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programm<br />
Vom DEFA-Chefindianer<br />
zum Bühnenstar<br />
Seine vielleicht schönste und<br />
wohl bisher komplexeste Rolle<br />
spielt Gojko Mitic seit diesem<br />
Jahr <strong>auf</strong> der Bühne des Staatstheaters<br />
Schwerin – wieder einen<br />
Häuptling, allerdings keinen<br />
reitenden im Wilden Westen,<br />
sondern an der Seite von Thorsten<br />
Merten als McMurphy den<br />
Häuptling Bromden in „Einer<br />
flog über das Kuckucksnest“. Die<br />
überregional stark beachtete Premiere<br />
am 30. März war ein Riesenerfolg.<br />
Nicht wenige hatten<br />
skeptisch im Parkett gesessen:<br />
Wird der DEFA-Chefindianer<br />
überzeugen? Er überzeugt nicht<br />
nur, er fesselt ungemein und<br />
rührt einem ans Herz.<br />
Die Zweifler wussten nicht oder<br />
hatten vergessen, dass der 1940 in<br />
Jugoslawien geborene Schauspieler<br />
schon seit Jahrzehnten immer<br />
wieder in verschiedenen Rollen<br />
fern des Indianer-Images gefallen<br />
hatte. So trat er beispielsweise vor<br />
zwanzig Jahren an der Seite von<br />
Inge Keller im DDR-Fernsehfilm<br />
„Die Liebe und die Königin“ <strong>auf</strong>.<br />
Die Grande Dame des deutschsprachigen<br />
Theaters, Jahrzehnte<br />
Star am Deutschen Theater Berlin,<br />
bei Freunden und Kollegen<br />
für ihr unnachgiebiges, scharfes<br />
Urteil gleichermaßen geliebt und<br />
gefürchtet, schwärmte damals<br />
von Mitic in den höchsten Tönen<br />
als „Kollege von ungeheurer Präsenz,<br />
der keine Mätzchen macht,<br />
sondern mitreißend die Dimensionen<br />
einer Figur auslotet.“<br />
Seine Popularität als „wahrscheinlich<br />
weltweit bekanntester<br />
Indianerdarsteller“, wie ein Internet-Lexikon<br />
meint, verdankt<br />
er natürlich den von Mitte der<br />
1960er Jahre an regelmäßig bei<br />
der DEFA gedrehten Indianerfilmen.<br />
Mitic spielte hier keine<br />
überlebensgroßen Märchen- oder<br />
Heldenfiguren à la Winnetou<br />
und Old Shatterhand, sondern,<br />
oftmals <strong>auf</strong> historischen Tatsachen<br />
basierende Figuren aus<br />
Fleisch und Blut. Die von ihm<br />
verkörperten Männer in Filmen<br />
wie „Die Söhne der großen Bärin“<br />
(1966), „Osceola“ (1971) oder<br />
„Apachen“ (1973) waren bei aller<br />
Action und allem Abenteuer<br />
doch glaubwürdige Figuren mit<br />
oftmals differenziert gezeichneten<br />
Charakteren. Gojko Mitic,<br />
der als junger Mann zunächst<br />
Sport studiert hatte, überzeugte<br />
nicht nur mit den grundsätzlich<br />
selbst ausgeführten Stunts, sondern<br />
ebenso als Schauspieler. Allerdings<br />
beraubte ihn die DEFA<br />
lange eines wirkungsvollen Mittels:<br />
der Stimme. Obwohl sehr<br />
gut Deutsch sprechend, wurde<br />
er lange Zeit synchronisiert, was<br />
gar nicht nötig gewesen wäre.<br />
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Gojko Mitic hat sich als Schauspieler <strong>neu</strong> erfunden<br />
Dank der Indianerfilme erreichte<br />
Gojko Mitic eine heute<br />
kaum mehr vorstellbare Beliebtheit.<br />
Nie mit Star-Gehabe <strong>auf</strong>tretend,<br />
wurde er von allen Altersklassen<br />
als „einer von uns“<br />
akzeptiert. Damit hat er scheinbar<br />
ganz nebenbei mehr für das<br />
Verstehen der indianischen Kultur<br />
geleistet als <strong>auf</strong> den ersten<br />
Blick zu erkennen. Das von seiner<br />
Seite durchaus bewusst. So erzählt<br />
er in einem <strong>auf</strong> seiner Website<br />
veröffentlichten Interview,<br />
dass er nach kleineren Rollen in<br />
bundesdeutschen Karl-May-Filmen<br />
bereits in Verhandlungen<br />
zu einem weiteren Film stand,<br />
als das Angebot der DEFA kam.<br />
Er las das Drehbuch und war begeistert.<br />
Im Interview erinnert er<br />
sich: „Ich dachte: Mensch, hier<br />
werden die Indianer von einem<br />
anderen Gesichtspunkt aus gesehen,<br />
nämlich vom geschichtlichen<br />
Standpunkt. Nicht einfach<br />
so eine Lagerfeuerromantik,<br />
Abenteuer und Spannung um jeden<br />
Preis.“ In der Rückschau hat<br />
er auch eine Erklärung für seinen<br />
Erfolg, die neben der Professionalität<br />
seiner Arbeit bestimmt nicht<br />
zu unterschätzen ist: „Ich glaube<br />
im Nachhinein, dass das eine Art<br />
Ventil war und die Leute, da sie<br />
nicht viel reisen konnten, durch<br />
diese Filme vielleicht Ferne und<br />
Abenteuer erlebten.“ Ganz klar:<br />
Neben Dean Reed bescherte<br />
Gojko Mitic den Kinogängern,<br />
wie sonst niemand in der DDR,<br />
einen Hauch von Welt, die sonst<br />
nur Filmimporte aus etwa Italien<br />
oder den USA garantierten. Das<br />
war Gojko Mitics Glück – und<br />
auch Fluch. Zu lange wurde er<br />
<strong>auf</strong> das Exotische festgelegt. Klugerweise<br />
suchte er sich seit Mitte<br />
der 1970er Jahre verstärkt andere<br />
Arbeitsmöglichkeiten. So hatte er<br />
einen Riesenerfolg im Bergtheater<br />
Thale, moderierte im Fernsehen,<br />
nahm Schallplatten <strong>auf</strong>.<br />
Nach dem Mauerfall, in<br />
den 1990er Jahren, fing auch<br />
Gojko Mitic von vorn an. Die<br />
Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg<br />
erwiesen sich als ideale<br />
Bühne. Im Westen Deutschland<br />
bis dato weitgehend unbekannt,<br />
musste der Star aus dem Osten<br />
aber fast bei Null anfangen. Mit<br />
über 50 kein jugendlicher Held<br />
mehr, hat er es mit Bravour und<br />
Kraft geschafft. Verhaltene Auskünfte<br />
darüber in Interviews lassen<br />
ahnen, dass es nicht gerade<br />
einfach war, sich noch einmal<br />
<strong>neu</strong> einen Namen machen zu<br />
müssen. Da kann man nur seinen<br />
Hut ziehen! Für seinen Fleiß<br />
und seine Ausdauer bezeichnend<br />
ist, dass Gojko Mitic seit Mitte<br />
der 1980er Jahre auch mehrfach