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Zur Typisierung von ländlichen Räumen im deutschsprachigen Raum

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<strong>Zur</strong> <strong>Typisierung</strong> <strong>von</strong> ländlichen Räumen <strong>im</strong> <strong>deutschsprachigen</strong> <strong>Raum</strong> –<br />

Konsequenzen für einen differenzierenden Umgang<br />

mit der sozio-demographischen Entwicklung<br />

Mag. Cornelia Krajasits<br />

1. „Den ländlichen <strong>Raum</strong> als einheitliche <strong>Raum</strong>kategorie gibt es nicht mehr.“<br />

Im <strong>deutschsprachigen</strong> <strong>Raum</strong> existiert keine einheitliche Definition des ländlichen <strong>Raum</strong>s.<br />

Im Bereich der <strong>Raum</strong>entwicklung und <strong>Raum</strong>ordnung wird mit in erster Linie mit dem<br />

Gegensatzpaar „Ländlicher <strong>Raum</strong> - Städtischer <strong>Raum</strong>“ gearbeitet, Dichteindikatoren<br />

dienen hier zur Abgrenzung. Darüber hinaus werden je nach Themenstellung bzw.<br />

politischer Zielsetzung (z.B. Förderpolitik) unterschiedliche Kriterien bzw. Indikatoren zur<br />

Agrarstruktur, zur Wirtschaftsstruktur und –dynamik, landschaftliche Gegebenheiten<br />

usw. herangezogen.<br />

Weit verbreitet ist die Anwendung der <strong>Typisierung</strong> der OECD. Dem Hauptindikator<br />

Bevölkerungsdichte folgend werden drei Typen unterschieden, nämlich überwiegend<br />

städtisch (urban), überwiegend ländlich (rural) und intermediär (semirural). Eine Region<br />

gilt als überwiegend ländlich, wenn über 50% ihrer Einwohner in ländlichen Gemeinden<br />

leben, als überwiegend städtisch, wenn dies für weniger als 15% zutrifft, und als<br />

intermediär, wenn zwischen 15% und 50% der Bevölkerung in ländlichen Gemeinden<br />

leben.<br />

Nach OECD-Definition 1 zählen 93% des Hoheitsgebietes der EU-27 zum ländlichen<br />

<strong>Raum</strong>, ca. 58% der Bevölkerung lebt in diesen vorwiegend ländlich geprägten Gebieten.<br />

45% der Wertschöpfung werden hier erwirtschaftet, der Anteil der Arbeitsplätze beträgt<br />

53%. Hinter dieser allgemeinen Beschreibung verbergen sich allerdings sehr<br />

unterschiedliche Entwicklungsstände. Diese umfassen die abgelegen Gebiete mit<br />

unzureichenden Erreichbarkeitsverhältnissen, unter Abwanderung leidende Gebiete<br />

ebenso wie Suburbanisierungsgebiete mit positiver ökonomischer und demografischer<br />

Dynamik.<br />

Die österreichische Abgrenzung folgt <strong>im</strong> Wesentlichen dieser <strong>Typisierung</strong>. Demnach<br />

werden Wien und das Rheintal als urbane Gebiete ausgewiesen, die<br />

Landeshauptstadtregionen (NUTS III) und die NUTS-III-Regionen der Obersteiermark als<br />

intermediär, alle anderen NUTS-III-Regionen fallen in die Kategorie „ländlich“.<br />

In der Schweiz orientiert sich die Typologie an den Potenzialen und definiert, basierend<br />

auf drei Kriterien (Erreichbarkeit der städtischen Zentren, wirtschaftliche Potenziale –<br />

Tourismus, Einwohnerzahl – Gemeinden mit kritischer Masse), folgende Regionstypen <strong>im</strong><br />

ländlichen <strong>Raum</strong>: periurbaner ländlicher <strong>Raum</strong>, alpine Tourismuszentren, peripherer<br />

ländlicher <strong>Raum</strong>.<br />

1 Die OECD Definition wird in der Periode 2007-2013 als statistische Grundlage für die EU-Politik für die<br />

ländliche Entwicklung herangezogen.


In Deutschland werden für Fragen der <strong>Raum</strong>ordnung Verdichtungs-, Zentralitäts- und<br />

Erreichbarkeitsmerkmale für die Definition des ländlichen <strong>Raum</strong>s herangezogen, in den<br />

jeweiligen Landesentwicklungsplänen werden entsprechende Abgrenzungen<br />

vorgenommen. Im <strong>Raum</strong>ordnungsbericht des Bundes aus 2005 wird zwischen<br />

Zentralraum, Zwischenraum und Peripherieraum unterschieden. Rheinland-Pfalz bspw.<br />

unterscheidet fünf <strong>Raum</strong>strukturtypen (hoch verdichtete Räume, verdichtete Räume,<br />

ländliche Räume mit Verdichtungsansätzen, dünn besiedelte ländliche Räume und dünn<br />

besiedelte ländliche Räume in ungünstiger Lage), Hessen weist Verdichtungsräume als<br />

Kernräume der Ordnungsräume und ländliche Räume als überwiegend durch ländliche<br />

Siedlungsstrukturen geprägte Teilräume aus.<br />

2. Die unterschiedlichen Entwicklungsstände der ländlichen Regionen bewirken auch<br />

unterschiedliche Betroffenheit <strong>von</strong> demografischen und sozio-ökonomischen<br />

Veränderungen.<br />

Die Entwicklung des ländlichen <strong>Raum</strong>s verläuft <strong>im</strong> <strong>deutschsprachigen</strong> <strong>Raum</strong><br />

(Deutschland, Schweiz, Österreich) keineswegs nach gleichem Muster. Viel zu<br />

unterschiedlich sind die nationalen und regionalen Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen,<br />

die Ausrichtung <strong>von</strong> Regionalpolitik und <strong>Raum</strong>ordnung sowie der raumwirksamen<br />

Sektorpolitiken. Die Unterschiede lassen sich einerseits in Bezug auf den Vergleich<br />

ländlicher <strong>Raum</strong> – städtischer <strong>Raum</strong>, aber auch innerhalb der ländlichen Räume<br />

festmachen.<br />

Welche Gemeinsamkeiten lassen sich erkennen:<br />

<br />

<br />

<br />

Der Suburbanisierungsprozess hat als Folge <strong>von</strong> Infrastrukturverbesserungsmaßnahmen<br />

in den letzten Jahren über die unmittelbare Stadtumlandregion hinaus<br />

auch schon andere (infrastrukturell gut erschlossene) Regionen erfasst. Attraktive<br />

Lebens- und Umweltbedingungen werden zunehmend wichtigere Wohnumfeldfaktoren,<br />

der ländliche suburbane <strong>Raum</strong> weist hier Standortvorteile gegenüber<br />

den Städten auf. Diese Suburbanisierungsgebiete oder Zwischenräume sind<br />

attraktive Zuzugsgebiete mit sehr dynamischer Bevölkerungsentwicklung. Es sind<br />

in erster Linie junge Familien, die sich vorzugsweise in diesen<br />

Agglomerationsräumen niederlassen.<br />

Über Leitsektoren, -branchen und -betriebe (v.a. Tourismus) und als Effekte der<br />

Förderpolitik (Agrarförderung, Regionalförderung, Technologieförderung usw.)<br />

konnten vielfach auch positive Impulse für wirtschaftliche Aktivitäten in ländlichen<br />

Regionen/Gemeinden ausgelöst werden. Diese Gebiete weisen oftmals eine<br />

diversifizierte Wirtschaftsstruktur auf. Die Bevölkerungsdynamik wird durch<br />

positive (Binnen)Wanderungsbilanzen und teilweise auch <strong>von</strong><br />

Geburtenüberschüssen beeinflusst.<br />

Ungünstige Branchenstrukturen und/oder Konjunkturverläufe führen in vielen<br />

Regionen zu wirtschaftlichen Problemen, gefolgt <strong>von</strong> einem hohen Niveau der<br />

Arbeitslosigkeit (strukturelle Arbeitslosigkeit, saisonale Arbeitslosigkeit). In vielen<br />

(peripheren) Teilregionen dieser strukturschwachen ländlichen Gebiete kommt es<br />

seit Jahren zu Abwanderung der Bevölkerung und Überalterungsprozessen. Vor<br />

allem höherqualifizierte Personen (Bildungswanderung) verlassen diese Regionen<br />

in Richtung städtischer Zentren bzw. dynamischer Wirtschaftsräume.


3. Die Vielfalt und die spezifischen Problemlagen des ländlichen <strong>Raum</strong>s erfordern<br />

differenzierte Entwicklungsstrategien und handlungspolitische Ansatzpunkte.<br />

Eine differenziertere Betrachtung der ländlichen Räume ermöglicht es, der Vielfalt<br />

räumlicher Funktionen sowie den wachsenden Disparitäten Rechnung zu tragen. In allen<br />

drei Ländern ist die Forderung nach der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den<br />

Regionen in den Gesetzen bzw. strategischen Dokumenten verankert, trotzdem wachsen<br />

die regionalen Disparitäten. Die Disparitäten treten allerdings nicht <strong>im</strong> Gegensatz Land –<br />

Stadt zutage, sondern wurzeln vielmehr in den unterschiedlichen nationalen und<br />

regionalen ökonomischen Strukturen und Entwicklungsverläufen. (z.B. das ausgeprägte<br />

West-Ost-Gefälle in Deutschland als Sonderfall regionale Entwicklungsprozesse).<br />

Das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen gerät allerdings mit dem sich<br />

verschärfenden demografischen und ökonomischen Wandel <strong>im</strong>mer stärker unter Druck,<br />

was sich in vielen Regionen insbesondere auf die Tragfähigkeit der Strukturen zur<br />

Daseinsvorsorge (Nahversorgung, Gesundheit, soziale Einrichtungen, Öffentlicher<br />

Verkehr usw.) einerseits und die Stabilität der ökonomischen Potenziale andererseits<br />

niederschlägt.<br />

Vor dem Hintergrund der Diversität des ländlichen <strong>Raum</strong>s lassen sich folgende Strategien<br />

und beispielhafte Handlungsfelder ableiten:<br />

Basisstrategien<br />

Nationale, regionale und sektorale Kommunikation und Kooperation<br />

<br />

<br />

<br />

Erhöhung der Kohärenz zwischen den (raumwirksamen) Sektorpolitiken<br />

Interkommunale Kooperation<br />

Finanzielle Ausgleichsmechanismen<br />

Strategien für Agglomerationsräume - Suburbanisierung<br />

Ordnungspolitische Ansätze<br />

<br />

<br />

<br />

Forcierung und Umsetzung einer flächensparenden und energieeffizienten Bodenund<br />

Wohnbaupolitik – Steuerung bzw. Kontrolle der Siedlungsentwicklung<br />

(Stichwort Wohnbauförderung)<br />

Weiterentwicklung, Ausbau bzw. Sicherung des Angebotes <strong>im</strong> öffentlichen Verkehr<br />

Förderung einer Politik der kurzen Wege, Reduktion der großräumigen<br />

Nutzungsentflechtung (Funktionale Durchmischung Wohnen – Arbeiten – Freizeit)


Strategien für diversifizierte ländliche Regionen<br />

Entwicklungs- und ordnungspolitische Strategien zur opt<strong>im</strong>ierten Unterstützung<br />

regionaler Entwicklungspole<br />

<br />

<br />

<br />

Stärkung der ökonomischen Basis durch innovations- und technologieorientierte<br />

Maßnahmen (betriebliche, überbetriebliche, arbeitsmarktorientierte)<br />

Vertikale Integration regionaler Wertschöpfungsketten<br />

Verstärkte Maßnahmen zur Verhinderung/Reduzierung des Brain-Drains, des<br />

Wegzugs höherqualifizierter Personen – Attraktivierung des Lebensraumes (z.B.<br />

Bildungsangebote, Kooperation <strong>von</strong> Unternehmen mit bestehenden Bildungs – und<br />

Qualifizierungseinrichtungen, Beschäftigungsangebote für Frauen,<br />

Betreuungseinrichtungen)<br />

Strategie für strukturschwache ländliche Regionen<br />

Ausgleichsmaßnahmen zur Stabilisierung auf möglichst hohem Niveau<br />

<br />

<br />

<br />

Maßnahmen zur Sicherung der Versorgungsfunktionen <strong>von</strong> regionalen Zentren<br />

und Aufrechterhaltung der Erreichbarkeit, integrative Konzepte sowie flexible und<br />

mobile Formen der Daseinsvorsorge<br />

Entwicklung alternativer Mobilitätskonzepte und –projekte<br />

Sicherung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für eine<br />

arbeitsteilige Zusammenarbeit der Gemeinden

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