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Die Architekten<br />
te selbstständige Regiearbeit in<br />
Angriff nehmen konnte. Denn<br />
schon allein das Zeigen dessen,<br />
was war, und nicht dessen, was<br />
als Wunschvorstellung in den<br />
Köpfen der Bonzen herumgeisterte,<br />
war alles andere als einfach.<br />
Zwar wurde unentwegt<br />
vom lebensnahen, wirklichkeitsgetreuen<br />
und realistischen Kino<br />
geschwafelt, versuchte sich dann<br />
jemand daran, witterten die Hüter<br />
des Staates und damit auch<br />
der Kunst sofort „Nestbeschmutzung“.<br />
Nach seinem vor allem von<br />
der Kritik beachteten Film „Weiberwirtschaft“<br />
(1984) brachte<br />
er 1985 eine der gelungensten<br />
je in der DDR entstandenen Komödien<br />
heraus: „Ete und Ali“.<br />
Schaut man sich die überdrehte<br />
Geschichte eines ungewöhnlichen<br />
Männer-Gespanns <strong>auf</strong> der<br />
Reise quer durchs Mauerländle<br />
heute an, erstaunt noch mehr als<br />
zur Zeit der Ur<strong>auf</strong>führung, was<br />
alles an Details über das ganz<br />
gewöhnliche Leben von Kahane<br />
und dem Drehbuchautoren-<br />
Duo Waltraud Meienreis/Henry<br />
Schneyder gezeigt wurde: Versorgungsmängel,<br />
Wohnungsnot, die<br />
ganz alltägliche Tristesse eines<br />
Lebens, durch das die Menschen<br />
unentwegt fest angeschnallt<br />
im Trabbi-Takt schlurfen. „Vorspiel“,<br />
zwei Jahre später heraus-<br />
gekommen, eine doppelbödige<br />
Geschichte um Jugendliebe und<br />
Zukunftsträume, war im Ton<br />
sehr viel verhaltener, dabei nicht<br />
minder genau in der sozialen Beobachtung.<br />
Peter Kahanes bester Film seiner<br />
ersten Regie-Jahre entsteht<br />
gleichsam parallel zum Untergang<br />
der DDR und wird erst nach<br />
dem Mauerfall <strong>auf</strong>geführt: „Die<br />
Architekten“. Vordergründig wird<br />
vom Scheitern eines Architekten<br />
erzählt, tatsächlich spiegelt der<br />
emotional überaus packende<br />
Film das Scheitern der Vision<br />
vom Sozialismus. Kahane porträtierte<br />
in dem Film tatsächlich<br />
die Mehrheit seiner Generation,<br />
die der um diese Zeit 30- bis 40-<br />
Jährigen. Der Film unternimmt<br />
dabei keine billige Abrechnung<br />
mit den Fehlern der Alten. Aber<br />
er zeigt das diffizile Geflecht von<br />
Schuld und Schlamperei, historischem<br />
Irrtum und politischer<br />
Dummheit überaus genau. Wer<br />
wissen will, wie vor allem die<br />
Stimmung Ende der 1980er Jahre<br />
in der DDR war, kommt an<br />
diesem Film nicht vorbei. Fast<br />
zehn Jahre später, mit „Bis zum<br />
Horizont und weiter“ (1999), gelingt<br />
Peter Kahane eine erstaunliche<br />
„Fortsetzung im Geiste“.<br />
Stilistisch vollkommen anders,<br />
eher der Farce verpflichtet, spiegelt<br />
er nun das Lebensgefühl der<br />
Mehrzahl der in der DDR sozialisierten<br />
Deutschen. Hier gelingt<br />
ihm, das Traurige mit kräftigem<br />
Lachen sichtbar zu machen.<br />
Spätestens jetzt muss von Peter<br />
Kahanes Fähigkeit sensibler<br />
Schauspielerführung die Rede<br />
sein. Wer ihm je im Persönlichen<br />
begegnet ist, weiß, wie gut der<br />
Mann im Gespräch zuhören<br />
kann, wie genau er nach Worten<br />
sucht, sind Antworten von ihm<br />
gefordert. Diese Geduld zeichnet<br />
ihn auch in der Arbeit mit<br />
seinen Akteuren aus. Wobei er<br />
es oftmals schafft, <strong>neu</strong>e Seiten<br />
bei den Schauspielern „heraus-<br />
zukitzeln“, etwa die Fähigkeit zu<br />
genauer Charakterisierung bei<br />
Wolfgang Stumph oder eine fast<br />
schwerelos anmutende Selbstironie<br />
bei Corinna Harfouch im<br />
schon erwähnten „Bis zum Horizont<br />
und weiter“.<br />
Peter Kahane ist weitergekommen.<br />
Im deutschen Fernsehen<br />
viel als Drehbuchautor und Regisseur<br />
beschäftigt, hat er häufig<br />
anspruchsvoll Unterhaltsames<br />
realisieren können, beispielsweise<br />
einige „Polizeiruf 110“- und<br />
„Stubbe – Von Fall zu Fall“-Folgen.<br />
Zuletzt machte er mit einer<br />
außergewöhnlichen Dokumentation<br />
<strong>auf</strong> sich <strong>auf</strong>merksam: „Tamara“<br />
(2007), einem Porträt der<br />
Rock-Legende Tamara Danz. Vor<br />
die Schwierigkeit gestellt, keinerlei<br />
verwertbare Interviews oder<br />
Porträts im Archiv zu finden,<br />
spiegelt er die 1996 an Krebs verstorbene<br />
Musikerin ausschließlich<br />
mit Fotos, Aufnahmen von<br />
Auftritten, den Erinnerungen ih-<br />
rer zwei wichtigsten Wegbegleiter.<br />
Wieder packt Kahanes Kunst,<br />
das Menschliche bar jeder Sentimentalität<br />
in all seinen Schattierungen<br />
zu zeigen. Für Anfang<br />
kommenden Jahres ist ein <strong>neu</strong>er<br />
Spielfilm von ihm angekündigt<br />
– „Die rote Zora“, basierend <strong>auf</strong><br />
dem Jugendbuchklassiker, prominent<br />
besetzt u. a. mit Mario<br />
Adorf. Die Kahane-Fans sind gespannt.<br />
Peter clauS<br />
Filmpublizist Ralf Schenk im<br />
Gespräch mit Peter Kahane<br />
Gesprächsreihe DEFA-Filmküche<br />
Kulturcafé „Quchnia“<br />
Markgrafenstraße 35<br />
(Gendarmenmarkt, Berlin-Mitte)<br />
3. Dezember 2007, 20 Uhr<br />
Eintritt: 5 Euro<br />
Alle DVDs erschienen bei ICESTORM Entertainment · www.ICESTORM.de