus der Dosis aufgetragen werden. Die Steilheit der in solchen Diagrammen<br />
erkennbaren linearen Kurvenabschnitte lassen auf die Art und Weise der akuten<br />
<strong>Tox</strong>izität schließen. So zeigen z.B. Cyanide sehr steile Kurven, d.h. die Wirkung – der Tod –<br />
tritt entweder gar nicht oder bei Überschreiten einer definierten CN-Menge plötzlich ein. Die<br />
in der Abbildung 4 gesondert gekennzeichnete Dosis bei 50% der Wirkung (D 50 ) kann z.B.<br />
bei Arzneimitteln die effektive Dosis sein, bei der das Medikament 50% seiner Wirkung<br />
entfaltet und therapeutisch optimal wirkt. D 50 kann aber in <strong>Tox</strong>izitätstests zur Betrachtung<br />
akuter Wirkungen auch die häufig verwendete letale Dosis darstellen, bei der 50% der<br />
Versuchstiere im Test getötet wurden.<br />
100%<br />
75%<br />
50%<br />
D 50<br />
Wirkung<br />
Log Dos<br />
[mg/kg KG]<br />
Abbildung 4: Dosis-Wirkungs-Kurve<br />
Um eine Wirkung auszulösen, müssen die Moleküle eines Wirkstoffes (Agonist) im Organismus<br />
mit spezifischen Angriffsorten (Rezeptoren) in Wechselwirkung treten. Bei diesen<br />
Rezeptoren handelt es sich um Makromoleküle, an denen ein Wirkstoff durch Ionenbindungskräfte<br />
oder Wasserstoffbrückenbindungen angelagert werden kann. Im Organismus<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
kann auf diese Weise ein Wirkstoff-Rezeptor-Komplex gebildet werden, wobei der Zustand<br />
und die Eigenschaften des Rezeptormoleküls verändert werden. Diese Zustandsänderung<br />
bewirkt einen Reiz auf den Organismus infolge dessen es im Ergebnis einer Reihe von<br />
chemischen Reaktionen zu einer Wirkung kommt. Dabei muß das Zielorgan des Rezeptors<br />
nicht mit dem Wirkort übereinstimmen, z.B. Strychnin beeinflußt Rezeptoren im zentralen<br />
Nervensystem, die ausgelöste Wirkung betrifft aber den Bewegungsapparat durch Krämpfe<br />
der quergestreiften Muskulatur. Die Stärke der erzeugten Wirkung hängt so von der Zahl der<br />
gebildeten Wirkstoff-Rezeptor-Komplexe ab. Das heißt sowohl die Wirkstoffkonzentration im<br />
Körper als auch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Rezeptoren bestimmen die<br />
Wirkung. Eine Wirkungssteigerung bei Erhöhung der Schadstoffkonzentration ist dann nicht<br />
mehr möglich, wenn alle Rezeptoren bereits blockiert sind.<br />
Abbildung 5 zeigt den Grundgedanken der sogenannten Rezeptortheorie durch schematische<br />
Darstellung der Bildung des Wirkstoff-Rezeptor-Komplexes.<br />
Abbildung 5: Rezeptortheorie [aus „<strong>Tox</strong>ikologie“ Fonds der Chemischen Industrie, 1985]<br />
Über diese allgemeinen Betrachtungen von Wirkungen und Wirkungsbeziehungen hinaus ist<br />
die spezifisch ausgerichtete Wirksamkeit von Schadstoffen zu betrachten. Dazu gehören<br />
mutagene, carcinogene, teratogene und allergene Wirkungen von Stoffen sowie die Organotropie.<br />
Die Erläuterungen und Besonderheiten dieser Wirkungen sind in der nachfolgenden<br />
Tabelle 4 systematisch zusammengefaßt.<br />
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Tabelle 4: Beschreibung spezifischer Wirkmechanismen<br />
Wirkung Besonderheit Erläuterung<br />
Mutagen<br />
Carcinogen<br />
Teratogen<br />
Allergen<br />
Organotropie<br />
Punktmutation<br />
Chromosomen<br />
aberration<br />
Genmutation<br />
Genotoxisch<br />
epigenetisch<br />
Sensibilisierung<br />
Abwehrreaktion<br />
• durch physikalische (Strahlen, Hitze) oder chemische<br />
Einwirkungen hervorgerufene Veränderung<br />
der in der DNS gespeicherten Erbinformation<br />
• je nach Ausmaß der mutagenen Wirkung sind zu<br />
unterscheiden:<br />
Kleinste Veränderung in den chemischen Eigenschaften<br />
und in der Reihenfolge der Basen Adenin,<br />
Cytosin, Guanin, Thymin im DNS-Strang<br />
Mikroskopisch erkennbare Veränderungen in der<br />
Anordnung der Chromosomen<br />
Abweichungen von der normalen Chromosomenanzahl<br />
• Potenz chemischer Stoffe, Krebs auszulösen<br />
• es werden folgende Wirkungsmechanismen unterschieden:<br />
• es finden Interaktionen des Carcinogens mit dem<br />
Kernmaterial statt<br />
• Wirkung kann direkt erfolgen<br />
• i.d.R. muß jedoch die chemische Verbindung erst<br />
von einem Procarcinogen in das wirksame<br />
Carcinogen umgewandelt werden (z.B. Benzol in<br />
Benzolepoxid)<br />
auf außerhalb des Genmaterials zurückzuführende<br />
Einflüsse (z.B. Asbest, Phenole)<br />
• die beim Embryo Mißbildung hervorrufende<br />
Wirkung physikalischer Störfaktoren (Strahlen,<br />
Hitze), mikrobieller Einwirkungen (Viren, bakterielle<br />
<strong>Tox</strong>ine), das gesundheitliche Befinden der<br />
Mutter schädigende Einflüsse (Streß, Nahrungsmittelmangel)<br />
und chemische Verbindungen (z.B.<br />
Arzneimittel – Contergan !)<br />
• diese Wirkungen beschränken sich auf die Zeit der<br />
Organdifferenzierung, die beim Menschen vom<br />
14.-18.Tag bis zum 75. Tag nach der Befruchtung<br />
stattfindet (Embryogenese)<br />
Fähigkeit und Neigung bestimmter Substanzen, eine<br />
Überempfindlichkeit des Organismus bei wiederholter<br />
Einwirkung hervorzurufen<br />
Bindung der chemischen Substanz an körpereigene<br />
Eiweiße – zusammen ein komplettes Antigen (Hapten)<br />
und Bildung spezifischer Antikörper gegen dieses<br />
Antigen<br />
bei wiederholtem Kontakt mit dem Schadstoff überschießende<br />
Abwehrreaktion des Immunsystems<br />
(vorher gebildete Antikörper) gegen die erneut<br />
gebildeten Antigene<br />
Eine auf bestimmte Organe spezifisch ausgerichtete<br />
toxische Wirksamkeit von Schadstoffen (z.B.<br />
Schwermetallanreicherung in Leber und Niere)<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Bei der Ableitung von Orientierungswerten, d.h. Gesamtkörperdosen eines Gefahrstoffes, bei<br />
denen keine nachteiligen Effekte auf die Gesundheit erwartet werden bzw. nur ein geringes<br />
Risiko für Erkrankungen angenommen wird, ist zwischen Schadstoffen mit Wirkungsschwelle<br />
(chronisch toxische Wirkungen entsprechend der Dosis-Wirkungs-Beziehung) und Stoffen<br />
ohne Wirkungsschwelle (kanzerogene und gentoxische Wirkungen) zu unterscheiden.<br />
Abbildung 6 verdeutlicht schematisch die Unterschiede.<br />
Bei Stoffen mit Wirkungsschwelle kann der sogenannte NOAEL (no observed adverse effect<br />
level), also die Dosis, bei der im Tierversuch keine gesundheitsschädlichen Wirkungen zu<br />
beobachten waren, ermittelt werden. Dieser experimentell bestimmte Wert wird durch<br />
Einbeziehung von Sicherheitsfaktoren, die die Übertragung der Ergebnisse vom Tier auf den<br />
Menschen, die lebenslange Betrachtung (70 Jahre) und den Schutz empfindlicher Personengruppen<br />
berücksichtigen, auf einen stoff- und pfadspezifischen Orientierungswert transformiert.<br />
Hauptanwendung ist die Ableitung von tolerablen, täglich resorbierten Körperdosen<br />
(TRD). Beträgt zum Beispiel die orale resorbierte Dosis 0,025 µg/kg KG*d (Wert für Cadmium)<br />
heißt das, daß bei einer täglichen Schadstoffaufnahme von 0,025 µg pro kg Körpergewicht<br />
über 70 Lebensjahre hinweg aller Wahrscheinlichkeit nach keine gesundheitlichen,<br />
nichtkanzerogenen Wirkungen zu erwarten sind, die auf die Cadmiumaufnahme zurückzuführen<br />
sind.<br />
Bei krebserregenden Stoffen kann keine unbedenkliche Dosis angegeben werden, sondern<br />
es erfolgt die Verknüpfung einer bestimmten Dosis mit dem daraus resultierenden Krebsrisiko.<br />
Die Abschätzung des Krebsrisikos im Niedrigdosisbereich wird durch Anwendung<br />
mathematischer Modelle realisiert. Im Ergebnis dieser Betrachtung kann ein Risikowert<br />
angegeben werden, wenn eine dauernde, lebenslange Exposition gegenüber dem Schadstoff<br />
in einer bestimmten Konzentration besteht. Beträgt dieser Risikowert (unit risk) z.B.<br />
8,3*10 -6 (Wert für die lebenslange inhalative Exposition gegenüber 1 µg Benzol/m³ Luft)<br />
heißt das, daß die Möglichkeit besteht, daß ca. 8 von 1 Million Menschen zusätzlich aufgrund<br />
dieser dauernden Benzolexposition an Krebs erkranken.<br />
Adverse Effekte<br />
Krebsrisiko<br />
Unit risk<br />
NOAEL<br />
LOAEL<br />
Dosis<br />
Dosis<br />
Abbildung 6: Schadstoffe mit und ohne Wirkungsschwelle<br />
2.4 Untersuchungsmethoden<br />
Schadstoffe, die für den Menschen hinsichtlich ihrer einwirkenden Mengen oder ihrer invasiven<br />
Wirkungen gesundheitlich relevant werden können, bedürfen einer toxikologischen<br />
Bewertung. Für die Erkennung schädigender Wirkungen von chemischen Verbindungen<br />
stehen unterschiedliche Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Die direkte Applikation von<br />
Schadstoffen beim Menschen zur Testung schädlicher Auswirkungen verbietet sich aus<br />
ethischen Gründen. Um nach Möglichkeit vor dem Einsetzen von Gesundheitsstörungen<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 15 von 40<br />
eine Risikoabschätzung für definierte chemische Verbindungen vornehmen zu können,<br />
werden biologische Vorversuche im Labor durchgeführt. Diese können darin bestehen, daß<br />
an Mikroorganismen, Pflanzen oder isolierten tierischen bzw. menschlichen Zellen gezielte<br />
und erprobte „in-vitro“-Versuche (im Reagenzglas) durchgeführt werden. Diese Tests sollen<br />
z.B. über zellschädigende, energiehaushaltbeeinträchtigende und andere zerstörende<br />
Effekte Aufschluß geben. Mit derartigen Testverfahren lassen sich auch Anhaltspunkte für<br />
potentielle mutagene und carcinogene Wirkungen gewinnen. Andererseits muß jedoch auch<br />
unter definierten Bedingungen auf das Tierexperiment zurückgegriffen werden.<br />
Eine zusammenfassende Übersicht über zur Verfügung stehende Methoden zur Untersuchung<br />
verschiedener Schadwirkungen gibt Tabelle 5.<br />
Tabelle 5: Untersuchungsmethoden der Humantoxikologie in Abhängigkeit von der zu<br />
betrachtenden Schadwirkung<br />
Schadwirkung Methode Erklärung<br />
Akute <strong>Tox</strong>izität<br />
Reizung der Haut<br />
Sensibilisierung<br />
der Haut<br />
Systemische<br />
(ganzheitliche)<br />
Verträglichkeit<br />
orale, inhalative<br />
oder dermale<br />
Exposition an<br />
Tieren (weiße<br />
Labor-Ratte)<br />
Tierversuch mit<br />
Albinokaninchen<br />
Tierversuch an<br />
der Haut des<br />
Meerschweinchens<br />
subakute<br />
subchronische<br />
chronische<br />
<strong>Tox</strong>izität<br />
• Erfassung möglicher Schädigungen bei einmaliger<br />
Gabe an Tiere erlaubt Abschätzung des Risikos,<br />
das bei einmaliger Überexposition des Menschen<br />
auftreten kann (Unfälle, Vergiftungen)<br />
• Maß für die Einstufung in Giftklassen nach<br />
ChemG<br />
• Applikation von Dosen/Konzentrationen, die sich<br />
durch einen konstanten Faktor unterscheiden<br />
• Registrierung von Sterblichkeit, Vergiftungssymptomen,<br />
Gewichtsentwicklung und Futtermittelverbrauch<br />
• Einwirkung der Substanz 3 min bis 24 Std. auf<br />
die geschorene Rückenhaut<br />
• Beurteilung von Hautschädigungen nach 3-7<br />
Tagen (positive Reaktionen können sein:<br />
Rötung, Schwellung, Schorfbildung)<br />
• Hervorrufen der Reaktion mit nicht hautreizenden<br />
Schadstoffkonzentrationen (unterhalb der Wirkungsschwelle)<br />
• 10-14 Tage Ruhephase<br />
• erneute Substanzbehandlung zur Auslösung<br />
möglicher Hautveränderungen<br />
• Mehrere Tiergruppen bekommen Schadstoff<br />
verabreicht (oral, dermal oder inhalativ)<br />
• Üblich sind drei verschiedene Dosisgruppen<br />
(niedrig = Tiere zeigen keine Wirkungen, mittel =<br />
Verträglichkeitsgrenze, erste Unverträglichkeiten<br />
sind nachweisbar, hoch = toxische Effekte eindeutig<br />
feststellbar) und eine Kontrollgruppe ohne<br />
Exposition<br />
• Tägliche Beobachtung der Tiere, klinische Untersuchungen<br />
(Parameter analog Humanmedizin)<br />
• Am Versuchsende makroskopische und histologische<br />
Organuntersuchungen<br />
• Statistische Auswertung der Befunde<br />
Mai 1998
Seite 16 von 40<br />
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Schadwirkung Methode Erklärung<br />
Kanzerogenität<br />
Mutagenität<br />
Teratogenität<br />
Gesamtbetrachtung<br />
Gesundheit<br />
Mensch<br />
Tierversuch mit<br />
Ratten<br />
in-vitro<br />
Punktmutation<br />
Tierversuch ,<br />
meist chinesischer<br />
Hamster<br />
Chromosomenu.<br />
Genmutation<br />
Tierversuch mit<br />
Mäusen<br />
Mutation in<br />
Keimzellen<br />
Tierversuch mit<br />
Ratten<br />
Epidemiologische<br />
Studien<br />
• Langzeitbeobachtung einer großen Anzahl von<br />
Tieren mit geringen Schadstoffmengen<br />
• Wichtigste Untersuchungsparameter sind<br />
makros- und mikroskopische Beurteilungen einzelner<br />
Organe<br />
• Feststellung von Gewebsvermehrungen, deren<br />
Wachstum nicht mehr mit dem normalen<br />
Gewebe koordiniert ist<br />
• AMES-Test mit speziell entwickelten Bakterien<br />
(Histidin-abhängige Zellen)<br />
• Beobachtung der Auslösung von Mutationen zur<br />
Hisitidin-Unabhängigkeit nach 2 Tagen Inkubation<br />
• Verabreichung der Testsubstanz und 6-48<br />
Stunden Einwirkzeit<br />
• Zwei Stunden vor Tötung Gabe eines Spindelgiftes<br />
zum Stopp der Zellteilung<br />
• Chromosomengewinnung aus Knochemark und<br />
mikroskopische Untersuchung<br />
• Feststellung von wechselseitigem Austausch von<br />
Chromosomenabschnitten innerhalb eines<br />
Chromosoms (Translokation), von Brüchen eines<br />
Chromosomenarmes, von fehlerhaften Wiedervereinigungen<br />
von Chromosomenbruchstücken<br />
(Ringchromosomenbildung)<br />
• Verabreichung der Testsubstanz an männliche<br />
Mäuse<br />
• Paarung mit unbehandeltem Weibchen<br />
• Tötung der trächtigen Weibchen nach 15 Tagen<br />
• Beurteilung der Zahl der abgestorbenen Keime<br />
im Unterschied zu unbehandelten Tieren<br />
• Gabe der Testsubstanz an die ‚Mutter‘ zwischen<br />
dem 9. und 14. Tag der Entwicklung eines<br />
Embryos<br />
• Beurteilung von Mißbildungen am Embryo kurz<br />
vor dem Geburtstermin<br />
• Vergleich der Gesundheitszustände der Bevölkerung<br />
in einem schadstoffbelasteten Gebiet mit<br />
denen in einem weitgehend unbelasteten Kontrollgebiet<br />
(Querschnittsstudie)<br />
• Erfassung der zeitlichen Entwicklung und der<br />
Schwankungen von Krankheitshäufigkeiten in<br />
einem schadstoffbelasteten Gebiet und Korrelation<br />
mit Schwankungen der Schadstoffkonzentration<br />
(Längsschnittbeobachtung)<br />
• Zustand einer gesundheitlich beeinträchtigten<br />
Bevölkerungsgruppe und die dafür wahrscheinlich<br />
verantwortlichen Schadstoffkonzentrationen<br />
werden genau erfaßt und mit dem Gesundheitszustand<br />
einer später, nachträglich zusammengestellten<br />
Kontroll-Gruppe verglichen (Kohorten-<br />
Studie)<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 17 von 40<br />
3 Ökotoxikologische Grundlagen<br />
3.1 Kriterien für die ökotoxikologische Beurteilung von Stoffen<br />
Die Ökotoxikologie ist die Wissenschaft, die die Verteilung und die Wirkung chemischer<br />
Substanzen auf Organismen und Systeme untersucht, soweit daraus direkt oder indirekt<br />
Schäden für Natur und Mensch entstehen.<br />
Das Aufgabengebiet der Ökotoxikologie umfaßt die Aufklärung der natürlichen und anthropogenen<br />
Einflüsse auf das Vorkommen und Verhalten von Chemikalien, die Erforschung von<br />
Chemikalienwirkungen auf einzelne Arten und natürliche Systeme, die Entwicklung von<br />
Analysen- und Testmethoden zur Untersuchung der Kontamination einzelner Umweltbereiche<br />
und die Entwicklung von Konzepten zur Bewertung des Gefahrenpotentials von Chemikalien.<br />
Umweltqualitätsänderungen können durch natürliche Einflüsse oder durch menschliche Aktivitäten<br />
(anthropogen) bedingt sein. Zu den natürlichen Einflüssen zählen sowohl die Veränderungen<br />
geochemischer, geophysikalischer und meteorologischer Parameter, die im Laufe<br />
von erdgeschichtlichen Zeiträumen zur heute sichtbaren Strukturierung der Erde (Verwitterung,<br />
Abtragung, Ablagerung) geführt haben, die evolutionären Veränderungen des marinen<br />
und terrestrischen Lebens als auch Veränderungen kurzfristiger oder lokaler Bedeutung<br />
(Erdbeben, Vulkantätigkeit).<br />
Durch die Notwendigkeit, die Lebensbedürfnisse für eine wachsende Anzahl der Bevölkerung<br />
zu befriedigen, hat der Mensch intensiv in seine Umwelt eingegriffen. Seine Möglichkeiten<br />
dazu wurden durch die industrielle und technische Entwicklung bestimmt. Die bedeutendste<br />
Aktivität besteht in der Verbrennung fossiler Energieträger, weitreichende Veränderungen<br />
erreicht der Mensch durch die Land- und Forstwirtschaft. Bergbau und Industrie<br />
greifen aufgrund der bedeutenden Stoffumsätze in die Umwelt ein. Durch ihre Anwendung<br />
gelangen nahezu alle in diesem Bereich verarbeiteten Stoffe und Produkte in die Umwelt.<br />
Fünf Kriterien für die Einschätzung dieser Stoffumsätze und Beurteilung ihrer ökotoxikologischen<br />
Relevanz sind in Tabelle 6 aufgeführt und erläutert.<br />
Tabelle 6: Ökotoxikologische Bewertungskriterien<br />
Kriterium<br />
Produktionshöhe<br />
Erläuterung<br />
• Von der Produktionshöhe hängt ab, wieviel von einer Substanz in<br />
die Umwelt gelangt.<br />
• Kennt man den regionalen oder weltweiten Verbrauch einer<br />
Substanz – oder besser den Gesamtverbrauch seit ihrer Einführung<br />
– dann lassen sich die maximal möglichen regionalen bzw.<br />
globalen Belastungen der Umwelt voraussagen.<br />
• Bei nicht natürlich vorkommenden organischen Verbindungen ist<br />
die Produktionshöhe mit dem maximalen Ausmaß der Umweltveränderungen<br />
direkt korrelierbar.<br />
• Bei der Bewertung anorganischer oder natürlich vorkommender<br />
organischer Stoffe müssen zusätzlich die natürlichen, nichtanthropogenen<br />
Bilanzen berücksichtigt werden.<br />
Mai 1998
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Kriterium<br />
Anwendungsmuster<br />
Dispersionstendenz<br />
Akkumulation<br />
Persistenz<br />
Umwandlung<br />
Erläuterung<br />
• Die Untersuchung des Anwendungsmusters einer Substanz klärt,<br />
wo die Emission in die Umwelt beginnt und auf welchen Wegen<br />
die Ausbreitung verläuft.<br />
• Anwendungsmuster ist definiert als die quantitative Erfassung der<br />
Einsatzbereiche von Einzelchemikalien im Endverbrauch.<br />
• Je nach Art des Stoffes ergeben sich verschiedene Stufen seiner<br />
Anwendung (z.B. lokal – Großindustrie, ubiquitär – Haushalt)<br />
• Die Dispersionstendenz von Chemikalien führt dazu, daß sie<br />
ihren Anwendungsbereich verlassen.<br />
• Sie ist damit Ursache für deren unbeabsichtigtes und meistens<br />
unerwünschtes Vorkommen außerhalb des Anwendungsortes.<br />
• Der Grad der Gefährdung durch die Ausbreitung hängt vom<br />
Anwendungsort und der Art der Anwendung, von der Lebensdauer<br />
der Chemikalie, von der Geschwindigkeit und Reichweite<br />
ihres Transportes, von ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften<br />
und von den Transportmechanismen ab.<br />
• Akkumulation ist ein Teilaspekt der Dispersion, bei dem nicht das<br />
Verhalten der Chemikalie, sondern ein Teil des Verhaltens der<br />
Organismen bezüglich dieser Chemikalie beurteilt wird.<br />
• Akkumulation ist die unerwünschte Anreicherung von Chemikalien<br />
im Organismus, wenn der Organismus keine speziellen<br />
Mechanismen besitzt, die Resorption einer anthropogenen Substanz<br />
zu verhindern oder die Chemikalie nachträglich wieder zu<br />
eliminieren.<br />
• Unter Persistenz wird allgemein die Beständigkeit organischer<br />
Chemikalien in der Umwelt verstanden.<br />
• Sie ist die Eigenschaft einer Substanz, die die Dauer ihres<br />
Verbleibs in einem Medium bestimmt, bevor sie physikalisch entfernt<br />
oder chemisch verändert wird.<br />
• Als Maß der Persistenz einer Chemikalie kann die Schnelligkeit<br />
ihrer Mineralisierung herangezogen werden, d.h. die Geschwindigkeit<br />
des Abbaus zu CO, CO 2 , NH 3 , H 2 0, HCl<br />
• Erwünschte Persistenz: z.B. beabsichtigte Erhöhung der Haltbarkeit<br />
von Produkten durch Zugabe von Stabilisatoren<br />
• Unerwünschte Persistenz: z.B. die Stabilität einer Substanz<br />
überdauert deren vorbestimmte Anwendungszeit<br />
• Abbaubarkeit einer Chemikalie als Gegenstück zur Persistenz<br />
• Umwandlung ist insgesamt eine Veränderung der chemischen<br />
Struktur, die durch Umwelteinflüsse verursacht wird.<br />
• Unterscheidung zwischen abiotischen (durch z.B. Wasser,<br />
Wärme, UV-Strahlung oder Sauerstoff verursacht) und biotischen<br />
(durch Organismen bzw. deren Enzyme verursacht) Umwandlungen<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 19 von 40<br />
3.2 Relevanz ökotoxikologischer Stoffdaten<br />
Auf der Welt werden Chemikalien in großer Zahl für die verschiedensten Anwendungen<br />
produziert. Schätzungen gehen bis zu einer Anzahl von ca. 100.000 Chemikalien, die auf<br />
dem Markt sind. Das Europäische Altstoffinventar (EINECS) umfaßt mehr als 101.000<br />
Chemikalien. Die Zahl der aus diesen Stoffen hergestellten Zubereitungen übersteigt die<br />
Millionengrenze.<br />
In der Bundesrepublik ist seit 1982 vorgeschrieben, daß Stoffe vor dem Inverkehrbringen<br />
angemeldet werden müssen und dabei Substanzdaten vorzulegen sind, die neben den<br />
Stoffeigenschaften eine Reihe Aussagen zu human- und ökotoxikologischen Wirkungen<br />
beinhalten müssen (siehe hierzu weiter Kap. 4.4). Diese Daten resultieren größtenteils aus<br />
experimentellen Untersuchungen, die für diese sogenannten „Neuen Stoffe“ im Chemikaliengesetz<br />
gefordert werden.<br />
Somit ist für diese „Neuen Stoffe“ die Datenerfassung gesichert und auf die human- und<br />
ökotoxikologische Gefahrenbeurteilung ausgerichtet.<br />
Für die „Alten Stoffe“, die vor dieser gesetzlichen Regelung zur Anmeldung und Datenerhebung<br />
in den Umlauf gelangten, ist das veröffentlichte Datenmaterial gerade zu Fragen der<br />
ökotoxikologischen Bewertung oft unzureichend bzw. für eine vergleichende Beurteilung des<br />
Gefährdungspotentials von Chemikalien ungeeignet. Um diesen Mangel zu beseitigen,<br />
arbeiten in der Bundesrepublik Experten an der Standardisierung und Aufarbeitung der<br />
vorhandenen Daten, um zunächst für prioritäre Stoffe Dossiers zu erstellen, die neben den<br />
physikalisch-chemischen Parametern auch vergleichbare Daten zu human- und ökotoxikologischen<br />
Kriterien enthält. Das Beratergremium für umweltrelevante Altstoffe (BUA) veröffentlicht<br />
neben den anderen verfügbaren Datenquellen, wie Stoffdatenbanken einzelner Institutionen<br />
oder Tabellenwerke anderer Organisationen - z.B. die WHO -, umfangreiche Monographien<br />
über Chemikalien.<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
4 <strong>Tox</strong>ikologische Grenzwerte<br />
<strong>Tox</strong>ikologische Grenzwerte sind Mengenangaben für tolerierbare Höchstwerte von Schadstoffen<br />
in Umweltmedien, die für Lebewesen nicht schädlich sind.<br />
Solche Grenzwerte werden auf der Basis der experimentell ermittelten <strong>Tox</strong>izitätswerte und<br />
Dosis-Wirkungs-Beziehungen unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisstandes über die gefährlichen Eigenschaften eines Stoffes festgelegt. Dabei<br />
spielen häufig ökonomische Zwänge, technische Grenzen sowie der Vorsorgeaspekt, der<br />
eine allgemeine Minimierung des Eintrages von Schadstoffen und der Exposition des<br />
Menschen fordert, eine wesentliche Rolle.<br />
4.1 Grenzwerte für Arbeitsstoffe<br />
Da der Einflußbereich chemischer Schadstoffe auf den Menschen bei ihrer Herstellung und<br />
Weiterverarbeitung im industriellen Bereich besonders ausgeprägt ist, befaßt sich das<br />
Teilgebiet der Gewerbe- oder Industrietoxikologie mit den Problemen der arbeitsplatzspezifischen<br />
Schadstoffeinflüsse. Bei der Entwicklung eines arbeitsmedizinisch-toxikologischen<br />
Grenzwertkonzeptes für die Arbeitsstoffe liegt der Gedanke einer zweiseitigen Betrachtung<br />
zugrunde. Zum einen soll die Größe der Belastung des Menschen begrenzt werden, d.h., die<br />
Schadstoffkonzentration, die am menschlichen Organismus eine Wirkung hervorrufen kann<br />
(äußere Fremdstoffbelastung). Zum anderen soll die Beanspruchung, d.h., die durch äußere<br />
Belastungen hervorgerufenen Veränderungen im Organismus kontrolliert werden. Für diese<br />
zweiseitige Grenzwertbetrachtung wurde das in Tabelle 7 gezeigte duale System festgelegt.<br />
Tabelle 7: Gewerbetoxikologisch wichtige Grenzwerte<br />
Untersuchungsmaterial<br />
Beurteilungsobjekt<br />
Stoffgruppen<br />
Luft<br />
Arbeitsplatz<br />
<strong>Tox</strong>ische<br />
Arbeitsstoffe<br />
Kanzerogene<br />
Arbeitsstoffe<br />
Blut / Harn<br />
Personen, die Umgang mit den<br />
Arbeitsstoffen haben<br />
<strong>Tox</strong>ische<br />
Arbeitsstoffe<br />
Grenzwert MAK TRK BAT EKA<br />
Definiert als: Schichtmittelwert Höchstwert<br />
Die Erläuterung der einzelnen Grenzwerte ist der Tabelle 8 zu entnehmen.<br />
Kanzerogene<br />
Arbeitsstoffe<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 21 von 40<br />
Tabelle 8: Definition der gewerbetoxikologisch wichtigen Grenzwerte für Arbeitsstoffe<br />
Abkürzung Grenzwert Definition Bemerkung<br />
• tägliche Exposition 8 Stunden<br />
MAK<br />
• Maximale<br />
Arbeitsplatz<br />
Konzentration<br />
• höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als<br />
Gas, Dampf oder Schwebstaub in der Luft am<br />
Arbeitsplatz<br />
• beeinträchtigt die Gesundheit des Beschäftigten auch<br />
bei wiederholter und langfristiger Exposition nicht<br />
• durchschnittliche Wochenarbeitszeit 40<br />
Stunden<br />
• gilt für Arbeitsstoffe, die reversible Wirkungen<br />
auslösen<br />
• Mittelwert der während einer Schicht<br />
auftretenden Konzentrationsschwankungen<br />
BAT<br />
• Biologischer<br />
Arbeitsstoff<br />
Toleranzwert<br />
• die beim Menschen höchstzulässige Konzentration<br />
eines Arbeitsstoffes bzw. seiner Metaboliten, die die<br />
Gesundheit des Beschäftigten auch dann nicht beeinträchtigen,<br />
wenn sie durch Einflüsse des Arbeitsplatzes<br />
regelhaft erzielt werden<br />
• Angabe als Konzentration, Bildungs- oder Ausscheidungsrate<br />
für Blut oder Harn<br />
• tägliche Exposition 8 Stunden<br />
• durchschnittliche Wochenarbeitszeit 40<br />
Stunden<br />
• gilt für Arbeitsstoffe, die reversible Wirkungen<br />
auslösen<br />
TRK<br />
• Technische<br />
Richt Konzentration<br />
• Festlegung für krebserzeugende oder mutagene<br />
Arbeitsstoffe, weil für diese keine unbedenkliche Toleranzgrenze<br />
begründet werden kann<br />
• maßgebend für die Höhe sind neben arbeitsmedizinischer<br />
Erfahrungen und toxikologischer Kenntnisse die<br />
technische Machbarkeit und die Möglichkeit der<br />
Überwachung<br />
• tägliche Exposition 8 Stunden<br />
• durchschnittliche Wochenarbeitszeit 40<br />
Stunden<br />
• Angabe eines Schichtmittelwertes<br />
• auch bei Einhaltung des TRK-Wertes kein<br />
völliger Ausschluß eines gesundheitlichen<br />
Risikos<br />
EKA<br />
• Expositionsäquivalente<br />
für Krebserzeugende<br />
Arbeitsstoffe<br />
• für krebserzeugende Arbeitsstoffe werden keine BAT-<br />
Werte festgelegt<br />
• Aufstellung einer Beziehung zwischen der Stoffkonzentration<br />
der Luft am Arbeitsplatz und der Stoff- oder<br />
Metabolitenkonzentration im biologischen Material<br />
• Erkennen, welche innere Belastung sich bei<br />
ausschließlich inhalativer Stoffaufnahme<br />
ergeben würde<br />
Mai 1998
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
4.2 Grenzwerte für Luftschadstoffe<br />
Zur Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes des Menschen bzw. seiner Umwelt vor<br />
Schadstoffen in der Luft werden von der Kommission zur Reinhaltung der Luft beim Verband<br />
Deutscher Ingenieure Maximale Immissionskonzentrationen (MIK-Werte) auf der Basis<br />
toxikologisch relevanter Informationen festgelegt und begründet. Diese Grenzwerte werden<br />
für Dauereinwirkungen als 24-Stunden-Mittelwerte oder größere Zeiträume (Monats- oder<br />
Jahresmittel) und für kurzfristige Einwirkungen als ½-Stunden-Mittelwerte angegeben.<br />
Für krebserzeugende oder das Erbgut schädigende Stoffe, für die sich keine Schwellendosis<br />
festlegen läßt, werden Vorsorgewerte zur Immissionsbegrenzung als Entscheidungshilfe bei<br />
der Risikoabschätzung vorgeschlagen.<br />
Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) regelt auf der Basis dieser<br />
toxikologisch begründeten Werte die Emissionen und Immissionen von Stoffen für genehmigungspflichtige<br />
Anlagen.<br />
4.3 Grenzwerte für Nahrungsmittel<br />
Zum Ausschluß einer permanenten Gefährdung des Menschen durch Chemikalien in<br />
Lebensmitteln werden für viele Zusatzstoffe (z.B. gezielt zugesetzte Qualitätsverbesserer<br />
und Farbstoffe), Rückstände (Dünge- und Pflanzenbehandlungsmittel) sowie andere chemische<br />
und biologische Verunreinigungen duldbare tägliche Aufnahmemengen angegeben.<br />
Unter Berücksichtigung des Körpergewichtes kann ein Mensch nach gegenwärtigem<br />
Wissensstand diese Menge des jeweiligen Schadstoffes täglich und lebenslang ohne<br />
erkennbares Risiko aufnehmen. Als toxikologische Basis wird hier der in Tierversuchen<br />
ermittelte NOAEL-Wert verwendete. Dabei handelt es sich um die Dosis, bei der keine<br />
erkennbare Wirkung mehr festgestellt werden konnte (engl. No observed adverse effect<br />
level). Unter Berücksichtigung von Sicherheitsfaktoren, die die Übertragbarkeit des Ergebnisses<br />
aus dem Tierversuch auf die möglichen Wirkungen beim Menschen vorsorglich<br />
berücksichtigen, werden ADI-Werte (engl. Acceptable daily intake) als duldbare tägliche<br />
Aufnahmemengen eines Stoffes berechnet. Diese ermittelte Menge wird anteilig auf die<br />
Nahrungsmittel verteilt, die mit dem Stoff kontaminiert sein können und in Verordnungen des<br />
Lebensmittelgesetzes als Höchstmengen festgelegt.<br />
Da Trinkwasser als besonders sensitives Produkt angesehen wird, sind Verunreinigungen<br />
grundsätzlich unerwünscht. Deshalb orientieren sich die Grenzwerte in diesem Bereich<br />
(TrinkwV=Trinkwasserverordnung) zumeist an der analytischen Nachweisgrenze des Stoffes<br />
und nicht ausschließlich an den toxikologischen Daten. Sie sind aus diesem Grund eher als<br />
vorsorgliche Minimalwerte anzusehen. Aus Vorsorgegründen werden höhere Sicherheitsfaktoren<br />
als bei der Ermittlung des ADI-Wertes verwendet, um auch dem Schutz empfindlicher<br />
Zielgruppen (z.B. Kinder und Schwangere) gerecht zu werden.<br />
4.4 Gesetzliche Regelungen<br />
Es gibt eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen, die direkt dem Schutz der menschlichen<br />
Gesundheit vor gefährlichen chemischen Stoffen dienen. Eine Übersicht über das<br />
Gefahrstoffrecht gibt Tabelle 9. Dabei erfaßt das allgemeine Gefahrstoffrecht alle chemischen<br />
Stoffe, vor deren Einwirkungen der Mensch und die Umwelt geschützt werden sollen.<br />
Die Rechtsnormen des besonderen Gefahrstoffrechtes regeln Zulassungsverfahren, Anwendung<br />
und andere Grundpflichten beim Umgang mit und beim Schutz vor speziellen Stoffgruppen.<br />
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 23 von 40<br />
Tabelle 9: Übersicht über wichtige Teile des Gefahrstoffrechts<br />
Allgemeines Gefahrstoffrecht<br />
Bestandteil<br />
wichtige Rechtsnorm<br />
Chemikaliengesetz<br />
Chemikalien Prüfnachweisverordnung<br />
Gefahrstoffverordnung<br />
Chemikalienrecht<br />
Chemikalienverbotsverordnung<br />
Inhalt / Zweck / Rechtsinstrumente<br />
• Anmelde-, Prüfungs- u. Prüfnachweispflichten;<br />
• Mitteilungspflichten;<br />
• Einstufungs-, Verpackungs- u. Kennzeichnungspflichten<br />
• Anmelde-, Prüfungs- u. Prüfnachweispflichten<br />
• Einstufungs-, Verpackungs- u. Kennzeichnungspflichten;<br />
• Verbote und Beschränkungen;<br />
• Anzeigepflichten<br />
• Verbote; Erlaubnis- u. Anzeigepflichten;<br />
• Informations- u. Aufzeichnungspflichten<br />
Besonderes Gefahrstoffrecht<br />
Bestandteil<br />
Mai 1998<br />
wichtige Rechtsnorm<br />
FCKW- Regelungen<br />
FCKW-Halon-<br />
Verbots-Verordnung<br />
Inhalt / Zweck / Rechtsinstrumente<br />
• Regelungen zur schrittweisen Reduzierung der<br />
Produktion und der Anwendung von FCKW bis<br />
zu deren vollständigem Verbot<br />
Benzinbleirecht Benzinbleigesetz • Begrenzung und Verbote<br />
Pflanzenschutzgesetz<br />
• Schutz von Pflanzen, deren Erzeugnisse und<br />
Vorräte vor Schadorganismen und Krankheiten;<br />
Pflanzenschutzmittelverordnunschutzmittel;<br />
• Abwendung von Gefahren durch Pflanzen-<br />
Pflanzenschutz<br />
recht<br />
Pflanzenschutz- • Reduzierung der Anwendung von chemischen<br />
Anwendungsverordnung<br />
Pflanzenschutzmitteln auf das unbedingt erforderliche<br />
Maß<br />
Düngemittelrecht<br />
Futtermittelrecht<br />
Arzneimittelrecht<br />
Lebensmittelrecht<br />
Düngemittelgesetz<br />
Düngemittelverordnung<br />
Futtermittelgesetz<br />
Futtelmittelverordnung<br />
Arzneimittelgesetz<br />
Lebensmittelgesetz<br />
mit 100 weiteren<br />
Vorschriften<br />
• Ertragsförderung und Schutz vor Gefahren;<br />
• Zulassungen, Beschränkungen, Kennzeichnungen<br />
• Verbote, Zulassungen, Kennzeichnungen und<br />
Anzeigepflichten<br />
• Sicherung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung<br />
von Mensch und Tier;<br />
• Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln (Qualität,<br />
Wirksamkeit, Unbedenklichkeit);<br />
• Schutzvorschriften bei klinischer Prüfung, bei<br />
Entwicklung und Vertrieb;<br />
• Kennzeichnungen u. Arzneimittelinformation<br />
• Schutz des Verbrauchers vor möglichen<br />
Gesundheitsschäden und ein darauf gerichteter<br />
Umgang mit Lebensmitteln, Tabak und Kosmetika;<br />
• Verbote zu Herstellung u. Inverkehrbringen,<br />
• Schutz vor Täuschungen,
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Besonderes Gefahrstoffrecht<br />
noch Lebensmittelrecht<br />
Wasch- u.<br />
Reinigungsmittelrecht<br />
Gefahrgut<br />
beförderungsrecht<br />
Wasch- und Reinigungsmittelgesetz<br />
Tensidverordnung<br />
Phosphathöchstmengenverordnung<br />
Gesetz über die<br />
Beförderung gefährlicher<br />
Güter<br />
Gefahrgutverordnungen<br />
• Verbot des Einsatzes bestimmter Stoffe und<br />
Zusatzstoffe<br />
• Inverkehrbringen derartiger Mittel so, daß nach<br />
ihrem Gebrauch jede vermeidbare Beeinträchtigung<br />
der Gewässer und des Betriebes von<br />
Abwasseranlagen unterbleibt<br />
• Regelung des Transportes gefährlicher Güter<br />
auf Straßen, in der Eisenbahn oder mit dem<br />
Schiff so, daß Gefahren ausgeschlossen sind;<br />
• Verordnungen für einzelne Verkehrsträger;<br />
• Überwachungsmaßnahmen;<br />
• Klassifizierungsverfahren für das jeweilige Gut<br />
Chemikaliengesetz (ChemG):<br />
Das Chemikaliengesetz soll Mensch und Umwelt vor den Einwirkungen gefährlicher Stoffe<br />
schützen. Es erfaßt alle chemischen Stoffe, soweit für diese nicht bereits spezialgesetzliche<br />
Regelungen bestehen, die einen gleichwertigen oder höheren Schutz sicherstellen. Es gilt<br />
grundsätzlich für das Herstellen, das Inverkehrbringen von und den Umgang mit Stoffen,<br />
Zubereitungen und Erzeugnissen im Rahmen gewerbsmäßiger Verwendung oder sonstiger<br />
wirtschaftlicher Unternehmungen. Das ChemG regelt unter anderem ein Anmeldeverfahren<br />
zum Inverkehrbringen neuer Stoffe und stellt in Abhängigkeit von der jährlich vorgesehenen<br />
Produktionsmenge eines neuen Stoffes Kriterien zur Durchführung toxikologischer Test und<br />
für die Bewertung dieser Stoffe auf.<br />
Gefahrstoffverordnung (GefstoffV):<br />
In der Gefahrstoffverordnung sind alle arbeits- und giftrechtlichen Vorschriften zusammengefaßt,<br />
die beim Verkehr mit gefährlichen Stoffen von Bedeutung sind. Sie stellt die wichtigste<br />
Verordnung des ChemG dar.<br />
Gefahrstoffe sind gefährliche Stoffe und Zubereitungen, für die ein oder mehrere der folgenden<br />
Merkmale zutreffen:<br />
4 explosionsgefährlich,<br />
4 brandfördernd,<br />
4 hoch-. leicht- oder entzündlich,<br />
4 sehr giftig, giftig oder gesundheitsschädlich,<br />
4 ätzend oder reizend,<br />
4 sensibilisierend,<br />
4 krebserzeugend, fortpflanzungsgefährdend oder erbgutverändernd,<br />
4 umweltgefährlich.<br />
Auf der Grundlage der Ergebnisse experimenteller Prüfungen erfolgt entsprechend den<br />
Regelungen der GefstoffV die Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe.<br />
Die Kennzeichnung derartiger Stoffe enthält neben der genauen Stoffbezeichnung, Angaben<br />
zum Hersteller und EG-Kennzeichnungen, die Gefahrensymbole, die Gefahrenbezeichnung<br />
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sowie die Hinweise auf besondere Gefahren (R-Sätze) und die Sicherheitsratschläge (S-<br />
Sätze).<br />
Als Gefahrenkennzeichnung werden folgende Symbole verwendet:<br />
Tabelle 10: Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen<br />
Physikalisch/chemische Merkmale<br />
E<br />
F+<br />
Hochentzündlich<br />
O<br />
F<br />
Brandfördernd<br />
Akut toxische Merkmale<br />
T+<br />
Xn<br />
Sehr giftig<br />
T<br />
C<br />
Giftig<br />
Ätzend<br />
Xi<br />
Reizend<br />
Ökotoxisches Merkmal<br />
N<br />
Explosionsgefährlich<br />
Leichtentzündlich<br />
Gesundheitsschädlich<br />
Umweltgefährlich<br />
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5 Spezielle toxikologische Eigenschaften der für den Umweltund<br />
Altlastenbereich relevanten Schadstoffgruppen<br />
5.1 Mineralöle/ Mineralölkohlenwasserstoffe<br />
Mineralöle ist die zusammenfassende Bezeichnung für flüssige Produkte, die aus Erdöl,<br />
Steinkohlen- oder Braunkohlenteer durch Destillation oder andere Aufbereitungsverfahren<br />
gewonnen werden. Hauptprodukte dieser Gruppe sind neben den Kraftstoffen (Benzin,<br />
Petroleum, Kerosin) die Heiz- und Schmieröle. Die Mineralöle ähneln in ihren physikalischen<br />
Eigenschaften den Ölen und Fetten der lebenden Organismen, bestehen aber nicht wie<br />
diese aus Fettsäureglyceriden sondern aus Kohlenwasserstoffen.<br />
Die Mineralölprodukte bestehen je nach Verwendungszweck aus unterschiedlich zusammengesetzten<br />
Gemischen aus gesättigten und ungesättigten aliphatischen sowie cyclischen<br />
Kohlenwasserstoffen. Hauptbestandteile sind n-Hexan, n-Heptan und Octan sowie Isoparaffine<br />
und Cycloalkane der Kettenlänge C 5 -C 10 . Beispiele für Hauptvertreter der Minerälölkohlenwasserstoffe<br />
(MKW) gibt Tabelle 11.<br />
Tabelle 11: Vertreter der Mineralölkohlenwasserstoffe<br />
Chemische Klasse Vertreter Strukturformel<br />
Gesättigter geradkettiger aliphatischer<br />
Kohlenwasserstoff<br />
(= Paraffin, = n-Alkan)<br />
n-Hexan<br />
H H H H H H<br />
H C C C C C C H<br />
H H H H H H<br />
Gesättigter verzweigter aliphatischer<br />
Kohlenwasserstoff<br />
(= Isoparaffin, = iso-Alkan)<br />
H H H H<br />
i-Octan H C C C<br />
C<br />
H H H H<br />
H<br />
C<br />
H<br />
CH 3<br />
C H<br />
CH 3<br />
Ungesättigter aliphatischer Kohlenwasserstoff<br />
(= Alken)<br />
H H H H H H<br />
Hepten H C C C C C C<br />
H H H H H<br />
C<br />
H H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
Gesättigter aliphatischer cyclischer<br />
Kohlenwasserstoff<br />
(= Alizyklen, = Cycloalkan)<br />
Cyclohexan<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
Mineralölkohlenwasserstoffe werden vom lebenden Organismus leicht resorbiert und verteilen<br />
sich vorwiegend im Fettgewebe. Trotz der weiten Verbreitung und Anwendung sind akute<br />
Vergiftungen wegen der geringen <strong>Tox</strong>izität der MKW selten. Nach Exposition gegenüber<br />
hohen Konzentrationen treten narkotische Effekte (alkoholähnliche Wirkungen) auf. Das über<br />
die Atemwege aufgenommene Gemisch an MKW wird größtenteils unverändert über die<br />
Lunge wieder abgeatmet. Chronische Vergiftungen, zum Beispiel durch Benzin, führen zu<br />
Reizerscheinungen der Atemwege und der Lunge sowie zu uncharakteristischen psychatrischen<br />
Erscheinungsbildern.<br />
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Eine toxikologisch bedeutsame Komponente von Mineralölkohlenwasserstoffen, die als<br />
Kraftstoffe Verwendung finden, ist das Benzol bzw. Benzen (siehe Kap. 5.3).<br />
5.2 Schwermetalle<br />
Metalle unterscheiden sich von anderen toxischen Stoffen, denen der Mensch ausgesetzt ist.<br />
Metalle sind auf der Erde prinzipiell allgegenwärtig. Einige der etwa 80 bekannten Metalle<br />
werden jedoch durch die Aktivitäten des Menschen in seiner Umwelt stark konzentriert.<br />
Sowohl die bei ihrer technischen Nutzung verwendeten und freigesetzten, als auch die in<br />
den Organismus gelangten Metalle werden nicht abgebaut. Die Art der Metallverbindung, die<br />
chemische Reaktivität oder die Anzahl der am Metall gebundenen Partner kann wechseln,<br />
aber die Grundwirkung bleibt oft gleich.<br />
Aufgrund ihrer besonderen Umwelt- und Arbeitsplatzrelevanz spielen bei der Betrachtung<br />
der <strong>Tox</strong>izität die Schwermetalle eine bedeutende Rolle. Schwermetalle sind solche Metalle,<br />
deren Dichte größer 5 g/cm³ ist. Ihre Einordnung in das Periodensystem der Elemente ist der<br />
Abbildung 7 zu entnehmen.<br />
Hauptgruppen<br />
I II III IV V VI VII VIII<br />
1 H He<br />
2 Li Be B C N O F Ne<br />
3 Na Mg Al Si P S Cl Ar<br />
Nebengruppen<br />
III IV V VI VII<br />
VII<br />
I1<br />
4 K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr<br />
5 Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe<br />
6 Cs Ba La Ce<br />
-Lu<br />
7 Fr Ra Ac Th<br />
-Lr<br />
Xy<br />
Symbol für chemisches Element<br />
VII<br />
I2<br />
VII<br />
I3<br />
I<br />
Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn<br />
Ku Bo 106 107 108 109 110<br />
II<br />
Xy<br />
Xy<br />
Schwermetall<br />
Schwermetall, in Tabelle 12 näher beschrieben<br />
Abbildung 7: Einordnung der Schwermetalle in das Periodensystem der Elemente<br />
Schwermetalle besitzen sehr unterschiedliche, häufig organspezifische Wirkungen. Einheitliche<br />
Aussagen über die <strong>Tox</strong>izität und Wirkmechanismen lassen sich deshalb in dieser<br />
Schadstoffgruppe nicht treffen. Tabelle 12 gibt für die bedeutendsten Vertreter der Schwermetalle<br />
neben ihren Hauptanwendungsgebieten eine kurze toxikologische Charakteristik<br />
wieder.<br />
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Tabelle 12: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Schwermetalle<br />
Schwermetall Häufige Verwendung<br />
• Begleiter in Zinn- und Kupfererzen<br />
Arsen<br />
• Legierungsbestandteil<br />
As<br />
• früher als Rattengift und Schädlingsbekämpfungsmittel<br />
• Ledergerberei<br />
Blei<br />
Pb<br />
Cadmium<br />
Cd<br />
Chrom<br />
Cr<br />
Quecksilber<br />
Hg<br />
• Bleiakkumulatoren<br />
• Rostschutzmittel und Farbanstriche<br />
• Antiklopfmittel im Kraftstoff<br />
• Blei-Wasserleitung<br />
• Nickel-Cadmium-Batterien<br />
• Korrosionsschutz für Eisen<br />
• Farben<br />
• PVC-Stabilisierung<br />
• Legierungsbestandteil<br />
• Galvanik (verchromen)<br />
• Gerbstoff<br />
• Farben<br />
• Ton- und Datenträger<br />
• Legierungsbestandteil<br />
• Gerbstoff<br />
• Farben<br />
• Ton- und Datenträger<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
• Aufnahme über die Lunge , die Haut und den Magen möglich<br />
• wird zu ca. 50% im Urin ausgeschieden<br />
• Speicherung in Haaren, Nägeln und Haut<br />
• Zellgift<br />
• Anorganische Arsenverbindungen sind teratogen, mutagen und<br />
kanzerogen<br />
• Aufnahme über die Lunge, die Haut und mit der Nahrung<br />
• Ausscheidung zu 90% über den Stuhl<br />
• Speicherung in Leber, Nieren, Hirn und Knochen<br />
• Störung der Hämoglobinsynthese – Blutgift<br />
• verursacht Veränderungen des zentralen Nervensystems und<br />
Zerstörung anderer Nervenzellen<br />
• Aufnahme über Lunge und Magen<br />
• nahezu keine Ausscheidung<br />
• Speicherung in Nieren, Speichel- und Schilddrüse, Haaren, Haut<br />
• schweres Nierengift, Schädigung des Knochengerüstes<br />
• krebsverdächtig<br />
• Aufnahme über die Lunge, die Haut und den Magen<br />
• für den Menschen zur Aufrechterhaltung der normalen Schwankungsbreite<br />
des Zuckerspiegels erforderlich<br />
• bei Überangebot Speicherung in Lunge und Haaren<br />
• Ausscheidung 80% mit dem Urin<br />
• bekanntes Hautallergen<br />
• besitzt krebsauslösendes Potential<br />
• Aufnahme über die Lunge, die Haut und den Magen<br />
• Ausscheidung über den Urin, den Schweiß und die Muttermilch<br />
• Speicherung in Nieren, Leber, Gehirn<br />
• lokale Schädigungen am Aufnahmeorgan<br />
• chronisch Wirkung auf das Nervensystem<br />
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5.3 Aromatische Kohlenwasserstoffe<br />
Bei dieser Stoffgruppe handelt es sich um toxikologisch relevante Verbindungen, die auf das<br />
chemische Grundgerüst des Benzols zurückzuführen sind. Diese Schadstoffe sind auch<br />
unter dem Summenparameter BTEX bekannt. Es handelt sich dabei um die vier wichtigsten<br />
Vertreter der Aromaten – Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylole (nach neuer Nomenklatur<br />
Benzen, Toluen, Ethylbenzen und Xylene). Wesentliche toxikologische Merkmale sind in<br />
Tabelle 13 zusammengefaßt.<br />
Tabelle 13: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter aromatischer Kohlenwasserstoffe<br />
Schadstoff<br />
Benzol<br />
(= Benzen)<br />
Toluol<br />
(= Toluen)<br />
Ethylbenzol<br />
(= Ethylbenzen)<br />
Xylole<br />
(= Xylene)<br />
Strukturformel<br />
CH 3<br />
z.B. m-Xylol<br />
(= m-Xylen)<br />
Eigenschaften/<br />
Verwendung<br />
• Zusatz zu Motorkraftstoffen<br />
• Lösungs- und<br />
Extraktionsmittel<br />
• hohe Mobilität<br />
aufgrund hoher<br />
Flüchtigkeit und<br />
Wasserlöslichkeit<br />
CH 3<br />
(z.B. TNT)<br />
• Ausgangsstoff zur<br />
Herstellung zahlreicher<br />
Verbindungen<br />
• Lösungsmittel<br />
• hohe Mobilität<br />
aufgrund hoher<br />
Flüchtigkeit und<br />
Wasserlöslichkeit<br />
CH 2<br />
CH 3<br />
• Lösungsmittel<br />
• zur Herstellung von<br />
Styrol<br />
• gute Mobilität<br />
aufgrund von Wasserlöslichkeit<br />
und<br />
Flüchtigkeit<br />
CH 3<br />
• Lösungsmittel<br />
• Kraftstoffzusatz zur<br />
Erhöhung der<br />
Octanzahl<br />
• hohe Mobilität<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
• Hauptaufnahmeweg durch<br />
Einatmen und über die Haut<br />
• schnelle Resorption<br />
• akut erst bei Aufnahme<br />
hoher Dosen toxisch<br />
• langfristige Exposition<br />
verursacht Schädigung des<br />
Knochenmarks und des blutbildenden<br />
Systems<br />
• krebserzeugend beim<br />
Menschen<br />
• reizt Augen, Atmungsorgane<br />
und Magen<br />
• in hohen Dampfkonzentrationen<br />
narkotische Wirkung<br />
• keine Blutbildveränderungen<br />
wie bei Benzol<br />
• chronische Leberschäden<br />
möglich<br />
• mäßig toxischer Reizstoff<br />
• Einatmen hoher Dampfkonzentrationen<br />
verursacht<br />
Benommenheit<br />
• keine spezifische Schädigung<br />
des Knochenmarks<br />
wie bei Benzol<br />
• reizt lokal die Schleimhäute<br />
• Hautresorption ist möglich<br />
• Einatmen hoher Dampfkonzentrationen<br />
verursacht<br />
Verwirrtheit und Halluzinationen<br />
• Gewöhnung an niedrigere<br />
Konzentrationen und Abhängigkeit<br />
bis zur "Schnüffelsucht“sind<br />
möglich<br />
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5.4 Polycylische aromatische Kohlenwasserstoffe<br />
Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die auch als kondensierte aromatische<br />
Kohlenwasserstoffe bezeichnet werden, ist die Sammelbezeichnung für Verbindungen<br />
mit mehreren verbundenen aromatischen Ringsystemen (wie z.B. Benzol). Tabelle 14 zeigt<br />
vier typische Vertreter aus einer Palette von ca. 100 Verbindungen.<br />
PAK entstehen bei der unvollständigen Verbrennung organischer Stoffe. Dabei erzeugen<br />
Temperaturen unter 1000 °C (z.B. bei Hausbrand) überwiegend PAK mit drei bis vier Ringen;<br />
bei höheren Verbrennungstemperaturen (z.B. in Verbrennungsmotoren) entstehen hauptsächlich<br />
fünf- bis sieben-kernige Ringsysteme. PAK sind z. B. im Steinkohlenteer, in Autoabgasen,<br />
Dieselruß und im Tabakrauch zu finden. Als Modellsubstanz für die experimentellen<br />
toxikologischen Untersuchungen und als Basissubstanz für die Bewertung und Gefahrenabschätzung<br />
wird meist das nahezu in der gesamten Umwelt vorkommende Benzo[a]pyren<br />
verwendet.<br />
Auf Säugetiere und den Menschen haben PAK eine lokale Reizwirkung, Hautpigmentierungen<br />
wurden beobachtet. Sie sind toxischer als Benzol, aber nicht blutschädigend. Bedeutender<br />
ist die chronische <strong>Tox</strong>izität vieler Vertreter dieser Verbindungsklasse. Einige PAK lösen<br />
Haut- und Lungenkrebs aus. Die krebsauslösende Wirkung wurde z.B. von Kohlenrauchpartikeln,<br />
Autoabgasen und gebrauchtem Motorenschmieröl bestätigt.<br />
Aufgrund der weiten Verbreitung der PAK in der Atmosphäre (Rauch, Flugstaub, Rußpartikeln),<br />
im Wasser, im Boden und in Lebensmitteln gelten die PAK als prioritär zu berücksichtigende<br />
Umweltcancerogene. In Deutschland sind zwölf PAK als krebserzeugend im Tierversuch<br />
eingestuft worden.<br />
Tabelle 14: Vertreter der Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK)<br />
PAK-Name<br />
Strukturformel<br />
Naphthalin<br />
Anthracen<br />
Benzo[a]pyren<br />
Fluoranthen<br />
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5.5 Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe<br />
In dieser Stoffgruppe (LHKW) werden Verbindungen zusammengefaßt, die aufgrund der<br />
enthaltenen Fluor-, Chlor- und/oder Bromatome besonders reaktionsfreudig sind. Insbesondere<br />
die Chlorverbindungen haben besondere Bedeutung erlangt. Die leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffe<br />
(LCKW) dienen in der chemischen Industrie als reaktionsfähige Ausgangs-<br />
und Zwischenprodukte, werden weit verbreitet als Lösungsmittel, Fettlöser und<br />
Reinigungsmittel eingesetzt.<br />
Aufgrund des hohen Dampfdruckes der Verbindungen wird die Aufnahme maßgeblich durch<br />
ihre Inhalation bestimmt. Er führt auch dazu, daß rasch Luftkonzentrationen erreicht werden,<br />
die in der akuten Wirkung zu narkotischen Zuständen führen können. Im Vordergrund der<br />
<strong>Tox</strong>izität stehen bei den chlorierten Verbindungen die akuten und chronischen Wirkungen<br />
auf Körperorgane. Trotz der engen chemischen Verwandschaft ist der Um- und Abbau der<br />
einzelnen Verbindungen im Körper sehr unterschiedlich. Erst die Stoffwechselreaktionen und<br />
deren Produkte entscheiden speziell über Art und Umfang der toxischen Wirkungen einzelner<br />
Stoffe. Ein besonderes Problem ist die gentoxische und kanzerogene Wirkung bestimmter<br />
Stoffwechselprodukte. Hauptvertreter der LCKW werden in Tabelle 15 kurz dargestellt.<br />
Tabelle 15: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Leichtflüchtiger Chlorierter Kohlenwasserstoffe<br />
(LCKW)<br />
LCKW-Verbindung Strukturformel <strong>Tox</strong>ikologie<br />
Akute <strong>Tox</strong>izität:<br />
• Narkotische Wirkung, Bewußtlosigkeit,<br />
Cl<br />
Atemlähmung<br />
Trichlormethan<br />
• <strong>Tox</strong>ische Leberentzündung<br />
Cl C H<br />
Chronische <strong>Tox</strong>izität:<br />
(Chloroform)<br />
• Leber- und Nierenschädigung<br />
Cl<br />
• Gentoxisch im Tierversuch<br />
• Begründeter Verdacht auf krebserzeugendes<br />
Potential<br />
Akute <strong>Tox</strong>izität:<br />
• Wirkung auf das Zentralnervensystem,<br />
Rauschzustand<br />
Cl<br />
• Leber- und Nierenschädigung<br />
Tetrachlormethan<br />
Chronische <strong>Tox</strong>izität:<br />
Cl C Cl<br />
(Tetra)<br />
• Zentralnervöse Störungen,<br />
Cl<br />
Schwindel<br />
• Mißempfindungen der Haut<br />
• Begründeter Verdacht auf krebserzeugendes<br />
Potential<br />
Akute <strong>Tox</strong>izität:<br />
Cl<br />
Cl • Euphorisierende und narkotische<br />
Trichlorethen<br />
Wirkung<br />
C C<br />
(Tri)<br />
Chronische <strong>Tox</strong>izität:<br />
Cl<br />
H<br />
• Leberschäden<br />
• Krebserzeugend beim Menschen<br />
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LCKW-Verbindung Strukturformel <strong>Tox</strong>ikologie<br />
Tetrachlorethen<br />
Cl<br />
Cl<br />
Akute <strong>Tox</strong>izität:<br />
• Unspezifisch wie z.B. Kopfschmerz,<br />
Übelkeit<br />
(Per)<br />
C C<br />
Chronisch <strong>Tox</strong>izität:<br />
Cl<br />
Cl • Leber- und Nierenschäden<br />
• Begründeter Verdacht auf krebserzeugendes<br />
Potential<br />
Akute <strong>Tox</strong>izität:<br />
• Schleimhautreizungen<br />
H<br />
Cl<br />
• Narkotische Wirkung und<br />
Herzrhythmusstörungen<br />
Vinylchlorid<br />
Chronische <strong>Tox</strong>izität:<br />
C C<br />
(VC)<br />
• Leberfunktionsstörungen<br />
H<br />
H • Wirkung auf das Zentralnervensystem<br />
• Hautveränderungen<br />
• Krebserzeugend beim Menschen<br />
Als leichtflüchtige halogenierte Verbindungen haben weiterhin die gemischt halogenierten<br />
Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) Bedeutung. Sie werden als Treib- oder Kühlmittel<br />
gebraucht. Die vollhalogenierten Verbindungen (z.B. Trichlorfluormethan = CF 3 Cl, Tetrachlordifluorethan<br />
= C 2 F 4 Cl 2 ) sind sehr stabil und haben im allgemeinen eine geringe akute<br />
und chronische <strong>Tox</strong>izität für Planzen, Tiere und Menschen. Sie besitzen aber ein ozonzerstörendes<br />
Potential in der Stratosphäre. Sie können wegen ihrer hohen Stabilität bis dorthin<br />
gelangen und werden erst durch die UV-Strahlung zerstört. Die freigesetzten Halogene<br />
reagieren mit dem Ozon und führen zum Abbau dieser Verbindung.<br />
Teilhalogenierte FCKW sind weniger stabil und können ein toxisches Wirkpotential besitzen,<br />
das dem der in Tabelle 15 genannten Lösungsmitteln entspricht. Chlorfluormethan (CH 2 FCl)<br />
besitzt krebserzeugende Eigenschaften.<br />
5.6 Polychlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe<br />
Mehrfach chlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe sind persistente Verbindungen, die<br />
aufgrund ihres ubiquitären (allgegenwärtigen) Vorkommens eine wichtige Gruppe der<br />
Umweltchemikalien bilden. Zu diesen Stoffen zählen chlorierte Benzole und Phenole<br />
genauso wie die Polychlorierten Biphenyle und Dioxine. Wegen der deutlichen strukturellen<br />
Abweichungen und <strong>Tox</strong>izitätsabstufung sollen diese drei genannten Hauptverbindungsklassen<br />
hier getrennt betrachtet werden:<br />
a) Chlorierte Monoaromaten<br />
Monoaromatische Chlorverbindungen wurden wegen ihrer insektiziden, fungiziden und<br />
bakteriziden Eigenschaften weltweit gegen Schadorganismen eingesetzt. Als bekannteste<br />
Vertreter sollen Hexachlorbenzol (neu: Hexachlorbenzen) und Pentachlorphenol in Tabelle<br />
16 näher betrachtet werden.<br />
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Tabelle 16: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter chlorierter Monoaromaten<br />
Verbindung Strukturformel <strong>Tox</strong>ikologie<br />
Hexachlorbenzol<br />
(HCB)<br />
(=Hexachlorbenzen)<br />
Cl<br />
Cl<br />
Cl<br />
Cl<br />
Cl<br />
Cl<br />
Akute <strong>Tox</strong>izität:<br />
• Reizung von Augen und Schleimhäuten<br />
• narkotische Wirkung<br />
• lichtempfindliche Hautveränderungen<br />
Chronische <strong>Tox</strong>izität:<br />
• Vergrößerung von Leber und<br />
Schilddrüse<br />
Pentachlorphenol<br />
(PCP)<br />
Cl<br />
Cl<br />
OH<br />
Cl<br />
Cl<br />
Cl<br />
• Begünstigung der Entstehung von<br />
Lebertumoren<br />
Akute <strong>Tox</strong>izität:<br />
• schnelle Hautresorption<br />
• unspezifische Erscheinungen, wie<br />
Übelkeit und Erbrechen<br />
Chronische <strong>Tox</strong>izität:<br />
• Chlorakne<br />
• Leber- und Nierenschäden<br />
b) Polychlorierte Biphenyle (PCB)<br />
PCB sind insgesamt 209 einzelne Chlorverbindungen, die sich in der Anzahl und der Position<br />
der Chloratome an den Benzolringen der PCB-Grundstruktur unterscheiden (Kongenere).<br />
Trotzdem länderspezifisch Gemische unterschiedlicher Zusammensetzung industriell<br />
hergestellt wurden, gelten bestimmte Kongenere als Indikator für den Gesamtgehalt an PCB.<br />
Tabelle 17 zeigt neben der PCB-Grundstruktur diese sechs Indikatoren.<br />
Tabelle 17: PCB-Grundstruktur und Indikatorkongenere<br />
PCB-Grundstruktur PCB-Nr. Indikatorkongenere<br />
28 2,4,4‘-Trichlor-Biphenyl<br />
3’ 2’ 2<br />
4’<br />
3<br />
4<br />
52 2,2‘,5,5‘-Terachlor-Biphenyl<br />
101 2,2‘,4,5,5‘-Pentachlor-Biphenyl<br />
138 2,2‘,3,4,4‘,5‘-Hexachlor-Biphenyl<br />
Cl<br />
5’<br />
6’ 6 5<br />
Cl<br />
153 2,2‘,4,4‘,5,5‘-Hexachlor-Biphenyl<br />
180 2,2‘,3,4,4‘,5,5‘-Heptachlor-Biphenyl<br />
Die ausgezeichneten chemisch-physiaklischen und technischen Eigenschaften führten zu<br />
einer breiten Anwendung der PCB, z.B. als Hydrauliköle, Schmier- und Flammschutzmittel<br />
und Isalotoren in Trafos. Obwohl sie seit 1989 in Deutschland verboten sind, wirken PCB in<br />
Dichtungsmassen, Klebern und Kunststoffen als Quelle für Luftbelastungen weiter. Hauptbelastungspfad<br />
für den Menschen ist neben der inhalativen Aufnahme die Aufnahme mit<br />
fettreichen Nahrungsmitteln. Grund dafür ist die Anreicherung besonders der höherchlorierten<br />
PCB in Körperorganen und Körperfett. Auch der Mensch am Ende der Nahrungskette<br />
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akkumuliert PCB im Fettgewebe und in der Muttermilch, da die Ausscheidung aus dem<br />
Körper sehr langsam verläuft.<br />
PCB sind akut relativ wenig toxisch. Synthesebedingte Verunreinigungen in PCB-Gemischen<br />
(geringer Anteil von Dioxinen) können die <strong>Tox</strong>izität aber erheblich verstärken. Langandauernde,<br />
meist arbeitsplatzbedingte Belastungen können zu Hautveränderungen (Chlorakne),<br />
Leberfunktionsstörungen und zentralnervösen Störungen führen. PCB-Gemische fördern bei<br />
Ratten und Mäusen die Tumorbildung und wirken leberkanzerogen. Auch beim Menschen<br />
wird eine krebserzeugende Wirkung nicht ausgeschlossen, wobei die Frage, inwieweit die<br />
Verunreinigungen mit anderen polychlorierten Verbindungen die ursächliche Rolle spielen,<br />
noch nicht endgültig geklärt ist.<br />
c) Polychlorierte Dibenzodioxine und –furane<br />
Die Substanzklasse der polychlorierten Dibenzodioxide (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF)<br />
umfaßt insgesamt 210 verschiedene Verbindungen. Erst die moderne Analytik hat das<br />
Ausmaß der weltweiten Belastung des Menschen und der Umwelt mit diesen Verbindungen<br />
aufgedeckt. Sie entstehen unbeabsichtigt bei der Synthese von anderen chlororganischen<br />
Verbindungen (z.B. Pentachlorphenol, PCB). Quellen der heute nahezu allgegenwärtigen<br />
Kontamination mit PCDD und PCDF sind Verunreinigungen in Bioziden und PCB sowie fast<br />
alle Verbrennungsprozesse, bei denen in Gegenwart von Chlor in Abhängigkeit von der<br />
Temperatur diese Stoffe gebildet werden können. Die industrielle Abfallverbrennung und –<br />
wiederverwertung hat sich dabei als kontinuierliche Eintragsquelle erwiesen. Auch in Motorabgasen,<br />
Ruß von Kaminen und Zigarettenrauch werden PCDD/PCDF nachgewiesen.<br />
PCDD/PCDF sind nur wenig flüchtig; sie werden überwiegend an Staub gebunden transportiert.<br />
Aufgrund der Anreicherung der Verbindungen in der Nahrungskette wird der Hauptbelastungspfad<br />
des Menschen vor allem durch die Aufnahme von fetthaltigen Nahrungsmitteln<br />
(Fisch, Fleisch, Milchprodukte) vorgegeben.<br />
Das toxische Potential der einzelnen Verbindungen kann um den Faktor 1.000 bis 10.000<br />
variieren. <strong>Tox</strong>ikologisch relevant sind vor allem die in 2,3,7,8-Stellung vierfach chlorierten<br />
Verbindungen. Die größte <strong>Tox</strong>izität besitzt dabei das 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin<br />
(2,3,7,8-TCDD), das nach dem 1976 in Oberitalien stattgefundenen Unfall auch als „Seveso-<br />
Dioxin“ bekannt ist.<br />
Zur Abschätzung der <strong>Tox</strong>izität der für den Menschen relevanten Verbindungen wird die<br />
relative Wirkungsintensität einer Verbindung im Vergleich zu 2,3,7,8-TCDD mit Hilfe eines<br />
<strong>Tox</strong>izitätsäquivalenzfaktors (englisch: <strong>Tox</strong>icity Equivalency Factor = TEF) abgeschätzt.<br />
Tabelle 18 zeigt die Grundstrukturen der beiden Verbindungsgruppen und Beispiele für die<br />
<strong>Tox</strong>izitätsbewertung anhand von TEF.<br />
Bei akuter Exposition mit diesen Verbindungen wurden neben Schleimhautreizungen,<br />
Leberfunktionsstörungen und Chlorakne weitere unspezifische Symptome wie Schwäche,<br />
Müdigkeit und Gewichtsabnahme beobachtet. Bei chronischer Exposition werden ebenfalls<br />
Chlorakne sowie Veränderungen des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels erkannt, die sich<br />
im dauerhaften Anstieg von Leberenzymen zeigen. PCDD und PCDF werden als nicht<br />
gentoxisch angesehen. 2,3,7,8-TCDD ist im Tierversuch kanzerogen und führte zu Tumoren<br />
vor allem in der Leber und im Atemtrakt.<br />
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Tabelle 18: PCDD/PCDF-Grundstruktur und ausgewählte Beispiele für die <strong>Tox</strong>izitätsbetrachtung<br />
mit Hilfe von <strong>Tox</strong>izitätsäquivalenzfaktoren (TEF)<br />
Grundstruktur ausgewählte Verbindung TEF<br />
8<br />
9<br />
O<br />
1<br />
2<br />
2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-dioxin 1<br />
1,2,3,7,8-Pentachlor-dibenzo-dioxin 0,5<br />
7<br />
6<br />
O<br />
4<br />
3<br />
1,2,3,7,8,9-Hexachlor-dibenzo-dioxin 0,1<br />
Cl<br />
Polychlor-dibenzo-p-dioxine<br />
Cl<br />
9<br />
1<br />
8<br />
7<br />
O<br />
2<br />
3<br />
6<br />
4<br />
Cl<br />
Polychlor-dibenzo-furane<br />
Cl<br />
Octachlor-dibenzo-dioxin 0,001<br />
2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-furan 0,1<br />
1,2,3,7,8-Pentachlor-dibenzo-furan 0,05<br />
1,2,3,4,7,8,9-Heptachlor-dibenzofuran<br />
0,01<br />
Octachlor-dibenzo-furan 0,001<br />
5.7 Mineralfasern<br />
Wegen ihrer vielseitigen Verwendbarkeit werden Mineralfasern in großen Mengen eingesetzt.<br />
Sie weisen im allgemeinen eine hohe Beständigkeit gegen Hitze und Chemikalien und<br />
eine starke Zugfestigkeit auf. Sie haben elastische und isolierende Eigenschaften, so daß sie<br />
vielfach als Dämm- und Schallschutzmaterialien eingesetzt werden.<br />
Prinzipiell unterscheidet man zwischen natürlichen und künstlichen Mineralfasern. Die<br />
bekanntesten Vertreter der natürlichen Mineralfasern sind die Asbestfasern. Asbest ist ein<br />
Sammelbegriff für zwei Gruppen faserförmiger Mineralien. Mit 93% am häufigsten verwendet<br />
wurde Chrysotil (Weißasbest). Ein weiterer wichtiger Vertreter ist Krokydolith (Blauasbest).<br />
Asbestfasern bestehen aus Magnesium- /Eisen-Silikaten. Sie sind wasserunlöslich und<br />
weisen Faserlängen von weniger als 5 µm bis in den Zentimeterbereich auf. Der Faserdurchmesser<br />
beträgt 1 bis mehrere µm. Asbestfasern sind für den Menschen sehr gefährlich,<br />
weil sie sich im Körper in feine Längsfasern aufspalten können. Nach Inhalation von<br />
Asbestfasern werden ca. 60% wieder eliminiert. Der Rest ist aufgrund seiner Stabilität und<br />
Längsspaltbarkeit in der Lage, lange Zeit in der Lunge zu verweilen. Längeres Einatmen von<br />
Asbeststaub kann zum Entstehen von drei typischen Erkrankungen führen: Asbestose,<br />
Lungenkrebs und Brust-/Bauchfelltumore. Asbestfasern mit einer Länge größer 5 µm, einem<br />
Durchmesser kleiner 3 µm und einem Verhältnis Länge/Durchmesser größer 3:1 gelten als<br />
besonders gefährlich und krebsauslösend.<br />
Auch Gips gehört zu den natürlichen Mineralfasern. Gipsfasern sind in der Umwelt die am<br />
häufigsten vorkommenden Fasern. Sie lösen sich allerdings im Gegensatz zu Asbest in<br />
Wasser leicht auf und sind deshalb toxikologisch nicht relevant.<br />
Künstliche Mineralfasern werden aus verschiedenen anorganischen Ausgangsstoffen (Glas,<br />
Gestein, Keramik) durch Schmelzen hergestellt. Sie bestehen hauptsächlich aus Oxiden von<br />
Silicium, Aluminium, Calcium, Magnesium, Natrium, Kalium und Eisen. Durch rasches<br />
Abkühlen nach dem Schmelzen weisen künstliche Mineralfasern eine glasige Struktur auf.<br />
Sie werden zu Filzen, Matten, Platten oder loser Mineralwolle verarbeitet und hauptsächlich<br />
als Dämmstoffe eingesetzt. Künstliche Mineralfasern weisen eine wesentlich kompaktere<br />
Struktur als natürliche Fasern auf. Sie sind weniger beständig als Asbest und deshalb im<br />
Mai 1998
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
Lungengewebe weniger wirksam. Künstliche Fasern brechen nur quer und erzeugen daher<br />
keine gefährlichen Bruchstücke. Allerdings wirken auch einige künstliche Fasern im Tierexperiment<br />
kanzerogen.<br />
Tabelle 19: Übersicht zur <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Mineralfasern<br />
Faserart Mineralfaser <strong>Tox</strong>ikologie<br />
Natürlich<br />
Künstlich<br />
Asbest<br />
Chrysotil<br />
Krokydolith<br />
Gips<br />
Glasfaser<br />
Keramikfaser<br />
Schlackenwolle<br />
Steinwolle<br />
Inhalation von Asbeststaub kann hervorrufen:<br />
• Asbestose = Reaktion des Lungengewebes mit<br />
Funktionsbeeinträchtigung<br />
• Lungenkrebs kritische Faserabmessungen<br />
Länge >5µm + Durchmesser 3:1<br />
• Tumorerkrankungen des Brust- und Bauchfells<br />
(Mesotheliome)<br />
toxikologisch nicht relevant<br />
krebsauslösend im Tierexperiment<br />
krebsauslösend im Tierexperiment<br />
toxikologisch nicht relevant<br />
krebsauslösend im Tierexperiment<br />
5.8 Explosiv- und Kampfstoffe<br />
Vor allem im Bereich der militärischen und Rüstungsaltlasten haben die Explosiv- und<br />
Kampfstoffe gegenwärtig eine große Bedeutung. Ihre mögliche oder nachgewiesene<br />
Existenz auf Flächen der ehemaligen Rüstungsproduktion veranlaßt dazu, über toxikologische<br />
Probleme im Zusammenhang mit diesen Stoffen nachzudenken. Da beide Stoffgruppen<br />
die unterschiedlichsten Verbindungstypen in sich vereinigen, ergibt sich erwartungsgemäß<br />
kein einheitliches toxikologisches Profil. An verschiedenen Beispielen sollen grundlegende<br />
Erkenntnisse verdeutlicht werden.<br />
5.8.1 Explosivstoffe<br />
Obwohl alle Vertreter dieser Stoffgruppe vornehmlich dazu erzeugt und eingesetzt wurden,<br />
durch ihre Sprengkraft, die durch plötzliches Herbeiführen von starken Zersetzungsreaktionen<br />
bedingt ist, mechanische Zerstörungen herbeizuführen, ist bei verschiedenen Vertretern<br />
das toxische Potential durchaus von Bedeutung.<br />
In besonderem Maße spielen hierbei die sogenannten Nitroaromaten eine Rolle. Dabei<br />
handelt es sich im wesentlichen um Ausgangsstoffe und Abbauprodukte, die bei der Produktion<br />
bzw. Metabolisierung des weit verbreiteten Sprengstoffes Trinitrotoluol (TNT) auftreten.<br />
Ähnlich wie bei den PCDD/PCDF wurden zur vergleichenden Betrachtung der toxischen<br />
Wirkungen vieler dieser Nitroaromaten <strong>Tox</strong>izitätsäquivalente eingeführt.<br />
Tabelle 20 faßt die toxikologischen Betrachtungen zu den wichtigsten Vertretern der Explosivstoffe<br />
zusammen. Sie enthält auch zwei Vertreter, deren Struktur nicht auf TNT-Basis<br />
beruht.<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 37 von 40<br />
Tabelle 20: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Explosivstoffe<br />
Explosivstoff Strukturformel <strong>Tox</strong>ikologie<br />
2,4,6-Trinitrotoluol (TNT)<br />
2,4-Dinitrotoluol (2,4-DNT)<br />
2,6-Dinitrotoluol (2,6-DNT)<br />
Nitroglycerin<br />
Pentaerythrittetranitrat<br />
(Penta, PETN)<br />
5.8.2 Chemische Kampfstoffe<br />
Mai 1998<br />
CH 3<br />
• blutschädigend<br />
NO 2 NO 2<br />
• Störungen im Zentralnervensystem<br />
NO 2<br />
• kanzerogen im Tierversuch<br />
• Referenzsubstanz für TNT-<br />
<strong>Tox</strong>izitätsäquivalente<br />
CH 3<br />
NO 2<br />
CH 3<br />
• blutschädigend<br />
NO 2 zität = 5<br />
NO • Störungen im Zentralnervensystem<br />
2<br />
• Äquivalenzfaktor für<br />
Blutschädigung = 1<br />
• Äquivalenzfaktor für<br />
Kanzerogenität / Gentoxi-<br />
NO • Äquivalenzfaktor für<br />
2<br />
Blutschädigung = 0,5<br />
vensystem<br />
• blutschädigend<br />
• Störungen im Zentralner-<br />
• Äquivalenzfaktor für<br />
Kanzerogenität / Gentoxizität<br />
= 150, d.h. chronisch<br />
wesentlich toxischer als<br />
TNT<br />
CH 2 O NO 2<br />
Symptomatik bei Vergiftung<br />
• mäßig toxische Substanz<br />
CH 2 O NO 2<br />
• aus der Therapie von<br />
Herzkrankheiten bekannt<br />
CH O NO 2<br />
• Blutgift<br />
• allgemeine unspezifische<br />
• geringe akute <strong>Tox</strong>izität<br />
O 2 N O H 2 C CH 2 O<br />
C<br />
NO 2<br />
• humantoxikologisch nicht<br />
O 2 N O H 2 C CH 2 O NO 2 relevant<br />
Bei Kampfstoffen handelt es sich um chemische Verbindungen, die eigens dafür produziert<br />
wurden, um in kriegerischen Auseinandersetzungen durch ihre toxische Wirkung den Gegner<br />
zu töten oder kampfunfähig zu machen. Ihre Wirksamkeit war darauf ausgerichtet, durch<br />
eine starke akute <strong>Tox</strong>izität einen möglichst schnellen Wirkungseintritt hervorzurufen. Daneben<br />
besitzen einige Vertreter auch chronisch toxische Eigenschaften. Aus medizinischtoxikologischer<br />
Sicht ist eine Einteilung nach Art und Ort der Wirkung weit verbreitet, obwohl
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
dies keiner wissenschaftlichen Systematik entspricht und aufgrund der Stoffvielfalt in den<br />
einzelnen Kampfstoffgruppen streng genommen auch zu keiner Struktur-Wirkungs-bezogenen<br />
Verallgemeinerung führen kann. Dennoch soll der gängigen Praxis folgend in Tabelle 21<br />
beispielhaft die <strong>Tox</strong>ikologie erläutert werden.<br />
Tabelle 21: <strong>Tox</strong>ikologie ausgewählter Kampfstoffe<br />
Kampfstoff/<br />
Kampfstoffgruppe<br />
Nervenkampfstoff<br />
z.B. Isopropyl-methyl<br />
–fluorphosphonsäureester<br />
(Sarin)<br />
Hautkampfstoff<br />
z.B. 2,2‘-Dichlordiethylsulfid<br />
(S)-Lost<br />
Haut-/Reizkampfstoff<br />
Arsenkampfstoff<br />
z.B. 2-Chlorvinylarsindichlorid<br />
(Lewisit)<br />
CH 3<br />
Strukturformel<br />
CH 3 O<br />
H C O P<br />
CH 3 F<br />
CH 2 CH 2 Cl<br />
S<br />
CH 2 CH 2 Cl<br />
H<br />
Cl<br />
C CH As<br />
Cl<br />
Cl<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
• hohe akute <strong>Tox</strong>izität 0,14 mg<br />
Sarin/kg Mensch<br />
• lipophile Verbindung wird rasch über<br />
alle Pfade aufgenommen<br />
• durch Hemmung der Acetylcholinesterase<br />
kommt es zur nerval<br />
gesteuerten Aktivitätssteigerung von<br />
Organen und Geweben bis zum<br />
totalen Funktionsverlust<br />
• Symptome sind Pupillenverengung,<br />
Erregungszustände, Krampfanfälle,<br />
Atemlähmung<br />
• hohe akute <strong>Tox</strong>izität bei dermaler<br />
oder inhalativer Aufnahme<br />
• lipophile, hochreaktive Verbindung,<br />
die rasch verteilt werden kann<br />
• Exposition wird nicht wahrgenommen,<br />
Symptome treten erst Stunden<br />
später auf<br />
• Starke Gewebsschädigungen von<br />
Juckreiz, Rötung, Schwellung über<br />
Blasenbildung bis hin zum Absterben<br />
betroffener Hautpartien<br />
• Chronische Wirkungen – neurotische<br />
Störungen / Depressionen,<br />
Pigmentstörungen der Haut<br />
• Hohe akute <strong>Tox</strong>izität bei dermaler<br />
oder inhalativer Aufnahme<br />
• Rasche Aufnahme in den Organismus<br />
• Schädigung von betroffenen Hautund<br />
Schleimhautstellen<br />
• Entstehung und Abheilung der<br />
Schäden bedeutend schneller als<br />
bei S-Lost<br />
• starke systemische Wirkungen, wie<br />
Schwäche, toxischer Schock,<br />
Leber-, Nieren-, Gehirnschäden<br />
Mai 1998
Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie Seite 39 von 40<br />
Kampfstoff/<br />
Kampfstoffgruppe<br />
Reizstoff<br />
z.B. o-Chlorbenzylidenmalondinitril<br />
(CS)<br />
Strukturformel<br />
CN<br />
CH C<br />
CN<br />
Cl<br />
<strong>Tox</strong>ikologie<br />
• Einsatz auch heute noch in vielen<br />
Ländern als „Tränengas“ oder „Verteidigungsspray“<br />
• direkte Augenschädigung bzw.<br />
inhalative Aufnahme<br />
• verursacht starken Reiz der<br />
Schleimhäute<br />
• schwere Augenschäden bis zur<br />
Erblindung bei direktem Augenkontakt<br />
aus kurzer Entfernung möglich<br />
• keine Hinweise auf chronisch<br />
toxische Eigenschaften für den<br />
Menschen<br />
Im Rahmen der vorliegenden TOX-<strong>Fibel</strong> konnten nur die wesentlichsten Aspekte der Humanund<br />
Ökotoxikologie behandelt werden. Die Ausführungen geben einen grundlegenden<br />
Überblick über das für den Altlastenbereich relevante Grundwissen für die Gefährdungsabschätzung<br />
und –bewertung. Beispielhaft wurden in acht verschiedenen Schadstoffgruppen<br />
die toxikologischen Gemeinsamkeiten und Besonderheiten anhand von typischen Vertretern<br />
erläutert. Diese Vorgehensweise kann insgesamt keine vollständige Betrachtung darstellen.<br />
So konnten zum Beispiel Schadstoffgruppen wie Pestizide, mit einer Vielzahl unterschiedlich<br />
strukturierter Einzelstoffe oder polychlorierte Naphthaline nicht behandelt werden.<br />
Mai 1998
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Grundlagen der Human- und Ökotoxikologie<br />
6 Literaturempfehlungen<br />
Für interessierte Leser sollen folgende Quellenangaben Hinweise für ein vertiefendes<br />
Literaturstudium sein.<br />
MARQUARDT, H. UND SCHÄFER, S. G. (Hrsg.): Lehrbuch der <strong>Tox</strong>ikologie,<br />
BI Wissenschaftsverlag, Mannheim 1994<br />
GREIM, H. UND DEML, E. (Hrsg.): <strong>Tox</strong>ikologie – Eine Einführung für Naturwissenschaftler und<br />
Mediziner, VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim 1996<br />
DEKANT, W. UND SPIROS, W.: <strong>Tox</strong>ikologie für Chemiker und Biologen; Spectrum Akademischer<br />
Verlag, Heidelberg 1995<br />
KORTE, F. (Hrsg.): Lehrbuch der Ökologischen Chemie; Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1992<br />
EISENBRAND, G. UND METZLER, M.: <strong>Tox</strong>ikologie für Chemiker – Stoffe, Mechanismen,<br />
Prüfverfahren; Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1994<br />
BLIEFERT, C.: Umweltchemie; VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim 1994<br />
FACHGRUPPE WASSERCHEMIE IN DER GDCH (Hrsg.): Chemie und Biologie der Altlasten; VCH-<br />
Verlagsgesellschaft, Weinheim 1997<br />
EIKMANN, T. UND HEINRICH, U. UND HEINZOW, B. UND KONIETZKA, R. (Hrsg.): Gefährdungsabschätzung<br />
von Umweltschadstoffen – Ergänzbares Handbuch toxikologischer Basisdaten<br />
und ihrer Bewertung; ESV 1998<br />
BUNDESMINISTERIUM FÜR RAUMORDNUNG, BAUWESEN UND STÄDTEBAU (Hrsg.): Schadstoffinformationen<br />
für die Anwendung der "baufachlichen Richtlinien für die Planung und Ausführung<br />
der Sicherung und Sanierung belasteter Böden" des BMBau für Liegenschaften des<br />
Bundes; <strong>Hannover</strong> 1997<br />
Mai 1998