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Families First


Families First<br />

Handbuch<br />

ğr<br />

Familienmitarbeiter<br />

Marianne Berger<br />

Han Spanjaard<br />

NIZW


©1999 Nederlands Instituut voor Zorg en Welzijn/NIZW<br />

Aus dieser Ausgabe darf nichts verfielfältigt und/oder veröffentlicht werden mittels Druck,<br />

Fotokopie, Mikrofilm oder auf andere Weise ohne vorhergehende schriftliche Zustimmung.<br />

Die niederländische Ausgabe wurde auch durch eine Subvention des niederländischen<br />

Ministeriums VWS und des niederländischen Justizministeriums ermöglicht.<br />

Autoren<br />

Marianne Berger und Han Spanjaard<br />

beide bei der Abteilung GT-Projekten des Pädologischen Instituts in<br />

Duivendrecht/Amsterdam NL, die Niederlände tätig<br />

Bearbeitung<br />

Jolanda Keesom<br />

Übersetzung<br />

Euroterm<br />

Autorisation der Übersetzung<br />

Marianne Berger<br />

Projektleitung<br />

Hans Jagers<br />

Umschlagentwurf<br />

Carta, Utrecht<br />

Druck<br />

Casparie, Heerhugowaard<br />

ISBN<br />

90-5050-512-0<br />

NIZW-Bestellnummer<br />

E 48741<br />

Diese Publikation kann bestellt werden bei<br />

NIZW Uitgeverij<br />

Postbus 19152<br />

3501 DD Utrecht<br />

Telefon 0031 - (0)30 - 230 66 07<br />

Fax 0031 - (0)30 - 230 64 91<br />

E-mail Bestel@nizw.nl


VORWORT<br />

Families First ist eine besondere Form häuslicher Krisenhilfe, die verhindern will, dass ein<br />

Kind aus der Familie herausgenommen wird und die Kompetenz der Familienmitglieder<br />

erweitern möchte.<br />

Diese Ausgangspunkte sind sowohl inhaltlich wie organisatorisch explizit ausgearbeitet. In<br />

diesem Handbuch wird eine Methode für Familienmitarbeiter beschrieben, um Familien in<br />

Krisensituationen unmittelbar eine adäquate Hilfe zu bieten. Diese Methode basiert unter<br />

anderem auf den Erfahrungen, die bis jetzt mit Families First in den Niederlanden gemacht<br />

wurden.<br />

Der Hintergrund von Families First<br />

Families First leitet sich von dem Homebuilder-Modell des 'Behavioral Sciences Institute'<br />

(Seattle) in den Vereinigten Staaten her. Seit 1974 bietet dort eine Gruppe Hilfeleistender<br />

häusliche Krisenhilfe. Fünfzehn Jahre praktischer Erfahrung und Forschung haben zu<br />

einem klaren Hilfeleistungsmodell und Ausbildungen für Familienmitarbeiter und<br />

Teamleiter (Kinney, Haapala & Booth 1991) geführt. Verschiedene Untersuchungen haben<br />

gezeigt, dass das Homebuilder-Modell gut und wirksam übertragbar ist. Es wird inzwischen<br />

in verschiedenen amerikanischen Staaten angewendet. Im Staat Michigan hat das zu einem<br />

Hilfeleistungsprogramm mit dem Titel "Families First" geführt.<br />

Im Jahr 1991 besuchte eine Gruppe Niederländer einige Homebuilder-Projekte, um zu<br />

sehen, ob das Homebuilder-Modell als Ergänzung des bestehenden Hilfsangebots geeignet<br />

ist. Unter der Voraussetzung, dass es auf die niederländische Kultur übertragen und die<br />

Verbreitung von Anfang an gut organisiert würde, erschien das Modell geeignet. Daraufhin<br />

hat die Abteilung Verhaltenstherapie-Projekte vom Pädologischen Institut (PI-GT) in<br />

Duivendrecht ein erstes Konzept für ein Families First-Projekt in den Niederlanden<br />

ausgearbeitet. Das 'Department of Social Services' in Michigan gab wertvolle Ratschläge,<br />

um der Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Parteien die konkrete Form zu geben.<br />

Der Start in den Niederlanden<br />

Nach der Präsentation eines ausgearbeiteten Plans für Families First haben Einrichtungen<br />

der Jugendhilfe in den Regionen Amsterdam, Drenthe, Friesland, Gelderland und<br />

Rotterdam/Südholland im Jahr 1993 mit Demonstrationsprojekten begonnen. Von der<br />

Kraft von Families First überzeugt, haben es die Verantwortlichen dieser Einrichtungen<br />

riskiert und die ersten Projekte durch finanzielle Umverteilungen ermöglicht. Das<br />

Ministerium VWS und das Justizministerium waren zu Beginn die wichtigsten Finanziers<br />

von Families First in den Niederlanden. In einer späteren Phase spielten die Provinzen bei<br />

der Finanzierung eine immer größere Rolle.<br />

Überweiser, betroffene Familien und Finanziers kamen zunehmend mehr zu der<br />

Überzeugung, dass Families First eine erfolgreiche Ergänzung der Hilfeleistung in den<br />

Niederlanden ist. Auch die Untersuchung von Veerman et al weist diesen Erfolg nach. Bei<br />

90% der Risikokinder besteht ein (großes) Risiko auf Fremdplatzierung des Kindes. Durch<br />

5


den Einsatz von Families First funktioniert die Familie wieder besser und bleiben viele<br />

Kinder zuhause wohnen. Ein Jahr nach der Families First-Hilfe wohnt 76 Prozent der<br />

Risikokinder zuhause. Diese Resultate stimmen mit den Resultaten erfolgreicher Families<br />

First-Projekte in den Vereinigten Staaten überein.<br />

Seit 1995 unterstützt das Consortium Families First bestehende Projekte und<br />

Einrichtungen, die ein neues Projekt beginnen möchten. 1997 haben elf neue Families<br />

First-Projekte begonnen. Families First steht nun beinahe in den gesamten Niederlanden<br />

zur Verfügung.<br />

Das Consortium Families First<br />

Das Consortium Families First ist ein Zusammenarbeitsverbund zwischen dem NIZW, dem<br />

Pädologischen Institut und SSJ, der das Ziel hat, Einrichtungen beim Beginn eines neuen<br />

Families First-Projekts zu unterstützen und die Qualität der gebotenen Hilfe zu verbessern.<br />

Mitarbeiter des Consortiums spielen bei der Ausbildung der Teammitglieder eine wichtige<br />

Rolle, indem sie das Basistraining für Familienmitarbeiter und Teamleiter durchführen. Das<br />

Consortium organisiert und begleitet Treffen für Teamleiter und Programmleiter. Dabei<br />

stehen der Erfahrungsaustausch und die Weitergabe neuer Einsichten im Mittelpunkt.<br />

Teamleiter und Familienmitarbeiter nehmen zweimal pro Jahr an Workshops teil, die<br />

spezifische Fragen, mit denen Familienmitarbeiter in der Praxis konfrontiert werden,<br />

behandeln. Das Consortium entwickelt und gestaltet diese Workshops. Das Consortium<br />

führt fortwährende Untersuchungen zu den erreichten Familien, die gebotene Hilfe und<br />

deren Resultate durch. Jährlich berichten die Forscher darüber.<br />

Die Forschungsdaten bilden auch einen Teil der Programmauswertungen, die minimal<br />

einmal in zwei Jahren bei jedem Projekt stattfinden. Mitarbeiter des Consortiums führen<br />

diese Auswertungen durch.<br />

Der Start in Deutschland<br />

Deutsche Einrichtungen haben die 'Bundesarbeitsgemeinschaft Familien im Mittelpunkt'<br />

errichtet. In der BAG sammeln die Einrichtungen und Überweiser ihre Kräfte mit dem Ziel,<br />

eine deutsche Variante des Homebuilder-Modells zu entwickeln. Die BAG hat das<br />

niederländische Consortium Families First gebeten, sie unter anderem in der Ausbildung<br />

der ersten Generation Programmleiter. Teamleiter, Familienmitarbeiter und Trainer zu<br />

unterstützen. Den Ausgangspunkt bildet das Homebuilder-Modell wie es bei den<br />

niederländischen Families First-Projekten entwickelt wurde. Das Handbuch, das Sie jetzt<br />

lesen, ist eine Übersetzung des niederländischen Handbuchs, das Familienmitarbeiter bei<br />

ihrer täglichen Arbeit benutzen. Die deutsche Gesellschaft und Jugendhilfe weist viel<br />

Übereinstimmung mit der niederländischen auf. Es ist jedoch notwendig, in den<br />

kommenden Jahren eine spezifisch auf Deutschland ausgerichtete Variante des<br />

Homebuilder-Modells zu entwickeln.<br />

6


Das Grundkonzept dieses Handbuchs<br />

Jedes Demonstrationsobjekt für sich hat in den Niederlanden zur weiteren Entwicklung<br />

von Families First in Zusammenarbeit mit einem externen Entwickler des Pädologischen<br />

Instituts beigetragen. Teamleiter, Programmleiter und Direktoren tauschten unter Leitung<br />

des externen Entwicklers von PI-GT und NIZW Erfahrungen aus. Dass die Resultate unter<br />

anderem in diesem Handbuch verarbeitet werden konnten, ist den externen Entwicklern,<br />

den Teamleitern der ersten Stunde und den Programmleitern zu danken.<br />

Der größte Dank aber gilt den fast dreißig Familienmitarbeitern und den rund 500<br />

Familien, die in der Praxis mit Families First gearbeitet haben. Sie zeigten, dass die Hilfe<br />

von Families First möglich und wünschenswert ist. Viele Familien haben nicht nur selbst<br />

viel von Families First profitiert, sie raten auch anderen Familien, diese Hilfe in Anspruch<br />

zu nehmen. In Kombination mit einer speziellen Ausbildung hilft dieses Handbuch neuen<br />

Familienmitarbeitern in ihrem Streben, Familien in einer Krisensituation das Heft wieder<br />

selbst in die Hand nehmen zu lassen.<br />

Hans Jagers<br />

Projektleiter Families First in den Niederlanden<br />

NIZW<br />

7


INHALT<br />

Vorwort 5<br />

Einleitung: Ein Handbuch für Familienmitarbeiter 13<br />

1. Das Grundkonzept von Families First 16<br />

1.1 Die Philosophie von Families First 16<br />

1.2 Die Charakteristika von Families First 17<br />

1.3 Das Kompetenzmodell 19<br />

1.3.1 Entwicklungsaufgaben 19<br />

1.3.2 Faktoren, die die Kompetenz beeinflussen 21<br />

1.3.3 Kompetenz-Analyse 23<br />

1.3.4 Kompetenzerweiterung 24<br />

1.4 Die Lerntheorie 26<br />

1.4.1 Das Erlernen von Verhalten 26<br />

1.4.2 Die operante Lerntheorie 27<br />

1.4.3 Die soziale Lerntheorie 29<br />

1.4.4 Die Selbsbestimmungstheorie 29<br />

1.5 Das Grundkonzept von Families First zusammengefasst 30<br />

2. Die erste Phase der Hilfe 31<br />

2.1 Der Aufbau einer Arbeitsbeziehung 31<br />

2.1.1 Sich vorstellen per Telefon 31<br />

2.1.2 Der erste direkte Kontakt mit der Familie 32<br />

2.1.3 Beruhigen der Familie 34<br />

2.2 Sammeln und Analysieren der Informationen 35<br />

2.2.1 Inventarisieren der Probleme und potentiellen Kräfte 35<br />

2.2.2 Beschreibung von Informationen im Rahmen beobachtbaren Verhaltens 36<br />

2.2.3 Analyse von Informationen anhand von Entwicklungsaufgaben 36<br />

2.2.4 Hilfsmittel beim Sammeln und Analysieren von Informationen 36<br />

2.3 Bestimmung von Zielen, Prioritäten und Arbeitspunkten 39<br />

2.3.1 Formulare 39<br />

2.3.2 Ziele setzen mit der Familie 39<br />

2.3.3 Prioritäten setzen 42<br />

2.3.4 Arbeitspunkte aufstellen 42<br />

2.3.5 Vom Familienmitarbeiter gesetzte Ziele 47<br />

2.4 Der Einsatz von Zielkarten 49<br />

2.5 Die Berichterstattung 53<br />

2.6 Zusammenfassung: Vom ersten Kontakt bis zu den Arbeitspunkten 53<br />

3. Die Beobachtungs- und Gesprächstechniken 55<br />

3.1 Beobachten 55<br />

3.1.1 Regeln für das Beobachten 56<br />

9


3.2 Allgemeine Gesprächstechniken 57<br />

3.3 Aktiv Zuhören 59<br />

3.4 Beobachten aus zweiter Hand 62<br />

3.5 Checklisten für die Beobachtungs- und Gesprächstechniken 63<br />

4. Die Techniken zur Vermittlung von Fähigkeiten 65<br />

4.1 Der Gebrauch von 'Warums' 65<br />

4.2 Feedback 66<br />

4.2.1 Feedback auf adäquates Verhalten 66<br />

4.2.2 Feedback auf inadäquates Verhalten 67<br />

4.2.3 Feedback von Familienmitgliedern empfangen 69<br />

4.2.4 Ich-Botschaften 69<br />

4.3 Die Verhaltensanweisung 72<br />

4.4 Modell stehen 73<br />

4.5 Die Verhaltensübung 74<br />

4.5.1 Die Schritte der Verhaltensübung 74<br />

4.6 Das Unterscheidungstraining 76<br />

4.7 Checkliste für die Techniken zur Vermittlung von Fähigkeiten 77<br />

5. Die Techniken zur Lösung von Problemen 80<br />

5.1 Das schrittweise Beantworten von Fragen 80<br />

5.2 Das Bleistift und Papier-Training 80<br />

5.2.1 Das Bleistift und Papier-Training mit einem einzelnen Familienmitglied 81<br />

5.2.2 Das Bleistift und Papier-Training mit der Familie 83<br />

5.3 Checkliste für das Bleistift und Papier-Training 85<br />

6. Techniken zur Beeinflussung von Gedanken und Gefühlen 86<br />

6.1 Beeinflussen von Gedanken 86<br />

6.1.1 Störende und helfende Gedanken 86<br />

6.1.2 Der Gebrauch der Technik in Familien 88<br />

6.2 Techniken zum Umgang mit Gefühlen 92<br />

6.2.1 Das Thermometer und die Erste Hilfe-Karte 92<br />

6.2.2 Erstellen eines Thermometers und einer Erste Hilfe-Karte 92<br />

6.2.3 Die Schritte beim Erstellen eines Thermometers und einer Erste Hilfe-Karte<br />

94<br />

6.3 Techniken zum Erkennen und Benennen von Gefühlen 95<br />

6.3.1 Das Gefühlsrad 96<br />

6.3.2 Darstellen von Gefühlen 97<br />

6.3.3 Smilies 97<br />

6.4 Checkliste für den Gebrauch der Techniken zur Beeinflussung von Gedanken und<br />

Gefühlen 97<br />

10


7. Praktische und materielle Hilfe 99<br />

7.1 Möglichkeiten für praktische Hilfe 99<br />

7.2 Möglichkeiten für materielle Hilfe 100<br />

7.2.1 Der Gebrauch des Arbeitsgelds 101<br />

7.2.2 Richtlinien zur Verwendung des Arbeitsgelds 102<br />

7.2.3 Die Höhe des Arbeitsgelds 102<br />

7.3 Praktische und materielle Hilfe zusammengefasst 103<br />

8. Das Vermitteln erzieherischer Fähigkeiten 104<br />

8.1 Unerwünschtes Verhalten des Kindes als Blickwinkel 104<br />

8.1.1 Analyse des unerwünschten Verhaltens des Kindes 104<br />

8.1.2 Analyse der Erziehungskompetenz der Eltern 105<br />

8.1.3 Bestimmen des ersten Schritts zur Verhaltensänderung 106<br />

8.2 Kompetenzrückstand der Eltern als Blickwinkel 107<br />

8.3 Die Erziehungsfähigkeiten 107<br />

8.3.1 Erziehungsfähigkeiten, um erwünschtes Verhalten zu verstärken 107<br />

8.3.2 Erziehungsfähigkeiten, um unerwünschtes Verhalten zu vermindern oder<br />

zu stoppen 108<br />

8.3.3 Erziehungsfähigkeiten, um anderes oder neues Verhalten zu stimulieren<br />

110<br />

8.4 Lernen von Erziehungsfähigkeiten 111<br />

8.4.1 Techniken zum Erlernen von Fähigkeiten 111<br />

8.4.2 Hilfsmittel beim Gebrauch der Erziehungsfähigkeiten 111<br />

8.5 Die Bedenken der Eltern 115<br />

8.6 Verbessern der kommunikativen Fähigkeiten 116<br />

8.7 Erziehungsfähigkeiten in Verbindung mit Aufgabenerleichterung 118<br />

8.8 Checkliste für das Vermitteln/Lernen von Fähigkeiten 118<br />

9. Erhöhen der Sicherheit 119<br />

9.1 Einschätzen der Chance für unsichere Situationen 1119<br />

9.2 Vorsorgemaßnahmen 120<br />

9.3 Reagieren in unsicheren Situationen 121<br />

9.4 Eingreifen bei körperlicher Gewalt 123<br />

9.5 Erhöhen der Sicherheit zusammengefasst 124<br />

10. Die Arbeitssituation des Familienmitarbeiters 125<br />

10.1 Der Kontakt mit dem Teamleiter 125<br />

10.2 Der Kontakt mit Kollegen 126<br />

10.3 Helfende Gedanken und Handlungen 127<br />

10.4 Umgang mit Unregelmäßigkeit und Erreichbarkeit 129<br />

10.5 Die Besonderheiten der Arbeitssituation zusammengefasst 130<br />

11


11. Der Abschluss des Arbeitsprozesses 131<br />

11.1 Der Abschluss der Arbeitsperiode mit der Familie 131<br />

11.1.1 Geplanter Abschluss der Arbeitsperiode 131<br />

11.1.2 Nicht geplanter Abschluss der Arbeitsperiode 132<br />

11.2 Die Folgehilfe 132<br />

11.3 Der Abschlussbericht 133<br />

11.3.1 Die Vorgehensweise 133<br />

11.3.2 Der Inhalt des Abschlussberichts für den Überweiser 134<br />

11.3.3 Der Inhalt des Begleitbriefs an die Familie 135<br />

11.4 Die FollowUp-Besuche bei der Familie 135<br />

11.4.1 Zeitpunkte und Ziele 135<br />

11.4.2 Die Vorgehensweise 136<br />

11.4.3 Die Möglichkeiten des Familienmitarbeiters anlässlich des FollowUp-<br />

Besuches 136<br />

11.5 Checkliste zum Abschluss des Arbeitsprozesses 137<br />

Anlagen:<br />

1. Phaseneinteilung der Hilfe 139<br />

2. Hilfsformulare von Families First 142<br />

3. Das Formular 'Störende und helfende Gedanken' 154<br />

Literatur 156<br />

12


EINLEITUNG: EIN HANDBUCH FÜR<br />

FAMILIENMITARBEITER<br />

Die Arbeit als Familienmitarbeiter bei Families First stellt besondere Anforderungen an die<br />

Fähigkeiten und die Erreichbarkeit des Hilfeleistenden. Ein Familienmitarbeiter bietet einer<br />

Familie Hilfe, um die drohende Fremdplatzierung eines oder mehrerer Kinder zu<br />

verhindern. Oft geht es dabei auch um die Sicherheit innerhalb der Familie.<br />

Der Familienmitarbeiter benutzt die Krise, um bestehende Verhaltensmuster der<br />

Familienmitglieder zu verändern. Darum nimmt er innerhalb von 24 Stunden mit der<br />

Familie Kontakt auf und ist dann vier bis sechs Wochen lang Tag und Nacht für die Familie<br />

erreichbar. Das wichtigste Bestreben geht dahin, dass die Familie die Situation selbst wieder<br />

in die Hand nehmen kann und Fähigkeiten erlernt, mit den Problemen, die zu der Krise<br />

geführt haben, besser umzugehen. Families First bietet eine intensive Hilfe, weil der<br />

Familienmitarbeiter nie in mehr als zwei Familien gleichzeitig arbeitet und durchschnittlich<br />

zwischen zehn und fünfzehn Stunden pro Woche in der Familie verbringt. Meistens geht<br />

der Familienmitarbeiter vier oder fünfmal pro Woche zu der Familie nachhause. Die Zeiten<br />

werden mit der Familie abgesprochen und fallen zu einem großen Teil auf die<br />

Abendstunden oder das Wochenende. Ein Familienmitarbeiter gehört zu einem Team von<br />

fünf Familienmitarbeitern und einem Teamleiter, die sowohl tagsüber als auch abends und<br />

am Wochenende vom Familienmitarbeiter zu Rate gezogen werden können. Nach<br />

Abschluss der Hilfe für eine Familie überlegt der Familienmitarbeiter zusammen mit dem<br />

Teamleiter, ob eine Folgehilfe notwendig ist und wenn ja, wer diese Folgehilfe übernehmen<br />

kann.<br />

Die Entwicklung dieses Handbuchs<br />

Beim Start von Families First in den Niederlanden wurde eine erste Version dieses<br />

Handbuchs für den Gebrauch bei Schulungen von Teamleitern und Familienmitarbeitern<br />

erstellt. Dieses Handbuch basierte zu einem wesentlichen Teil auf Materialien des<br />

'Behavioral Science Institute' (Seattle). Das Material wurde durch Elemente von Methoden,<br />

die das Pädologische Institut entwickelt hat, ergänzt. Besonders das Kompetenzmodell und<br />

das systematische Erlernen von Fähigkeiten zur Erweiterung der Kompetenz sind wichtige<br />

Ergänzungen zum Families First-Programm aus den Vereinigten Staaten. Aufgrund der<br />

Erfahrungen mit den Demonstrationsprojekten wurde das Handbuch weiter ergänzt und<br />

systematisiert. Die Beispiele stammen aus der täglichen Praxis von Families First. Die<br />

Methode von Families First befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Dieses Handbuch<br />

ist also eine Momentaufnahme. Neue Erfahrungen und Einsichten von<br />

Familienmitarbeitern und Teamleitern sind willkommen und sollen so viel wie möglich bei<br />

einer folgenden Auflage berücksichtigt werden.<br />

Der Zusammenhang mit dem Training<br />

Der Aufbau dieses Handbuchs folgt dem des Basistrainings für neue Familienmitarbeiter.<br />

13


Bei diesem Training üben die Familienmitarbeiter zahlreiche Techniken und lernen, die<br />

entsprechenden Hilfsmittel einzusetzen. Wenn ein Familienmitarbeiter dann in der Praxis<br />

tätig ist, kann er dieses Handbuch als Nachschlagewerk benutzen und beispielsweise zum<br />

Üben der Techniken heranziehen. Dieses Handbuch gibt das Grundkonzept der von<br />

Families First angebotenen Hilfe wieder. Spezifische Themen wie sexueller Missbrauch oder<br />

Drogenkonsum von Eltern kommen nicht explizit zur Sprache. Allerdings haben<br />

Familienmitarbeiter zweimal im Jahr Gelegenheit, Workshops zu solchen Themen zu<br />

besuchen.<br />

Der Zusammenhang mit anderen Publikationen<br />

Families First hat ein kräftiges Konzept. Die Arbeitsweise des Familienmitarbeiters hängt<br />

eng mit anderen Programmteilen von Families First, die mehr auf die Organisation und die<br />

Qualitätsüberwachung gerichtet sind, zusammen. Anhand der Qualitätskriterien, die im<br />

Jahr 1996 aufgestellt wurden, beurteilen Familienmitarbeiter, Teamleiter und<br />

Programmleiter zusammen, ob die geleistete Hilfe mit den Zielsetzungen übereinstimmt.<br />

Im Handbuch für Teamleiter (1997) wird beschrieben, wie ein Teamleiter den Fortgang<br />

überwachen und zusammen mit dem Familienmitarbeiter Möglichkeiten und<br />

Problembereiche in einer Familie analysieren kann. Um die Qualität der von Families First<br />

geleisteten Hilfe zu ermitteln, finden auch regelmäßig externe Auswertungen statt. (Siehe<br />

'Programma-evaluatie'[Programm-Auswertung], Jagers, 1995 und Evaluatie-onderzoek<br />

Families First Nederland [Auswertungs-Untersuchung Families First Niederlande], Teil 1-4,<br />

Veerman, De Kemp und Ten Brink, 1996.) Die wichtigsten organisatorischen Aspekte von<br />

Families First werden in dem kurzen Artikel 'Het starten van een Families First-Projekt'<br />

[Der Beginn eines Families First-Projekts] (NIZW, 1996) beschrieben.<br />

Gebrauch für andere Ziele<br />

Hilfeleistende und Begleiter anderer Formen intensiver häuslicher Betreuung finden in<br />

diesem Handbuch vielleicht Elemente, die sie in ihre eigene Methode integrieren möchten.<br />

Das Handbuch bietet ihnen die Beschreibung der Techniken und Hilfsmittel.<br />

Hilfeleistenden, die diese Techniken und Hilfsmittel anwenden möchten, wird allerdings<br />

nachdrücklich geraten, es nicht beim Lesen zu belassen, sondern vor dem praktischen<br />

Einsatz an einem Training teilzunehmen. Der Hintergrund der Methoden von Families<br />

First und anderes, wie Qualitätsüberwachung, Organisation und Forschung werden in<br />

einem eigenen Buch, das in Kürze in den Niederlanden erscheinen soll, beschrieben. Dieses<br />

Buch wird auch mehr als dieses Handbuch es vermag, als Inspirationsquelle für<br />

Methodenentwickler und zugleich zum Unterricht für Fachhochschulstudenten dienen<br />

können.<br />

Aufbau des Handbuchs<br />

Im ersten Kapitel wird das Grundkonzept von Families First beschrieben: die Philosophie<br />

und die theoretischen Modelle, auf denen das Programm basiert.<br />

Kapitel 2 behandelt die erste Phase der Hilfe: Aufbau einer Arbeitsbeziehung mit der<br />

14


Familie, Sammeln und Analysieren von Informationen und Aufstellen von Zielen und<br />

Arbeitspunkten. Kapitel 3 widmet sich Beobachtungs- und Gesprächstechniken.<br />

In den Kapiteln 4,5 und 6 werden die Techniken, die Familienmitarbeiter einsetzen können<br />

um die Kompetenz der Familie zu erweitern, beschrieben. Das sind nacheinander<br />

Techniken zum: Erlernen von Fähigkeiten, Lösen von Problemen und Beeinflussen von<br />

Gedanken und Gefühlen.<br />

Kapitel 7 behandelt die praktische und materielle Hilfe, die die Familienmitarbeiter der<br />

Familie geben können.<br />

In Kapitel 8 wird beschrieben, wie der Familienmitarbeiter Einblick in die<br />

Erziehungsfähigkeiten der Eltern gewinnen und wie er sie erweitern kann.<br />

In Kapitel 9 werden die Möglichkeiten des Familienmitarbeiters zur Erhöhung der<br />

Sicherheit innerhalb der Familie erläutert.<br />

In Kapitel 10 steht dann die Arbeitssituation des Familienmitarbeiters zentral.<br />

Kapitel 11 schließlich widmet sich dem Abschluss des Arbeitsprozesses mit der Familie.<br />

Er/sie<br />

Im Hinblick auf die Lesbarkeit werden der Familienmitarbeiter, der Teamleiter, der<br />

Überweiser, ein Elternteil, das Familienmitglied und das Kind in der männlichen Person<br />

beschrieben. Selbstverständlich beziehen sich die Beschreibungen auch auf Frauen und<br />

Mädchen.<br />

15


1 DAS GRUNDKONZEPT VON<br />

"FAMILIES FIRST"<br />

Families First geht von mehreren Ausgangspunkten aus, die insgesamt als die Philosophie<br />

des Programms betrachtet werden können. Eine der wichtigsten Stützen der Philosophie<br />

von Families First ist die Überzeugung, dass eine Familie durch Erweiterung ihrer<br />

Kompetenzen in der Lage ist, ihre Probleme selbst zu lösen. Um festzustellen, was die<br />

einzelnen Mitglieder einer Familie genau lernen müssen, um mit ihren Problemen besser<br />

umgehen zu können, bedient sich Families First des Kompetenzmodells. Mithilfe dieses<br />

Modells wird sowohl für die Familie als Ganzes als auch für die einzelnen<br />

Familienmitglieder eine Analyse erstellt, aus der hervorgeht, warum und wie das<br />

Gleichgewicht zwischen den Aufgaben und Fähigkeiten der Familienmitglieder gestört ist<br />

und wie das Gleichgewicht wieder hergestellt werden kann. Das Erlernen neuer Fähigkeiten<br />

ist eine Methode, das Gleichgewicht wieder herzustellen.<br />

Die Techniken, die Families First dabei anwendet, basieren auf der Lerntheorie. Diese<br />

Theorie bietet verschiedene Erklärungsansätze dafür, wie Menschen ein bestimmtes<br />

Verhalten erlernen. Dieser Theorie bedient sich Families First auch bei der Problemanalyse.<br />

1.1 DIE PHILOSOPHIE VON FAMILIES FIRST<br />

Kinder gedeihen am besten in einer Familie.<br />

Families First ist darauf ausgerichtet, Kinder solange wie möglich in der Familie zu belassen<br />

unter der Bedingung, dass ihre körperliche und seelische Sicherheit gewährleistet ist. Das<br />

Aufwachsen in der natürlichen Umgebung einer Familie hat viele Vorteile: eine Familie<br />

bietet einem Kind Kontinuität, Stabilität, Schutz und dauerhafte Bindungsmöglichkeiten. In<br />

einer gutfunktionierenden Familie kann ein Kind viel lernen.<br />

Die Sicherheit des Kindes innerhalb der Familie steht im Vordergrund.<br />

Bei der Entscheidung, eine Familie in einer Krisensituation bei Families First aufzunehmen,<br />

steht die Sicherheit des Kindes innerhalb der Familie im Vordergrund. Ist der<br />

Familienmitarbeiter durch seine Anwesenheit und Erreichbarkeit in der Lage, die Sicherheit<br />

des Kindes zu garantieren? Und was kann die Familie lernen, um die Sicherheit des Kindes<br />

langfristig zu garantieren?<br />

In jeder Familie gibt es Möglichkeiten für Veränderung<br />

Families First bietet jeder Familie, die die Anmeldekriterien erfüllt, Hilfe. Während der<br />

Arbeit mit der Familie in der eigenen häuslichen Umgebung werden die<br />

Veränderungsmöglichkeiten untersucht.<br />

Families First ist auf das Verstärken der positiven Kräfte innerhalb der Familie<br />

gerichtet.<br />

Durch die Arbeit mit Families First wird bei den Familienmitgliedern das Vertrauen<br />

16


aufgebaut und verstärkt, Einfluss auf ihr eigenes Leben und das Funktionieren der Familie<br />

nehmen zu können. Darum liegt das Augenmerk auf der Kompetenzerweiterung: Erlernen<br />

von Fähigkeiten, Benennen und Aktivieren von Kräften innerhalb und außerhalb der<br />

Familie und Aufgabenerleichterung. Positive Kräfte in der Familie zu verstärken wird<br />

'empowerment' genannt: eine Familie muss die Kraft erlangen, selber auszuwählen und<br />

eigene Entscheidungen zu treffen. Außerdem müssen die Familienmitglieder ausgerüstet<br />

werden, diese Entscheidungen so kompetent wie möglich auszuführen.<br />

Families First respektiert die Normen und Werte, mit denen die Familie lebt.<br />

Eine Familie wählt die Art und Weise, wie sie leben will, selbst, solange die Sicherheit der<br />

Familienmitglieder garantiert ist. Ein Familienmitarbeiter drängt der Familie seine eigenen<br />

Normen und Werte nicht auf.<br />

Familienmitglieder haben den Willen zur Veränderung.<br />

Wenn Familienmitglieder einander etwas antun, ist durchweg nicht die Rede von<br />

vorsätzlichem Handeln. Die Fehler der Familienmitglieder sind nicht bösem Willen<br />

zuzuschreiben, sondern einem Defizit an Fähigkeiten. Das bietet Anknüpfungspunkte, um<br />

alternatives Verhalten anzubieten und neue Fähigkeiten anzulernen.<br />

Eine Krise bietet zusätzliche Möglichkeiten für Veränderung.<br />

Von einer Krise wird in einer Situation gesprochen, in der alte Gewohnheiten nicht<br />

ausreichen, um aktuelle Probleme adäquat zu lösen. Eine Krise impliziert, dass bei einem<br />

oder mehreren Familienmitgliedern der Wille besteht, die Situation zu verändern. Eine<br />

Krise motiviert Familienmitglieder zu handeln.<br />

1.2 DIE CHARAKTERISTIKA VON FAMILIES FIRST<br />

Die Überzeugungen von Families First führen zu den folgenden Charakteristika der konkret<br />

geleisteten Hilfe:<br />

Families First reagiert unmittelbar auf eine Krise.<br />

Innerhalb von 24 Stunden nach der Anmeldung nimmt der Familienmitarbeiter mit der<br />

Familie Kontakt auf. Eine so schnelle Reaktion ist notwendig, weil eine Familie in einer<br />

Krise motiviert ist, mit neuen Verhaltensmustern zu experimentieren und für Hilfe von<br />

außen offen ist. Der Familienmitarbeiter hilft der Familie beim Lösen der Krise und<br />

probiert dabei von Anfang an, die Kompetenz der Familie zu erweitern.<br />

Die Probleme und Ziele, die die Familie angibt, sind der Ausgangspunkt.<br />

Die Motivation der Familienmitglieder wird größer, wenn die Probleme, die sie erleben und<br />

die Ziele, die sie erreichen wollen, zentral stehen. Wenn die Probleme und<br />

Veränderungswünsche soviel wie möglich in ihren eigenen Worten formuliert werden,<br />

erkennen die Familienmitglieder sie als ihre eigenen Probleme und Wünsche. Außerdem<br />

erfahren sie so, dass sie Einfluss auf ihre eigene Situation ausüben können.<br />

17


Die Hilfe wird in der unmittelbaren Umgebung der Familie geleistet.<br />

Die Hilfeleistung zuhause, in der Nachbarschaft, in der Schule, oder am Arbeitsplatz der<br />

Familienmitglieder hat viele Vorteile. Auch Familienmitglieder, die zunächst nicht<br />

mitarbeiten wollen, werden dadurch erreicht. Wenn sie sehen, wie der Familienmitarbeiter<br />

vorgeht, ändern sie oft ihre Meinung. Dadurch dass er in der unmittelbaren Umgebung der<br />

Familie arbeitet, erhält der Familienmitarbeiter auch einen guten Einblick in das<br />

Funktionieren der Familie und die Möglichkeiten und Grenzen der Umgebung. Für die<br />

Mitglieder der Familie bedeutet das, auf vertrautem Gebiet zu bleiben und die neuen<br />

Fähigkeiten in ihrer alltäglichen Umgebung zu erlernen und anzuwenden. Das erhöht die<br />

Chance, dass sie die neuen Fähigkeiten auch in anderen Situationen gebrauchen. Außerdem<br />

kann der Familienmitarbeiter besser verfolgen, ob und wie die neuen Fähigkeiten eingesetzt<br />

werden.<br />

Der Familienmitarbeiter ist für die Familie vierundzwanzig Stunden am Tag zur<br />

Beratung erreichbar.<br />

Die Familie kann den Familienmitarbeiter jederzeit mit Fragen und Problemen anrufen.<br />

Wenn die Situation aus der Kontrolle gerät, geht der Familienmitarbeiter zur Familie hin.<br />

Die ständige Erreichbarkeit des Familienmitarbeiters gibt den Familienmitgliedern<br />

Sicherheit und erhöht die Bereitschaft, mit den neuen Verhaltensweisen zu<br />

experimentieren. In der Praxis kommt es sehr selten vor, dass Familien abends und noch<br />

weniger, dass sie nachts mit dem Familienmitarbeiter Kontakt suchen.<br />

Die Hilfe von Families First ist intensiv und weiträumig einsetzbar.<br />

Die Hilfeleistung konzentriert sich auf eine kurze Periode von vier bis sechs Wochen. Der<br />

Familienmitarbeiter begleitet nie mehr als zwei Familien gleichzeitig und kann dadurch<br />

einer Familie sehr viel Zeit zuwenden. Die Zeit, die ein Familienmitarbeiter einer Familie<br />

zuwendet, variiert zwischen fünf und zwanzig Stunden pro Woche, abhängig von den<br />

Bedürfnissen der Familie. Durch diesen intensiven Ansatz geht wenig Zeit damit verloren<br />

sich auszusprechen, und es kann gleich mit dem Erlernen der Fähigkeiten begonnen<br />

werden. Außerdem kann der Familienmitarbeiter gefährliche und komplizierte Situationen<br />

besser einschätzen und hat besseren Einblick in die Forderungen der Familienmitglieder.<br />

Das Augenmerk liegt auf der Kompetenzerweiterung.<br />

Der Familienmitarbeiter versucht, die Kompetenz der Familie zu erweitern, indem er ihnen<br />

auf verschiedenen Gebieten neue Fähigkeiten vermittelt, wie Erziehung, mit Stress<br />

umgehen, die Haushaltskasse führen, soziale Kontakte unterhalten und Telefongespräche<br />

führen. Die Wahl der Fähigkeiten und die Methode sie zu erlernen, werden auf die<br />

individuellen Familienmitglieder und die Familie als Ganze abgestimmt.<br />

Der Familienmitarbeiter bietet praktische und materielle Hilfe.<br />

Um die Aufgaben der Familienmitglieder zu erleichtern, bietet der Familienmitarbeiter<br />

praktische Hilfe, beispielsweise indem er einkaufen geht, eine Stunde auf die Kinder<br />

18


aufpasst oder hilft, die Küche zu putzen. Für materielle Hilfe verfügt Families First über ein<br />

festes Budget, das Arbeitsgeld, das zur Lösung akuter Probleme benutzt werden kann.<br />

1.3 DAS KOMPETENZMODELL<br />

Kompetenz ist das Maß, in dem das Verhalten von jemand während der Aufgaben, die Teil<br />

des täglichen Lebens sind, als adäquat beurteilt wird (Slot, 1988). Adäquates Verhalten<br />

befähigt jemanden, in seiner Umgebung gut zu funktionieren. Inadäquates Verhalten ist<br />

schädlich für die Person und ihre Umgebung. Was 'adäquat' und 'inadäquat' ist, liegt nicht<br />

objektiv fest, hat aber teilweise mit den Normen unserer Gesellschaft zu tun.<br />

Jemand wird als kompetent angesehen, wenn ein Gleichgewicht besteht zwischen den<br />

Aufgaben, vor die er gestellt wird, und den Fähigkeiten, die er besitzt um sie zu bewältigen.<br />

Es sind Aufgaben, vor die jemand in seinem täglichen Kontakt mit der Gesellschaft gestellt<br />

wird.<br />

Fähigkeiten sind sogenannte aufgabenspezifische Verhaltensrepertoirs, oder:<br />

Verhaltensmuster, die nötig sind, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Wenn es an<br />

Kompetenz fehlt, kann das sowohl durch Fähigkeitsdefizite als auch durch zu schwere<br />

Aufgaben verursacht sein. Mithilfe des Kompetenzmodells kann untersucht werden, wo die<br />

Ursache für die Inkompetenz genau liegt. Kompetenz ist zeit- und situationsgebunden: vor<br />

welche Aufgaben eine Familie gestellt wird, hängt großenteils von der Gesellschaft und der<br />

(Sub)Kultur ab, in der eine Familie lebt.<br />

1.3.1 Entwicklungsaufgaben<br />

Kompetenz ist nicht nur zeit- und situationsgebunden, sondern auch abhängig von der<br />

Entwicklungsphase, in der sich jemand befindet. Jede Entwicklungsphase bringt eine<br />

Anzahl Entwicklungsaufgaben mit sich, die zum Alter gehören. So gelten für Kinder andere<br />

Entwicklungsaufgaben als für Heranwachsende. Auch die Entwicklungsaufgaben für Eltern<br />

von jungen Kindern und Eltern von Heranwachsenden können unterschieden werden.<br />

Entwicklungsaufgaben sind auf 'durchschnittliche' Kinder abgestimmt, Jugendliche und<br />

Eltern in unserer gegenwärtigen niederländischen Gesellschaft. Für Kinder, Jugendliche und<br />

Eltern in abweichenden Umständen können bestimmte Aufgaben besonders schwierig sein<br />

und kann von mehr Entwicklungsaufgaben gesprochen werden. Zu denken ist zum Beispiel<br />

an Kinder, die mit unterschiedlichen kulturellen Perspektiven zu tun haben, weil ihre Eltern<br />

einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund haben.<br />

Entwicklungsaufgaben für Kinder<br />

Für Kinder im Grundschulalter (4 bis 12 Jahre) können folgende Entwicklungsaufgaben<br />

unterschieden werden (Slot und Spanjaard, 1996):<br />

- Rücksichtnahme auf andere: Urteilsbildung und Planung von Handlungen auch<br />

aufgrund von Interessen anderer;<br />

- Unabhängigkeit: Vergrößern der Unabhängigkeit hinsichtlich der Eltern oder anderer<br />

Erziehungspersonen;<br />

- Unterricht: Teilnahme am Basisunterricht, um die Fähigkeiten und Kenntnisse zu<br />

19


erhalten, die nötig sind, um im Zusammenleben funktionieren zu können;<br />

- Freundschaften: Anknüpfen und Aufrechterhalten (freundschaftlicher) Kontakte mit<br />

Gleichaltrigen;<br />

- Verantwortung zuhause: Übernehmen von Teilverantwortung zuhause und für kleine<br />

Geschwister;<br />

- Gebrauch basaler Infrastrukturen: selbständig Gebrauch machen von basalen<br />

infrastrukturellen Einrichtungen wie öffentlicher Personennahverkehr, Geldsysteme,<br />

Kommunikationsmittel, Freizeiteinrichtungen;<br />

- Sicherheit und Gesundheit: Entscheidungen treffen können bezüglich der eigenen<br />

Sicherheit und Gesundheit.<br />

Entwicklungsaufgaben für Heranwachsende<br />

Für Heranwachsende (12 bis 18 Jahre) gelten folgende Entwicklungsaufgaben (De Wit, Van<br />

der Veer en Slot, 1995):<br />

- Veränderte Beziehungen in der Familie: Aufrechterhalten oder Verbessern der<br />

Bindung zu den Eltern und Geschwistern und auch Entwickeln von Selbständigkeit<br />

und Entscheidungsfähigkeit;<br />

- Unterricht und Arbeit: Teilnahme an Ausbildung und Arbeit, eigene Entscheidungen<br />

für die Zukunft treffen bezüglich Ausbildung und Arbeit;<br />

- Freizeit: die Zeit, in der man nichts zu tun hat -keine Schule, Arbeit oder Aufgaben<br />

zuhause-, sinnvoll ausfüllen;<br />

- Autorität: Herangehen an Kommunikation mit verschiedenen Autoritäten, wie<br />

Lehrkraft, Vormund, Polizei, Schalterbeamte usw.;<br />

- Gesundheit und Aussehen: Für Körper und Gesundheit sorgen, Krankheiten<br />

vorbeugen, safer sex;<br />

- Freundschaften und soziale Kontakte: Aufbau und Aufrechterhalten von<br />

Freundschaften, sich zwischen Freunden entscheiden, Unterschiede machen zwischen<br />

Freunden und sozialen Kontakten;<br />

- Intimität und Sexualität: Gestalten und Aufrechterhalten von intimen und sexuellen<br />

Beziehungen.<br />

Entwicklungsaufgaben für Eltern mit jungen Kindern<br />

Für Eltern mit jungen Kindern sind folgende Entwicklungsaufgaben zu unterscheiden:<br />

- Beziehung: Entwickeln einer Beziehung, die den Bedürfnissen nach Autonomie und<br />

Verbundenheit beider entgegenkommt und die den Bedürfnissen der Kinder nach<br />

einer Beziehung zu den Eltern genügend Raum gibt;<br />

- Sexualität: Gestalten einer sexuellen Beziehung, die beider Bedürfnissen<br />

entgegenkommt und Umgehen mit eventuellen sexuellen Beziehungen (eines von<br />

beiden) mit Dritten;<br />

- Laufbahn: Entscheidung, eine Laufbahnperspektive zu realisieren, die den eigenen<br />

Ambitionen und Möglichkeiten gerecht wird, sowie den Ambitionen des Partners<br />

und den finanziellen Bedürfnissen der Familie;<br />

20


- Eltern: Neugestalten der Beziehung zu den (Schwieger)Eltern;<br />

- Freundschaft und soziale Kontakte: Aufbauen und Aufrechterhalten von Kontakten<br />

zu Geschwistern und anderen Familienmitgliedern, Bekannten und Freunden von<br />

beiden Seiten;<br />

- Finanzen und Haushaltsführung: Verantwortung übernehmen und die<br />

Aufgabenverteilung hinsichtlich der Finanzen, des Haushaltens und des Umgangs mit<br />

allerlei Instanzen und Bestimmungen;<br />

- Erziehung: Verantwortung übernehmen und Aufgabenverteilung hinsichtlich der<br />

Kindererziehung.<br />

Obwohl kein Unterschied zwischen Aufgaben für Männer und Aufgaben für Frauen<br />

gemacht wurde, heißt das nicht, dass die beschriebenen Aufgaben für beide dieselbe<br />

Bedeutung haben. Das Unterhalten persönlicher Freundschaften ist für junge Mütter oft<br />

schwieriger als für Väter. Hingegen spielt die Frau in Familien mit einer mehr traditionellen<br />

Aufgabenteilung oft eine größere Rolle bei der Pflege von Kontakten mit der Familie und<br />

gemeinsamen Freunden und Bekannten.<br />

1.3.2 Faktoren, die die Kompetenz beeinflussen<br />

Ob jemand seine Entwicklungsaufgaben gut erfüllen kann, hängt von Faktoren ab, die seine<br />

Kompetenz positiv oder negativ beeinflussen.<br />

Faktoren, die die Kompetenz positiv beeinflussen:<br />

Belastungsfähigkeit<br />

Hiermit werden die individuellen Eigenschaften angedeutet, dank derer sich jemand<br />

erfolgreich anpassen kann, trotz Risiken und Rückschlägen. Vorbilder für<br />

Belastungsfähigkeit sind: gute Laune einstreichen, ein positives Selbstbild, Intelligenz und<br />

Selbstvertrauen, wodurch jemand das Gefühl hat, dass Schwierigkeiten überwunden werden<br />

können.<br />

Schützende Faktoren<br />

Dies sind Aspekte in der Umgebung des Individuums, die es vor Risiken und Rückschlägen<br />

schützen. Beispiele positiver Faktoren in der direkten Umgebung sind: ein nettes Haus, eine<br />

gute Beziehung zum Partner, gute Freunde. Beispiele in breiterem Kontext sind: Chancen<br />

auf Ausbildung oder Arbeit und unterstützende Erwachsene in der Nähe, wie etwa<br />

freundliche Nachbarn.<br />

Faktoren, die die Kompetenz negativ beeinflussen<br />

Stressverursachende Umstände und Ereignisse<br />

Ein Stressor ist ein Ereignis oder eine Aneinanderreihung von Ereignissen, die als<br />

bedrohlich erfahren werden und zu Reaktionen wie Angst, Widerwillen, Schuld und<br />

Verdruss führen. Vorbilder für Stressoren sind: Tod eines geliebten Menschen, Scheidung<br />

der Eltern, Bedrohung auf der Straße.<br />

21


Chronische Stressoren führen zu zusätzlichen Aufgaben im täglichen Leben. Beispiele für<br />

chronische Stressoren sind: eine zu schwierige Schule, Langzeitarbeitslosigkeit und eine<br />

schlechte Wohnsituation.<br />

Ob ein stressiger Umstand oder ein stressiges Ereignis auch Stress verursachen, hängt davon<br />

ab, wie diese Ereignisse und Umstände erlebt oder interpretiert werden. Aus diesem Grund<br />

werden unter stressverursachenden Ereignissen auch Phänomene verstanden, deren<br />

negativer Einfluss objektiv nicht groß zu sein braucht, die aber von den Betroffenen doch<br />

als stressig oder bedrohlich erfahren werden. Meistens führt eine Anhäufung<br />

stressverursachender Ereignisse zu Problemen.<br />

Pathologie<br />

Unter Pathologie wird verstanden: Ein innerhalb der geltenden Kultur ungebräuchliches<br />

Verhaltensmuster, das mit Leid einhergeht, beispielsweise in Form von Angst, Schmerz oder<br />

Verdruss bei der Person selbst oder bei anderen, ein weniger gutes Funktionieren und ein<br />

größeres Risiko, um mit Leid, Tod oder Freiheitsverlust in Berührung zu kommen. Die<br />

störenden Verhaltensweisen können Bezug haben auf Stimmungen, Kognitionen und<br />

Perzeptionen. Beispiele sind: Schizophrenes Verhalten, Neurosen, Angststörungen,<br />

Depressionen, Verhaltensstörungen wie ADHD (Konzentrations- und<br />

Hyperaktivitätsstörungen) und unsoziale Verhaltensstörung.<br />

Pathologie<br />

Stressverursachende<br />

Ereignisse<br />

Entwicklungsaufgaben<br />

Fähigkeiten<br />

Belastungsfähigkeit<br />

Schützende<br />

Faktoren<br />

Die sechs Elemente von Kompetenz<br />

1.3.3 Kompetenz-Analyse<br />

Befindet sich eine Familie in einer Krisensituation, gibt es Probleme, die die Familie selbst<br />

nicht lösen kann. Es wird dann von Inkompetenz gesprochen, denn die Fähigkeiten sind<br />

unzureichend für die alltäglichen Aufgaben der Familie. Bei einer Kompetenzanalyse<br />

werden von jedem Familienmitglied einerseits die Aufgaben, die Fähigkeiten, der Einfluss<br />

schützender Faktoren und die Belastungsfähigkeit und andererseits der Einfluss von<br />

Stressoren und Pathologie näher untersucht. Um zu analysieren, inwieweit ein<br />

Familienmitglied ein kompetentes oder inkompetentes Verhalten zeigt, wird also nicht nur<br />

auf die 'Probleme' geschaut, wie Aufgabenbelastung, Pathologie, Fähigkeitsdefizite und<br />

Stressoren, sondern gerade auch auf potentielle Stärken wie Fähigkeiten, schützende<br />

22


Faktoren, Belastungsfähigkeit und Möglichkeiten zur Aufgabenerleichterung. Dies ist<br />

wichtig, um zu bestimmen, worauf sich die Hilfe richten muss.<br />

Analyse der Aufgaben und Fähigkeiten.<br />

Bei der Analyse von Aufgaben und Fähigkeiten werden folgende Fragen gestellt:<br />

- Versucht das Familienmitglied die Entwicklungsaufgaben, die bezeichnend sind für<br />

die Lebensphase, in der es sich befindet, zu erfüllen?<br />

- Gibt es Entwicklungsaufgaben, die für das Familienmitglied vielleicht besonders<br />

schwer sind?<br />

- Läßt das Familienmitglied ausreichende Fähigkeiten erkennen, um die<br />

Entwicklungsaufgaben zu erfüllen?<br />

Die Analyse von Aufgaben und Fähigkeiten kann folgendermaßen erweitert werden:<br />

- analysieren, welche Umgebungsfaktoren bestimmen, dass eine bestimmte<br />

Entwicklungsaufgabe vermieden wird oder dass eine Aufgabe gerade erleichtert wird;<br />

- bei der Analyse der Fähigkeiten eines Familienmitglieds für eine bestimmte<br />

Entwicklungsaufgabe nachgehen, inwieweit diese Fähigkeiten auch für andere<br />

Entwicklungsaufgaben eingesetzt werden können. Diese Fähigkeit wird dann im<br />

weiteren Verlauf als 'starker Punkt' des Familienmitglieds bezeichnet. Das wirkt sehr<br />

motivierend.<br />

Analyse von Belastungsfähigkeit und schützenden Faktoren<br />

Zur Analyse von Belastungsfähigkeit und schützenden Faktoren wird gefragt:<br />

- Gibt es schützende Faktoren die dem Familienmitglied helfen mit den Stressoren<br />

oder mit Pathologie und den daraus resultierenden Problemen umzugehen?<br />

- Sind in jüngster Zeit schützende Faktoren weggefallen? Gibt es positive Faktoren, die<br />

aktiviert werden können?<br />

- Spricht das Familienmitglied selbst von Belastungsfähigkeit? Können bestimmte<br />

Eigenschaften der Person aktiviert werden?<br />

Es ist nicht immer einfach, einen guten Einblick in die Belastungsfähigkeit und die<br />

schützenden Faktoren zu erhalten. Derjenige, der Hilfe sucht, denkt oft nicht in diesen<br />

Kategorien. Personen, die 'Freunde, auf die wir immer zurückgreifen können' genannt<br />

werden, erweisen sich in Wirklichkeit oft gerade als riskante Kontakte. Die Anstellung, die<br />

als geisttötende Arbeit abgetan wird, erweist sich bei genauerem Hinsehen als großer<br />

Beitrag zur Stabilität in jemandes Leben.<br />

Analyse von stressverursachenden Ereignissen und Pathologie<br />

Zur Analyse von stressverursachenden Ereignissen ist es wichtig, einen Unterschied zu<br />

machen zwischen Ereignissen, die 'objektiv' stressverursachend sind, und Ereignissen, die<br />

'subjektiv' als stressverursachend erfahren werden. Zur Analyse von Pathologie bestehen<br />

verschiedene Möglichkeiten. Manchmal hat der Überweiser darüber Informationen oder<br />

kann das Familienmitglied selbst nach Art, Ernst und Häufigkeit der Klagen und Probleme<br />

23


gefragt werden, und nach dem Zeitpunkt, an dem sie zuerst auftraten. Es ist auch wichtig,<br />

Einblick in die Umgebungsfaktoren zu erhalten, die beim Erlernen des inadäquaten<br />

Verhaltens und Vermeiden des adäquaten Verhaltens eine Rolle gespielt haben.<br />

Nachdem die Kompetenz jedes einzelnen Familienmitglieds getrennt aufgezeichnet wurde,<br />

können untereinander Verbindungen gezogen werden. Inkompetenz eines Elternteils kann<br />

zum Beispiel die Entwicklungsaufgaben der Kinder erschweren und zu<br />

stressverursachenden Ereignissen führen. Pathologie bei einem Kind kann ein<br />

stressverursachendes Ereignis für ein Elternteil sein, während die Belastungsfähigkeit eines<br />

Elternteils als schützender Faktor für das Kind gelten kann.<br />

1.3.4 Kompetenzerweiterung<br />

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Kompetenz von Familienmitgliedern zu erweitern.<br />

In der Praxis wird meistens eine Kombination gebraucht.<br />

Aufgabenerleichterung<br />

Eine wichtige Methode, wie innerhalb von Families First Aufgabenerleichterung stattfindet,<br />

ist die praktische und materielle Hilfeleistung vom Familienmitarbeiter. Indem Aufgaben<br />

erleichtert oder zeitweise abgenommen werden, erhält die Familie Gelegenheit, ihre<br />

Aufmerksamkeit auf andere Aufgaben zu richten.<br />

In einigen Fällen kann eine Aufgabe dadurch erleichtert werden, dass die Umgebung vorher<br />

'bearbeitet' wird. Zum Beispiel: Die Rückkehr eines Mädchens, das von zuhause<br />

weggelaufen ist, wird erleichtert, wenn mit den Eltern besprochen wurde, wie sie von ihrer<br />

Seite aus am besten reagieren.<br />

Aufgaben werden auch erleichtert, indem einem Familienmitglied deutlich gemacht wird,<br />

dass es eine Aufgabe zu unrecht zu seinen Aufgaben zählt, zum Beispiel: Ein Kind ist nicht<br />

dafür verantwortlich, wenn seine Eltern nicht zusammenbleiben. Manchmal genügt es für<br />

ein Familienmitglied, erklärt zu bekommen, was seine Aufgabe genau beinhaltet,<br />

beispielsweise welches Verhalten das Elternteil in einer bestimmten Entwicklungsphase von<br />

seinem Kind erwarten kann.<br />

Aufgabenerleichterung kann auch durch Unterteilung geschehen. Wenn ein<br />

Familienmitarbeiter zum Beispiel mit einer Mutter nacheinander die Schritte auflistet, die<br />

sie bei der Suche nach einer neuen Wohnung unternehmen kann, wirkt das eventuell<br />

aufgabenerleichternd.<br />

Oft stellen sich Familienmitglieder selbst die -zu schwere- Aufgabe, dass Probleme schnell<br />

gelöst werden müssen. Dadurch werden die Erwartungen sehr hoch geschraubt, mit allen<br />

Risiken, dass sie enttäuscht werden. Aufgabenerleichterung kann in diesem Fall erreicht<br />

werden, indem eine zeitliche Perspektive erstellt wird: kurzfristige, mittelfristige und<br />

langfristige Ziele.<br />

Einführen zusätzlicher oder neuer Aufgaben<br />

Inkompetentes Verhalten ist nicht immer auf zu schwere Aufgaben zurückzuführen,<br />

24


sondern kann auch eine Folge zu leichter Aufgaben sein. Wenn jemandes Aufgaben zu<br />

leicht sind, wird seine Entwicklung zu wenig stimuliert. Die Einführung zusätzlicher oder<br />

neuer Aufgaben kann in dieser Situation zur Kompetenz der betreffenden Person beitragen.<br />

Aufgabenbereicherung ist nicht dasselbe wie Aufgabenerschwerung. Bei<br />

Aufgabenbereicherung geht es darum, ein Balance zu finden zwischen der Schwierigkeit der<br />

Aufgabe und dem Reiz, die Aufgabe auszuführen. Zu einfache Aufgaben sind nicht schwer<br />

auszuführen, tragen aber auch nicht zur Verbesserung kompetenten Verhaltens bei. Zu<br />

schwierige Aufgaben sind oft belastend und haben zur Folge, dass jemand sie vermeidet.<br />

Ein Beispiel von Aufgabenbereicherung ist es, einem Jugendlichen mehr Verantwortung zu<br />

übertragen, die zu seinem Alter passt. Dadurch kann der Anreiz, die Aufgabe gut<br />

auszuführen, größer werden und die Chance unerwünschten Verhaltens kleiner.<br />

Erlernen von Fähigkeiten<br />

Erlernen von Fähigkeiten ist auch eine Art, die Kompetenz zu vergrößern. Abhängig von<br />

den Zielen, die sich in einer Familie stellen, ist das Erlernen dieser Fähigkeiten für eines<br />

oder für mehrere Familienmitglieder bestimmt. Fähigkeiten können auf verschiedene<br />

Entwicklungsaufgaben Bezug nehmen. Neue Fähigkeiten können auf dem Niveau von<br />

motorischem (beobachtbaren) Verhalten gelehrt werden. Auch Kognitionen und<br />

Emotionen können als Blickwinkel genommen werden. Die verschiedenen Techniken um<br />

Fähigkeiten zu vermitteln, werden in den Kapiteln 4 bis einschließlich 7 dieses Handbuchs<br />

beschrieben.<br />

Wegnahme oder Begrenzung des Einflusses von Stressoren<br />

Die Wegnahme oder Begrenzung des Einflusses von Stressoren ist auch eine Form der<br />

Aufgabenerleichterung. Zum Beispiel: Dafür sorgen, dass bei der Wohnungsbaugesellschaft<br />

schneller eine größere Wohnung zur Verfügung steht oder zusammen mit den Eltern nach<br />

einer Schule suchen, die für ihren Sohn besser geeignet ist. Manchmal ist es nicht so sehr<br />

notwendig, den Stressor wegzunehmen, als vielmehr einem Familienmitglied zu vermitteln,<br />

besser damit umzugehen. Zum Beispiel: Wenn eine Mutter eine Wohngegend gefährlich<br />

findet, kann zusammen mit Mutter und Tochter erarbeitet werden, wie der Einfluss des<br />

Stressors abnehmen kann.<br />

Verminderung des Einflusses von oder Lernen des Umgangs mit Pathologie<br />

Bei der Arbeit mit Familienmitgliedern, bei denen von Pathologie die Rede ist, ist es wichtig<br />

sich nicht direkt auf die Labels einzulassen, von Dritten oder Familienmitgliedern selbst<br />

gegeben werden. Es ist besser, die Probleme, die mit der Pathologie zusammenhängen,<br />

anhand verhaltensmäßiger Umschreibungen zu konkretisieren. Dies bietet oft<br />

Anknüpfungspunkte zur Kompetenzerweiterung. Familienmitarbeiter können mit<br />

Familienmitgliedern Fähigkeiten einüben, um mit Pathologie umzugehen. Zum Beispiel:<br />

Eine depressive Mutter kann lernen, ihrem Partner deutlich zu machen, in welchen<br />

Momenten sie Zeit für sich selbst braucht. Auch kann in Betracht gezogen werden, wie<br />

beispielsweise der Anschluss an eine Form psychatrischer Hilfe zustandegebracht werden<br />

kann.<br />

25


Schaffen und Benutzen schützender Faktoren<br />

Auf verschiedene Weisen kann man lernen, schützende Faktoren zu benutzen. Manchmal<br />

ist es mühsam, bestehende schützende Faktoren zu aktivieren oder zu verstärken. Zum<br />

Beispiel: Vater geht öfter mit einem Freund weg oder eine Lehrkraft wird gebeten,<br />

besonders aufmerksam zu sein, wenn ein Kind nicht zur Schule kommt. Manchmal ist es<br />

nötig, schützende Faktoren aktiv aufzusuchen, beispielsweise indem man ein Kind Mitglied<br />

in einem Fußballclub werden läßt oder Eltern mit einem süchtigen Sohn anregt, Kontakt<br />

mit Eltern in einer vergleichbaren Situation aufzunehmen.<br />

Erhöhen der Belastungsfähigkeit<br />

Die Belastungsfähigkeit einer Familie kann schon erhöht werden, indem man die<br />

Eigenschaften, die auf Belastungsfähigkeit hinweisen, benennt. Der Familienmitarbeiter<br />

kann die bestehende Belastungsfähigkeit erhöhen, indem er eine starke Seite eines<br />

Elternteils benennt und Feedback darauf gibt, wie er diese Eigenschaften anwendet. Um die<br />

bestehende Belastungsfähigkeit besser zu gebrauchen, ist es wichtig, die Situationen, in<br />

denen entsprechende Eigenschaften benutzt werden können, zu erkennen.<br />

1.4 DIE LERNTHEORIE<br />

Um die Kompetenz einer Familie zu erweitern, müssen Lernprozesse in Gang kommen, die<br />

zu einem anderen Verhalten führen. Eine wichtige allgemeine Frage ist dabei: Wie lernen<br />

Menschen ein bestimmtes Verhalten? Die Lerntheorie gibt Erklärungen dafür. Bei der<br />

Analyse von Problemen und dem Einüben von Fähigkeiten mit den Familienmitgliedern<br />

wendet der Familienmitarbeiter lerntheoretische Prinzipien an. In den Techniken von<br />

Families First sind vor allem Einsichten aus der operanten Lerntheorie, der sozialen<br />

Lerntheorie und der Selbstbestimmungstheorie verarbeitet.<br />

1.4.1 Das Erlernen von Verhalten<br />

Unter Verhalten wird verstanden: alles was eine Person tut, denkt und fühlt. Unter<br />

Verhalten fällt also nicht allein das sichtbare motorische (beobachtbare) Verhalten.<br />

Gedanken (Kognitionen) und Gefühle (Emotionen) werden auch zum Verhalten gezählt.<br />

Auch körperliche Prozesse, wie die Erhöhung des Herzschlags oder Erröten werden in der<br />

Lerntheorie als Verhalten angesehen. Verhalten wird gelernt. Das Lernen geschieht meistens<br />

nicht bewusst. Hierin unterscheidet sich der lerntheoretische Ausdruck 'lernen' vom<br />

alltäglichen Sprachgebrauch, wo lernen bedeutet: 'dafür sorgen, etwas bewusst zu wissen',<br />

zum Beispiel: "Hast du deine Erdkunde gelernt? Ja? Na, dann erzähl mir mal..."<br />

1.4.2 Die operante Lerntheorie<br />

In der operanten Lerntheorie wird davon ausgegangen, dass man Verhalten unter dem<br />

Einfluss seiner Umgebung erlernt. Wird in einer bestimmte Umgebung Verhalten<br />

andauernd oder regelmäßig belohnt, wird die betroffene Person dieses Verhalten immer<br />

öfter zeigen. Umgekehrt gilt, dass Verhalten in einer bestimmten Umgebung nicht mehr<br />

gezeigt wird, wenn es immer eine unangenehme Konsequenz hat. Das Erlernen oder<br />

26


Ablegen eines Verhaltens nach obenstehendem Prinzip hat eine deutliche Funktion: Die<br />

Person passt sich so an ihre Umgebung an, dass sie eine optimale Belohnung erhält und<br />

sowenig wie möglich auf unangenehme Folgen stößt. Die operante Lerntheorie wird in<br />

folgendem Schema wiedergegeben:<br />

S - R - C<br />

Das S steht für Stimulus. Damit wird die Umgebung angedeutet, in der das Verhalten<br />

stattfindet oder ein Ereignis, dass dem Verhalten vorangeht. Meistens gehen mehrere<br />

Stimuli dem Verhalten voran. Mit R (Respons - Antwort) wir das Verhalten gemeint und<br />

mit C die Konsequenz (Consequentie), die Folgen. Alles was auf das Verhalten folgt, wird in<br />

dieser Theorie als Konsequenz des Verhaltens betrachtet.<br />

Zur Illustration ein Beispiel:<br />

Stimulus<br />

Mutter sagt: "Jan, mach das Fernsehen aus, wir essen jetzt!"<br />

Respons:<br />

Jan fängt an zu schreien und ruft, dass er beim Fernsehen essen will.<br />

Konsequenz<br />

Mutter gibt nach und sagt: "O.K., dieses Mal ..."<br />

Jan lernt hier, dass er durch böse werden seinen Willen kriegt. Die Folge auf lange Sicht<br />

kann sein, dass er immer böse wird und nicht gehorcht, wenn seine Mutter sagt, dass das<br />

Fernsehen ausgeschaltet werden soll.<br />

Dieses Beispiel betrifft eine S-R-C - Reihe. In Wirklichkeit folgen stets mehrere S-R-C -<br />

Reihen aufeinander: Das Verhalten oder die Konsequenz der einen S-R-C - Reihe ist ein<br />

Stimulus für eine neue S-R-C - Reihe. Auf diese Weise werden S-R-S - Ketten gebildet. Im<br />

Folgenden wird illustriert, wie die Reaktion des Kindes (C) das Verhalten der Mutter lenkt.<br />

Stimulus<br />

Jan schreit und ruft, dass er fernsehen will<br />

Respons<br />

Mutter gibt nach und sagt: "O.K., dieses Mal .."<br />

Konsequenzen<br />

Jan hört auf, böse zu sein und zu schreien; das Essen verläuft ruhig, vor dem Fernsehapparat.<br />

In dieser S-R-C - Reihe hält die Reaktion des Kindes, nämlich aufhören mit<br />

unerwünschtem Verhalten, die (inadäquate) Reaktion des Elternteils aufrecht. Die<br />

langfristigen Folgen können sein, dass die Mutter öfter nachgibt, wenn Jan böse ist, weil sie<br />

damit eine ruhige Situation erreicht.<br />

Dieses Beispiel zeigt, wie unerwünschte Verhaltensweisen und wenig effektive Reaktionen<br />

schnell zur Gewohnheit werden und nicht leicht zu ändern sind.<br />

27


Verstärken und Abschwächen von Verhalten<br />

'Verstärken' bedeutet: Etwas, das als angenehm, nett oder stimulierend erfahren wird, auf<br />

ein Verhalten folgen zu lassen, wodurch das Verhalten an Häufigkeit, Intensität oder Dauer<br />

zunimmt. 'Verstärken' kann etwas Positives bedeuten, zum Beispiel ein Kompliment, eine<br />

Süßigkeit, ein Schulterklopfen. Ein Verstärker kann jedoch auch das Abhalten oder<br />

Wegnehmen von etwas Unangenehmen sein. "Nicht zum Zahnarzt müssen" ist<br />

durchgehend ein Verstärker.<br />

'Abschwächen' beinhaltet: Etwas, das als unangenehm, unfreundlich oder schädlich<br />

erfahren wird, auf ein Verhalten folgen zu lassen, wodurch das Verhalten an Häufigkeit,<br />

Intensität oder Dauer abnimmt. Meistens bedeutet 'Abschwächen' das Zufügen von etwas<br />

Unangenehmen, wie Missbilligung oder zusätzliche Aufgaben. Auch das Vorenthalten von<br />

etwas Nettem oder das nicht stattfinden lassen von etwas Angenehmen, womit der<br />

Betreffende gerechnet hat, ist eine Form von 'Abschwächen', zum Beispiel das Taschengeld<br />

einbehalten oder das Fernsehen ausschalten.<br />

Im Schema:<br />

zufügen<br />

wegnehmen<br />

angenehme 1. 2.<br />

Dinge verstärken abschwächen<br />

unangenehme 3. 4.<br />

Dinge abschwächen verstärken<br />

An diesem Schema wird deutlich, dass das, was gewöhnlich unter 'Belohnen' verstanden<br />

wird,nur mit Block 1. übereinstimmt. 'Strafe' fällt unter Block 3. Die Begriffe 'Verstärken'<br />

und 'Belohnen' bedeuten also nicht dasselbe; ebensowenig die Begriffe 'Abschwächen' und<br />

'Strafen'.<br />

Günstige und ungünstige Situationen<br />

Außer dem Unterschied in den Konsequenzen (Verstärker und Abschwächer) kann auch ein<br />

Unterschied zwischen günstigen und ungünstigen Situationen gemacht werden. Eine<br />

günstige Situation bedeutet, dass ein bestimmtes Verhalten verstärkt wird. Um<br />

herauszufinden, welche Situation für ein bestimmtes Verhalten günstig ist, muss man<br />

wissen, welche Verbindung zwischen dieser Situation und dem erwünschten Verhalten<br />

besteht. Die Frage: "Ist ein aufgeräumtes Zimmer eine günstige Situation?" kann nicht<br />

beantwortet werden. Man kann wohl sagen, dass ein aufgeräumtes Zimmer eine günstige<br />

Situation für das Verhalten 'etwas suchen' ist. Ein aufgeräumtes Zimmer stimuliert die<br />

Suche, weil die Chance auf eine positive Konsequenz, nämlich zu finden was man sucht,<br />

groß ist.<br />

28


Eine ungünstige Situation bedeutet, dass eine bestimmte Antwort (Respons) abgeschwächt<br />

wird.Wenn ein Kind zum Beispiel seinen Vater bittet, ihm etwas vorzulesen (Respons),<br />

währen der Vater Fußball guckt (Situation), dann ist die Chance groß, dass der Vater nein<br />

sagt (Konsequenz). Ein Familienmitarbeiter muss daher sowohl bei der Analyse, wie beim<br />

Einüben der Fähigkeiten ein Auge für die Situation haben, in der die Fähigkeiten<br />

angewendet werden.<br />

1.4.3 Die soziale Lerntheorie<br />

Ausgangspunkt für die soziale Lerntheorie ist, dass Verhalten auf der Basis von Modellen<br />

aus der Umgebung der Person erlernt wird. So übernehmen Kinder das Verhalten ihrer<br />

Eltern, die darin Modell stehen; manchmal bewusst, aber oft auch unbewusst. Kinder<br />

ahmen auch das Verhalten anderer Personen in ihrer Umgebung nach. Jemand, der nett<br />

und anziehend wirkt, wird eher nachgeahmt als jemand, der diese Merkmale nicht hat.<br />

Außerdem spielt Nähe eine Rolle: Eine Person, mit der sich jemand verwandt fühlt oder die<br />

ihm für sein Gefühl nahe steht, erfüllt eher die Rolle eines Modells, als eine Person, bei der<br />

das nicht der Fall ist. Weil es normal ist, dass jemand mal Fehler macht, erfüllt jemand, der<br />

nicht perfekt ist, mitunter mehr eine Modellfunktion als jemand, der immer alles perfekt<br />

macht. Ein Familienmitarbeiter von Families First benutzt Prinzipien der sozialen<br />

Lerntheorie, indem er Modelle für das gewünschte Verhalten einschaltet. Er kann zum<br />

Beispiel eine Mutter, die von der Sozialhilfe leben muss, anregen mit anderen Sozialhilfe-<br />

Müttern Kontakt aufzunehmen, um zu sehen wie diese mit ihrem Geld auskommen.<br />

Außerdem steht der Familienmitarbeiter auch selbst Modell, zum Beispiel indem er<br />

Verhalten vormacht. Auch durch die Art und Weise, wie er mit Familienmitgliedern<br />

umgeht, beispielsweise indem er Respekt zeigt oder jemanden aussprechen lässt, erfüllt der<br />

Familienmitarbeiter eine Modellfunktion. Es ist wichtig, dass sich der Familienmitarbeiter<br />

bei jedem Kontakt mit den Familienmitgliedern seiner Modellfunktion bewusst ist.<br />

1.4.4 Die Selbstbestimmungstheorie<br />

Die Selbstbestimmungstheorie geht davon aus, dass eine Person Einfluss auf ihr eigenes<br />

Verhalten hat, indem sie sich selbst Verstärker oder Abschwächer gibt. Das können<br />

materielle Verstärker oder Abschwächer sein, aber meistens haben sie die Form einer<br />

'inneren Rede'; etwas, das jemand zu sich selbst sagt. Zum Beispiel: Wenn eine Mutter das<br />

quengelige Verhalten ihres Kindes zu negieren versucht und jedesmal, wenn sie doch<br />

reagiert , denkt: 'Das gelingt mir nie, ich bin viel zu impulsiv', wirkt dieser Gedanke als<br />

Abschwächer ihres Versuchs, das quengelnde Verhalten konsequent zu negieren. Wenn die<br />

Mutter stattdessen zu sich selbst sagt: 'Ich habe gerade einen Fehler gemacht, aber ich muss<br />

mich noch daran gewöhnen; ich negiere die Quengelei schon viel öfter als am Anfang',<br />

dann besteht eine große Chance, dass ihr Versuch, das quengelnde Verhalten zu negieren,<br />

verstärkt wird.<br />

Bei der Selbstbestimmung sind drei Stadien zu unterscheiden:<br />

1 Das erste Stadium ist Selbstbeobachtung: das Beobachten eigenen Verhaltens, eigener<br />

29


Gefühle und Gedanken bevor jemand etwas daran ändern kann. Zum Beispiel: Jemand,<br />

der eine Anzahl Aktivitäten unternimmt um eine neue Stelle zu bekommen, muss eine<br />

Übersicht darüber haben, was alles er genau tut, wieviele Briefe er schreibt und wieviele<br />

Telefongespräche er führt, und wie er diese Aktivitäten ausführt, wie die Briefe aussehen<br />

und wie er sich während der Telefongespräche präsentiert.<br />

2 Das zweite Stadium ist die Selbsteinschätzung: Das Vergleichen des eigenen Verhaltens<br />

mit der Norm, die sich jemand selbst setzt. Zum Beispiel: Die bereits genannte Person hat<br />

als Norm, innerhalb einer Woche eine neue Stelle zu haben, aber realisiert aufgrund ihrer<br />

eigenen Erfahrungen, dass das in Wirklichkeit länger dauert.<br />

3 Das dritte Stadium ist Selbst-verstärken oder Selbst-abschwächen. Wenn sich bei der<br />

Selbsteinschätzung zeigt, dass jemand etwas gut gemacht hat, das heisst, das Verhalten<br />

befindet sich in Übereinstimmung mit seiner Norm oder übertrifft sie sogar, bekommt er<br />

ein gutes Gefühl. Er spricht sich in Gedanken selbst wohlwollend zu oder belohnt sich<br />

selbst, indem er sich beispielsweise selbst zu irgendetwas einlädt. Wenn das Verhalten die<br />

Norm, die sich jemand setzt, nicht erfüllt, bekommt er ein leidiges Gefühl oder er sagt<br />

etwas Abwertendes zu sich selbst. Die Chance ist groß, dass die Person ihr eigenes<br />

Verhalten abschwächt, weil sie der Norm, die sie sich selbst auferlegt hat, nicht genügt.<br />

1.5 DAS GRUNDKONZEPT VON FAMILIES FIRST ZUSAMMENGEFASST<br />

Families First basiert auf der Idee, dass es möglich, ist die Fremdplatzierung eines Kindes zu<br />

verhindern, indem in der Familie, die sich in einer Krisensituation befindet, eine kurze Zeit<br />

lang intensiv an der Kompetenzerweiterung der Familienmitglieder gearbeitet wird. Die<br />

Kompetenz einer Familie wird mithilfe des Kompetenzmodells analysiert. Darin sind die<br />

Faktoren angegeben, die die Balance zwischen den Aufgaben und den Fähigkeiten der<br />

Familienmitglieder positiv oder negativ beeinflussen.<br />

Families First erhöht die Kompetenz einer Familie einerseits dadurch, dass die Aufgaben<br />

erläutert werden und andererseits, indem Fähigkeiten eingeübt werden.<br />

Beim Vermitteln von neuen Verhaltensweisen wird von den Prinzipien der operanten<br />

Lerntheorie, der sozialen Lerntheorie und der Selbstbestimmungstheorie Gebrauch<br />

gemacht.<br />

30


2 DIE ERSTE PHASE DER HILFE<br />

Die Arbeitsperiode des Familienmitarbeiters in der Familie dauert bei Families First<br />

grundsätzlich 28 Tage und kann eventuell auf 42 Tage verlängert werden. Vor allem<br />

während der ersten vier Tage des Kontakts mit der Familie muss sehr viel zugleich<br />

geschehen. Die Krise muss angepackt werden, sodass sich die Familie beruhigt. Eine<br />

Arbeitsbeziehung muss aufgebaut werden. Der Familienmitarbeiter muss Einblick in die<br />

Kräfte und Problemfelder der Familie und in mögliche Lösungen erhalten.<br />

Die Informationen, die der Familienmitarbeiter sammelt, werden sorgfältig festgehalten<br />

und analysiert. Danach kann durch praktische und materielle Hilfe und das Erlernen neuer<br />

Fähigkeiten eingegriffen werden. In der Praxis wird häufig von einem Zyklus die Rede sein,<br />

der sich einige Male wiederholt. Eine Übersicht über die ganze Arbeitsperiode ist in Anlage<br />

1 zu finden.<br />

2.1 DER AUFBAU EINER ARBEITSBEZIEHUNG<br />

Der Aufbau einer Arbeitsbeziehung ist eines der ersten Dinge, mit denen der<br />

Familienmitarbeiter beginnt, aber es ist zugleich auch ein kontinuierlicher Prozess, vom<br />

dem der Familienmitarbeiter fortwährend Aufmerksamkeit erfordert. Um an der<br />

Erweiterung ihrer Kompetenz arbeiten zu können, müssen die Familienmitglieder dem<br />

Familienmitarbeiter vertrauen und etwas von ihm lernen wollen. Vom allerersten Kontakt<br />

mit der Familie an, muss der Familienmitarbeiter darauf achten. Auch in einem späteren<br />

Stadium sollte der Familienmitarbeiter die Arbeitsbeziehung beobachten, beispielsweise<br />

wenn er merkt, dass die Familie aufhören oder nicht mehr mitarbeiten will, wenn der<br />

Kontakt zwischen Familienmitarbeiter und Familie schlechter wird oder wenn Gefühle<br />

eskalieren.<br />

2.1.1 Sich Vorstellen per Telefon<br />

Der Aufbau einer Arbeitsbeziehung beginnt schon mit dem ersten telefonischen Kontakt<br />

mit der Familie. Nachdem die Familie zur Hilfe von Families First akzeptiert und der<br />

Familie ein Familienmitarbeiter zugewiesen worden ist, nimmt dieser telefonisch mit der<br />

Familie Kontakt auf. Wenn die Familie kein Telefon hat, geht der Familienmitarbeiter bei<br />

der Familie vorbei. Ziel dieses Kontakts ist es, sich selbst und Families First kurz<br />

vorzustellen und einen Termin für den ersten Besuch zu verabreden. Wenn der<br />

Familienmitarbeiter ein Kind oder einen anderen Erwachsenen als die Eltern am Telefon<br />

hat, fragt er immer nach den Eltern. Wenn diese nicht da sind, vereinbart der<br />

Familienmitarbeiter, wann er noch mal anruft.<br />

Beim ersten telefonischen Kontakt stellt sich der Familienmitarbeiter selbst vor und erzählt,<br />

von wem er die Anmeldung bei Families First erhalten hat. Danach erkundigt er sich, was<br />

die Familie von Families First weiß. Was hat der Überweiser erzählt? In diesem Stadium ist<br />

es wichtig, auf jeden Fall zu erzählen, dass Families First bezweckt, miteinander die<br />

Fremdplatzierung eines Kindes zu verhindern, indem zusammen an den Problemen der<br />

Familie gearbeitet wird. Die Familie muss auch wissen, dass die Arbeitsperiode mit der<br />

31


Familie etwa vier Wochen dauert, dass nur mit zwei Familien gleichzeitig gearbeitet wird<br />

und viel Zeit pro Familie zur Verfügung steht. Weiterhin muss bekannt sein, dass<br />

Verabredungen mit der Familie zu Zeitpunkten getroffen werden, an denen es den<br />

Familienmitgliedern passt, dass der Familienmitarbeiter zu der Familie nachhause kommt<br />

oder anderswohin, wenn eines der Familienmitglieder das wünscht. Schließlich ist noch<br />

wichtig, der Familie zu erzählen, dass Families First gratis ist. Ein nächster Schritt im<br />

Gespräch ist, herauszufinden, ob die Informationen bei den Erwartungen der Familie an<br />

Families First anschließen. Wenn das nicht der Fall ist, zeigt der Familienmitarbeiter<br />

Verständnis für die Ansicht des Familienmitglieds und schlägt beispielsweise vor, während<br />

des ersten Treffens weiterzusprechen und zu sehen was die Familie nötig hat. Danach wird<br />

die erste Verabredung getroffen, immer innerhalb von 24 Stunden nach der Anmeldung<br />

und also meistens am selben Tag wie der erste telefonische Kontakt. Der<br />

Familienmitarbeiter gibt seine Telefon- oder Semafonnummer durch für den Fall, dass<br />

etwas dazwischenkommt.<br />

Vorbereitung auf den telefonischen Kontakt<br />

Der erste telefonische Kontakt mit einer Familie kann sehr verschieden verlaufen. Das<br />

bedeutet oft mehr, als nur eine Verabredung zu treffen, und es ist daher wichtig, dass der<br />

Familienmitarbeiter Rücksicht darauf nimmt. Er sollte sich dabei in Ruhe hinsetzen und<br />

sich gut auf das Gespräch vorbereiten. Zum Beispiel kann die Vorstellung von Families First<br />

möglicherweise bereits soviele Reaktionen hervorrufen, dass der Familienmitarbeiter sofort<br />

damit beginnen muss zu beruhigen, indem er aktiv zuhört. Wenn sich ein Familienmitglied<br />

durch die 'Hilfeleistung' stark angegriffen oder beschuldigt fühlt, geht der<br />

Familienmitarbeiter nicht in die Verteidigung, sondern reflektiert die Gefühle des<br />

Familienmitglieds und sagt beispielsweise, dass derjenige auffallend böse ist oder dass er<br />

ihm ärgerlich erscheint. Wenn bei dem Telefongespräch klar wird, dass in der Familie eine<br />

kritische Atmosphäre herrscht, macht der Familienmitarbeiter am Telefon mit den<br />

Familienmitgliedern einen Plan, was sie tun sollen bis er da ist. Manchmal merkt der<br />

Familienmitarbeiter während des ersten Telefongesprächs, dass die Sicherheit eines oder<br />

mehrerer Familienmitglieder in Gefahr ist, beispielsweise weil im Hintergrund ein heftiger<br />

Streit zu hören ist. Um die Zeit zwischen dem telefonischen Kontakt und dem Eintritt in<br />

die Familie zu überbrücken, versucht er kurz ein Bild von der Situation zu bekommen und<br />

sie zu strukturieren. Der erste telefonische Kontakt mit der Familie gibt oft schon viele<br />

Informationen. Diese Informationen benutzt der Familienmitarbeiter um sich auf den<br />

Eintritt in die Familie vorzubereiten. Manchmal ist es anläßlich eines telefonischen<br />

Kontakts nötig, den Rat des Teamleiters einzuholen, beispielsweise bezüglich der<br />

Einschätzung der Sicherheit.<br />

2.1.2 Der erste direkte Kontakt mit der Familie<br />

Beim Eintritt in die Familie muss der Familienmitarbeiter dafür sorgen, zur vereinbarten<br />

Zeit am vereinbarten Ort zu sein, meistens bei der Familie zuhause. Ist er etwas zu früh,<br />

läutet er noch nicht, sondern nimmt die Gelegenheit wahr, sich in der Gegend, in der die<br />

32


Familie wohnt, umzuschauen. Danach läutet er und wartet bis die Tür geöffnet wird. Er<br />

stellt sich vor und fragt, ob er hereinkommen darf. Er wartet bis er gebeten wird, sich zu<br />

setzen, es sei denn, das dauert sehr lang; dann fragt er, ob er sich setzen darf. Er nimmt den<br />

angebotenen Kaffee an, auch wenn er eigentlich schon genug Kaffee getrunken hat. Der<br />

Familienmitarbeiter stellt eine entspannte Atmospäre her, indem er über in diesem<br />

Moment naheliegende Dinge spricht: das Wetter, seinen Weg dorthin, freundlicher,<br />

positiver Smalltalk. Danach erzählt er nochmals kurz, was Families First beinhaltet und<br />

fragt, welche Probleme der Anlass für die Anmeldung bei Families First waren. Er schließt<br />

bei Themen an, die die Familie oder ein Familienmitglied selbst angeben. Der<br />

Familienmitarbeiter muss sich über seine Position im Klaren sein. Der Überweiser hat<br />

beschlossen, dass eine Fremdplatzierung erfolgt, wenn sich nichts ändert. Der<br />

Familienmitarbeiter von Families First versucht das zusammen mit der Familie zu<br />

verhindern, indem sie miteinander an Veränderungen arbeiten. Er nennt dabei auch die<br />

Rolle der Berichterstattung. Er erzählt, dass er verpflichtet ist, alles was er über die Familie<br />

erfährt weiterzugeben, dass er das aber immer mit der Familie besprechen wird. Der<br />

Familienmitarbeiter hält sich zurück, die Ziele des Überweisers zu nennen. In dieser Phase<br />

geht es darum, bei den Zielen der Familie anzuschließen. Bei diesem ersten Gespräch muss<br />

deutlich werden, dass Families First Familien konkrete Hilfe bietet. Manchmal wird damit<br />

sofort begonnen. Der Familienmitarbeiter versucht, mit allen Familienmitgliedern Kontakt<br />

zu bekommen. Wenn Kinder da sind, spricht er mit ihnen oder setzt sich eben zu ihnen;<br />

wenn beispielsweise allerlei Sachen von Bayern München im Zimmer hängen, fragt er, von<br />

wem sie sind usw. Wenn nötig, versucht der Familienmitarbeiter, die Familie zu beruhigen.<br />

Zum Aufbau einer Arbeitsbeziehung ist es wichtig, dass ein Familienmitarbeiter Interesse<br />

und Engagement für das tägliche Leben der Familie zeigt. Die Arbeit des<br />

Familienmitarbeiters wird leichter, wenn die Familienmitglieder ihn auch nett und<br />

hilfsbereit finden.<br />

Die Haltung des Familienmitarbeiters<br />

Im Interesse der Arbeitsbeziehung hält sich der Familienmitarbeiter an eine Anzahl Regeln.<br />

Er verhält sich wie ein Gast und fragt bei allem was er tut um Zustimmung. Er trägt<br />

gepflegte Kleidung, aber sieht nicht übertrieben herausgeputzt aus. Er achtet auf seinen<br />

Sprachgebrauch. Der muss konkret sein und keine Labels oder Hilfeleistungsjargon<br />

enthalten. Er achtet auf seine Position und sorgt dafür, dass er der Familie nicht als Feind<br />

gegenübersteht. Er berücksichtigt mögliches Misstrauen angesichts der Hilfeleistung. Wenn<br />

Familienmitglieder schlechte Erfahrungen mit Hilfeleistenden gehabt haben, können sie<br />

sich allgemein von Hilfeleistenden angegriffen oder beschuldigt fühlen. Der<br />

Familienmitarbeiter strahlt Hoffnung aus. Er erzählt, dass diese Methode für vergleichbare<br />

Familien ein Gewinn war und legt Nachdruck darauf, dass bei Families First auf eine<br />

andere Weise gearbeitet wird als es die Familie gewöhnt ist. Die Familienmitglieder müssen<br />

von Anfang an möglichst viel Kontrolle über ihre Situation bekommen, beispielsweise<br />

indem sie selbst angeben, wo sie den Familienmitarbeiter treffen möchten, indem über die<br />

Themen, die sie herantragen, gesprochen wird, und indem keine Diskussion über die Frage<br />

33


egonnen wird, ob die Kinder fremdplatziert werden müssen oder nicht. Der<br />

Familienmitarbeiter dringt auch nicht auf die Anwesenheit aller Familienmitglieder bei<br />

jedem Besuch. Er betrachtet die Familienmitglieder als Experten von sich selbst, auch<br />

bezüglich der Veränderungen, die in der Familie möglich und nötig sind. Der<br />

Familienmitarbeiter versucht, die Familienmitglieder nett zu finden. Wenn er die<br />

Familienmitglieder nicht nett findet, merken sie das beispielsweise an non-verbalen<br />

Reaktionen und sind viel weniger kooperativ. Um Menschen nett zu finden, hilft es daran<br />

zu denken, dass jeder mal verärgert ist und Hilfe nötig hat, dass jeder in seinem eigenen<br />

Kontext und mit seinen Fähigkeiten im Prinzip sein Bestes tut und dass die Motive, aus<br />

denen heraus Menschen handeln, überwiegend positiv sind. Gewalt ist durchweg nicht böse<br />

gemeint, sondern resultiert aus einem Mangel an Selbstkontrolle und Fähigkeiten.<br />

2.1.3 Beruhigen der Familie<br />

Das Beruhigen der Familie ist ein wichtiger Teil beim Aufbau einer Arbeitsbeziehung. In<br />

einer Krisensituation fühlen sich Menschen verwirrt, haben sie das Gefühl, die ganze Welt<br />

gegen sich zu haben und fühlen sich unverstanden. Wenn man gut zuhört und die<br />

Probleme der Reihe nach durchgeht, kommen die Menschen zur Ruhe und fühlen sich<br />

verstanden, wodurch sie ihre Probleme oft besser in den Griff bekommen. Der<br />

Familienmitarbeiter versucht, eine Eskalation der Krisensituation zu verhindern. Läuft<br />

während eines Besuchs die Situation dermaßen aus der Hand, dass die Sicherheit in Gefahr<br />

ist, benutzt der Familienmitarbeiter spezielle Techniken zur Krisenintervention (siehe<br />

Kapitel 9). Dabei muss der Familienmitarbeiter darauf achten, die Fragen zu dosieren und<br />

Antworten durch Reflexion hervorzulocken. Der Familienmitarbeiter lässt die<br />

Familienmitglieder soviel wie möglich selbst Regie führen: Sie setzen sich dahin, wohin sie<br />

sich setzen wollen; sie beschließen, wer dabei ist; sie bestimmen selbst, ob das Fernsehen an<br />

ist; sie dürfen einander unterbrechen, usw. Der Familienmitarbeiter benutzt auch so wenig<br />

wie möglich Ausdrücke wie 'arbeiten mit', 'arbeiten an', 'Themen', 'trainieren', 'üben' und<br />

möglichst wenig Jargon, wie 'Intervention', 'Behandlung', 'Therapie'. Der<br />

Familienmitarbeiter geht erst dann dazu über, Lösungen zu bedenken, wenn die ganze<br />

Geschichte erzählt ist. Das erhöht die Chance, dass die Lösung adäquat ist. Er achtet auf<br />

non-verbale Signale von Familienmitgliedern, dass sie aufhören möchten, beispielsweise<br />

weil sie müde sind. Der Familienmitarbeiter reagiert auf den Inhalt dessen, was die<br />

Familienmitglieder erzählen und vermeidet zu beschwichtigen oder bestimmte Dinge zu<br />

bagatellisieren; er sagt beispielsweise nicht, das schon alles wieder in Ordnung kommen<br />

wird.Der Familienmitarbeiter ist für alle Familienmitglieder da. Er ergreift nicht Partei,<br />

indem er sich etwa anderen gegenüber kritisch verhält, indem er jemanden unterstützt oder<br />

zu viel Zeit mit einer Person verbringt. Der Familienmitarbeiter drängt der Familie seine<br />

eigenen Normen und Werte nicht auf. Er vermeidet zu moralisieren und probiert nicht, die<br />

Familienmitglieder davon zu überzeugen, was sie seiner Meinung nach tun sollten. Ein<br />

guter Familienmitarbeiter überlässt die Entscheidung den Familienmitgliedern.<br />

34


2.2 SAMMELN UND ANALYSIEREN DER INFORMATIONEN<br />

So wie der Aufbau und das Aufrechterhalten der Arbeitsbeziehung ist auch das Sammeln<br />

und Analysieren von Informationen ein Prozess, der während der ganzen Periode, in der<br />

ein Familienmitarbeiter in einer Familie arbeitet, weitergeht. Das Sammeln von<br />

Informationen beginnt bereits bei der Anmeldung mit den Informationen, die der<br />

Überweiser über die Familie erteilt und ist vom ersten Kontakt mit der Familie an eine<br />

Aufgabe des Familienmitarbeiters. Bei allen folgenden Besuchen und Kontakten wird das<br />

Sammeln und Analysieren von Informationen fortgesetzt. Dabei bilden die Problemfelder,<br />

die mit der drohenden Fremdplatzierung zusammenhängen und die verschiedenen<br />

Faktoren aus dem Kompetenz-Modell den roten Faden. Der Familienmitarbeiter versucht<br />

ein Bild von den Fähigkeiten, Aufgaben, Problemen und potentiellen Kräften der Familie zu<br />

bekommen. Das Sammeln und Analysieren von Informationen hat nicht nur Bezug auf die<br />

Familie und die Familienmitglieder, sondern auch auf die Umgebung der Familie,<br />

beispielsweise mit einem Auge für die unterstützenden Faktoren, die es rund um die<br />

Familie gibt.<br />

2.2.1 Inventarisieren der Probleme und potentiellen Kräfte<br />

Um einen Überblick über die Probleme und potentiellen Kräfte einer Familie zu erhalten,<br />

benutzt der Familienmitarbeiter Gesprächstechniken, Beobachtungen während der Besuche<br />

bei der Familie, Informationen des Überweisers und spezielle Fragebögen. Es ist wichtig,<br />

nicht nur mit der ganzen Familie Gespräche zu führen, sondern auch individuell mit den<br />

Familienmigliedern. Manchmal sprechen Kinder und Eltern in gegenseitiger Anwesenheit<br />

nicht über alles. Wenn individuell mit ihnen gesprochen wird, nennen sie möglicherweise<br />

andere Probleme und Veränderungswünsche als wenn mit ihnen gemeinsam gesprochen<br />

wird.Fragen, die an Kinder ab ungefähr sechs Jahren gestellt werden können, sind<br />

beispielsweise: 'was findest du nett und angenehm zuhause?' und 'was möchtest du gerne<br />

verändert haben?' Es ist auch wichtig, mit den Eltern gesondert über ihre Probleme und<br />

Veränderungswünsche zu sprechen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden dann die<br />

individuellen Probleme und Wünsche nebeneinander gelegt. Manchmal kommt eine<br />

Familie mit ganz vielen Problemen. Der Familienmitarbeiter kann durch die Menge und<br />

den Ernst der Probleme überwältigt werden; die Familie selbst ist das oft schon. Darum<br />

macht der Familienmitarbeiter der Familie deutlich, dass die genannten Probleme sehr<br />

wichtig sind, dass sie aber in den nächsten vier Wochen nicht alle zugleich angepackt<br />

werden können, und dass die Familie wählen muss, was für sie das Wichtigste ist. Die<br />

Arbeit an den wichtigsten Problemen kann dann ein Anfang sein, um etwas an den anderen<br />

Problemen zu verändern. Es kann auch passieren, dass eine Familie mit ganz großen<br />

Problemen kommt, wie "Die Kinder tun nie was man ihnen sagt", "Achmed akzeptiert keine<br />

Autorität" und "Mein Vater und meine Mutter streiten sich immer". Um 'große' Probleme<br />

besser handhaben zu können, versucht der Familienmitarbeiter zusammen mit der Familie<br />

oder dem Familienmitglied die Probleme zu verdeutlichen und zu konkretisieren,<br />

beispielsweise: "Welches Verhalten Ihrer Kinder ärgert Sie am meisten?", "In welchen<br />

Situationen kommt es vor, dass Achmed keine Autorität akzeptiert?" und "Was passiert,<br />

35


wenn dein Vater und deine Mutter sich streiten?", "Wann streiten sie sich?", "Kannst du<br />

Beispiele nennen?". Auf diese Weise versucht der Familienmitarbeiter das große Problem in<br />

viele kleinere aufzuteilen und besser damit umzugehen.<br />

2.2.2 Beschreibung von Informationen in Begriffen beobachtbaren Verhaltens<br />

Aufgrund der Informationen aus der Familie und der Inventarisierung der Probleme und<br />

Veränderungswünsche füllt der Familienmitarbeiter das Formular `Basisinformation` aus,<br />

das in Anlage 2 aufgenommen wurde. Beim Ausfüllen von Formularen sind Beschreibungen<br />

in Begriffen beobachtbaren Verhaltens wichtig (siehe Kapitel 3). Je mehr die Probleme und<br />

Wünsche in Formulierungen beobachtbaren Verhaltens umschrieben werden, desto besser<br />

wird es gelingen, konkrete und erreichbare Ziele aufzustellen.<br />

Zum Beispiel:<br />

Eine nicht beobachtbare Formulierung eines Problems ist: "Dennis gehorcht nie." Beobachtbarer<br />

wird das Problem in der folgenden Formulierung: "Dennis hält sich nicht an die Regeln vom<br />

Nachhausekommen. Er kommt immer nach Mitternacht nachhause, auch wenn er am nächsten<br />

Tag in die Schule muss. Wenn seine Mutter dazu etwas sagt, hat er eine große Klappe." Oder: Nicht<br />

beobachtbar: "Minous ist viel zu abhängig, das vergiftet die Atmosphäre." Beobachtbarer: "Minous<br />

fragt bei allem was sie tut, was ihre Mutter und ihr Brüderchen dazu meinen. Sie will direkt eine<br />

Antwort auf ihre Frage haben. Mutter und Johan werden dadurch immer bei ihren Tätigkeiten<br />

gestört und werden irritiert."<br />

2.2.3 Analyse von Informationen anhand von Entwicklungsaufgaben<br />

Nach der Beschreibung analysiert der Familienmitarbeiter die Informationen anhand von<br />

Entwicklungsaufgaben, die für das entsprechende Familienmitglied wichtig sind. Dazu<br />

benutzt er verschiedene Versionen des Formulars `Information und Analyse` (siehe Anlage<br />

2) für Eltern, Jugendliche und Kinder. Der Familienmitarbeiter unterscheidet dabei<br />

zwischen Kräften, Fähigkeiten und Problemen und bewertet auch das Funktionieren des<br />

Familienmitglieds mit Bezug auf die verschiedenen Entwicklungsaufgaben. Das eine Ende<br />

dieser Bewertungsskala ist 'sehr schlecht' und wird gegeben, wenn die<br />

Entwicklungsaufgaben nicht, sehr inadäquat oder mit sehr vielen Problemen angegangen<br />

werden. Das andere Ende ist 'sehr gut' und wird gegeben, wenn die Entwicklungsaufgabe<br />

sehr adäquat angegangen oder erfüllt wird. Die Bewertung erfolgt in: --, -, +-, + oder ++.<br />

Wenn der Familienmitarbeiter unzureichende Informationen hat oder keine Bewertung<br />

geben kann, schreibt er ein Fragezeichen auf. Anhand dessen erhält der Familienmitarbeiter<br />

Einblick in das Funktionieren der Familienmitglieder, in ihre starken und schwachen Seiten<br />

und die Ziele, an denen mit ihnen gearbeitet werden muss.<br />

2.2.4 Hilfsmittel beim Sammeln und Analysieren von Informationen<br />

Der Familienmitarbeiter bedient sich beim Sammeln und Analysieren von Informationen<br />

folgender Hilfsmittel:<br />

36


Formulare<br />

Das Formular `Basisinformation` spielt eine wichtige Rolle bei der geordneten<br />

Beschreibung der gesammelten Informationen. Dieses Formular ist vor allem für<br />

Familienmitarbeiter, die gerade erst anfangen, wichtig. Nach einiger Zeit kann es sein, dass<br />

Familienmitarbeiter es vorziehen, ihre Informationen anders zu systematisieren,<br />

beispielsweise als Teil des Tagesberichts. Nach Rücksprache mit dem Teamleiter kann nach<br />

einer Methode gesucht werden, die die Informationen auch für den Teamleiter einsichtig<br />

macht. Das zweite Formular mit dem Titel `Information und Analyse` bezweckt eine<br />

Analyse anhand potentieller Kräfte, Fähigkeiten und Probleme der verschiedenen<br />

Familienmitglieder mit Bezug auf die Entwicklungsaufgaben, die zum Alter des<br />

Familienmitglieds passen.<br />

Informationen des Überweisers<br />

Die ersten Informationen, die der Familienmitarbeiter über die Familie erhält, stehen auf<br />

dem Anmeldeformular des Überweisers. In den ersten drei Tagen nimmt der<br />

Familienmitarbeiter mit dem Überweiser Kontakt auf, um sich noch genauer von wichtigen<br />

Informationen in Kenntnis setzen zu lassen. Besonders Informationen über das<br />

Funktionieren der Familie in jüngster Zeit sind dabei wichtig. Nach den ersten drei Tagen<br />

soll der Familienmitarbeiter mit dem Überweiser Kontakt halten, um über den Verlauf der<br />

Hilfe Bericht zu erstatten, die wichtigsten neuen Informationen weiterzugeben und über<br />

eine eventuelle Folgehilfe nach Families First nachzudenken. 2<br />

Fragebögen<br />

Zur Ergänzung der Information, die der Familienmitarbeiter durch Beobachtungen und<br />

Gespräche erhält, kann er Fragebögen gebrauchen. Im Rahmen von Families First sind<br />

folgende Fragebögen geeignet:<br />

- VGF (Vragenlijst Gezinsfunctioneren / Fragebogen zum Funktionieren der Familie).<br />

Dieser Fragebogen gibt eine Übersicht über das Funktionieren beider Elternteile bei<br />

einer Anzahl wichtiger Elternaufgaben. Der Bogen wird vom Familienmitarbeiter<br />

ausgefüllt;<br />

- VKF (Vragenlijst Kindfunctioneren / Fragebogen zum Funktionieren des Kindes).<br />

Dieser Fragebogen gibt ein Bild vom Funktionieren des (angemeldeten) Kindes und<br />

wird ebenfalls vom Familenarbeiter ausgefüllt;<br />

- NVOS oder NOSI (Nijmeegse Vragenlijst voor de Opvoedingsituatie / Nijmeger<br />

Fragebogen zur Erziehungssituation). Dieser Fragebogen wird von den Eltern<br />

2 Der Familienmitarbeiter hat minimal zu folgenden Zeitpunkten mit dem Überweiser Kontakt:<br />

A. innerhalb von 72 Stunden (über die erstellten Ziele und Arbeitspunkte);<br />

B. nach 2 Wochen (über den Lauf der Dinge bezüglich der bisher erstellten Ziele<br />

und Arbeitspunkte und eventuelle neue Ziele und Arbeitspunkte);<br />

C. nach 3 Wochen über den Abschluss von Families First und eine eventuelle Folgehilfe.<br />

Innerhalb einer Woche nach Beendigung der Hilfe erhält der Überweiser einen Abschlussbericht.<br />

37


ausgefüllt und gibt die subjektiv erfahrene Familienbelastung wieder;<br />

- CBCL (Child Behavior Checklist). Die CBCL wird von den Eltern ausgefüllt und gibt<br />

eine Übersicht über die soziale Kompetenz und das Problemverhalten bei Kindern<br />

von zwei bis achtzehn Jahren;<br />

- VMG (Vragenlijst Meegemaakte Gebeurtenissen / Fragebogen zu erlebten<br />

Ereignissen). Dieser Fragebogen, der von den Eltern ausgefüllt wird, gibt eine<br />

Übersicht über Ereignisse, die als stressverursachend für das Kind betrachtet werden.<br />

Pro Familie wird entschieden, welche Fragebögen gebraucht werden. Die Wahl ist mit<br />

abhängig von den Verarbeitungsmöglichkeiten der gesammelten Informationen. VGF<br />

und VKF wurden in das sogenannte KISIT aufgenommen. Es wird geraten, diese<br />

Listen in jedem Fall zu benutzen.<br />

Het Klient Informatie Systeem Intensieve Thuisbehandeling (KISIT) 3<br />

[Das Klienten Informations-System für Intensive Behandlung Zuhause]<br />

Das Ziel von KISIT ist es, den Hilfeleistungsprozess derart zu registrieren, dass der<br />

Familienmitarbeiter und sein Teamleiter Einblick in die Entwicklung der Hilfeleistung in<br />

der Familie erhalten. Die Informationen aus dem KISIT können ein Anlass sein, einen<br />

Hilfeleistungsplan zu erstellen. Außerdem gibt KISIT der Einrichtung Einblick in die<br />

erreichte Zielgruppe, die benutzte Arbeitsweise, und die erreichten Resultate. Das bietet<br />

Möglichkeiten zur Auswertung des Programms und der Gewährleistung und Verbesserung<br />

der Qualität. Außerdem ermöglicht es KISIT den Benutzern, Unterschiede und<br />

Übereinstimmungen zwischen verschiedenen Formen des Hometrainings festzustellen. Dies<br />

trägt wiederum zur Entwicklung klarer und effektiver Methoden bei. Mittels KISIT können<br />

folgende Informationen registriert werden:<br />

Zu Beginn der Hilfe und während der FollowUp-Zeitpunkte: die demographischen Daten<br />

der Familie und der individuellen Familienmitglieder.<br />

• Zu Beginn der Hilfe und danach zu bestimmten Zeitpunkten: Das Funktionieren der<br />

Familie (VGF), das Funktionieren jedes Kindes (VKF) und die Art der Hilfeleistungs-<br />

Beziehung (VHF) mithilfe dreier Fragenlisten;<br />

• Zu jedem gewünschten Zeitpunkt: die gestellten Behandlungsziele und die Auswertung<br />

dieser Ziele;<br />

• Jede Handlung, die Teil der Behandlung der Familie ist;<br />

• Der Grund für die Beendigung der Behandlung und die allgemeine Beurteilung vom<br />

Familienmitarbeiter über das Resultat.<br />

3 KISIT wurde vom 'Nederlands Instituut voor Zorg en Welzijn' [Niederländischen Institut für Fürsorge und<br />

Gesundheit] in Utrecht und der 'Noordelijke Hogeschool Leeuwarden' [Nördliche Hochschule Leeuwarden]<br />

entwickelt.<br />

38


2.3 BESTIMMUNG VON ZIELEN, PRIORITÄTEN UND ARBEITSPUNKTEN<br />

2.3.1 Formulare<br />

Um zusammen mit dem Familienmitglied Ziele zu setzen und die Arbeitspunkte zu<br />

formulieren, benutzt der Familienmitarbeiter die Formulare `Ziele` und `Arbeitspunkte`<br />

(siehe Anlage 2). Das Familienmitglied erhält eine Kopie davon. Zusammen bilden diese<br />

Formulare nachdem sie ausgefüllt sind, den ersten Plan zur Herangehensweise. Die<br />

Formulare müssen nach 72 Stunden ausgefüllt sein. In den restlichen Tagen und Wochen ist<br />

es möglich und oft sogar wünschenswert, dass neue Probleme, Ziele und Arbeitspunkte<br />

formuliert werden. Neue Informationen können zum Hinzuziehen der Kompetenz-Analyse<br />

führen. Die neuen Ziele und Arbeitspunkte können auf den Formularen, die bereits in<br />

Gebrauch sind, oder auf neue Formulare `Ziele` und `Arbeitspunkte` eingetragen werden.<br />

Die gestellten Ziele und Arbeitspunkte werden nach zwei Wochen ausgewertet: Welche Ziele<br />

wurden erreicht, welche Arbeitspunkte wurden ausgeführt, welche Ziele und Arbeitspunkte<br />

gibt es für die restlichen zwei Wochen? Dies mündet in einen zweiten Plan zur<br />

Herangehensweise.<br />

2.3.2 Setzen von Zielen mit der Familie<br />

Der Familienmitarbeiter erhält vom Überweiser ein Anmeldeformular. Darauf wird unter<br />

anderem beschrieben, was sich nach Meinung des Überweisers in der Familie ändern muss,<br />

um die Sicherheit der Familienmitglieder zu gewährleisten und eine Fremdplatzierung zu<br />

verhindern. Manchmal wird das mit Formulierungen wie vermindern von oder aufhören<br />

mit unerwünschtem Verhalten geschehen, beispielsweise: "Der Vater muss aufhören, seinem<br />

Sohn Disziplin mit körperlicher Gewalt beizubringen." Manchmal wird das Ziel in<br />

allgemeineren Formulierungen beschrieben, beispielsweise: "Die Eltern-Kind-Beziehung in<br />

der Familie muss wiederhergestellt werden." Das sind wichtige Informationen für den<br />

Familienmitarbeiter. Es ist seine Aufgabe, diese Ziele in Rücksprache mit der Familie in<br />

Ausdrücke für erwünschtes Verhalten und möglichst viele konkrete und erreichbare Ziele<br />

zu übertragen, damit sie eine Richtschnur für die Eingriffe in der Familie bilden.<br />

Besprechen der Ziele<br />

Nach ein oder zwei Besuchen hat der Familienmitarbeiter selbst eine Übersicht über die<br />

Probleme und erwünschten Veränderungen, an denen gearbeitet werden kann oder muss.<br />

Er bringt sie in konkrete Formulierungen und legt diese den individuellen<br />

Familienmitgliedern schriftlich vor. Bei den Eltern geschieht das oft gemeinsam. Der<br />

Familienmitarbeiter fragt, ob das betreffende Familienmitglied noch Ergänzungen hat.<br />

Danach werden die inventarisierten Probleme und Wünsche in die Ziele übersetzt, an<br />

denen das Familienmitglied in den kommenden Wochen arbeiten soll. Mögliche Fragen<br />

beim 'Umsetzen' von einem Problem in ein Ziel sind: "Was möchten Sie gern verändern<br />

oder anders haben wollen?" und "Was willst du in den kommenden vier Wochen erreichen,<br />

wodurch dieses Problem oder ein Teil davon gelöst wird?". Die auf der Hand liegende<br />

Antwort ist: "Dass das Problem aufhört". Dann ist es die Aufgabe des Familienmitarbeiters<br />

39


zusammen mit dem Familienmitglied nach positiv formulierten Veränderungen und<br />

Verhaltensweisen, die es erreichen will, zu suchen.<br />

Zum Beispiel: Die Ziele von Margreet Boersma<br />

Die Familie wurde wegen der Verhaltensprobleme von Bram angemeldet. Mutter Margreet hält die<br />

Situation nicht länger aus: sie fordert, dass Bram, ein Junge im Alter von neun Jahren, aus der<br />

Familie herausgenommen wird. In den ersten vier Tagen werden die Probleme in individuellen und<br />

gemeinsamen Gespräche mit Bram, seiner Mutter und seinem Vater und Beobachtungen in der<br />

Familie zu den Zeitpunkten, da die Konflikte zwischen Mutter und Sohn regelmäßig auftreten, wie<br />

beim Essen und beim zu Bett gehen, inventarisiert. Während des dritten Besuchs bei der Familie<br />

legt Petra, die Familienmitarbeiterin, der Mutter die inventarisierten Probleme vor. Sie hat dazu<br />

noch eine kleine Ergänzung. Danach werden zusammen mit der Mutter die Ziele auf ihrem<br />

Formular 'Ziele' formuliert. Einige Ziele haben Bezug sowohl auf das Verhalten von Bram wie auf<br />

das von ihr selbst; andere Ziele nehmen Bezug auf ihre eigene Haltung und das Verhalten und die<br />

Rolle des Vaters.<br />

40


Thema<br />

Ziele<br />

REIHENFOLGE<br />

(1 = höchste Priorität)<br />

Bram tut in manchen<br />

Situationen nicht, worum<br />

wir ihn bitten/wozu wir ihn<br />

auffordern: zu Tisch<br />

kommen, um zu essen; ins<br />

Bett gehen; seine Tasche fürs<br />

Judo packen.<br />

Lernen, Bram deutliche<br />

Anweisungen zu geben<br />

(damit Bram lernt<br />

zuzuhören).<br />

Bram wird manchmal sehr<br />

aggressiv, wenn er böse auf<br />

mich ist: er beginnt mich zu<br />

beschimpfen ('Luder',<br />

'Hure','Schlampe') und<br />

schlägt mich.<br />

Lernen, Bram zu beruhigen,<br />

wenn er böse ist (damit<br />

Bram lernt, etwas ruhig zu<br />

fragen oder zu sagen, wenn<br />

er böse ist).<br />

Bram langweilt sich, wenn<br />

er nicht nach draußen kann;<br />

er kann sich zuhause<br />

schlecht selbst beschäftigen.<br />

Mit Bram herausfinden, wie<br />

er sich zu Hause<br />

beschäftigen kann, wenn er<br />

nicht mit seinen Freunden<br />

draußen spielen kann.<br />

Ich bin manchmal sehr<br />

ungeduldig und<br />

inkonsequent, wenn Bram<br />

nicht tut was ich will: Ich<br />

werde schnell böse und<br />

schreie ihn an; einmal<br />

bestrafe ich ihn, ein anderes<br />

Mal nicht.<br />

Lernen, mehr Geduld zu<br />

haben und konsequenter zu<br />

sein, wenn Bram nicht<br />

gleich tut was ich will.<br />

Mein Mann und ich halten<br />

uns mitunter an<br />

verschiedene Regeln was<br />

Bram betrifft: von mir aus<br />

darf Bram nicht mehr<br />

fernsehen, mein Mann<br />

findet das aber in Ordnung.<br />

Zusammen mit meinem<br />

Mann lernen, bezüglich der<br />

Regeln im Haus an einem<br />

Strang zu ziehen.<br />

Schwerpunkte beim Setzen von Zielen sind:<br />

• Beschreiben Sie das Ziel in Formulierungen beobachtbaren Verhaltens. Aufgrund dessen<br />

kann nachher beurteilt werden, ob ein Fortschritt zu verzeichnen ist. Auch ist für die<br />

Familie und für den Familienmitarbeiter deutlicher, woran genau gearbeitet wird. Das<br />

erhöht die Chance auf Fortschritte.<br />

41


• Beschreiben Sie realistische Ziele. Versuchen Sie die Ziele so zu stellen, dass sie innerhalb<br />

von vier Wochen erreicht werden können. Das ist stimulierend, sowohl für die Familie wie<br />

für den Familienmitarbeiter.<br />

• Formulieren Sie Ziele soviel wie möglich in Bezug auf Kompetenzerweiterung, wobei<br />

angegeben wird, was das Familienmitglied selbst lernen will. Zum Beispiel:<br />

"Vater lernt eine Anzahl verhaltensmäßige Erziehungsfähigkeiten um seine Kinder zu<br />

disziplinieren"; "Abdel lernt, sich an die Hausregeln zu halten"; "Die Eltern lernen, gute<br />

Essgewohnheiten in der Familie einzuführen"; "Mireille lernt, mit ihrer Freundin zu verabreden,<br />

wann sie sich sehen".<br />

2.3.3 Prioritäten setzen<br />

Da der Familienmitarbeiter im Prinzip vier Wochen in einer Familie arbeitet, ist es wichtig,<br />

sich für eine Anzahl Ziele zu entscheiden, die in dieser Zeit erreichbar sind. Zu viele Ziele<br />

oder zu große Ziele wirken demotivierend. Das Setzen von Prioritäten erfolgt im Prinzip<br />

zusammen mit dem Familienmitglied. Zum Beispiel: Die Ziele werden auf Papierstreifen<br />

geschrieben und das Familienmitglied legt sie in der Reihenfolge der Wichtigkeit nach hin.<br />

Der Familienmitarbeiter notiert diese Reihenfolge. Beim Setzen von Prioritäten sind<br />

folgende vier Kriterien wichtig:<br />

1 das Maß, in dem die Familie oder das Familienmitglied durch das Problem belastet wird;<br />

2 das Maß, in dem das Problem die Sicherheit der Familie oder des Familienmitglieds<br />

bedroht, oder anders formuliert: das Maß, in dem das Ziel beiträgt, die Fremdplatzierung<br />

zu verhindern;<br />

3 das Maß, in dem die Familie und der Familienmitarbeiter etwas an dem Problem ändern<br />

können oder in dem das Ziel zu erreichen ist;<br />

4 das Maß, in dem das Ziel an die Kräfte der Familie anschließt.<br />

Meistens gibt die Familie selbst den Zielen in Verbindung mit Sicherheit und zur<br />

Verhinderung der Fremdplatzierung die Priorität. Wenn die Ziele, die von den<br />

Familienmitgliedern ausgewählt werden, unzureichend zur Verhinderung der<br />

Fremdplatzierung beitragen, fängt der Familienmitarbeiter mit den Zielen an, die die<br />

Familie genannt hat. Wenn dann im weiteren Verlauf eine Arbeitsbeziehung entstanden ist,<br />

muss der Familienmitarbeiter mehr lenkend auftreten. Er legt der Familie nochmals das<br />

Ziel der Hilfe von Families First vor, besonders also, zu verhindern, dass ein oder mehrere<br />

Kinder fremdplatziert werden müssen. Der Familienmitarbeiter kann die Familie auch mit<br />

den Zielen und Voraussetzungen konfrontieren, die der Überweiser gestellt hat. Damit<br />

wartet der Familienmitarbeiter nicht länger als eine Woche.<br />

2.3.4 Arbeitspunkte aufstellen<br />

Nachdem die Ziele für die kommende Arbeitsperiode gesezt sind, geht es darum, diese in<br />

Arbeitspunkten zu konkretisieren. Die Ziele, die anhand des Formulars `Ziele` aufgestellt<br />

werden, sind manchmal noch sehr breit, weil sie für die ganze Periode gelten. Um<br />

Arbeitspunkte zu erstellen, ist eine nähere Analyse der Ziele nötig, durch die der<br />

42


Familienmitarbeiter dahinter kommt, welche Probleme und Kompetenz-Aspekte mit dem<br />

Ziel zusammenhängen. Dadurch ist er besser imstande, bei der Formulierung der<br />

Arbeitspunkte soviel wie möglich bei den Fähigkeiten, Kräften und Aufgaben des<br />

Familienmitglieds anzuknüpfen. Im Gegensatz zum globalen Charakter der Kompetenz-<br />

Analyse auf Basis von Entwicklungsaufgaben, werden bei der Kompetenz-Analyse pro Ziel<br />

Aufgaben, Fähigkeiten und Kräfte detailliert analysiert. Die Kompetenz-Analyse pro Ziel<br />

macht der Familienmitarbeiter für sich selbst, und sie besteht aus folgenden Schritten:<br />

1 bestimmen, zu welcher Entwicklungsaufgabe des Familienmitglieds das Ziel Bezug hat;<br />

2 nachgehen, welche Stärken das Familienmitglied hat: seine Fähigkeiten, seine<br />

schützenden Faktoren und seine Belastungsfähigkeit, die genutzt werden können um das<br />

Ziel zu erreichen;<br />

3 nachgehen, mit welchen Problemen, wie zu schwere Aufgaben, stressverursachende<br />

Ereignisse, Pathologie das Familienmitglied in Beziehung auf das Ziel zu tun hat.<br />

Im Schema sieht die Kompetenzanalyse pro Ziel wie folgt aus:<br />

Entwicklungsaufgabe, auf die das Ziel Bezug nimmt:<br />

......................................................................................................<br />

KOMPETENZ<br />

(IN BEZIEHUNG AUF DAS ZIEL)<br />

Fähigkeiten<br />

PROBLEME<br />

(IN BEZIEHUNG AUF DAS ZIEL)<br />

zu schwere Aufgaben /<br />

Fähigkeitsdefizite:<br />

Schützende Faktoren<br />

(soziale Unterstützung):<br />

Stressverursachende Ereignisse:<br />

Belastungsfähigkeit:<br />

Pathologie:<br />

Um eine Kompetenzanalyse für das erste Ziel zu erstellen, muss oft einige Zeit investiert<br />

werden. Das Erstellen einer Analyse für die anderen Ziele wird danach meist schneller<br />

gehen. Erstens weil sich oft mehrere Ziel auf dieselben Entwicklungsaufgaben beziehen.<br />

Zweitens weil schützende Faktoren und Belastungsfähigkeit bei verschiedenen Zielen<br />

genutzt werden können. Auch spielen stressverursachende Ereignisse und Pathologie oft bei<br />

verschiedenen Zielen eine Rolle.<br />

43


Zum Beispiel:<br />

Brian (elf Jahre) geht seit fast einem Jahr nicht mehr zur Schule und läuft regelmäßig von seinen<br />

Eltern weg. Ihm droht Fremdplatzierung. Seine Eltern sind einverstanden, weil es ihnen nicht<br />

gelingt, dass Brian auf sie hört. Families First wird als letzte Möglichkeit eingesetzt, das Problem<br />

zuhause zu lösen, sodass Brian doch zuhause wohnen bleiben kann. Ein Ziel von Brians Eltern ist:<br />

"Brian zu vermitteln, dass er uns zuhört, mit uns überlegt, was er tut und wie spät er nach Hause<br />

kommt." Die Kompetenz-Analyse von Brians Eltern sieht wie folgt aus:<br />

Entwicklungsaufgabe, auf die das Ziel Bezug nimmt:<br />

ERZIEHUNG<br />

KOMPETENZ<br />

(IN BEZIEHUNG AUF DAS ZIEL)<br />

Fähigkeiten:<br />

Mutter kann sehr gut deutlich machen<br />

was sie will und was sie nicht will, Vater<br />

reagiert sehr ruhig, wenn er ärgerlich ist.<br />

Schützende Faktoren<br />

(soziale Unterstützung):<br />

Die Schwester der Mutter unterstützt die<br />

Eltern darin, Brian zuhause wohnen zu<br />

lassen.<br />

Belastungsfähigkeit:<br />

Vater will es immer wieder aufs Neue<br />

probieren, Mutter ist klug, packt schnell<br />

neue Dinge an.<br />

PROBLEME<br />

(IN BEZIEHUNG AUF DAS ZIEL)<br />

zu schwere Aufgaben /<br />

Fähigkeitsdefizite:<br />

Die Eltern sind beide nicht immer<br />

konsequent; wenn Brian sich nicht an die<br />

Regeln hält, bestrafen sie manchmal, zu<br />

anderen Zeitpunkten reagieren sie nicht<br />

darauf; oft haben sie nicht dieselbe Linie.<br />

Stressverursachende Ereignisse:<br />

Brian ist bereits einige Male weggelaufen,<br />

dadurch scheuen sich die Eltern,<br />

Forderungen zu stellen.<br />

Pathologie:<br />

Mutter reagiert sehr angespannt auf<br />

Brians Problemverhalten; es bereitet ihr<br />

schlaflose Nächte. Sie nimmt<br />

beruhigende Arzneien.<br />

Formular Arbeitspunkte<br />

Nachdem der Familienmitarbeiter für sich selbst eine Kompetenz-Analyse gemacht hat,<br />

stellt er zusammen mit dem Familienmitglied die Arbeitspunkte auf. Dazu benutzt er das<br />

Formular `Arbeitspunkte`. Das Formular enthält fünf Schritte, an denen deutlich wird, was<br />

getan werden muss, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die fünf Schritte sind:<br />

1 Beschreibung des Themas oder des Problems:<br />

44


Fragen: Worüber machen Sie sich Sorgen, was belastet Sie? Wann passiert es? Wie oft?<br />

Was passiert vorher? Und was passiert nachher? Was möchten Sie gern verändert sehen?<br />

2 Lösungen, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben:<br />

Fragen: Was haben Sie bereits probiert? Was half, um mit dem Problem umzugehen,<br />

wenn es auch nur für eine kurze Zeit war?<br />

3 Ein erster Schritt zum Ziel:<br />

Fragen: Welchen kleinen Teil des Problems können Sie sich zuerst vornehmen? Was<br />

könnte für Sie ein Schritt in die richtige Richtung sein, auch wenn es sich nur ein<br />

bisschen verändert?<br />

4 Starke Punkte: Was kann helfen, das Ziel zu erreichen:<br />

Fragen: Was kann Ihnen helfen das Ziel zu erreichen? Was können Sie tun oder was<br />

haben Sie bereits einmal getan, wodurch es gelingt das Problem zu lösen? Was sind<br />

jemandes potentielle Kräfte: Fähigkeiten, soziale Unterstützung usw.?<br />

5 Die Arbeitspunkte für die nächste Woche:<br />

Frage: Woran arbeiten wir in der nächsten Woche zuerst? Welches sind die Ansatzpunkte<br />

für praktische Hilfe oder die Techniken, mit denen der Familienmitarbeiter Fähigkeiten<br />

vermitteln will?<br />

Beim Durchgehen der verschiedenen Fragen des Formulars `Arbeitspunkte` hat der<br />

Familienmitarbeiter als Hilfsmittel die Kompetenz-Analyse des entsprechenden Ziels im<br />

Kopf und lässt das Familienmitglied selbst Einsicht in seine eigenen Fähigkeiten, Kräfte und<br />

Probleme gewinnen.<br />

Zum Beispiel:<br />

Der Teil des Formulars `Arbeitspunkte` für die Mutter von Brian mit Bezug auf das Ziel Brian zu<br />

vermitteln, dass er zuhört und zu vermitteln, dass er mit seinen Eltern überlegt, was er tut und wo<br />

er hingeht und darüber eine Zeit vereinbart, sieht wie folgt aus:<br />

45


ZIEL: Brian zuhören lehren / ihn lehren, mit seinen Eltern zu überlegen, was er<br />

tut und wo er hingeht und darüber eine Zeit zu vereinbaren.<br />

1 Beschreibung des Themas oder Problems:<br />

Wenn die Eltern Brian Anweisungen geben, hört er nicht. Er bleibt länger weg als<br />

vereinbart. Brian wird dann bestraft. Mutter und der Vormund möchten Brian wegen<br />

des Weglaufverhaltens aus der Familie herausnehmen.<br />

2 Lösungen, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben:<br />

Brian Belohnungen in Aussicht stellen (das half schon mal kurz).<br />

3 Ein erster Schritt zum Ziel:<br />

Die Eltern lernen mit Regeln umzugehen und Brian Anweisungen zu geben, Brian lehren,<br />

die Uhr zu lesen.<br />

4 Starke Punkte (was kann helfen, um das Ziel zu erreichen):<br />

Mutter, Vater und Brian wollen, dass Brian zuhause wohnen bleibt. Brian will lernen die<br />

Uhr zu lesen und Brian genießt die Verhaltensübungen (ist sensibel für Belohnungen<br />

und positives Feedback).<br />

5 Die Arbeitspunkte für die nächste Woche:<br />

• Mit den Eltern über die Art und Weise wie sie Brian belohnen und bestrafen<br />

sprechen.<br />

• Den Eltern vermitteln, wie sie das erwünschte Verhalten von Brian verstärken.<br />

• Brian lehren, die Uhr zu lesen: Vater macht zusammen mit Brian eine Uhr und lehrt<br />

ihn 5 Minuten pro Tag die Uhrzeit abzulesen.<br />

Wenn es möglich ist, die Schritte auf dem Formular zusammen mit dem Familienmitglied<br />

durchzugehen und auszufüllen, lernt das Familienmitglied zugleich wie bestimmte<br />

Probleme gelöst und bestimmte Ziele erreicht werden können. Außerdem kann es für ein<br />

Familienmitglied besonders motivierend wirken, an dem betreffenden Ziel zu arbeiten.<br />

Zum Beispiel:<br />

Marco (14 Jahre) wurde bei Families First wegen drohender Fremdplatzierung angemeldet. Infolge<br />

der Probleme mit seinem Bruder waren auch diverse Probleme zwischen Marco und seinen Eltern<br />

entstanden. Marco hatte als eines seiner Ziele gewählt: seinen Drogenkonsum unter Kontrolle zu<br />

halten. Die Arbeit mit dem Formular 'Arbeitspunkte' war sehr erhellend für ihn: er entdeckte, was<br />

er an seinem Problem tun wollte und einige Möglichkeiten das Problem anzupacken. Nachstehend<br />

folgt das ausgefüllte Formular 'Arbeitspunkte'.<br />

46


ZIEL: Drogenkonsum unter Kontrolle halten<br />

1 Beschreibung des Themas oder Problems:<br />

Wenn ich Drogen nehme, werde ich nachlässig und vergesslich. Wenn ich high bin, kann<br />

ich in der Schule nicht aufpassen, habe ich keine Lust zu den Hausarbeiten und bin ich<br />

müde, wenn ich arbeiten soll. Es besteht das Risiko, dass ich von mehr oder schwereren<br />

Drogen abhängig werde.<br />

2 Lösungen, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben:<br />

Nicht während der Schulzeit haschen. Nicht haschen bevor ich arbeiten gehe.<br />

Urinkontrolle durch die Eltern; Strafe, wenn ich's doch genommen habe.<br />

3 Erster Schritt zum Ziel:<br />

Nicht in der Schule haschen, nicht unter der Woche haschen.<br />

4 Starke Punkte: was kann helfen, das Ziel zu erreichen:<br />

Ich komme auch ohne Drogen aus, wenn ich keine Drogen nehme, habe ich mehr<br />

Energie und nehme mehr wahr, was um mich herum geschieht. Meine Eltern<br />

kontrollieren, ob ich Drogen genommen habe.<br />

5 Arbeitspunkte für die nächste Woche:<br />

• Aufhören, Drogen während der Schulzeit zu nehmen und bevor ich arbeiten gehe.<br />

• Nein sagen können, wenn andere sie anbieten.<br />

• Etwas anderes tun, wenn ich das Bedürfnis habe, Drogen zu nehmen.<br />

• Zustimmung von meinen Eltern erhalten, am Wochenende haschen zu dürfen.<br />

Das Formular mit den Arbeitspunkten wird Marco gegeben. Danach arbeitet der<br />

Familienmitarbeiter mit Marco an den Arbeitspunkten.<br />

2.3.5 Vom Familienmitarbeiter gesetzte Ziele<br />

Der Ausgangspunkt ist, dass die Ziele gemeinsam ausgewählt und formuliert werden<br />

aufgrund der Probleme, die das Familienmitglied in Worte fasst. In manchen Situationen<br />

kann es vorkommen, dass die Ziele der Familienmitglieder unzureichende<br />

Anknüpfungspunkte bieten, um die gesamte Arbeitsperiode sinnvoll zu bestreiten. Der<br />

Familienmitarbeiter kann beispielsweise bezweifeln, ob die Familienmitglieder ausreichend<br />

kompetent funktionieren, um in der kommenden Zeit miteinander weiterzukommen. Der<br />

Familienmitarbeiter kann sich auch fragen, ob mit der Arbeit an den Zielen die am meisten<br />

relevanten Entwicklungsaufgaben zum Zuge gekommen sind. Darum muss der<br />

Familienmitarbeiter, nachdem er ein oder zwei Wochen mit der Familie gearbeitet hat und<br />

wenn nötig eher, das Formular `Information und Analyse` nochmals hervorholen. Anhand<br />

dessen untersucht er, welche der dort beurteilten Entwicklungsaufgaben seiner Meinung<br />

nach weniger adäquat erfüllt werden und möglicherweise in der nahen Zukunft Probleme<br />

aufwerfen könnten. Der Familienmitarbeiter überprüft für sich selbst, ob diese Beurteilung<br />

noch immer gilt.<br />

47


Zum Beispiel:<br />

Eine Mutter fragt bei allem was sie tut ihre eigene Mutter und übernimmt das danach. Sie gibt dies<br />

nicht als Problem an. Tom, der Familienmitarbeiter, macht sich jedoch Sorgen um die nahe<br />

Zukunft: wie wird es, wenn Mutter einen Freund hat; wie reagieren die Kinder darauf, wenn sie<br />

älter werden; was, wenn 'Oma' wegen ihrer Gesundheit eine weniger aktive Rolle spielen kann;<br />

was, wenn die Mutter mehr ihre eigenen Wege gehen will?<br />

Nachdem der Familienmitarbeiter das Formular `Information und Analyse` zu Rate<br />

gezogen hat, macht er eine Kompetenz-Analyse: Welche Unteraufgaben dieser<br />

Entwicklungsaufgabe sind an der Reihe? Welche werden adäquat erfüllt, welche nicht,<br />

welche Aufgaben werden vermieden? Welchen Einfluss haben Stressoren und schützende<br />

Faktoren? Aufgrund dieser Kompetenz-Analyse kann der Familienmitarbeiter beschließen,<br />

dass ein bestimmtes Thema an die Reihe kommt. Er kann das folgendermaßen tun: Erst<br />

hebt er die positive Entwicklung der Familie hervor und was bis jetzt erreicht ist. Er<br />

benennt, welchen Anteil die Familienmitglieder daran gehabt haben und spricht nochmals<br />

seine Anerkennung dafür aus. Danach gibt er anhand seiner Beobachtungen wieder,<br />

worüber er sich Sorgen macht, sofern es um Fähigkeiten oder Entwicklungsrückstände<br />

geht. Dabei unterscheidet er zwischen der nahen Zukunft, in der er noch keine Probleme<br />

erwartet und dem längerfristigen Zeitraum, in dem durchaus die Chance für Probleme<br />

besteht. Die Absicht dabei ist, dass das Familienmitglied das angezeigte Problem oder das<br />

Fähigkeitsdefizit erkennt. Danach schlägt der Familienmitarbeiter dem Familienmitglied<br />

vor, darauf zu reagieren und bietet ihm an, daraus ein Ziel zu machen, oder "das noch<br />

einmal näher anzuschauen", oder "die restliche Zeit zu nutzen, um zusammen daran zu<br />

arbeiten". Der Familienmitarbeiter sagt beispielsweise zu der Frau, die immer und überall<br />

ihre Mutter um Rat fragt: "Wir können uns einmal ansehen, wie das geht, zu welchen<br />

Dingen Sie gerne den Rat Ihrer Mutter einholen wollen und welche Dinge Sie gerne selbst<br />

entscheiden wollen." Schließlich bittet der Familienmitarbeiter nochmals um eine Reaktion<br />

des Familienmitglieds und macht eventuell einen Plan mit ihm, wie an dem Ziel gearbeitet<br />

werden soll. Manchmal lässt er es offen und sagt: "Denken Sie mal darüber nach, dann<br />

kommen wir bald noch einmal darauf zurück."<br />

Beim Familienmitglied ansetzen<br />

Diese Methode, Ziele zu setzen aufgrund einer kompetenzgerichteten Analyse, weicht etwas<br />

ab davon, wie der Familienmitarbeiter sonst mit Familienmitgliedern zu Zielen gelangt.<br />

Wichtig ist und bleibt, dass der Familienmitarbeiter bei seinem Vorschlag in Bezug auf ein<br />

Ziel soviel wie möglich beim Familienmitglied selbst ansetzt. Indem das Thema fragend<br />

vorgelegt wird, bleibt es das Familienmitglied selbst, das entscheidet, ob an diesem Ziel<br />

gearbeitet wird. Wenn der Familienmitarbeiter selbst die Ziele in Abwesenheit des<br />

Familienmitglieds aufstellt, legt er diese Ziele dem Familienmitglied mündlich oder<br />

schriftlich vor. Selbstverständlich schließen auch in dieser Situation die gestellten Ziele bei<br />

den Problemen und Veränderungswünschen des Familienmitglieds an.<br />

48


2.4 DER EINSATZ VON ZIELKARTEN<br />

Zielkarten sind Hilfsmittel, mit denen systematisch ein Bild der Ziele und Wünsche von<br />

Familienmitgliedern erhalten werden kann. Es gibt eine Version für Eltern, eine für<br />

Jugendliche ab ungefähr 12 Jahren und eine für Kinder von ungefähr 7 bis 12 Jahren. Die<br />

Karten betreffen wichtige Kategorien des täglichen Lebens. Auf jeder Karte steht eine Liste<br />

möglicher Wünsche und Bedürfnisse mit Bezug auf das Thema der Karte.<br />

Beispiel einer Zielkarte für Jugendliche:<br />

ELTERN<br />

Ich möchte gerne:<br />

... von ihnen loskommen / selbständiger sein<br />

... auf eine andere Weise mit ihnen verhandeln<br />

... einen ruhigen Ort finden, weg von dem Trubel<br />

... sie mit ihrem Drogen-/Alkoholkonsum konfrontieren<br />

... weniger hohe Erwartungen an sie stellen<br />

... kommunizieren lernen<br />

... nicht auf negative Weise reagieren<br />

... ihnen meine Gefühle erzählen<br />

... von ihnen verstanden werden<br />

... Wortgefechte mit ihnen vermeiden<br />

... mit körperlicher Gewalt verbundenen Streit vermeiden<br />

... sie nicht bestehlen<br />

... etwas anderes:<br />

Die Arbeit mit Zielkarten gibt systematische und vollständige Informationen zu vielen<br />

Aspekten des täglichen Lebens. Sie strukturiert den Prozess, um zu spezifischen und<br />

wichtigen Zielen zu gelangen. Aus der Arbeit mit den Zielkarten ergeben sich oft auch<br />

kleinere Ziele. Viele davon sind relativ leicht zu erreichen, und das erhöht die Motivation<br />

für Veränderungen. Die Arbeit mit Zielkarten kann auch das Setzen von Prioritäten<br />

erleichtern, sodass die Schritte um ein Problem zu lösen, deutlicher werden. In der Arbeit<br />

mit Zielkarten zeigt der Familienmitarbeiter Vertrauen in die Möglichkeiten des<br />

Familienmitglieds. Das erhöht dessen Motivation und die Hoffnung, das er etwas ändern<br />

kann. Außerdem ermöglicht die Arbeit mit den Zielkarten dem Familienmitglied, sensible<br />

Informationen zu geben ohne direkten Augenkontakt mit dem Familienmitarbeiter zu<br />

haben. Die Karten erweitern den Blick, mit dem Familienmitarbeiter und Familienmitglied<br />

wichtige Themen bestimmen, die sonst durch eine Krisensituatioin aus dem Auge verloren<br />

werden. Mit Zielkarten wird gearbeitet, wenn es nur unzureichend gelingt, Ziele zu stellen,<br />

beispielsweise weil kein Familienmitglied wichtige Probleme oder Veränderungswünsche<br />

nennt. Zielkarten können auch helfen, wenn es mühsam ist, Übereinstimmung über die<br />

Ziele zu erhalten oder die Familie wenig motiviert scheint. Auch wenn ein Kind oder<br />

Jugendlicher wenig Interesse zeigt oder von seinen Eltern überstimmt wird, die für es/ihn<br />

49


die Ziele ausfüllen, kann der Familienmitarbeiter Zielkarten benutzen, um dahinter zu<br />

kommen was der Jugendliche selbst verändern möchte.<br />

Schritte beim Einsatz von Zielkarten<br />

1 Stellen Sie die Zielkarten vor. Geben Sie einen Grund für den Einsatz der Karten an,<br />

beispielsweise: "Sie haben in den letzten Tagen über soviele verschiedene Sachen<br />

gesprochen. Das kann Ihnen ein bißchen den Atem verschlagen, wenn Sie über soviele<br />

verschiedene Dinge nachdenken. Manchmal ist es schwierig zu wissen, wo man anfangen<br />

muss um Probleme zu lösen. Diese Karten bezwecken, Menschen nach verschiedenen<br />

Dingen, die für ihr Leben wichtig sind, schauen zu lassen. Wir schauen, an welchen<br />

wichtigen Dingen wir etwas ändern können".<br />

2 Geben Sie dem Familienmitglied die Karten und einen Stift. Geben Sie den Eltern die<br />

Version für Eltern, einem Jugendlichen die Version für Jugendliche und einem Kind die<br />

Version für Kinder. Sagen Sie, dass die Karten verschiedene Themen haben, die wichtig<br />

für ihn sein können. Auf jeder Karte stehen zu dem Thema verschiedene Dinge, die das<br />

Familienmitglied will oder gerne verändern will. Bitten Sie sie, die Dinge, die sie wollen<br />

oder die ihrer Meinung nach jetzt ein Problem sind, anzukreuzen.<br />

3 Schreiben Sie inzwischen alle angekreuzten Punkte auf einen getrennten Streifen Papier.<br />

4 Bitten Sie das Familienmitglied die Papierstreifen zu unterteilen in:<br />

• 'sehr wichtig'; für Eltern heißt dass: wenn sich an den Dingen nichts ändert, ist das<br />

Risiko auf Fremdplatzierung sehr groß;<br />

• 'wichtig'; für Eltern heißt dass: sie sind wichtig, aber wenn sich an diesen Dingen<br />

nichts ändert, führt das wahrscheinlich nicht zu einer Fremdplatzierung.<br />

• 'weniger wichtig'; das heißt: sie können durchaus noch warten.<br />

5 Wenn dann mehr als acht Zettelchen bei 'sehr wichtig' liegen, bitten Sie das<br />

Familienmitglied, das allerwichtigste getrennt zu legen.<br />

6 Bitten Sie dann darum, den Zetteln, die bei 'sehr wichtig' liegen oder den acht<br />

allerwichtigsten eine Reihenfolge zu geben. Eventuell können die Karten nach<br />

Dimensionen geordnet werden wie die Sicherheit der Kinder; die Sicherheit von<br />

Erwachsenen; das Maß, in dem die Themen dazu beitragen, dass das Kind zuhause<br />

wohnen bleiben kann; das Maß, in dem die Themen unmittelbarer Aufmerksamkeit<br />

bedürfen und das Maß, in dem die Themen nicht mithilfe von jemand anderem als dem<br />

Familienmitarbeiter verwirklicht werden können.<br />

7 Schreiben Sie die fünf bis maximal acht wichtigsten Ziele der Reihe nach auf das<br />

Formular 'Zielkarten'. Bei jedem Ziel wird das Familienmitglied gebeten, eine<br />

Erläuterung zu geben: Was genau wollen Sie? Wenn das Familienmitglied mehr als acht<br />

Ziele 'am wichtigsten' zugeordnet hat, werden diese Ziele auf das Formular geschrieben.<br />

Wenn Ziele negativ gestellt sind (ich will nicht...) oder sehr abstrakt formuliert sind,<br />

besteht die Aufgabe des Familienmitarbeiters darin, diese so weit wie möglich in<br />

konkrete Ziele umzusetzen, die ein erwünschtes Verhalten oder eine zu lernende<br />

Fähigkeit angeben.<br />

50


Zum Beispiel:<br />

Die Familienmitarbeiterin, Stella, schlägt Marco (14 Jahre) vor, mit ihr danach zu sehen, welche<br />

Dinge er in seinem Leben verändern möchte. Marco findet das gut. Die Familienmitarbeiterin legt<br />

die Zielkarten hin: "Es geht nicht um richtige oder falsche Antworten, es geht um Dinge, die du in<br />

deinem Leben gern verändern möchtest." Marco arbeitet alle Karten durch und kreuzt auf jeder<br />

Karte etwa zwei bis vier Punkte an. Auffallend ist, dass er allerlei unerwartete Punkte ankreuzt.<br />

Die Familienarbieterin schreibt inzwischen alle angekreuzten Punkte auf lose Zettel. Marco muss -<br />

nachdem er alle Karten durchgearbeitet hat- die Zettel sortieren nach 'weniger wichtig' (kann noch<br />

warten), 'wichtig' und 'am wichtigsten'. Marco fragt: "Womit beschäftigen wir uns jetzt eigentlich,<br />

wohin führt das?" Die Familienmitarbeiterin sagt, dass er eine sehr gute Frage stellt. Was die<br />

Familienmitarbeiterin erreichen will ist, dass deutlich wird, woran in der nächsten Woche<br />

gearbeitet wird. Dabei ist es wichtig zu wissen, was Marco zuhause ändern will. Nachdem Marco<br />

alle Punkte kategorisiert hat, bittet die Familienmitarbeiterin Marco, den Stapel 'am wichtigsten'<br />

wiederum nach der Wichtigkeit geordnet in eine Reihe zu legen. Danach muss er seinen Stapel 'am<br />

wichtigsten' vorlesen. Zuletzt fragt die Familienmitarbeiterin nach Erläuterungen zu diesen Zielen.<br />

Das Ziel-Karten-Formular sieht schließlich folgendermaßen aus:<br />

51


Ziel<br />

Erläuterung<br />

Reihenfolge<br />

(1 = höchste<br />

Priorität)<br />

Motivation bekommen<br />

Ich will mehr Lust an der Schule haben. Ich<br />

will mehr Motivation für die Hausaufgaben<br />

kriegen.<br />

1<br />

Drogenkonsum unter Kontrolle haben<br />

Ich will nicht abhängig werden, aber ich will<br />

Drogen gebrauchen können und dürfen.<br />

2<br />

Geld leihen<br />

Ich möchte mir Geld leihen, um einen<br />

Trainingsanzug zu kaufen.<br />

3<br />

Ein Mofa kaufen<br />

Ich möchte gern ein Mofa, wenn ich 16 bin.<br />

4<br />

Aufhören zu kämpfen/streiten<br />

Ich will, dass zuhause weniger Streit ist.<br />

5<br />

Mehr Energie bekommen<br />

Ich will nicht so schnell müde werden.<br />

6<br />

Geld haben zum Ausgehen<br />

Ich habe DM 17,50 (Taschengeld) + DM<br />

36,- (Arbeit) pro Woche; wenn ich Drogen<br />

nehme, brauche ich mehr Geld.<br />

7<br />

Die Familienmitarbeiterin sagt, dass sie in der nächsten Woche an den Zielen, die Marco jetzt<br />

genannt hat, arbeiten will. Pro Treffen wird sie ein oder zwei dieser Ziele drannehmen. Marco<br />

bekommt eine Kopie dieses Formulars.<br />

Schwerpunkte beim Einsatz von Zielkarten:<br />

• Planen Sie genug Zeit für die Arbeit mit den Zielkarten ein. Gehen Sie von zwei Stunden<br />

aus, auch wenn es meistens kürzer dauert.<br />

• Versuchen Sie eine Zeit zu planen, in der so ungestört wie möglich durchgearbeitet<br />

werden kann. Nehmen Sie ein Familienmitglied eventuell irgendwohin mit, beispielsweise<br />

zu einem kleinen Mittagessen. Hören Sie auf, wenn das Familienmitglied müde wird und<br />

machen Sie das nächste Mal weiter.<br />

• Versuchen Sie beim Durchgehen der Karten möglichst viele Informationen zu bekommen.<br />

Sprechen Sie dabei mit dem Familienmitglied, fragen Sie nach, damit anlässlich der Arbeit<br />

mit den Zielkarten ein Gespräch entsteht. Die Informationen können ein Bild von<br />

Fähigkeitsdefiziten geben.<br />

• Es kann passieren, dass Familienmitglieder ihre Entscheidungen und Prioritäten ganz<br />

darauf abstimmen, was sie denken, dass der Familienmitarbeiter für wichtig hält. Betonen<br />

Sie, um dies soweit wie mögllich zu verhindern, dass es kein Test ist, es geht nicht um<br />

richtig oder falsch. Es geht um eigene Entscheidungen.<br />

52


2.5 DIE BERICHTERSTATTUNG<br />

Der Familienmitarbeiter macht von jedem Besuch bei der Familie einen kurzen Bericht. In<br />

diesem Bericht kommen folgende Punkte an die Reihe:<br />

1 Datum und Zeit;<br />

2 Ziele und Arbeitspunkte, an denen gearbeitet wurde;<br />

3 Benutzte Techniken;<br />

4 Verlauf oder Wirkung der Techniken;<br />

5 Neue Informationen;<br />

6 Pläne und Absprachen für den nächsten Besuch.<br />

Berichterstattung ist für den Familienmitarbeiter ein wichtiges Mittel, Informationen über<br />

die Familie festzumachen und neue Interventionen zu planen. Die Berichte können bei der<br />

individuellen Arbeitsbegleitung durch den Teamleiter benutzt werden. Berichterstattung<br />

erfolgt durch Eintragungen ins Tagebuch von KISIT oder einfach auf Papier. Die<br />

Berichterstattung zu den Besuchen bilden die 'Arbeitsnotizen' des Familienmitarbeiters und<br />

sind nicht Teil des Dossiers über die Familie. Das bedeutet, dass die Familie formal kein<br />

Einsichtsrecht in die 'Arbeitsnotizen' hat. Übrigens bedeutet das nicht, dass alles was in<br />

dem Bericht steht 'geheim' ist. Der Familienmitarbeiter strebt nach größtmöglicher<br />

Offenheit mit Bezug auf seine Befindlichkeiten zu der Familie und setzt die Familie davon<br />

in Kenntnis.<br />

2.6 ZUSAMMENFASSUNG: VOM ERSTEN KONTAKT ZU DEN ARBEITSPUNKTEN<br />

Schon während der ersten Kontakte mit der Familie beginnt der Familienmitarbeiter mit<br />

dem Aufbau einer Arbeitsbeziehung. Er versucht die Familie zu beruhigen und macht seine<br />

Position in Bezug auf den Überweiser deutlich. Beim Inventarisieren der Probleme<br />

vermeidet es der Familienmitarbeiter Lösungen heranzuziehen, und wählt die Probleme als<br />

Blickwinkel, um Ziele für die kommende Arbeitsperiode zu setzen. Wenn sich<br />

Möglichkeiten zu praktischer Hilfe bieten, nutzt sie der Familienmitarbeiter. Von den ersten<br />

Kontakten an, bei denen der Familienmitarbeiter eine Arbeitsbeziehung aufbaut, beginnt<br />

der Familienmitarbeiter auch, mithilfe des Formulars `Basisinformation` und den<br />

Fragebögen des KISIT Informationen zu sammeln. Aufgrund dieser Informationen macht<br />

der Familienmitarbeiter eine Kompetenz-Analyse und formuliert zusammen mit den<br />

Familienmitgliedern die Ziele, an denen in den kommenden vier Wochen gearbeitet wird.<br />

Als Hilfsmittel für die Familienmitglieder werden dazu Zielkarten benutzt. Danach werden<br />

aus den Zielen Prioritäten ausgewählt und umgesetzt in Arbeitspunkte.<br />

Im Schema:<br />

53


INFORMATION<br />

Inventarisierung von Problemen und Veränderungswünschen<br />

Mittel:<br />

• Aktiv Zuhören und Beobachten<br />

• Zielkarten<br />

• KISIT<br />

• Informationen des Überweisers (Probleme und Ziele)<br />

Formulare: Anmeldeformular, Basisinformation, Ziele und Zielkarten<br />

PROBLEME UND POTENTIELLE KRÄFTE<br />

• In Begriffen beobachtbaren Verhaltens<br />

• In Begriffen von Aufgaben und Fähigkeiten<br />

• In Begriffen von Kompetenz-Erweiterung<br />

ZIELE<br />

• in Formulierungen bezüglich beobachtbaren Verhaltens<br />

• realistisch<br />

• in Formulierungen bezüglich von Kompetenzerweiterung<br />

PRIORITÄTEN SETZEN<br />

Kriterien:<br />

• Maß der Belastung für die Familie (das Familienmitglied)<br />

• Bedrohung der Sicherheit (Fremdplatzierung verhindern)<br />

• Maß, in dem Probleme zu verändern sind<br />

• Anknüpfen bei den Kräften der Familie (des Familienmitglieds)<br />

Formular: Ziele oder Ziel-Karten<br />

ARBEITSPUNKTE<br />

• Ansatzpunkte für materiell und praktische Hilfe<br />

• Techniken (Methoden, um Ziele mittels Fähigkeiten zu erreichen)<br />

Formular: Arbeitspunkte<br />

AUSWERTUNG<br />

54


3 DIE BEOBACHTUNGS- UND<br />

GESPRÄCHSTECHNIKEN<br />

Jeder Familienmitarbeiter muss über eine Anzahl Basistechniken zum Beobachten von<br />

Verhalten und zur Gesprächsführung verfügen. Die Technik 'Beobachten' wird bei jedem<br />

Besuch in der Familie angewendet, weil es unter allen Umständen wichtig ist, ein konkretes<br />

Bild der Ereignisse zu bekommen. Außerdem benutzt der Familienmitarbeiter einige<br />

allgemeine Gesprächstechniken, um Informationen über die Familie zu bekommen. Um<br />

Gespräche zu führen, bei denen Emotionen von Familienmitgliedern eine wichtige Rolle<br />

spielen, wird die spezifische Technik 'Aktiv Zuhören' angewendet. Um spezifisch zu einem<br />

Ereignis nachzufragen, zu dem Verhalten dabei und den Folgen davon, gibt es die Technik<br />

'Beobachten aus zweiter Hand'.<br />

3.1 BEOBACHTEN<br />

Beobachten von Verhalten ist ein wesentlicher Teil von Families First, weil es dem<br />

Familienmitarbeiter ein konkretes Bild der Situation gibt und die Möglichkeit bietet, dem<br />

Familienmitglied Feedback zu geben. Beobachtungen sind auch für die Teambesprechung<br />

mit Kollegen wichtig. Ein Familienmitarbeiter beobachtet während der Arbeit mit der<br />

Familie ständig. In manchen Fällen ist es notwendig, die Beobachtung zu verschärfen,<br />

beispielsweise wenn starke Emotionen, Probleme,Streit und krisenhafte Situationen zur<br />

Sprache kommen, aber auch gerade, wenn es gut geht und sich die Familienmitglieder bei<br />

ihrem Tun besonders gut verhalten. Beim Beobachten muss immer ein Unterschied<br />

gemacht werden zwischen dem was wahrnehmbar ist und der Interpretation davon. Eine<br />

Diskussion aufgrund von Interpretationen ist meistens nicht sinnvoll.<br />

Zum Beispiel:<br />

Familienmitarbeiter: "Sie erzählten, dass gestern etwas mit Peter passiert ist. Was war los?"<br />

Vater: "Ja, der Junge hat da gestern wieder einen Trümmerhaufen angerichtet!"<br />

Familienmitarbeiter: "Was ist denn passiert?" Vater: "Nun, wieder das alte Lied, he? Du läßt ihn<br />

eben allein im Zimmer und in kürzester Zeit macht er da wieder ein riesengroßes Durcheinander,<br />

mit allen Folgen, die das hat. Gestern auch wieder. Ich war eben allein bei den Nachbarn, komme<br />

zurück und Lianne kommt mir heulend entgegen. Peter sah mich noch nicht und ich hörte ihn<br />

noch sagen: 'Dummes Weib, ich krieg dich schon noch!' Es war also deutlich, dass Peter Radau<br />

machte. Übrigens war auch das Zimmer der reinste Trümmerhaufen; überall Lego, das<br />

Puppenhaus war umgekippt. Ich finde das wieder typisch für Peter. Er nutzt die Situation aus,<br />

sobald ich nicht da bin, bestimmt er über Lianne. Er will immer den Boss spielen. Nun, und Lianne<br />

ist natürlich eine leichte Beute." Familienmitarbeiter: "Ja, aber was ist denn nun genau passiert?"<br />

Die letzte Frage des Familienmitarbeiters ist berechtigt, denn das Einzige was er bis jetzt zu<br />

hören bekommen hat, sind Charakterisierungen von den zwei Kindern. Aber was genau<br />

passiert ist, weiß er noch nicht. Darum hält man sich besser an Dinge, die konkret<br />

wahrgenommen werden und über die meistens keine großen Diskussionen möglich sind.<br />

55


Der Familienmitarbeiter muss verhindern, dass er die Ereignisse unter Einfluss seiner<br />

eigenen Emotionen interpretiert. Das heißt jedoch nicht, dass seine eigenen Gefühle nicht<br />

Gegenstand von Beobachtung sein dürfen. Sein eigenes Gefühl ist ein wichtiges Hilfsmittel<br />

bei der Beurteilung und Beobachtung der Ereignisse im alltäglichen Leben. Die<br />

Beobachtung des eigenen Gefühls - beispielsweise dass irgendetwas nicht stimmt - bildet<br />

dann eine zusätzliche Information neben der Beobachtung der Ereignisse. Es kann<br />

beispielsweise passieren, dass sich der Familienmitarbeiter mit einer Mutter und ihrem<br />

Freund unterhält und sich dabei nicht wohl fühlt, obwohl auf den ersten Blick nichts<br />

besonderes auffällt. Der Familienmitarbeiter fasst das unbehagliche Gefühl als Signal auf, zu<br />

beobachten, und dann bemerkt er beispielsweise, dass die Mutter ihrem Freund ständig ins<br />

Wort fällt. Mit der Interpretation der Gefühle von Kindern muss der Familienmitarbeiter<br />

sehr vorsichtig sein. In den Familien von Families First begegnet er regelmäßig Kindern, die<br />

andere Gefühle haben als durchschnittliche Kinder ihres Alters.<br />

Zum Beispiel:<br />

Ein Mädchen hat von seiner Mutter gehört, dass sie an diesem Wochenende ihren Vater nicht<br />

besuchen wird. Der Familienmitarbeiter beobachtet, dass das Mädchen anfängt zu weinen und<br />

denkt, sie ist traurig, aber das muss nicht der Fall sein. Sie kann auch weinen, weil sie böse ist; sie<br />

kriegt ihren Willen nicht, denn sie wollte an diesem Wochenende zu ihrem Vater, um auf die<br />

Kirmes zu gehen.<br />

3.1.1 Regeln für das Beobachten<br />

Das Beobachten hält sich an zwei Faustregeln:<br />

1 Beschreiben Sie die Beobachtung soviel wie möglich in Begriffen wahrnehmbaren<br />

Verhaltens. Vermeiden Sie Interpretationen, sagen Sie also nicht: "Patrick meckert wieder",<br />

sondern berichten Sie deutlich, was Sie gesehen haben.<br />

2 Unterteilen Sie das Geschehen, das Sie beobachtest in möglichst viele getrennte<br />

Ereignisse.<br />

Man neigt dazu, bei Beobachtungen in viel zu großen "Brocken" zu denken, es ist aber<br />

besser, das Geschehen schrittweise auseinanderzunehmen. Eine schrittweise Beobachtung<br />

ist eine Beschreibung von Ereignissen, die nacheinander stattfinden und die zusammen das<br />

ganze Geschehen bilden.<br />

Zum Beispiel:<br />

Die Mutter bat Bianca, beim Aufwaschen zu helfen. Bianca reagierte sofort böse und sagte mit<br />

harter Stimme: "Hör auf zu quengeln, tu's selber, Mensch!". Danach schlug sie die Tür zu und<br />

rannte in ihr Zimmer.<br />

Beim Beobachten muss geachtet werden auf die Körperhaltung, den Gesichtsausdruck, den<br />

Ton, in dem gesprochen wird, die Reihenfolge der Ereignisse, die Häufigkeit: wie oft kommt<br />

das Verhalten vor; und die Intensität: wie lange hält das Verhalten an? Weil Verhalten oft<br />

komplex ist und viele Dinge zugleich geschehen, ist es gut, beim Beobachten an drei Fragen<br />

zu denken:<br />

56


1 In welcher Situation findet das Verhalten statt? Das heißt: was passierte bevor die<br />

Situation entstand, womit war jeder beschäftigt, wo und wann fand das Verhalten genau<br />

statt, wer war dabei, welche Aufgabe hatte die Person zu erfüllen und kamen Stressoren<br />

oder schützende Faktoren vor, mit anderen Worten: wurde sie durch irgendetwas<br />

behindert oder wurde es ihr gerade leichter gemacht?<br />

2 Was ist das Verhalten? Was tut das Familienmitglied und was tut er gerade nicht? Wie ist<br />

seine Körperhaltung: was tut er mit seinen Händen, wie bewegt er sich? Was für einen<br />

Gesichtsausdruck hat er? Besteht Augenkontakt; schaut er jemanden an während er<br />

spricht? Wie bewegt er seinen Mund. Was genau sagt das Familienmitglied und was sagt<br />

er nicht, obwohl es an ihm liegt, davon zu sprechen. In welchem Ton sagt jemand etwas<br />

und welche anderen Geräusche macht er?<br />

3 Was für Folgen gibt es? Wohin führt das Verhalten? Wie reagiert jemand anderes auf das<br />

Verhalten? Wird jemand durch das Verhalten ermutigt oder gerade entmutigt?<br />

3.2. ALLGEMEINE GESPRÄCHSTECHNIKEN<br />

Bei Kontakten mit der Familie benutzt der Familienmitarbeiter allgemeine<br />

Gesprächstechniken um Informationen zu sammeln. Mithilfe der Gesprächstechniken<br />

ermutigt der Familienmitarbeiter die Familienmitglieder mit ihm zu sprechen.<br />

Gesprächstechniken spielen auch eine große Rolle beim Aufnehmen von Kontakten und<br />

dem Aufbau einer Arbeitsbeziehung mit der Familie. Bei einer guten Anwendung der<br />

Gesprächstechniken ist der Familienmitarbeiter ein Modell für die Familie, weil er zeigt, wie<br />

man auf effektive Weise miteinander kommunizieren kann. Die allgemeinen<br />

Gesprächstechniken sind:<br />

Eine einladende Körperhaltung und ein unbedrohlicher Augenkontakt<br />

Die verbale Aktivität des Familienmitglieds wird durch die Körperhaltung des<br />

Familienmitarbeiters stimuliert, der vornübergebeugt mit seinen Schultern in der Richtung<br />

des Familienmitglieds sitzt und freundlich schaut. Die Haltung des Familienmitarbeiters ist<br />

nicht defensiv, das heißt: er sitzt nicht mit übereinandergeschlagenen Beinen oder<br />

verschränkten Armen da. Das Gefühl von Sicherheit kann erhöht werden, indem man in<br />

einem Winkel von 90 Grad zueinander sitzt: das Familienmitglied hat dann die<br />

Möglichkeit, mit dem Familienmitarbeiter Augenkontakt zu halten, kann den Blick aber<br />

auch abwenden.<br />

Guter Augenkontakt bedeutet, dass das Familienmitglied, ohne ihn anzustarren, regelmäßig<br />

angesehen wird.<br />

Ermutigen und Nicken<br />

Einschiebsel wie: 'Ja,ja ...', 'Genau!' und 'Aha ...' müssen im richtigen Augenblick benutzt<br />

werden, das heißt: direkt nachdem der andere ausgesprochen hat.<br />

57


Stille zulassen<br />

Der Familienmitarbeiter muß schweigen, Stille zulassen können. Stille gibt dem<br />

Familienmitglied die Möglichkeit, kurz darüber nachzudenken, worüber er noch mehr<br />

erzählen möchte. Bei Stille während eines Gesprächs wird in den meisten Fällen einer der<br />

Gesprächspartner innerhalb von zehn Sekunden reden. Wenn ein Familienmitarbeiter Stille<br />

zuläßt, wird das Familienmitglied sicher weitermachen und erklären oder Vorbilder geben,<br />

von dem, worüber er gerade gesprochen hat.<br />

Frage nach Erläuterung<br />

Der Familienmitarbeiter fragt nach einer Erklärung, wenn ihm etwas nicht deutlich ist.<br />

Beispielsweise fragt er: "Können Sie das verdeutlichen?", "Kannst du darüber etwas mehr<br />

erzählen?", "Können Sie ein Beispiel dazu geben?", "Wieso?" und "Entschuldigung, das<br />

verstehe ich nicht. Können Sie das erklären?". Lassen Sie die Stille zu, wenn das<br />

Familienmitglied nicht sofort antwortet. Beim Fragen nach Meinungen lautet die<br />

'Eröffnungsfrage': "Was halten Sie von / Wie finden Sie ...?" und nicht "Was denken Sie von<br />

...? Das Verb 'finden' gibt eine Tätigkeit an, die zwischen denken und fühlen liegt. Die Frage<br />

"Was ist ...?" kann dem Familienmitglied das Gefühl geben, eine Prüfung ablegen zu<br />

müssen.<br />

Stellen von offenen, geschlossenen und Mehrwahlfragen<br />

Um dem Familienmitglied einen Spielraum zu geben und um zu verhindern, dass der<br />

Familienmitarbeiter jemandes Geschichte ausfüllt, stellt er möglichst viele offene Fragen<br />

("Wie ...?", "Was ...?"). Offene Fragen sind am Anfang oft allgemein und werden danach<br />

spezifischer. Mehrwahlfragen und geschlossene Fragen werden benutzt, um etwas Spezielles<br />

zu fragen. Mehrwahlfragen und geschlossene Fragen können auch benutzt werden, um dem<br />

Familienmitglied zu helfen sich etwas nuancierter auszudrücken. Manche<br />

Familienmitglieder finden alles 'schon gut', 'normal' oder 'ganz nett'. Manchmal kann der<br />

Familienmitarbeiter ein Familienmitglied in solchen Situationen mit Mehrwahlfragen oder<br />

geschlossenen Fragen aus der Reserve locken. Bei Mehrwahlfragen legt der<br />

Familienmitarbeiter dem Familienmitglied einige Antwortmöglichkeiten vor, aus denen er<br />

wählen kann. Oft wird ein Familienmitglied durch verschiedene Wahlmöglichkeiten<br />

stimuliert, weiterzuerzählen. Wenn eine Familienmitglied offene Fragen mühsam findet,<br />

kann der Familienmitarbeiter vorschlagen, mit geschlossenen Fragen zu arbeiten; Fragen,<br />

auf die das Familienmitglied mit 'ja' oder 'nein' antworten muss. Manchmal bringt eine<br />

geschlossene Frage das Gespräch einen Schritt weiter: Das Familienmitglied kann danach<br />

wieder etwas leichter erzählen und Antwort auf offene Fragen geben.<br />

Zum Beispiel:<br />

•Allgemein, offen: "Können Sie etwas über ... erzählen?", "Wie ist im Augenblick der Kontakt<br />

mit ...?";<br />

•Spezifisch, offen: "Was findest du beschwerlich an ...?", "Was gefällt dir ...?", "Können Sie<br />

erzählen, was Sie davon halten?", "Was passierte, als Sie ... das letzte Mal gesehen haben?";<br />

58


•Mehrwahl: "Warst du da mit deiner Mutter allein, oder waren noch andere dabei?", "War das<br />

letzte Telefongespräch kürzer, genauso lang oder länger als sonst?", "Dein Bruder wohnt nicht<br />

mehr zuhause. Findest du das schade, macht es dir nichts aus oder freust du dich eigentlich<br />

darüber?";<br />

•Geschlossen: "Hast du letzte Woche noch mit ... telefoniert?", "Haben Sie jemand, dem Sie<br />

vertrauen können?", "... wurde gehörig böse, hast du dich da nicht fürchterlich erschrocken?".<br />

Im Idealfall wechselt der Famillienarbeiter offene, Mehrwahlfragen und geschlossene<br />

Fragen gut miteinander ab. Ein Familienarbieter muss allerdings nicht nur daran denken,<br />

welche Fragen er stellen wird und das Gespräch in Gedanken vorwegnehmen, er muss<br />

zugleich auch zuhören. Darum muss er aufpassen, keine zwei Fragen zugleich zu stellen<br />

und der Antwort, die er auf seine Frage erhält, zuzuhören.<br />

Beobachten non-verbaler Signale<br />

Außer der sprachlichen Botschaft, die sie aussenden, gebrauchen die Familienmitglieder<br />

auch andere, non-verbale Ausdrucksformen: Ihre Intonation, ihre Mimik, ihr<br />

Gesichtsausdruck, Gesten, Schulterzucken, und so weiter. Die Interpretation einer Reaktion<br />

auf non-verbales Verhalten erfolgt darum am besten in drei Schritten. Zuerst erzählt der<br />

Familienmitarbeiter dem Familienmitglied, was er ihn tun sah und hörte. Danach erzählt<br />

er, was für eine Schlußfolgerung er, unter Vorbehalt, aus diesem Verhalten zieht. Schließlich<br />

fragt er, ob die Schlußfolgerung oder Unterstellung stimmt.<br />

Zusammenfassen des Inhalts<br />

Durch regelmäßige Zusammenfassungen kann der Familienmitarbeiter das Gespräch<br />

strukturieren und überprüfen, ob er das Familienmitglied richtig verstanden hat. Eine gute<br />

Zusammenfassung ist kurz und spezifisch, erfasst den Kern der Darlegung, gibt Synonyme,<br />

und wird in fragendem (evokativem) Ton präsentiert. Bei einer Zusammenfassung können<br />

Formulierungen gebraucht werden wie "Wenn ich Sie richtig verstehe, dann ...", "Sie sind<br />

der Meinung, dass ..." oder "Du hast das Gefühl, dass ...". Nicht richtig ist: "Sie glauben zu<br />

sagen, dass ...". Das kann bei dem Familienmitglied den Eindruck wecken, der<br />

Familienmitarbeiter finde, dass es nicht deutlich ist.<br />

3.3. AKTIV ZUHÖREN 4<br />

Eine Methode des Zuhörens, die Familienmitarbeiter oft anwenden, ist das 'Aktive<br />

Zuhören' (Thomas Gordon), auch 'Reflexiv Zuhören' (Carl Rogers) genannt.<br />

Charakteristisch für 'Aktives Zuhören' ist, dass es sich auf die Wiedergabe von Gefühlen<br />

richtet. Beim 'Passiven Zuhören' ist der Hilfeleistende damit beschäftigt, jemanden zum<br />

Weitererzählen zu stimulieren. Das tut er, indem er kleine Geräusche von sich gibt (hmmm<br />

hmmm), zustimmend nickt, erstaunt reagiert (so? nun nun) oder einladende Fragen stellt<br />

4 Entnommen aus Hans Janssen: Als praten bij je werk hoort. Gespreksvaardigheid voor hulp- en dienstverleners<br />

(1987) / Wenn Sprechen zu Ihrem Beruf gehört. Fähigkeit zum Gespräch für Hilfe- und Dienstleistende<br />

59


(Möchten Sie darüber noch etwas mehr erzählen? Wie ist das nun genau?). Bei 'Passivem<br />

Zuhören' ist das Engagement des Hilfeleistenden viel geringer als bei 'Aktivem Zuhören'.<br />

'Aktiv Zuhören' ist eine Form des 'zwischen den Zeilen Hörens': der Familienmitarbeiter<br />

hört vor allem auf die unausgesprochenen und halbausgesprochenen Emotionen und<br />

Erlebnisse des Familienmitglieds und fasst diese für ihn in Worte. Anders gesagt: Der<br />

Familienmitarbeiter 'gibt zurück', was für einen Eindruck er vom Erleben, der Emotion,<br />

dem Bedürfnis des Familienmitglieds hat. Der aktiv zuhörende Familienmitarbeiter reagiert<br />

also nicht allein auf den Inhalt der Botschaft, sondern auch auf das, was dahinter liegt -<br />

oder was der Familienmitarbeiter dahinter zu hören meint. Mit 'Aktivem Zuhören'<br />

versucht der Familienmitarbeiter einem Familienmitglied mit einem emotional beladenen<br />

persönlichen Problem zu helfen, seine eigenen Emotionen, sein eigenes Erleben und seine<br />

eigenen Bedürfnisse wiederzuerkennen und sie in den Griff zu bekommen. Dadurch wirken<br />

sie nicht länger blockierend bei der Suche nach Lösungen. 'Aktiv Zuhören' ist also eine<br />

Form von "dem anderen helfen, sich selbst zu helfen". 'Aktiv Zuhören' ist wichtig, weil sich<br />

Familienmitglieder dadurch besser verstanden fühlen. Menschen, die sich verstanden<br />

fühlen, werden im Allgemeinen ruhiger. 'Aktiv Zuhören' hilft den Familienmitgliedern, ihre<br />

Gefühle und Wünsche zu ordnen und legt dadurch die Basis, um Entscheidungen treffen zu<br />

können. 'Aktiv Zuhören' führt auch dazu, dass Familienmitglieder selbst eher bereit sind<br />

zuzuhören; sie sind offener für die Ansicht des Familienmitarbeiters. Das ist eine wichtige<br />

Voraussetzung für den Familienmitarbeiter, der seine Beobachtungen mit der Familie teilen<br />

möchte und ihnen vermitteln will, wie sie bestimmte Dinge auf eine neue Weise tun<br />

können.<br />

Reflektieren von Gefühlen<br />

Ein spezifisches Kennzeichen der Technik des 'Aktiven Zuhörens' ist das Reflektieren von<br />

Gefühlen. Bei 'Aktivem Zuhören' werden Tatsachen mit unausgesprochenen und<br />

halbausgesprochenen Emotionen und Erlebnissen des Familienmitglieds kombiniert.<br />

Der Familienmitarbeiter reagiert nicht allein auf die sogenannte 'Inhaltsebene', sondern<br />

gibt auch wieder, was er auf der sogenannten 'Bezugsebene' wahrnimmt, das heißt: alles<br />

was seiner Meinung nach hinter den Tatsachen zu hören ist. Eine Reflexion muss ein Gefühl<br />

wiedergeben, keine Analyse. Wenn Menschen aufgeregt sind, muss man sie erst beruhigen<br />

bevor an ihre Rationalität appelliert werden kann.<br />

Eine Reflexion enthält drei Komponenten:<br />

1 'Du' oder 'Sie';<br />

2 das Gefühl, die Emotion oder den Gedanken;<br />

3 die Situation.<br />

Schritt für Schritt sieht es so aus, wenn eine Reflexion zurückgegeben wird:<br />

1 Die sprachliche Botschaft und die non-verbalen Signale, die ein Familienmitglied<br />

aussendet, werden vom Familienmitarbeiter analysiert. Er untersucht für sich selbst, was<br />

das Familienmitglied nicht allein auf der inhaltlichen Ebene, sondern auch auf der<br />

60


Bezugsebene deutlich zu machen versucht.<br />

2 Dadurch entsteht beim Familienmitarbeiter ein Eindruck vom Erleben des<br />

Familienmitglieds.<br />

3 Diesen Eindruck gibt der Familienmitarbeiter dem Familienmitglied zurück. Fragend,<br />

denn der Eindruck kann falsch sein: Möglicherweise hat der Familienmitarbeiter nicht<br />

richtig entziffert oder er hat seinen Eindruck nicht in die richtigen Worte gefasst.<br />

Zum Beispiel:<br />

Ein Mutter fühlt sich traurig und machtlos, weil es ihr nicht gelingt, die Kinder nett miteinander<br />

spielen zu lassen. Die Mutter sagt zu dem Familienmitarbeiter: "Das war wieder etwas heute:<br />

ständiges Gezeter und Geschrei. Was ich auch tue, sie hören nicht." Sie seufzt, zieht die Schultern<br />

hoch und schlägt die Augen nieder. Eine Reaktion des Familienmitarbeiters könnte sein: "Sie fühlen<br />

sich traurig, weil sich die Kinder heute gestritten haben. Sie haben das Gefühl, dass es egal ist, was<br />

Sie tun. Stimmt das?"<br />

Formulierungen, die der Familienmitarbeiter gebrauchen kann, wenn er seinen<br />

Beobachtungen traut und das Familienmitglied offen für sie ist:<br />

Sie fühlen ..., es scheint Ihnen ..., so wie du das siehst ..., Sie finden/denken/glauben ..., was ich dich<br />

sagen höre ..., Sie sind ...[Gefühl, beispielsweise ärgerlich, traurig], du findest ... nett/nicht nett.<br />

Formulierungen, die der Familienmitarbeiter gebrauchen kann, wenn er an seinen<br />

Interpretationen zweifelt oder wenn das Familienmitglied für sie nicht offen zu sein<br />

scheint:<br />

Könnte es sein, dass ...; ich frage mich, ob ...; ich weiss nicht genau, ob ich recht habe, aber ...;<br />

verbessern Sie mich, wenn ich mich irre, aber ...; ist es möglich, dass ...; könnte es sich darum<br />

handeln: Sie ...; so wie ich es sehe ...; es scheint, dass du ...; es scheint, dass du dich ... fühlst;<br />

vielleicht fühlst du ...; besteht die Chance, dass Sie ...; mal sehen, ob ich dich verstehe; du/Sie ...<br />

Gebrauch der Technik 'Aktiv Zuhören'<br />

Die Technik 'Aktiv Zuhören' ist vor allem in Situationen wichtig, in denen<br />

Familienmitglieder beruhigt werden müssen und in denen viele Emotionen im Spiel sind,<br />

wie am Anfang der Arbeitsperiode. Danach beachtet der Familienmitarbeiter während der<br />

ganzen Arbeitsperiode aufmerksam Situationen, in denen Emotionen und Gefühle eine<br />

Rolle spielen und in denen die Technik 'Aktiv Zuhören' benutzt werden kann.<br />

'Aktiv Zuhören' wird unter folgenden Voraussetzungen benutzt:<br />

• es muss sich um ein Problem handeln, bei dem Emotionen und Bedürfnisse eine wichtige<br />

Rolle spielen;<br />

• der Familienmitarbeiter muss bereit sein, wirklich zu helfen;<br />

• es muss genügend Zeit sein;<br />

• der Familienmitarbeiter muss seine eigenen Gefühle, sein Erleben und seine Bedürfnisse<br />

zeitweise 'auf Eis legen';<br />

• der Familienmitarbeiter muss darauf vertrauen, dass das Familienmitglied in der Lage ist,<br />

61


eigene Probleme zu lösen oder damit umzugehen.<br />

Häufige Fehler beim 'Aktiv Zuhören' sind:<br />

• Papagei spielen, das heißt: Nachplappern was der Gesprächspartner gesagt hat: 'Aktiv<br />

Zuhören' beinhaltet nicht, dass der Familienmitarbeiter buchstäblich wiederholt, was der<br />

andere gesagt hat, sondern dass er Schlussfolgerungen über die Bedeutung hinter den<br />

Worten des anderen anbietet;<br />

• vorwegnehmen oder hinzufügen, das heißt, aufgrund der eigenen Interpretation<br />

weiterführen was der andere gesagt hat;<br />

• zurückbleiben oder weglassen, das heißt auf weniger wichtiges Erleben eingehen und<br />

nicht auf das wichtigste;<br />

• Gefühle verleugnen oder bagatellisieren; wenn die Echtheit oder Intensität der Emotionen<br />

anderer nicht erkannt wird, steigt deren Intensität.<br />

3.4 BEOBACHTEN AUS ZWEITER HAND<br />

Wenn der Familienmitarbeiter ein Geschehen beobachtet, das sich in seiner Anwesenheit<br />

abspielt, beobachtet er 'aus erster Hand'. Im täglichen Leben einer Familie spielen sich<br />

jedoch viele Dinge ab, bei denen der Familienmitarbeiter nicht dabei ist. Um ein gutes Bild<br />

zu bekommen, was genau geschehen ist, muss er auch Entwicklungen im Auge behalten.<br />

Dazu wird 'Beobachten aus zweiter Hand' benutzt.<br />

Die Technik 'Beobachten aus zweiter Hand' ist eine Gesprächstechnik, die der<br />

Familienmitarbeiter einsetzt, wenn es nötig ist, spezifische Informationen über Situationen,<br />

Ereignisse, Verhaltensweisen und Folgen zu bekommen. Wenige Menschen erzählen ihre<br />

Geschichten ordentlich und in der richtigen Reihenfolge, schon gar nicht, wenn sie<br />

emotionalisiert sind. Meistens spricht ein Familienmitglied erst über das Verhalten und die<br />

Folgen. Wenn nicht explizit nach der Situation gefragt wird, in der alles stattfand, wird<br />

darüber nichts erzählt. Der Familienmitarbeiter muss darum seine Fragen so stellen, dass<br />

ein deutliches Bild der Ereignisse, der Situation, des Verhaltens und der Folgen entsteht.<br />

Dieses Bild muss schließlich so deutlich sein, dass er es andere nachspielen lassen kann.<br />

Die Technik 'Beobachten aus zweiter Hand' wird immer in Kombination mit den<br />

allgemeinen Gesprächstechniken benutzt und nach den Regeln des Beobachtens<br />

angewendet. Mit anderen Worten: es geht möglichst viel um wahrnehmbares Verhalten und<br />

besondere Ereignisse; Aufmerksamkeit erhalten die Häufigkeit, Dauer und Intensität von<br />

Verhalten und die Situation, in der das Verhalten stattgefunden hat und die Folgen. Bei der<br />

Beobachtung einer längeren Periode ist die 'Zeitleisten-Methode' ein gutes Hilfsmittel. Nach<br />

dieser Methode beginnt der Familienmitarbeiter am Anfang der Periode und geht die ganze<br />

Periode nach und nach durch. Wenn er auf ein besonderes Ereignis stößt, fragt er gezielt<br />

weiter nach.<br />

Zum Beispiel:<br />

Chantal kommt mit der Mitteilung herein, dass sie "nie mehr in diese beschissene Schule geht". Es<br />

ist deutlich, dass etwas passiert ist. Wenn ein Familienmitarbeiter mithilfe der Zeitleisten-Methode<br />

62


eobachtet, fragt er zuerst: "Okay, du bist um halb neun aus dem Haus gegangen. Ist auf dem<br />

Schulweg noch etwas besonderes passiert?" Chantal antwortet. Dann fragt der Familienmitarbeiter:<br />

"In der ersten Stunde hattest du, glaube ich, Gymnastik. Ist da noch etwas passiert?", und so weiter.<br />

Eine Beobachtung aus zweiter Hand wird oft mit einer einleitenden Bemerkung begonnen.<br />

Dies bringt mehr Struktur in das Gespräch. Das ist für den anderen, wie auch für den<br />

Familienmitarbeiter selbst angenehm. Es ist gut, diese Bemerkung mit einer kurzen<br />

Erklärung zu ergänzen, in der etwas über den Grund gesagt wird. Zum Beispiel: "Ja, das ist<br />

schon etwas, wenn man das so hört. Findest du es gut, wenn ich noch ein paar Fragen<br />

stelle? Das ist wichtig für mich, um ein gutes Bild zu bekommen, was passiert ist. Danach<br />

kann ich dann mit dir zusammen sehen, wie du das lösen kannst.<br />

"Oder: "Wie gut! Das ist aber sehr schön für Sie! Nun müssen Sie mir aber noch ein paar<br />

Dinge erzählen, denn ich möchte gern alles wissen."<br />

3.5 CHECKLISTEN FÜR DIE BEOBACHTUNGS- UND GESPRÄCHSTECHNIKEN<br />

Regeln für das Beobachten<br />

• Halten Sie sich an zwei Faustregeln:<br />

- Beschreiben Sie die Beobachtung in Begriffen wahrnehmbaren Verhaltens;<br />

- Unterteilen Sie die Beobachtung in getrennte Ereignisse.<br />

• Behalten und beschreiben Sie die Situation, in der sich das Verhalten zeigt. Also: wo ist das<br />

Familienmitglied, womit beschäftigt es sich, wie spät ist es, was passierte kurz vor dem<br />

Verhalten?<br />

• Geben Sie eine tatsächliche Beschreibung vom Verhalten des Familienmitglieds. Was tut er<br />

und was gerade nicht? Was wird gesagt? Wie lange dauert das Verhalten, und so weiter?<br />

• Beschreiben Sie die Folgen des Verhaltens. Hat das Verhalten, erwünschte, unerwünschte<br />

oder gar keine Folgen? Was passiert kurz nach dem Verhalten des Familienmitglieds? Wie<br />

reagieren die anderen in dieser Situation? Was für ein Verhalten des Familienmitglieds<br />

folgt?<br />

• Wie oft kommt es vor? Wie lang dauert es?<br />

Allgemeine Gesprächstechniken<br />

• auf eine einladende Körperhaltung und nicht bedrohlichen Augenkontakt achten<br />

• ermutigen und nicken<br />

• Stille zulassen<br />

• nach Erläuterungen fragen<br />

• offene, geschlossene und Mehrwahlfragen stellen<br />

• nonverbale Signale beobachten<br />

• den Inhalt zusammenfassen<br />

63


Aktiv Zuhören<br />

Schritte einer Reflexion:<br />

1 die Botschaft sowohl auf inhaltlicher wie auf Bezugsebene analysieren;<br />

2 gewinnen Sie einen Eindruck von der Art und Weise, wie ein Familienmitlied etwas<br />

erlebt;<br />

3 formulieren Sie den Eindruck in einer Frage an das Familienmitglied.<br />

Voraussetzungen zum Gebrauch der Technik:<br />

• Emotionen oder Bedürfnisse spielen bei dem Thema eine wichtige Rolle;<br />

• der Familienmitarbeiter ist bereit, wirklich zu helfen und seine eigenen Emotionen eben<br />

beiseite zu lassen;<br />

• es ist genügend Zeit;<br />

• das Familienmitglied ist in der Lage, gut mit seinen Problemen umzugehen.<br />

Beobachten aus zweiter Hand<br />

• eine einleitende Bemerkung machen, um das Gespräch zu strukturieren und zu erklären,<br />

mit welchem Ziel Sie zu einer bestimmten Situation nachfragen, bei der Sie selbst nicht<br />

dabei waren;<br />

• die Regeln zum Beobachten in Kombination mit Gesprächstechniken und 'Aktiv Zuhören'<br />

anwenden.<br />

64


4. DIE TECHNIKEN FÜR DAS<br />

VERMITTELN VON FÄHIGKEITEN<br />

Familien werden kompetenter, wenn ihnen entsprechende Fähigkeiten vermittelt werden.<br />

Der Familienmitarbeiter kann dazu verschiedene Techniken anwenden. Die wichtigsten<br />

sind: Feedback, Verhaltensanweisungen, Modell stehen und Verhaltensübungen. Diese<br />

Techniken werden oft miteinander kombiniert. So wird bei einer Verhaltensanweisung auch<br />

Gebrauch von Feedback und Anweisung gemacht, und bei einer Verhaltensübung werden<br />

alle Techniken eingesetzt. Feedback und Verhaltensanweisung können ein Schritt zu einer<br />

Verhaltensübung sein, beispielsweise wenn deutlich wird, dass jemand noch nicht versteht,<br />

was er tun muss.<br />

Schema möglicher Kombinationen zur Vermittlung von Fähigkeiten:<br />

Benutzte Feedback Anweisung Vormachen Üben<br />

Technik<br />

Feedback auf<br />

adäquates Verhalten ja nein nein nein<br />

Feedback auf<br />

inadäquates Verhalten ja ja nein nein<br />

Verhaltensanweisung manchmal ja nein nein<br />

Modell stehen manchmal ja ja nein<br />

Verhaltensübung ja ja ja ja<br />

4.1 DER GEBRAUCH VON 'WARUMS'<br />

Ein Teil aller Techniken zur Vermittlung von Fähigkeiten ist der Gebrauch von 'Warums'.<br />

Ein 'Warum' gibt den Grund, die Bedeutung eines bestimmten Verhaltens wieder. Ein gutes<br />

'Warum' motiviert ein Familienmitglied zu einem bestimmten Verhalten. Das Verhalten<br />

muss für den Betreffenden ein deutliches Ziel sein. Mitglieder von Familien, die an Families<br />

First teilnehmen, sind oft mit einem Minimum an 'Warums' aufgewachsen. Das hat dazu<br />

beigetragen, dass sie weniger Fähigkeiten gelernt haben. Darum ist es wichtig, beim<br />

Erlernen neuer Fähigkeiten den 'Warums' viel Aufmerksamkeit zu schenken. 'Warums' sind<br />

auch ein wichtiges Hilfsmittel im Umgang mit anderen. Wenn jedoch in der Umgebung des<br />

Familienmitglieds keine Warums benutzt werden, lernt er auch selbst nicht, sie<br />

anzuwenden. Ein Familienmitarbeiter muss beim Gebrauch von Warums aufpassen, dass<br />

sie kurz und bündig sind und auf das erwünschte Verhalten Bezug nehmen. Ein 'Warum',<br />

am Telefon seinen Namen zu nennen, ist beispielsweise: "Dann weiß der andere, wen er an<br />

der Leitung hat, und das kann auch für Sie praktisch sein", anstelle von: "Sonst weiß der<br />

andere nicht, mit wem er spricht".<br />

Ein 'Warum' muss in die Lebenswelt des Familienmitglieds passen und sich nicht nur von<br />

den Normen und Werten des Familienmitarbeiters herleiten. Der Familienmitarbeiter muss<br />

65


versuchen, kurzfristige Vorteile, wie materielle Vorteile und Vergnügungen, zu benennen.<br />

Kurzfristige Vorteile motivieren oft mehr als langfristige.<br />

4.2 FEEDBACK<br />

Feedback bedeutet, dass jemand von einer anderen Person etwas über sein eigenes Tun und<br />

Lassen zu hören bekommt. Durch gutes Feedback weiß der Empfänger genau, welches<br />

Verhalten gut war und welches Verhalten er ändern muss. Feedback wirkt als<br />

Informationsquelle. Feedback ist ein wichtiges Element im Kontakt des<br />

Familienmitarbeiters mit den Familienmitgliedern, sowohl im alltäglichen Umgang wie<br />

auch beim Lehren neuer Fähigkeiten. Wenn die Eltern beispielsweise ausführlich erzählen,<br />

was am vorigen Tag passiert ist, gibt der Familienmitarbeiter Feedback, um dieses Verhalten<br />

zu verstärken, denn er braucht diese Informationen für seine Arbeit. Beim Einüben neuer<br />

Fähigkeiten haben Eltern und Kinder viel Stimulanz und Ermutigung nötig. Oft verläuft<br />

nicht gleich alles von Anfang an mit Erfolg. Dann ist es schon etwas, wenn jemand<br />

wenigstens versucht, Dinge anders anzupacken. In so einer Situation gibt der<br />

Familienmitarbeiter bei jedem Schrittchen Feedback in die richtige Richtung.<br />

Es gibt zwei Formen von Feedback: 'Feedback auf adäquates Verhalten' und 'Feedback auf<br />

inadäquates Verhalten'. 'Feedback auf adäquates Verhalten' wirkt verstärkend. 'Feedback auf<br />

inadäquates Verhalten' fungiert als Abschwächer.<br />

4.2.1 Feedback auf adäquates Verhalten<br />

'Feedback auf adäquates Verhalten' ist ein kräftiges Interventionsmittel. Es kann eingesetzt<br />

werden, um vorhandene Fähigkeiten eines Familienmitglieds zu verstärken und den<br />

Gebrauch dieser Fähigkeiten in den richtigen Augenblicken zu stimulieren. Manchmal geht<br />

es nicht so sehr um ein Defizit an Fähigkeiten, sondern darum, dass sie nicht angewendet<br />

werden. Der Gebrauch der Technik 'Feedback auf adäquates Verhalten' ist ein<br />

ausgezeichnetes Mittel um das Vertrauen in das eigene Können bei einem Familienmitglied<br />

zu fördern. Dieses Selbstvertrauen erhöht die Chance, dass er diese Fähigkeit auch wirklich<br />

benutzt. Ein anderer Grund, regelmäßig Feedback auf adäquates Verhalten zu geben, ist,<br />

dass dadurch die Atmosphäre verbessert wird. Die Technik 'Feedback auf adäquates<br />

Verhalten geben' besteht aus folgenden Schritten:<br />

1 beginnen Sie mit einer einleitenden, globalen, positiven Bemerkung;<br />

2 geben Sie danach genau an, was Sie gut finden;<br />

3 geben Sie den Grund an, warum Sie es gut finden und nennen Sie mögliche positive Folgen<br />

für den anderen, wenn möglich kurzfristige.<br />

Ein Beispiel:<br />

"Das haben Sie prima gemacht! Sie haben Ricky sehr deutlich gesagt, dass er jetzt nicht fernsehen<br />

darf, wohl aber nach dem Essen. Er weiß nun, woran er ist, und damit erhöhen Sie die Chance,<br />

dass er es akzeptiert."<br />

Für Eltern und Kinder ist es sehr wichtig Feedback auf adäquates Verhalten zu bekommen.<br />

66


Weil sie in der Vergangenheit oft nicht gehört haben, was sie richtig gemacht haben, ist es<br />

für sie sehr ungewohnt Feedback zu bekommen. Darum ist es gut, vorher daran zu denken,<br />

dass sie auch nicht gelernt haben, auf Komplimente und andere positive Äußerungen zu<br />

reagieren. Ein Kompliment wird oft grob oder kichernd abgewehrt. Wichtig ist aber, dass<br />

der Familienmitarbeiter auch weiterhin die positiven Dinge der Familienmitglieder<br />

benennt. Komplimente, die eine versteckte Kritik beinhalten, sind vor allem für Kinder sehr<br />

verwirrend, beispielsweise wenn der Familienmitarbeiter sagt: "Dein Zimmer sieht<br />

ordentlich aus, findest du nicht auch, dass es so viel übersichtlicher ist?" Feedback auf<br />

adäquates Verhalten muss darum vorbehaltlos sein. Das heißt, es darf keine zweite<br />

Botschaft damit verbunden sein. Der Familienmitarbeiter kann beispielsweise durchaus<br />

sagen: "Dein Zimmer sieht ordentlich aus, du hast es sehr gut aufgeräumt; ich glaube, dass<br />

du so deine Sachen schnell finden kannst!"<br />

4.2.2 Feedback auf inadäquates Verhalten<br />

Ein Familienmitarbeiter benutzt die Technik 'Feedback auf inadäquates Verhalten geben',<br />

wenn er jemandem Informationen geben will über ein Verhalten, dass er nicht richtig findet<br />

oder wenn er jemandes Verhalten rechtzeitig lenken möchte, indem er Alternativen<br />

anbietet. 'Feedback auf inadäquates Verhalten geben' hat folgende Schritte:<br />

1 Zeigen Sie kurz Ihre Verbundenheit und Sympathie, beispielsweise durch ein Lächeln,<br />

einen Scherz oder eine spezielle Begrüßung; die Familienmitglieder, mit denen Families<br />

First zu tun hat, haben oft kein starkes Selbstwertgefühl und erleben Bemerkungen zu<br />

ihrem Verhalten schnell als totale Abweisung. Lassen Sie sie deshalb merken, dass Sie eine<br />

Beziehung zu ihnen haben.<br />

2 Machen Sie eine positive, stimulierende Bemerkung; sprechen Sie das Familienmitglied<br />

persönlich an, um merken zu lassen, dass Sie Verständnis für die Probleme und Gefühle<br />

haben, die ihm zu schaffen machen und dafür was er bis jetzt erreicht hat.<br />

3 Machen Sie eine einleitende Bemerkung aus der deutlich wird, dass nun ein Feedback auf<br />

inadäquates Verhalten folgt; kündigen Sie an, dass Sie einen weiteren Schritt machen und<br />

das Familienmitglied nun aufpassen muss. Benutzen Sie als Übergang lieber 'und' oder<br />

'noch eben etwas anderes' als 'aber'. So eine einleitende Bemerkung verdeutlicht das<br />

Feedback.<br />

4 Geben Sie genau an, was Sie nicht richtig finden oder was Sie in dem Verhalten vermissen;<br />

gehen Sie nicht davon aus, dass Familienmitglieder schon wissen, was sie falsch machen;<br />

das ist oft nicht der Fall.<br />

5 Geben Sie genau an, was in dem betreffenden Fall richtig ist, zu tun; auch das wissen<br />

Familienmitglieder oft nicht. Umschreiben Sie nicht nur das erwünschte Verhalten,<br />

sondern auch die Situation, in der oder nach der das Verhalten stattfinden soll.<br />

6 Geben Sie ein 'Warum' für das alternative oder erwünschte Verhalten an; erklären Sie die<br />

Folgen des Verhaltens.<br />

7 Überprüfen Sie, ob es der andere verstanden hat; schauen Sie, ob jemand 'den Erhalt einer<br />

Mitteilung' durch ein Nicken oder durch 'okay' oder 'ja' zu sagen bestätigt. Viele<br />

Familienmitglieder sind nicht daran gewöhnt, auf Feedback zu reagieren, schon gar nicht,<br />

67


wenn es um Dinge geht, die sie nicht gern hören. Manchmal müssen Sie ihnen das durch<br />

eine Verhaltensanweisung vermitteln.<br />

Ein Beispiel:<br />

'Prima Saskia, du hast gerade deine Mutter gefragt, ob du Geld für ein neues Buch haben kannst.<br />

Gut, dass du sie nun gefragt hast. Nur fiel mir auf, dass du "Ich will ..." gesagt hast. In so einer<br />

Situation ist es besser eine Frage zu stellen: "Darf ich ..." und dann am Ende vom Satz die Stimme<br />

zu heben. Das kommt bei deiner Mutter, glaube ich, freundlicher an und damit erhöhst du die<br />

Chance, dass du kriegst was du willst. Verstehst du das?"<br />

Wenn ein Familienmitglied in einer Situation gleichzeitig etwas Positives und etwas<br />

Negatives tut, ist es besonders wichtig, genau zu bennnen was Sie gut finden, um zu<br />

verhindern, dass das Familienmitglied denkt, Sie finden alles gut, was er in dieser Situation<br />

tut. Was Sie nicht gut finden, können Sie auf sich beruhen lassen oder Feedback auf<br />

inadäquates Verhalten darauf geben.<br />

Schwerpunkte beim Feedback geben<br />

• Gebrauchen Sie eine deutliche und unzweideutige Sprache, die bei demjenigen anschließt,<br />

dem Sie das Feedback geben.<br />

• Orientieren Sie sich an konkretem Verhalten.<br />

• Lassen Sie aus Ihren Worten möglichst deutlich werden, dass Sie Ihre eigene Meinung<br />

sagen, beispielsweise: "Ich finde ...".<br />

• Benuzten Sie möglichst viel vorbehaltloses Feedback, beispielsweise: "Ich finde es prima,<br />

dass du dir deine Haare kämmst", ohne hinzuzufügen: "... das ist viel besser so, früher hast<br />

du ja nicht gut ausgesehen".<br />

• Stellen Sie Feedback auf inadäquates Verhalten immer Feedback auf adäquates Verhalten<br />

voran.<br />

4.2.3 Feedback von Familienmitgliedern empfangen<br />

Bei der Arbeit mit einer Familie gibt es verschiedene Momente, in denen ein<br />

Familienmitglied auf die eine oder andere Weise erkennen lässt, was es vom Auftreten des<br />

Familienmitarbeiters hält. Es ist wichtig, dass der Familienmitarbeiter weiß, wie er mit<br />

Komplimenten oder Kritik eines Familienmitglieds umgeht.<br />

Bei einem Kompliment ist es wichtig, nicht abzuwehren. Allerdings ist es gut, genau zu<br />

wissen, was der andere so gut fand. Ein Kompliment ist ein Verstärker. Eine positive<br />

Reaktion auf dieses Kompliment, beispielsweise: "Oh, das höre ich gern", ist jedoch auch<br />

wieder ein Verstärker. Eine positive Reaktion auf ein Kompliment erhöht die Chance, dass<br />

der andere in Zukunft öfter ein Kompliment macht. Umgekehrt gilt das Abwehren eines<br />

Kompliments als Abschwächer: dem anderen wird eigentlich abgewöhnt, Komplimente zu<br />

machen.<br />

68<br />

Schritte, um ein Kompliment zu empfangen:<br />

1 sehen Sie den anderen an und hören Sie ihm zu, fallen Sie ihm nicht ins Wort;


2 nehmen Sie ein Kompliment oder eine Anerkennung mit einer freundlichen Bemerkung<br />

und Geste auf;<br />

3 stellen Sie Fragen, wenn nicht deutlich ist, was der andere genau meint;<br />

4 lassen Sie den anderen zum folgenden Thema übergehen, manchmal ist ein Kompliment<br />

ein Schritt zur Kritik.<br />

Wenn ein Familienmitglied merken lässt, dass es mit Ihrem Verhalten unzufrieden ist, ist es<br />

wichtig, möglichst viele Informationen zu bekommen. Je professioneller Sie sind bist, desto<br />

besser können Sie mit Kritik umgehen.<br />

Schritte um Kritik aufzunehmen:<br />

1 hören Sie dem anderen zu, fallen Sie ihm nicht ins Wort. Versuchen Sie, trotz möglicher<br />

Protestreaktionen, die bei Ihnen aufkommen, die vornehmlichsten Punkte dessen was der<br />

andere sagt, festzuhalten;<br />

2 lassen Sie sehen, dass Sie zuhören, beispielsweise indem Sie den anderen weiterhin<br />

ansehen, eine Geste machen oder eine kurze Zusammenfassung dessen was der andere<br />

gesagt hat, geben;<br />

3 stellen Sie Fragen, wenn nicht deutlich ist, was der andere genau meint;<br />

4 denken Sie über die Kritik nach, bevor Sie Entscheidungen treffen;<br />

5 machen Sie eine positive, abschließende Bemerkung, beispielsweise: "Prima, dass Sie das<br />

sagen, dann kann ich darauf Rücksicht nehmen."<br />

4.2.4 Ich-Botschaften<br />

Ich-Botschaften werden, wie das Feedback, benutzt, um Menschen in ihrem Verhalten zu<br />

bestätigen oder zu Veränderungen zu stimulieren. Mit einer Ich-Botschaft lässt der<br />

Familienmitarbeiter -mehr als beim Feedback- den anderen etwas von seinen Gefühlen zu<br />

einem Geschehen oder dem Verhalten des anderen merken. Es gibt zwei Sorten von Ich-<br />

Botschaften: unterstützende und konfrontierende.<br />

Unterstützende Ich-Botschaften<br />

Unterstützende Ich-Botschaften werden benutzt um jemandem zu helfen. Eine<br />

unterstützende Botschaft besteht aus drei Schritten:<br />

1 beginnen Sie mit dem Wort 'ich', um anzugeben, dass Sie in Ihrem eigenen Namen<br />

sprechen;<br />

2 geben Sie Informationen über ein Gefühl;<br />

3 beschreiben Sie das Verhalten, die Situation oder das Geschehen zu dem Sie das Gefühl<br />

haben.<br />

Zum Beispiel:<br />

• "Ich finde es sehr schade für Sie, dass es so gelaufen ist."<br />

• "Ich mache mir Sorgen, weil du davon sprichst, dass du weglaufen willst."<br />

• "Ich finde es sehr nett, dass du mir das erzählt hast."<br />

69


• "Ich finde es schön, dass Sie trotz aller Probleme noch hin und wieder lachen können.<br />

• "Ich habe den Eindruck, dass Sie sich in der Zeit, als Sie es so schwer hatten, behauptet haben."<br />

• "Ich bewundere dein Durchsetzungsvermögen."<br />

• "Ich beneide dich um deine Enegie und Streitlust."<br />

• "Ich bin verblüfft von ... ."<br />

In aller Deutlichkeit: Eine unterstützende Ich-Botschaft ist etwas anderes als eine<br />

Gefühlsreflexion, die als Teil von 'Aktivem Zuhören' (siehe Kapitel 3) gehandhabt wird.<br />

Eine Gefühlsreflexion basiert auf einer Beobachtung von Gefühlen eines anderen.<br />

Konfrontierende Ich-Botschaften<br />

Konfrontierende Ich-Botschaften werden benutzt, um Menschen zu Veränderungen zu<br />

stimulieren; der Familienmitarbeiter sagt nicht nur was er ärgerlich oder besorgniserregend<br />

findet, sondern auch wie man es anders machen kann. Bei einer sorgfältig gegebenen<br />

konfrontierenden Ich-Botschaft macht der Familienmitarbeiter deutlich, was er sagen will,<br />

aber sowohl die Arbeitsbeziehung untereinander wie auch der Selbstwert des Empfängers<br />

bleiben erhalten. Der Unterschied zum 'Feedback auf inadäquates Verhalten' ist, dass Sie<br />

den anderen bei einer konfrontierenden Ich-Botschaft etwas von Ihren eigenen Gefühlen zu<br />

einem Geschehen oder zu einem Verhalten von Personen merken lassen. Konfrontierende<br />

Ich-Botschaften werden von einem Familienmitarbeiter benutzt:<br />

• wenn es - angesichts der Emotionen, die ein Ereignis oder eine Situation hervorrufen -<br />

unpassend ist, mit einer positiven stimulierenden Bemerkung zu beginnen wie das beim<br />

'Feedback auf inadäquates Verhalten' üblich ist;<br />

• wenn die Emotionen des Familienmitarbeiters, die oft in den Teilsatz "Ich mache mir<br />

Sorgen ..." übertragen werden können, eine deutliche Rolle spielen;<br />

• wenn es nach der Einschätzung des Familienmitarbeiters besser ist, ein bestimmtes Gefühl<br />

zu benennen als mit den Schritten vom 'Feedback auf inadäquates Verhalten' zu arbeiten;<br />

• wenn der Familienmitarbeiter Modell stehen will für den Gebrauch konfrontierender Ich-<br />

Botschaften.<br />

Eine konfrontierende Ich-Botschaft besteht minimal aus drei, vorzugsweise aus vier oder<br />

fünf Schritten:<br />

1 beginnen Sie mit dem Wort 'ich';<br />

2 geben Sie Informationen zu einem Gefühl;<br />

3 beschreiben Sie das Verhalten, die Situation oder das Ereignis, zu dem Sie das Gefühl haben;<br />

4 beschreiben Sie die erwünschte Alternative oder geben Sie Möglichkeiten eines anderen<br />

erwünschten Verhaltens an;<br />

5 geben Sie ein Warum, einen Grund für das alternative Verhalten.<br />

Bei der Beschreibung des Gefühls ist es wichtig, Worte zu wählen, die nicht nur zu dem<br />

Gefühl, das der Familienmitarbeiter hat, passen, sondern die auch von demjenigen, für die<br />

sie bestimmt sind, verstanden werden. Formulierungen, mit denen eine konfrontierende<br />

70


Ich-Botschaft beginnen kann, sind beispielsweise: "Ich finde es schade, dass ..."' "Ich werde<br />

sehr böse, weil du ...", "Ich finde es sehr ärgerlich ..." und "Ich mache mir Sorgen ...".<br />

Bei der Beschreibung dessen was ein anderer tut oder getan hat, müssen folgende<br />

Schwerpunkte beachtet werden:<br />

• Beschreiben Sie das Verhalten, nicht die Person: "Du hast zwei Verabredungen<br />

nacheinander nicht eingehalten" anstelle von "Du bist ein Schluderjan".<br />

• Benutzen Sie Beschreibungen in der Terminologie beobachtbaren Verhaltens, keine<br />

Interpretationen: "Du hast deinen Bruder geschlagen" anstelle von "Weil du Angst hattest,<br />

hast du deinen Bruder geschlagen".<br />

• Benutzen Sie verhaltensmäßige Beschreibungen, keine Verurteilungen: "Sie laufen aus dem<br />

Zimmer, wenn Ihre Kinder schreien" anstelle von "Sie lassen Ihre Kinder im Stich. Sie<br />

versagen als Eltern".<br />

• Benutzen Sie Abstufungen anstelle von alles-oder-nichts-Ausdrücken: "Du unterbrichst<br />

mich jedesmal, wenn ich von deiner Mutter spreche", anstelle von "Du hörst nie zu".<br />

Zum Beispiel:<br />

"Ich mache mir sehr viel Sorgen. Wir sprechen nun schon drei Tage darüber, dass Sie die Kinder<br />

rechtzeitig ins Bett bringen. Ich habe gesehen, dass das nicht passiert ist. Wir können noch einmal<br />

besprechen, wie Sie das machen können. Es ist auch möglich, dass ich es heute Abend versuche,<br />

damit Sie sehen können, wie die Kinder darauf reagieren. Aber vielleicht haben Sie noch andere<br />

Ideen, wie das vor sich gehen kann."<br />

Oder: "Ich finde es sehr ärgerlich und irritierend wenn du dauernd dazwischenredest. Ich möchte<br />

gern, dass du etwas ruhiger bist, wenn ich spreche. Dann kann ich meine Geschichte zuende<br />

erzählen und die anderen können mich auch verstehen."<br />

Diese letzte Ich-Botschaft ist gehörig direktiv. Um weiterarbeiten zu können, will der<br />

Familienmitarbeiter, dass das Familienmitglied sofort mit dem unerwünschten Verhalten<br />

aufhört: Dazwischenreden. Diese Art konfrontierender Ich-Botschaft darf nicht zu schnell<br />

gegeben werden. Es muss erst eine gute Arbeitsbeziehung bestehen bevor der<br />

Familienmitarbeiter auf diese Weise seine Wünsche kenntlich machen kann. Es ist wichtig,<br />

verblümte Ich-Botschaften wie "Ich habe das Gefühl, dass Sie nicht alles erzählen" zu<br />

vermeiden. Besser wäre: "Ich mache mir Sorgen. Ich merke, dass Sie nicht alles erzählen ...".<br />

Auch konfrontierende Fragen wie "Warum tust du das nicht?" werden besser nicht gestellt.<br />

Es ist besser, eine konfrontierende Ich-Botschaft zu geben, wobei der Familienmitarbeiter<br />

sagt, was er fühlt und was er verändert sehen möchte. Bei einer guten 'konfrontierenden<br />

Ich-Botschaft' liegt der Nachdruck auf der Kraft des Familienmitglieds. Anstatt dass ihm<br />

erzählt wird, was er tun muss, gibt der Familienmitarbeiter verschiedene Alternativen an<br />

oder schlägt vor, verschiedene Möglichkeiten zu untersuchen. Indem er die Entscheidung<br />

dem Familienmitglied überlässt, wird ein Machtkampf zwischen Familienmitarbeiter<br />

und Familie vermieden.<br />

71


4.3 DIE VERHALTENSANWEISUNG<br />

Bei einer Verhaltensanweisung vermittelt der Familienmitarbeiter dem Familienmitglied<br />

wie eine Fähigkeit ausgeführt werden muss, indem er eine Beschreibung gibt von den<br />

verschiedenen Schritten der Fähigkeit und der Situation, in der die Fähigkeit angewendet<br />

werden muss. Eine Verhaltensanweisung kann beispielsweise gegeben werden, weil etwas<br />

von einem Familienmitglied erwartet wird. Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die bei einer<br />

Verhaltensanweisung zum Tragen kommen, sind beispielsweise: jemanden begrüßen; ruhig<br />

reagieren, wenn man böse ist; sagen, dass man mit etwas nicht einverstanden ist; sagen, dass<br />

man Geld leihen möchte; und so weiter; Eine Verhaltensanweisung zählt 6, eventuell 7<br />

Schritte:<br />

1 zeigen Sie kurz Ihre Verbundenheit mit oder Ihre Sympathie für das Familienmitglied durch<br />

ein Lächeln, einen Scherz, eine spezielle Begrüßung und so weiter;<br />

2 machen Sie eine kurze stimulierende Bemerkung;<br />

3 machen Sie nun eine einleitende Bemerkung aus der deutlich wird, dass Sie eine<br />

Verhaltensanweisung geben werden;<br />

4 geben Sie eventuell genau an, was Sie nicht gut finden; beschreiben Sie das fehlende oder<br />

unerwünschte Verhalten aus einer vorangegangenen Beobachtung;<br />

5 geben Sie genau an, welches Verhalten in dieser Situation gut wäre; beschreiben Sie das<br />

erwünschte Verhalten;<br />

6 geben Sie ein 'Warum' für das erwünschte Verhalten an;<br />

7 untersuchen Sie, ob das Familienmitglied es verstanden hat.<br />

Die Schritte der Verhaltensanweisung sind in großen Linien dieselben wie die Schritte vom<br />

'Feedback auf inadäquates Verhalten'. Der Unterschied ist, dass Schritt 4 bei der<br />

Verhaltensanweisung wegfällt, wenn von vorher beobachtetem inadäquatem Verhalten keine<br />

Rede ist. Bei 'Feedback auf inadäquates Verhalten' ist das unerwünschte Verhalten immer<br />

der Ausgangspunkt, aufgrund dessen der Familienmitarbeiter das erwünschte Verhalten<br />

formuliert. Bei der Verhaltensanweisung liegt der Akzent auf einer Fähigkeit, die in einer<br />

bestimmten Situation vermittelt werden muss. Der Familienmitarbeiter versucht zu<br />

formulieren, wie ein Familienmitglied etwas tun muss oder kann, ohne dass per se<br />

inadäquates Verhalten vorangegangen ist. Manchmal nimmt die Fähigkeit auf eine völlig<br />

neue Situation Bezug.<br />

Zum Beispiel:<br />

"Sag Maria, ich finde es sehr gut, dass du die Verabredung mit mir abgesagt hast. Du hast nur zu<br />

spät angerufen, und daher war ich gerade zur Tür hinaus. Ich würde es nett finden, wenn du beim<br />

nächsten Mal, wenn etwas dazwischenkommt, etwas früher anrufst, beispielsweise ein paar<br />

Stunden vorher. Dann kann ich das besser berücksichtigen und wir können eine andere<br />

Verabredung planen. Okay?"<br />

In manchen Situationen scheint die Verhaltensanweisung eine ganze Geschichte zu sein.<br />

Auch wenn die sechs oder sieben Schritte der Verhaltensanweisung kurz sein können, ist es<br />

72


manchmal netter, weniger Schritte machen zu müssen. Dann ist es wichtig, den Kern der<br />

Verhaltensanweisung zu treffen. Das sind die Schritte 1,5 und 6, bei denen Sie nacheinander<br />

Verbundenheit zeigen, angeben was für ein Verhalten erwünscht ist und warum das so ist.<br />

Auf diese Weise wird der Nachdruck auf das Erlernen neuen Verhaltens gelegt.<br />

4.4 MODELL STEHEN<br />

Eine Methode nach der Menschen lernen ist, das Verhalten anderer nachzuahmen. Der<br />

Familienmitarbeiter ist neben anderen wichtigen Personen in seiner Umgebung ein<br />

wichtiges Vorbild oder 'Modell' für das Familienmitglied. Da der Familienmitarbeiter oft in<br />

der Familie ist, gibt es zahlreiche Momente, an denen er einem Familienmitglied zeigen<br />

kann wie etwas sein soll. Bei der Technik 'Modell Stehen' geht es darum, von der<br />

Demonstration einer Fähigkeit bewusst Gebrauch zu machen. Der Familienmitarbeiter gibt<br />

dem Familienmitglied einen kleinen Hinweis, dass eine Fähigkeit gezeigt wird. Während der<br />

Demonstration werden die wichtigsten Schritte und Kennzeichen der Fähigkeit deutlich.<br />

Nach Ablauf der Demonstration werden die Schritte nochmals deutlich genannt.<br />

'Modell Stehen' besteht aus den folgenden Schritten:<br />

1 bitten Sie das Familienmitglied aufzupassen;<br />

2 machen Sie das Verhalten oder die Fähigkeit vor;<br />

3 beschreiben Sie genau, was Sie getan haben; nennen Sie die Schritte und eventuelle<br />

Schwerpunkte.<br />

Zum Beispiel:<br />

Michelle, die Familienmitarbeiterin, wartet mit Martha im Wartezimmer vom Arbeitsamt auf<br />

Herrn Jansen. Die verabredete Zeit ist längst vorbei. Die Familienmitarbeiterin sagt zu Martha:<br />

"Wenn Sie sehr lange warten müssen, ist es manchmal gut zu fragen, ob vielleicht etwas schief<br />

gegangen ist. Ich zeige Ihnen jetzt, wie Sie das machen können. Kommen Sie mal eben mit." (1)<br />

Die Familienmitarbeiterin geht zum Schalter und fragt die Empfangsdame: "Guten Tag, darf ich<br />

eben etwas fragen? Wir warten schon eine halbe Stunde auf Herrn Jansen. Kann es sein, dass da<br />

etwas schief gegangen ist?" Die Empfangsdame sagt: "Ich rufe eben für Sie an. Wenn Sie eben<br />

wieder ins Wartezimmer gehen, bekommen Sie gleich Nachricht." Die Familienmitarbeiterin sagt:<br />

"Okay, vielen Dank." (2)<br />

Die Familienmitarbeiterin und Martha setzen sich wieder. Die Familienmitarbeiterin sagt dann:<br />

"Haben Sie gesehen, was ich getan habe?" (...) "Ich habe ihr erst guten Tag gewünscht und gefragt,<br />

ob ich etwas fragen darf. Danach habe ich gesagt, dass wir bereits eine halbe Stunde auf Herrn<br />

Jansen warten und ob da vielleicht etwas schief gegangen ist. Und als sie versprach zu telefonieren,<br />

habe ich mich bedankt. Wenn Sie es so machen und freundlich bleiben, ist die Chance groß, dass sie<br />

Ihnen hilft." (3)<br />

In dieser Situation macht die Familienmitarbeiterin Gebrauch von einem sogenannten<br />

'ungeplanten Lehrmoment'. Dieser Moment wird durch die Situation eingegeben, und die<br />

Familienmitarbeiterin beschloss, diese Situation zu nutzen. Lehrmomente können auch<br />

73


'geplant' werden. Zum Beispiel wenn der Familienmitarbeiter mit einem Familienmitglied<br />

verabredet hat, eine bestimmte Fähigkeit zu üben.<br />

4.5 DIE VERHALTENSÜBUNG<br />

Die effektivste Methode Fähigkeiten zu lernen ist die Verhaltensübung. Die<br />

Verhaltensübung besteht in großen Linien aus einer Verhaltensanweisung - erzählen, wie<br />

eine Fähigkeit aussieht - und dem Vormachen der Fähigkeit, woraufhin das<br />

Familienmitglied die Fähigkeit nachmacht. Der Familienmitarbeiter beobachtet während<br />

der Kontakte mit den Familienmitgliedern. Durch diese Beobachtungen erhält der<br />

Familienmitarbeiter Einblick in die starken Seiten der Familie als ganze und des einzelnen<br />

Familienmitglieds, und auch in die Fähigkeitsdefizite von Familienmitgliedern.<br />

Zum Beispiel:<br />

Der Familienmitarbeiter sieht, dass Vater dem quengeligen Verhalten seines kleinen Sohnes sehr<br />

viel Aufmerksamkeit widmet, seinem kleinen Sohn aber keinerlei Aufmerksamkeit widmet, wenn er<br />

ruhig spielt. Das kann für den Familienmitarbeiter ein Anlass sein, sofern es in die Arbeitspunkte<br />

passt, einen Vorschlag zu einer Verhaltensübung zu machen.<br />

Beobachtungen können einen Anlass bilden, um mit dem betreffenden Familienmitglied<br />

etwas zu überlegen. Der Familienmitarbeiter legt dem Familienmitglied seine<br />

Beobachtungen vor und geht mit ihm zusammen durch, ob er es anders möchte oder ob er<br />

bereits Ideen hat, wie es anders gehen könnte. Der Familienmitarbeiter teilt dem<br />

Familienmitglied auch selbst Ideen mit, wie es anders gehen könnte. Er nennt die Vorteile<br />

der verschiedenen Ideen. Diese Überlegung kann ein Anlass sein für den Vorschlag, etwas<br />

zu üben. Der Familienmitarbeiter benutzt dabei die zusätzlichen Informationen, die er aus<br />

der Überlegung gewonnen hat. Wenn sich die Situation eignet, folgt die Verhaltensübung<br />

sofort, sonst wird ein späterer Zeitpunkt verabredet.<br />

4.5.1 Die Schritte der Verhaltensübung<br />

Eine Verhaltensübung besteht aus folgenden sieben Schritten:<br />

1 stellen Sie die Verhaltensübung vor;<br />

Beschreiben Sie genau die Fähigkeit und das Verhalten und geben Sie Beispiele. Zum<br />

Beispiel:<br />

"Ich möchte nun gerne mit Ihnen über die Fähigkeit 'Belohnen' sprechen. Damit wird gemeint,<br />

dass Sie Chantal direkt nachdem sie etwas richtig macht, belohnen. Sie können Chantal<br />

beispielsweise gleich nachdem sie Kimberley (ihr Schwesterchen von 8 Monaten) liebkost hat, ihre<br />

Lieblingskassette hören lassen."<br />

2 beschreiben Sie die Fähigkeit und die Schritte und machen Sie sie vor;<br />

Schreiben Sie die Schritte eventuell für das Familienmitglied auf einen 'Spickzettel'. Zum<br />

Beispiel:<br />

74


"Belohnt wird so; Sie wecken erst die Aufmerksamkeit von Chantal, das können Sie beispielsweise<br />

tun, indem Sie ihren Namen nennen, oder sie eben berühren oder sie eben ansehen. Dann erzählen<br />

Sie Chantal genau, was sie gut gemacht hat. Sie könnten beispielsweise sagen: "Wie lieb von dir,<br />

dass du Kimberley ein Küsschen gibst". Danach sagen Sie Chantal, was sie dadurch verdient hat,<br />

beispielsweise: "Darum darfst du dir jetzt die Kassette von der Sesamstraße anhören". Danach steht<br />

der Familienmitarbeiter auf und zeigt der Mutter, wie sie dies tun könnte. Die Mutter übernimmt<br />

dabei die Rolle von Chantal.<br />

3 geben Sie ein 'Warum' für die Fähigkeit an;<br />

Geben Sie dem Familienmitglied einen Grund an, aus dem deutlich der Vorteil dieser<br />

Fähigkeit für ihn selbst oder für die Familie hervorgeht. Zum Beispiel:<br />

"Wenn Sie Chantal auf diese Weise belohnen, ist die Chance groß, dass Chantal öfter lieb ist zu<br />

Kimberley."<br />

4 überprüfen Sie, ob es das Familienmitglied verstanden hat;<br />

Beispielsweise, indem Sie fragen: "Bin ich deutlich genug?" oder "Haben Sie noch Fragen?"<br />

oder "Verstehst du, was ich meine?". Während der Verhaltensübung kontrolliert der<br />

Familienmitarbeiter regelmäßig, ob das Familienmitglied begreift, worum es geht. Er passt<br />

dabei auch auf kleine Signale des Verstehens auf, wie: nicken, "Oh, ja" oder des<br />

Nichtverstehens, wie wegsehen, Gesichtsausdruck und ähnliche. Wenn ein Familienmitglied<br />

die Fähigkeit nicht versteht, versucht der Familienmitarbeiter sie anders vorzumachen,<br />

anders zu erklären oder die Fähigkeit in kleinere Schritte zu unterteilen. Der<br />

Familienmitarbeiter versucht zu verhindern, dass sich ein Familienmitglied dumm oder<br />

geniert fühlt und gebraucht daher Sätze wie: "Ich habe es auch nicht gut erklärt."<br />

5 üben Sie die Fähigkeit mit dem Familienmitglied ein;<br />

Dies ist der wichtigste Schritt in der Verhaltensübung. Das Familienmitglied hat die<br />

Chance, die Fähigkeit in einer sicheren Situation auszuprobieren und der<br />

Familienmitarbeiter die Gelegenheit zu überprüfen, wie er die Fähigkeit vorgemacht oder<br />

erklärt hat. Achten Sie beim Einüben der Fähigkeit auf den Sprachgebrauch. Im Jargon wird<br />

das Einüben oft Rollenspiel genannt. Als Familienmitarbeiter benutzen Sie dieses Wort<br />

nicht. Sie sprechen mit dem Familienmitglied vom Üben einer Fähigkeit. Das schließt eher<br />

beim alltäglichen Sprachgebrauch an. Nehmen Sie beim Üben eine sehr aktive Haltung ein.<br />

Instruieren Sie das Familienmitglied so, dass es Spaß macht zu üben. Stellen Sie sich zum<br />

Beispiel zu Beginn der Übung hin oder wechseln Sie den Platz. Dadurch machen Sie einen<br />

deutlichen Unterschied zwischen dem Üben und dem Rest der Verhaltensübung. Beginnen<br />

Sie mit einfachen und vor allem nicht emotionalen Beispielen und machen Sie wo möglich<br />

positive Bemerkungen.<br />

6 geben Sie dem Familienmitglied Feedback;<br />

Direkt nach der Übung gibt der Familienmitarbeiter ein Feedback auf die Übung an sich<br />

und auf jeden Schritt oder jedes Kennzeichen der Fähigkeit die das Familienmitglied gezeigt<br />

75


hat. Wenn das Familienmitglied die Fähigkeit noch nicht beherrscht, gibt der<br />

Familienmitarbeiter deutlich die Schwerpunkte an. Eventuell wird die Fähigkeit erneut<br />

geübt.<br />

7 untersuchen Sie, wann die Fähigkeit angewendet werden kann.<br />

Eine Fähigkeit in Schritte unterteilen<br />

Das Erlernen eines anderen Verhaltens wird dem Familienmitglied erleichtert, wenn die<br />

Fähigkeiten, die Sie vermitteln, in deutlich erkennbare Schritte unterteilt sind, die in<br />

beobachtbaren Begriffen beschrieben sind. Die Schritte geben die Reihenfolge an, in denen<br />

die Fähigkeit ausgeführt werden muss.<br />

Zum Beispiel:<br />

Die Fähigkeit 'Belohnen' kann in die folgenden Schritte unterteilt werden:<br />

1 Wecken Sie die Aufmerksamkeit des Kindes<br />

2 Sagen Sie dem Kind etwas Nettes<br />

3 Erzählen Sie dem Kind genau, was es richtig gemacht hat<br />

4 Geben Sie dem Kind die Belohnung<br />

Als Faustregel gilt, dass eine Fähigkeit maximal in vier oder fünf Schritte unterteilt werden<br />

darf. Wenn sich herausstellt, dass das nicht gelingt und Sie auf mehr Schritte kommen,<br />

können Sie versuchen, einen Unterschied zwischen Schritten und Aufmerksamheitspunkte<br />

zu machen. Schwerpunkte beziehen sich auf die mehr allgemeinen Aspekte der Fähigkeit.<br />

Zum Beispiel: Augenkontakt, Verstehbarkeit, Intonation und Körperhaltung. Die Schritte<br />

einer Fähigkeit sind meistens in allgemeinen Ausdrücken formuliert und dadurch noch<br />

abstrakt. Für manche Familienmitglieder ist es praktisch, die Schritte zu konkretisieren und<br />

in Klammern ein Beispiel dahinter anzugeben. Das Aufteilen einer Fähigkeit in Schritte ist<br />

am Anfang lästig. Je mehr Erfahrung Sie damit bekommen, desto besser geht es. Als<br />

Hilfsmittel können Sie die Fähigkeit selbst anhand der Schritte nachmachen. Dann ergibt<br />

sich von selbst, welche Schritte zu viel oder zu wenig sind. Fähigkeiten sind nie allgemein<br />

für jeden anwendbar. Darum sind Standardlisten mit Fähigkeiten begrenzt nützlich. Sie<br />

können höchstens als Inspirationsquelle dienen um Schritte und Schwerpunkte zu<br />

unterscheiden. Danach müssen je nach Familienmitglied und je nach Situation Akzente<br />

gesetzt und Anpassungen vorgenommen werden.<br />

4.6 DAS UNTERSCHEIDUNGSTRAINING<br />

Nicht nur das Erlernen bestimmter Fähigkeiten ist wichtig, sondern auch, sie im richtigen<br />

Augenblick anzuwenden. Um das zu lernen, kann die sogenannte Unterscheidungstechnik<br />

angewendet werden. Wenn sich das Familienmitglied mithilfe einer Verhaltensübung eine<br />

bestimme Fähigkeit zu eigen gemacht hat, ist der nächste Schritt: schauen, in welchen<br />

Situationen die Fähigkeit am besten zu ihrem Recht kommt. Zum Beispiel: "Musst du<br />

immer deine Meinung sagen, oder gibt es Momente, in denen du besser mal den Mund<br />

76


hältst?" Wenn ein Familienmitglied über eine bestimmte Fähigkeit verfügt, diese aber nur in<br />

einzelnen Situationen anwenden darf, ist es eine gute Technik, die verschiedenen<br />

Situationen miteinander zu vergleichen. Zum Beispiel: Eine Mutter ist nur in der Lage, mit<br />

ihrer Schwester ein gutes Telefongespräch zu führen, anderen Telefongesprächen geht sie<br />

systematisch aus dem Weg. Unterscheidungstraining ist auch die geeignete Methode, um<br />

Familienmitglieder darauf hinzuweisen, dass sie ein im Prinzip adäquates Verhalten zu<br />

einem verkehrten Zeitpunkt zeigen.<br />

Ein Beispiel einer Situation, in der die Unterscheidungstechnik angebracht ist:<br />

Achmed möchte gerne eine Taschengelderhöhung, aber hat Angst, seinen Vater danach zu fragen.<br />

Das Risiko ist groß, dass es auf einen Streit mit allen seinen Folgen hinausläuft. Zusammen mit<br />

dem Familienmitarbeiter hat Achmed mittels einer Verhaltensübung geschaut, wie er angemessen<br />

um eine Taschengelderhöhung bittet, ohne seinen Vater in Harnisch zu bringen. Nun besprechen<br />

sie, unter welchen Umständen Achmed das Thema am besten anschneidet, sodass eine große<br />

Chance besteht, dass sein Vater positiv reagiert. Sie unterscheiden günstige und ungünstige<br />

Faktoren.<br />

günstig<br />

ungünstig<br />

• Vater hat Zeit<br />

• Vater ist gut gelaunt<br />

• es ist Gelegenheit, eben unter vier<br />

Augen zu sprechen<br />

• wenn ich mich selbst entspannt fühle<br />

• Vater ist mit anderen Tätigkeiten<br />

intensiv beschäftigt<br />

• Vater ist schlecht gelaunt<br />

• es ist Besuch da<br />

• mein ältester Bruder ist da<br />

• beim Essen<br />

• wenn ich mich selbst müde fühle und<br />

zu viel getrunken habe<br />

Ein Familienmitarbeiter kann dem Familienmitglied den Unterschied zwischen<br />

verschiedenen Situationen auch vermitteln, indem er das Familienmitglied in Momenten<br />

einwinkt, in denen eine Fähigkeit an der Reihe ist. Mit 'einwinken' wird gemeint: Dem<br />

Familienmitglied verbal oder nonverbal einen Wink geben, wenn sich die Gelegenheit<br />

ergibt, eine Fähigkeit zu zeigen, die er zu einem früheren Zeitpunkt mithilfe einer<br />

Verhaltensanweisung oder Verhaltensübung erlernt hat. Mit diesem Wink hilft der<br />

Familienmitarbeiter dem Familienmitglied über die Schwelle.<br />

4.7 CHECKLISTE FÜR DIE TECHNIKEN ZUR VERMITTLUNG VON FÄHIGKEITEN<br />

Feedback auf adäquates Verhalten:<br />

1 beginnen Sie mit einer einleitenden, globalen, positiven Bemerkung;<br />

2 geben Sie genau an, was Sie gut finden;<br />

3 geben Sie den Grund an, warum Sie es gut finden und nennen Sie mögliche positive<br />

Folgen für den anderen; wenn möglich kurzfristige.<br />

77


Feedback auf inadäquates Verhalten:<br />

1 zeigen Sie kurz Ihre Verbundenheit und Sympathie;<br />

2 machen Sie eine positive und stimulierende Bemerkung;<br />

3 machen Sie eine einleitende Bemerkung aus der deutlich wird, dass nun ein Feedback auf<br />

inadäquates Verhalten folgt;<br />

4 geben Sie genau an, was Sie nicht gut finden;<br />

5 geben Sie genau an, was in diesem Fall gut wäre zu tun;<br />

6 geben Sie ein 'Warum' für das alternative oder gewünschte Verhalten an;<br />

7 überprüfen Sie, ob es der andere verstanden hat.<br />

Unterstützende Ich-Botschaft<br />

1 beginnen Sie mit dem Wort 'ich'.<br />

2 geben Sie Informationen über ein Gefühl;<br />

3 beschreiben Sie das Verhalten, die Situation oder das Ereignis, zu dem Sie das Gefühl<br />

haben.<br />

Konfrontierende Ich-Botschaft:<br />

1 beginnen Sie mit dem Wort 'ich';<br />

2 geben Sie Informationen über ein Gefühl;<br />

3 beschreiben Sie das Verhalten, die Situation oder das Ereignis, zu dem Sie das Gefühl<br />

haben.<br />

4 beschreiben Sie die gewünschte Alternative, oder geben Sie Möglichkeiten eines anderen<br />

und erwünschten Verhaltens an;<br />

5 geben Sie ein 'Warum' an, einen Grund für das alternative Verhalten.<br />

Verhaltensanweisung:<br />

1 zeigen Sie Ihre Verbundenheit mit und Sympathie für das Familienmitglied durch ein<br />

Lächeln, einen Scherz, eine spezielle Begrüßung, und so weiter;<br />

2 machen Sie eine positive und stimulierende Bemerkung;<br />

3 machen Sie nun eine einleitende Bemerkung aus der deutlich wird, dass Sie nun eine<br />

Verhaltensanweisung geben;<br />

4 geben Sie eventuell genau an, was Sie nicht gut findent; beschreiben Sie das fehlende oder<br />

unerwünschte Verhalten aus der vorangegangenen Beobachtung;<br />

5 geben Sie genau an, welches Verhalten in dieser Situation richtig ist; beschreiben Sie das<br />

erwünschte Verhalten;<br />

6 geben Sie ein 'Warum' für das erwünschte Verhalten an;<br />

7 überprüfen Sie, ob es das Familienmitglied verstanden hat.<br />

Modell stehen:<br />

1 bitten Sie das Familienmitglied aufzupassen;<br />

2 machen Sie das Verhalten oder die Fähigkeit vor;<br />

3 beschreiben Sie genau, was Sie getan haben; nennen Sie die Schritte und eventuellen<br />

Schwerpunkte.<br />

78


Verhaltensübung:<br />

1 stellen Sie die Verhaltensübung vor;<br />

2 umschreiben Sie die Fähigkeit und machen Sie sie vor;<br />

3 geben Sie ein Warum für die Fähigkeit;<br />

4 überprüfen Sie, ob es das Familienmitglied verstanden hat;<br />

5 üben Sie die Fähigkeit mit dem Familienmitglied ein;<br />

6 geben Sie dem Familienmitglied ein Feedback;<br />

7 untersuchen Sie, wann diese Fähigkeit angewendet werden kann.<br />

79


5 DIE TECHNIKEN ZUR LÖSUNG VON<br />

PROBLEMEN<br />

Techniken zu vermitteln, mit denen sie Probleme lösen können, erweitert die Kompetenz<br />

der Familienmitglieder. Aufgaben werden oft erleichtert, indem man sie strukturiert oder<br />

ordnet. Außerdem lernen Familienmitglieder mithilfe dieser Techniken, Aufgaben anders<br />

wahrzunehmen, beispielsweise indem größere Aufgaben in kleinere übersichtlichere<br />

Aufgaben unterteilt werden. Das schrittweise Beantworten von Fragen ist eine der<br />

Techniken, um Probleme und mögliche Lösungen in den Griff zu bekommen. Die zweite<br />

wichtige Technik zur Lösung von Problemen ist das 'Bleistift und Papier-Training'.<br />

5.1 DAS SCHRITTWEISE BEANTWORTEN VON FRAGEN<br />

Manche Fragen von Familienmitgliedern sind hervorragend geeignet, um eine Antwort<br />

schrittweise und chronologisch auf eine Reihe zu setzen. Manchmal weiß ein<br />

Familienmitglied durchaus in groben Zügen, wie die Antwort lautet, aber er möchte eine<br />

konkretere und detailliertere Erklärung.<br />

Zum Beispiel:<br />

Die Frage einer Mutter lautet: "Was kann ich tun, um eine Stelle als Haushaltshilfe zu finden?"<br />

Simone, die Familienmitarbeiterin, bespricht mit der Mutter verschiedene Möglichkeiten und<br />

Schritte und schreibt sie auf Papier. Das kann folgendermaßen aussehen: Möglichkeiten, um eine<br />

Stelle zu suchen:<br />

• Anzeigen in "Von Haus zu Haus-Blättern" aufgeben;<br />

• Anzeigen in "Von Haus zu Haus-Blättern" heraussuchen;<br />

• freie Stellen beim Arbeitsamt;<br />

• Betriebe und Einrichtungen anrufen und fragen ob sie jemand brauchen;<br />

• .....<br />

Schritte zu einer Bewerbung:<br />

1 nach einer Anzeige/freien Stelle suchen (via Zeitung, Arbeitsamt, Telefonanruf)<br />

2 telefonieren zwecks näherer Informationen (und eventuell einer Verabredung);<br />

3 eventuell: einen Bewerbungsbrief schreiben;<br />

4 das Bewerbungsgespräch.<br />

Die Familienmitarbeiterin geht mit der Mutter diese Schritte durch, damit sie ein realistisches Bild<br />

gewinnt, was passieren muss, wenn man eine Stelle sucht. Auf diese Weise wird auch deutlich,<br />

welche Ziele die Mutter hat.<br />

5.2 DAS BLEISTIFT UND PAPIER-TRAINING<br />

Das Bleistift und Papier-Training ist eine Strukturierungstechnik, die zur Lösung von<br />

Entscheidungsproblemen oder beim Verhandeln über Meinungsverschiedenheiten<br />

angewendet werden kann. Die Arbeit mit Bleistift und Papier ist eine Methode, um<br />

80


Entscheidungsprozesse zu visualisieren. Die Entscheidung für die beste Lösung liegt<br />

nachdrücklich bei dem Familienmitglied. Bei der Arbeit mit Bleistift und Papier ist der<br />

Familienmitarbeiter meistens derjenige, der schreibt, weil er weiß, wie die Informationen<br />

möglichst übersichtlich aufs Papier gebracht werden. Der kurzfristige Wert dieser Technik<br />

besteht darin, die Suche nach der Lösung eines bestimmten Problems zu strukturieren.<br />

Langfristig erlernt die Familie oder das Familienmitglied eine Denkweise, mit der sie in<br />

Zukunft neue Probleme oder Meinungsverschiedenheiten anpacken kann. Das Bleistift und<br />

Papier-Training ist eine Technik, bei der eine Verhaltensänderung vermittels Kognitionen<br />

und Denkweisen angestrebt wird. Wenn Menschen eine Entscheidung für eine bestimmte<br />

Lösung aufgrund einer fundierten Abwägung von Argumenten treffen, ist die Chance groß,<br />

dass die gewählte Alternative ein kompetentes Verhalten fördert. Oft wird das Bleistift und<br />

Papier-Training mit dem Erlernen von Fähigkeiten auf Verhaltensebene kombiniert.<br />

Beispielsweise wenn die Lösung, für die sich die Familie oder das Familienmitglied<br />

entschieden hat, in einer Verhaltensübung geübt wird. Das Bleistift und Papier-Training<br />

kann sowohl mit der Familie oder einem Teil der Familie als auch mit einem einzelnen<br />

Familienmitglied durchgeführt werden. Im ersten Fall ist es oft eine Methode, um den<br />

Verhandlungsprozess zwischen den Familienmitgliedern zu strukturieren. Im zweiten Fall<br />

ist es eine Methode, um die Lösung für ein individuelles Problem zu finden.<br />

5.2.1 Das Bleistift und Papier-Training mit einem einzelnen Familienmitglied<br />

Wenn ein Familienmitglied ein Entscheidungsproblem hat, bei dem es nicht so eins, zwei,<br />

drei eine Lösung weiß, ist es praktisch, alle möglichen Lösungen mit Vor- und Nachteilen<br />

zu inventarisieren, um sich danach fundiert entscheiden zu können. Probleme, die sich<br />

eignen, um mit dieser Technik angepackt zu werden, sind beispielsweise: Kauf einer Second<br />

hand-Sitzgruppe; auf einen Bruder zugehen, den das Familienmitglied schon vier Jahre<br />

nicht mehr gesehen hat oder die beste Möglichkeit aussuchen, um eine Stelle zu<br />

bekommen.<br />

Die Arbeitsweise ist wie folgt:<br />

1 Feststellen der Frage oder des Problems<br />

Eine gute Beschreibung des Problems ist kurz, nicht beschuldigend und konkret. Die Frage<br />

oder das Problem wird oben auf das Papier geschrieben. Das Papier wird nun in vier<br />

Spalten geteilt, von denen die letzte Spalte nicht so breit ist wie die ersten drei.<br />

2 Brainstorming für Alternativen<br />

Der Familienmitarbeiter schreibt alle Lösungen, die das Familienmitglied nennt, in die<br />

linke Spalte. Auch die Lösungen, die in den Augen des Familienmitarbeiters nicht adäquat<br />

sind, werden notiert, sodass das Familienmitglied sich ernst genommen fühlt. Es geht jetzt<br />

nicht darum, wie gut die Alternativen sind: Das Abwägen der Realisierbarkeit kommt<br />

später. Der Familienmitarbeiter kann allerdings nach Erläuterungen fragen, damit er weiss,<br />

was das Familienmitglied mit einer bestimmten Lösung meint. Nach den Lösungen des<br />

Familienmitglieds kommt der Familienmitarbeiter mit ergänzenden Lösungen an die Reihe.<br />

Diese werden gleichfalls aufgeschrieben. Auf diese Weise ist es dem Familienmitarbeiter<br />

möglich, seine eigenen Ideen über das was passieren sollte, anzubringen, ohne dabei als<br />

81


jemand dazustehen, der immer alles besser weiß. Indem erst alle möglichen Lösungen<br />

inventarisiert und dann kritisiert werden, verhindert man ein "ja, aber ..."-Gespräch oder<br />

das sofortige von der Hand weisen einer bestimmten Lösung, die potentiell gute Elemente<br />

hat.<br />

3 Abwägen der Vor- und Nachteile jeder Lösung<br />

Zuerst wird bei jeder Lösung darüber nachgedacht, welche Vorteile diese Lösung haben<br />

könnte. Diese Vorteile werden in die zweite Spalte hinter die betreffende Lösung<br />

geschrieben. Danach wird bei jeder Lösung den Nachteilen nachgegangen. Diese Nachteile<br />

werden in die dritte Spalte geschrieben.<br />

Auch dabei kann der Familienmitarbeiter Vor- und Nachteile anbringen, ohne dass das vom<br />

Familienmitglied als störend erfahren wird. Eventuell werden die Vor- und Nachteile in eine<br />

Spalte gesetzt. Schließlich fordert der Familienmitarbeiter das Familienmitglied auf, die<br />

Lösungen mit 'plus' oder 'minus' zu scoren. Ein 'plus' heißt: Ich denke, dass es eine gute<br />

Lösung ist. Ein 'minus' heißt: Ich denke, dass die Lösung mehr Probleme als Lösungen mit<br />

sich bringt. Die Scores werden hinter die Alternativen gesetzt. Der Familienmitarbeiter<br />

macht - sofern es angebracht ist - einen Unterschied zwischen kurzfristigen und<br />

langfristigen Vor- und Nachteilen.<br />

4 Eine Wahl treffen<br />

Aufgrund der Scores fragt der Familienmitarbeiter das Familienmitglied, was seiner<br />

Meinung nach die beste Lösung sei. Eventuell sieht der Familienmitarbeiter mit dem<br />

Familienmitglied nach, ob eine Kombination von Lösungen erstellt werden kann, die<br />

möglichst viele Vorteile und möglichst wenig Nachteile mit sich bringt. Wenn das<br />

Familienmitglied damit nicht gut zurechtkommt, kann der Familienmitarbeiter ihm<br />

vorschlagen, eine Experimentierperiode von beispielsweise einer Woche einzulegen, um die<br />

beste Lösung auszuprobieren. Eine andere Möglichkeit ist,das Familienmitglied nochmal<br />

darüber nachdenken zu lassen und beim nächsten Mal darauf zurückzukommen.<br />

5 Ausprobieren der Lösung in der Praxis<br />

Der Familienmitarbeiter hilft dem Familienmitglied zu überlegen, wie die ausgewählte<br />

Lösung in die Praxis umgesetzt werden kann. Manchmal ist das ein Anlass, um<br />

Anweisungen zu geben oder Übungen zu machen, manchmal ist das ein Grund, etwas in<br />

einer dritten Richtung zu unternehmen. Der Familienmitarbeiter vereinbart mit dem<br />

Familienmitglied eine Periode, in der die Lösung ausprobiert werden soll. Danach kann das<br />

Familienmitglied anhand seiner Erfahrungen erzählen, wie ihm die Lösung gefallen hat.<br />

Durch diese Arbeitsweise löst das Familienmitglied nicht nur das betreffende Problem,<br />

sondern lernt allgemeine Strategien um Probleme zu lösen. Der Familienmitarbeiter<br />

vermittelt dem Familienmitglied eine bestimmte Denkweise, indem er es wie folgt<br />

instruiert: "Wägen Sie die möglichen Lösungen anhand der Vor- und Nachteile sorgfältig<br />

gegeneinander ab, bevor Sie eine Entscheidung treffen, dabei können Sie sich folgende<br />

Fragen stellen:<br />

1 Was ist das Problem? Was muss ich tun?<br />

2 Was für Möglichkeiten gibt es?<br />

82


3 Setzen Sie die Möglichkeiten in eine Reihe und vergleichen Sie sie untereinander: Was für<br />

Vor- und Nachteile haben sie? Was für kurzfristige/langfristige Folgen haben sie? Wiegen<br />

Mittel und Ziel einander auf?<br />

4 Welche Entscheidung treffe ich?<br />

5 Wie habe ich es, im Nachhinein gesehen, gemacht?<br />

5.2.2 Das Bleistift und Papier-Training mit der Familie<br />

In großen Zügen verläuft das Bleistift und Papier-Training mit der Familie genauso wie mit<br />

individuellen Familienmitgliedern. Der Familienmitarbeiter sorgt für ein großes Blatt<br />

Papier und fragt, ob er das irgendwo aufhängen darf. Der Familienmitarbeiter hat während<br />

des Bleistift und Papier-Trainings eine aktive Haltung: er schreibt mit einem dicken Filzstift<br />

regelmäßig Dinge auf, setzt sich wieder hin, fragt nach und so weiter. Wenn die Übung lang<br />

dauert oder wenn die Familienmitglieder müde werden oder sehr irritiert sind, schlägt er<br />

vor, eben eine Pause zu machen und eventuell etwas zu trinken. Der Familienmitarbeiter<br />

gibt bei der Arbeit viel positives Feedback. Das Training verläuft in folgenden Schritten:<br />

1 Stellen Sie die Frage oder das Problem fest<br />

Eine gute Definition des Problems ist kurz, ist formuliert in Begriffen wahrnehmbaren<br />

Verhaltens, enthält keine Labels und ist nicht beschuldigend. Es ist wichtig, dass die<br />

Familienmitglieder sich über die Definition des Problems einig sind. Darum fordert der<br />

Familienmitarbeiter die Familienmitglieder auf, das Problem in eigenen Worten zu<br />

benennen, sucht nach Übereinstimmungen in der Formulierung und legt den<br />

Familienmitgliedern die endgültige Formulierung des Problems vor.<br />

Zum Beispiel:<br />

Sylvia will am Wochenende um ein Uhr in der Nacht nachhause kommen. Nach 11 wird es erst<br />

gemütlich. Ihre Mutter findet das zu spät. Sie findet 11 Uhr ist das Äußerste. Sie macht sich Sorgen,<br />

wenn es später wird. Außerdem findet sie, dass Sylvia ihren Schlaf nötig hat. Die Mutter ist bereit,<br />

um über die Zeit des Nachhausekommens zu verhandeln. Als Frage wird formuliert: Wie können<br />

wir eine 'Nachhausekommenszeit' für Sylvia finden, die sowohl für Mutter, Vater und Sylvia<br />

akzeptabel ist?<br />

2 Brainstorming für Alternativen<br />

Der Familienmitarbeiter schreibt alle Lösungen auf, die von den Familienmitgliedern<br />

genannt werden. Auch die Lösungen, die in den Augen des Familienmitarbeiters oder der<br />

Familienmitglieder nicht adäquat sind, werden notiert. Alle Familienmitglieder müssen mit<br />

einbezogen werden und sich ernst genommen fühlen. Eventuell macht der<br />

Familienmitarbeiter selbst einige Vorschläge für Lösungen, im Stil von: "Habt Ihr daran<br />

gedacht ...". Schwerpunkte dabei sind:<br />

• Schreiben Sie möglichst viele Lösungen auf. Das Abwägen der Realisierbarkeit kommt<br />

später. Stellen Sie selbst keine Lösungen zur Diskussion und lassen Sie das andere auch<br />

nicht tun.<br />

• Stimulieren Sie die Aktivität der Familienmitglieder; es kann nett und entspannend sein,<br />

83


Alternativen zu überlegen.<br />

• Bekräftigen Sie die Lösungen, die angebracht werden, besonders von Familienmitgliedern,<br />

die weniger mitarbeiten.<br />

3 Abwägen der Vor- und Nachteile<br />

Die Familienmitglieder werden aufgefordert,jede Idee mit 'plus' oder 'minus' zu scoren.<br />

Ein 'plus' heißt: Ich denke, dass es eine gute Idee ist. Ein 'minus' heißt: ich denke, dass die<br />

Idee mehr Probleme als Lösungen mit sich bringt. Pro Idee geht der Familienmitarbeiter<br />

nach, was die Familienmitglieder davon halten. Außer nach ihrem Score fragt er auch nach<br />

ihren Argumenten. Die Scores werden hinter die Alternativen gesetzt. Pro Alternative gibt es<br />

dann also eine oder mehrere plus- oder minus-Wertungen.<br />

Zum Beispiel:<br />

Mit einem Taxi um 1 Uhr nachhause gebracht werden + + -<br />

Um 12 Uhr con Carlos nachhause gebracht werden - + -<br />

Nicht mehr ausgehen - - -<br />

Nachhause kommen, wenn es wieder hell ist - - -<br />

Von Jennifers Vater nach Hause gebracht werden - + + und so weiter<br />

4 Treffen einer Wahl<br />

Der Familienmitarbeiter vergleicht die Scores miteinander. Scores mit ausschließlich plus<br />

springen ins Auge und werden noch einmal genauer betrachtet. Eventuell können<br />

verschiedene gute Ideen kombiniert werden. Wenn nur plus-minus Situationen<br />

herauskommen, wie in obenstehendem Beispiel, gehen Sie folgendermaßen vor:<br />

• sehen Sie, ob derjenige, der minus gegeben hat, nicht völlig dagegen ist;<br />

• lassen Sie jeden seine Argumente nochmals nennen;<br />

• versuchen Sie, einen Kompromiss zu formulieren;<br />

• werten Sie den Kompromiss aus, indem nochmals plus und minus gescort wird;<br />

• schlagen Sie eine Experimentierperiode vor (beispielsweise von einer Woche), um die<br />

Lösung auszuprobieren.<br />

Manchmal ist es auch ein Lösung, die Familienmitglieder noch einmal nachdenken zu<br />

lassen und am nächsten Tag darauf zurückzukommen. Die Chance ist groß, dass jeder<br />

inzwischen darüber nachgedacht und vielleicht darüber gesprochen hat und dadurch eine<br />

andere Sicht auf die Lösung gewonnen hat.<br />

5 Teste die Lösung in der Praxis<br />

Der Familienmitarbeiter oder ein Familienmitglied hat die Lösung aufgeschrieben,<br />

beispielsweise in das Notizbuch für die Familie oder auf ein Blatt an der Pinnwand. Für<br />

jeden ist deutlich, was die Lösung ist. Verabreden Sie eine Periode, in der die Familie mit<br />

der Lösung experimentiert. Danach können die Familienmitglieder anhand ihrer<br />

Erfahrungen erzählen, wie ihnen die Lösung gefallen hat. Instruieren Sie die Familie Sie<br />

anzurufen, wenn es Probleme gibt. Kommen Sie selbst zwischendurch regelmäßig darauf<br />

84


zurück. Dadurch zeigen Sie Interesse und können Problemen vorbeugen, indem Sie<br />

rechtzeitig lenkend eingreifen.<br />

Zum Beispiel:<br />

Die Lösung, die die Familie für das Nachhausekommen von Sylvia gewählt hat, ist: Jennifers Vater<br />

bringt Sylvia um 0.30 Uhr nachhause. Am Samstag ist die Familienmitarbeiterin in der Familie.<br />

Sie fragt, ob mit Jennifers Vater alles geregelt ist. Am Sonntag ruft sie die Familie an und fragt, wie<br />

es mit dem Nachhausekommen von Sylvia geklappt hat. Sie gibt positives Feedback darauf, wie die<br />

Familie die Lösung miteinander in die Praxis umgesetzt hat.<br />

5.3 CHECKLISTE FÜR DAS BLEISTIFT-UND-PAPIER-TRAINING<br />

1 Feststellen der Frage oder des Problems<br />

2 Brainstorming für Alternativen<br />

3 Abwägen der Vor- und Nachteile jeder Lösung<br />

4 Eine Wahl treffen<br />

5 Die Lösung in der Praxis ausprobieren<br />

85


6 TECHNIKEN ZUR BEEINFLUSSUNG<br />

VON GEDANKEN UND GEFÜHLEN<br />

In den vorigen Kapiteln wurden Techniken beschrieben, die sich auf direkt beobachtbares<br />

Verhalten beziehen. Wenn die Kompetenzanalyse jedoch zeigt, dass von Fähigkeitsdefiziten<br />

oder zu schweren Aufgaben auf der kognitiven Seite gesprochen werden muss, ist es<br />

sinnvoller, nicht das direkt beobachtbare Verhalten als Blickwinkel zu nehmen, sondern die<br />

Gefühle und Gedanken, die diesem vorangehen. Um störende Gedanken zu erkennen und<br />

daran zu arbeiten, wird die Technik 'Störende und helfende Gedanken' benutzt. Es gibt<br />

auch Techniken, um das Erkennen von Emotionen und Gefühlen zu vermitteln, die bei der<br />

Arbeit in einer Familie gut zupass kommen können. Um den Umgang mit schnell<br />

eskalierenden Gefühlen zu lehren, werden das 'Thermometer' und die 'Erste Hilfe-Karte'<br />

benutzt.<br />

6.1. BEEINFLUSSEN VON GEDANKEN<br />

Kompetenzerweiterung, die sich auf Gedanken von Familienmitgliedern richtet, verläuft in<br />

den folgenden Schritten:<br />

1 Lehren Sie die Familienmitglieder erkennen, dass sie Dinge zu sich selbst sagen;<br />

2 Lehren Sie sie, dass die Dinge, die sie zu sich selbst sagen, ihre Gefühle und<br />

Verhaltensweisen beeinflussen können;<br />

3 Lehren Sie sie, auf die Dinge, die sie zu sich selbst sagen, zu achten;<br />

4 Lehren Sie sie, auf andere Weise zu sich selbst zu sprechen.<br />

6.1.1 Störende und helfende Gedanken<br />

Kognitive Fähigkeiten können mithilfe der Technik 'Störende und helfende Gedanken'<br />

vermittelt werden. Diese Technik wurde von der Methode der RET inspiriert, Rationeel<br />

Emotieve Therapie (Rationale Emotive Therapie), die Albert Ellis entwickelte. Die RET-<br />

Methode basiert auf der Idee, dass jemand nach einem Ereignis bestimmte Gedanken hat<br />

oder Dinge zu sich selbst sagt. Diese Dinge bestimmen, wie sich die Person fühlt, was<br />

wieder Einfluss darauf erlangt, wie sie sich danach verhält. Im Gegensatz zu dem was viele<br />

Menschen denken, werden Gefühle nicht direkt durch Ereignisse verursacht, sondern ist es<br />

die Interpretation dieser Ereignisse, die zu den Gefühlen führt.<br />

Bei der Technik 'Störende und helfende Gedanken' spielen die folgenden Elemente eine<br />

Rolle:<br />

• ein Ereignis, das bestimmte Gedanken verursacht;<br />

• Gedanken oder Dinge, die jemand zu sich selbst sagt;<br />

• Gefühle zu oder nach diesem Ereignis;<br />

• Verhalten, das hieraus folgt.<br />

Beispiel 1:<br />

Eine alleinstehende Mutter hat ein Baby, das sehr oft weint (Ereignis). Die Gedanken, die sie dazu<br />

hat, sind: "Ich bin eine schlechte Mutter" und "Ich bin sicher nicht lieb genug zu meinem Kind".<br />

86


Das führt zu Gefühlen von Machtlosigkeit und Verzweiflung. Das führt wiederum dazu, dass die<br />

Mutter ihr Baby regelmäßig heftig schüttelt, um es still zu kriegen oder sogar Beruhigungszäpfchen<br />

gibt.<br />

Beispiel 2:<br />

Ein Vater hat regelmäßig mit dem frechen Verhalten seiner vierzehnjährigen Tochter zu tun. Wenn<br />

er ihr einen Auftrag gibt, wird er von ihr angeschnauzt (Ereignis). Seine Gedanken sind dann:<br />

"Das lasse ich mir nicht gefallen, ein Kind muss seinen Eltern gehorchen, so wie wir früher". Das<br />

führt zu Wut (Gefühl). Weil er sich ein paar Mal nicht mehr beherrschen konnte, hat er sie einige<br />

Male physisch misshandelt.<br />

Störende Gedanken<br />

Die Gedanken aus den obenstehenden Beispielen können als 'störend' umschrieben<br />

werden. Sie stehen der Mutter im Weg, um ihr Baby gut zu versorgen, und sie stehen dem<br />

Vater im Weg, um auf eine adäquate Art und Weise mit dem frechen Verhalten seiner<br />

Tochter umzugehen. Jeder hat schon mal störende Gedanken, beispielsweise, dass es<br />

notwendig sei, von jedermann geschätzt zu werden; oder dass es schrecklich sei, wenn die<br />

Dinge nicht so laufen, wie man es sich wünscht; oder dass man in jeder Hinsicht kompetent<br />

sein müsse, adäquat handeln müsse und über alles Kontrolle haben müsse. Das andere<br />

Extrem ist der Gedanke, dass es besser sei, die Schwierigkeiten und Verantwortlichkeiten<br />

des Lebens zu meiden. Manche störenden Gedanken haben eine wahren Kern. Das Leben<br />

wäre beispielsweise schön, wenn man von jedem geschätzt werden könnte. Die Wirklichkeit<br />

lehrt es jedoch anders, und das kann zu depressiven Gefühlen führen. Das Ziel der Technik<br />

ist, die störenden Gedanken und Ideen durch Gedanken zu ersetzen, die kompetentes<br />

Verhalten fördern können; sogenannte 'helfende' Gedanken. Um das zu erreichen, müssen<br />

die störenden Gedanken hervorgeholt und zur Diskussion gestellt werden.<br />

Zur Diskussion der störenden Gedanken können folgende Fragen gestellt werden:<br />

1 Stimmt der Gedanke mit der Wirklichkeit überein?<br />

2 Hilft der Gedanke zu erreichen, was Sie erreichen möchten?<br />

Meistens sind diese Fragen ausreichend um dahinter zu kommen, welche Gedanken stören<br />

und besser durch helfende Gedanken ersetzt werden können. Eventuell können folgende<br />

Fragen ergänzend gestellt werden:<br />

3 Hilft Ihnen der Gedanke, Gefühle, die Sie nicht wollen, zu vermeiden oder zu<br />

verhindern?<br />

4 Hilft Ihnen der Gedanke, Konflikte mit Ihrer Umgebung, die Sie nicht wollen, zu<br />

vermeiden oder zu verhindern?<br />

Helfende Gedanken<br />

Durch das Hervorholen und zur Diskussion stellen von Gedanken entwickeln sich<br />

87


allmählich mehr helfende Gedanken. Beispiele von helfenden Gedanken zur Ersetzung der<br />

vorher genannten störenden sind:<br />

"Es ist nicht bewiesen, dass du immer geschätzt werden musst. Es gibt tatsächlich wenige<br />

Dinge, die Menschen wirklich nötig haben, meistens geht es um Dinge, die du gern willst.<br />

Jeder ist fehlbar und kann Fehler machen und wird also nicht immer geschätzt. Außerdem<br />

kannst du es auch nicht immer allen Recht machen." "Ich habe schon eine Anzahl<br />

unerfreulicher Ereignisse überlebt. Objektiv gesehen ist es nicht schrecklich; die Menschen<br />

nennen es nur so." "Niemand ist perfekt und es ist besser, diese Wahrheit zu akzeptieren.<br />

Jemand, der Fehler macht, ist kein Versager. Übung macht den Meister."<br />

"Schwierigkeiten zu vermeiden, scheint anziehend zu sein, aber langfristig werden die<br />

Sachen so oft noch komplizierter. Ich bin in der Lage,Schwierigkeiten zu bewältigen, ich<br />

mag das nur nicht gerne. Herausforderungen anzunehmen, kann sehr befriedigend sein."<br />

Wenn störende Gedanken zur Diskussion gestellt werden, geht es oft darum, sehr absolute<br />

oder normierende Gedanken abzuschwächen. Beim Entwickeln helfender Gedanken ist es<br />

wichtig, Anknüpfungspunkte für Veränderungen zu finden.<br />

Zum Beispiel:<br />

"Ich kann das nicht ausstehen ..." kann umgebogen werden in: "Das mag ich nicht ...";<br />

"Das ist schrecklich ..." kann ersetzt werden durch: "Ich finde das sehr ärgerlich, aber ...";<br />

"Es gehört sich, dass ..." wird: "Es wäre nett, wenn ... ".<br />

Diese anderen Denkweisen können helfen, mit ärgerlichen Ereignissen auf eine adäquatere<br />

Weise umzugehen.<br />

6.1.2 Der Gebrauch der Technik in Familien<br />

Der Familienmitarbeiter beschließt, die Technik 'Störende und helfende Gedanken' zu<br />

benutzen, wenn er merkt, dass störende Gedanken im Problemverhalten der<br />

Familienmitglieder eine Rolle spielen und die Technik ein effektives Mittel zu sein scheint,<br />

eines der Ziele, die in Überlegung mit der Familie festgestellt wurden, zu erreichen. Die<br />

Technik wird meist erst in der zweiten Hälfte der Periode angewendet, in der der<br />

Familienmitarbeiter mit der Familie arbeitet. Es ist wichtig, dass die Sicherheit der Familie<br />

gewährleistet ist. Außerdem muss der Familienmitarbeiter zuerst durch praktische Hilfe<br />

und Lehren neuer Fähigkeiten mit Bezug auf beobachtbares Verhalten gezeigt haben, dass<br />

er der Familie etwas bedeuten kann. Aufgrund dessen werden Familienmitglieder eher<br />

bereit sein, über ihre Gedanken zu sprechen und diese zur Diskussion zu stellen. Manchmal<br />

ist das Verändern störender in helfende Gedanken ausreichend, um eine<br />

Verhaltensänderung zu erreichen. Oft müssen jedoch auch neue Fähigkeiten vermittelt<br />

werden. Die helfenden Gedanken bieten Anknüpfungspunkte dafür. Auch andere<br />

kompetenzerweiternde Techniken können angewendet werden, wie Informationen geben<br />

oder schützende Faktoren schaffen.<br />

Zum Beispiel:<br />

Die Mutter mit dem weinenden Kind hat inzwischen gelernt, so zu denken: "Jede Mutter hat mal<br />

88


ein weinendes Kind, ich bin wirklich nicht die einzige. Ich muss ausprobieren, wie ich mein Kind<br />

am besten trösten kann. Eben ist mir das auch gelungen." Danach ordnet der Familienmitarbeiter<br />

mithilfe des Bleistift und Papier-Trainings mit der Mutter was für Ursachen das Weinen eines<br />

Babys haben kann, was für Lösungen es gibt und was für die Mutter am ehesten erreichbar ist.<br />

Schritte bei der Anwendung der Technik 'Störende und helfende Gedanken'<br />

Die Technik 'Störende und helfende Gedanken' wird in den folgenden zehn Schritten<br />

angewendet:<br />

1 Einleitung: Der Familienmitarbeiter erklärt die Technik so viel wie möglich in den<br />

Worten der Familie.<br />

Zum Beispiel: "Heute geht es um die Dinge, die Sie zu sich selbst sagen. Wir schauen,<br />

welchen Einfluss das beispielsweise hat auf die Dinge, die Sie tun. ... Schauen wir anhand<br />

dieses Beispiels, wie das bei Ihnen ist. Wir können das mithilfe dieses Formulars tun." Der<br />

Familienmitarbeiter zeigt das Formular 'Störende und helfende Gedanken'. (siehe Schema<br />

auf Seite 88 und Beilage 2)<br />

2 Beschreibung eines Ereignisses, bei dem störende Gedanken im Spiel waren.<br />

Kontrollieren Sie dabei, ob es sich wirklich um ein Ereignis handelt und nicht um einen<br />

Gedanken des Familienmitglieds.<br />

3 Beschreibung von Gefühlen.<br />

4 Beschreibung des Verhaltens, das darauf folgte.<br />

5 Erklärung des Einflusses von Gedanken und Dingen, die man zu sich selbst sagt.<br />

Eine nette Vorgehensweise ist es, Beispiele zu benutzen, etwa in der Art von: 'Sie sagen oft<br />

Dinge zu sich selbst, beispielsweise, dass Sie etwas richtig oder falsch gemacht haben. Die<br />

Dinge, die Sie zu sich selbst sagen, beeinflussen, wie Sie sich danach fühlen oder was Sie<br />

danach tun. Wenn es Ihnen nicht gelingt, einen Reifen zu flicken und Sie sagen zu sich<br />

selbst "Siehst du, ich kann aber auch gar nichts", fühlen Sie sich danach vielleicht machtlos<br />

und mutlos ("Ich kann überhaupt nichts, ich bin ein Nichtsnutz!") und wage beim nächsten<br />

Mal keinen neuen Versuch. Einen Gedanken wie "Ich kann nichts" nennen wir einen<br />

'Störenden Gedanken'. 'Störende Gedanken' sind meistens nicht wahr. Und wenn sie doch<br />

wahr sein sollten, helfen sie Ihnen oft nicht, das zu erreichen, was Sie wollen. Darum kann<br />

es helfen, störende Gedanken durch andere zu ersetzen. Ein anderer Gedanke in diesem<br />

Beispiel wäre: "Einen Reifen zu flicken ist eine Scheißarbeit. Damit hat jeder seine Mühe.<br />

Mit etwas mehr Geduld wird es mir schon gelingen, den Reifen zu flicken." Diesen<br />

Gedanken nennen wir einen 'Helfenden Gedanken'.<br />

Lassen Sie die helfenden Gedanken gut zu sich durchdringen, damit Sie sie benutzen<br />

können, wenn Sie sie nötig haben.<br />

89


6 Inventarisierung störender Gedanken.<br />

7 Beschreibung der erwünschten Alternative.<br />

Der Familienarbeiter fragt das Familienmitglied wie er in einer solchen Situation reagieren<br />

würde (kompetentes Verhalten anstelle von Problemverhalten) und beschreibt dies auf dem<br />

Formular (Was würden Sie tun?).<br />

8 Entwicklung helfender Gedanken.<br />

Der Familienmitarbeiter füllt zusammen mit dem Familienmitglied die rechte Spalte weiter<br />

aus. Beim Herausfordern der störenden Gedanken kann er die vier Fragen benutzen:<br />

1 Ist der Gedanke wahr?<br />

2 Hilft Ihnen der Gedanke, zu erreichen was Sie erreichen wollen? Und eventuell:<br />

3 Hilft Ihnen der Gedanke, Gefühle, die Sie nicht wollen, zu vermeiden oder zu verhindern?<br />

4 Hilft Ihnen der Gedanke, Konflikte mit Ihrer Umgebung, die Sie nicht wollen, zu<br />

vermeiden oder zu verhindern?<br />

Anhand dieser Fragen werden die störenden Gedanken durch mehr helfende Gedanken<br />

ersetzt. Beim Hervorholen störender Gedanken sind Fragen zu stellen wie: "Könnte diese<br />

Situation auf eine andere Weise betrachtet werden?", oder: "Ich sehe das etwas anders,<br />

nämlich ...". Die helfenden Gedanken werden auf dem Formular beschrieben.<br />

9 Beschreibung von Gefühlen bei helfenden Gedanken.<br />

10 Übung zu den helfenden Gedanken.<br />

Um den Gebrauch der helfenden Gedanken zu stimulieren und zu vereinfachen. Oft<br />

müssen sich Familienmitglieder noch daran gewöhnen und sich die neuen Gedanken zu<br />

eigen machen. Der Familienmitarbeiter kann ihnen zu folgender Übung raten:<br />

• Stellen Sie sich vor den Spiegel und üben Sie zehn Minuten lang die helfenden Gedanken<br />

(eventuell mit einem Belohnungssytem verbunden).<br />

• Schreiben Sie die helfenden Gedanken auf kleine Zettel und kleben Sie sie an die Stellen<br />

im Haus, an denen Sie oft vorbeikommen. Lesen Sie sie (laut) im Vorbeigehen.<br />

• Führen Sie Tagebuch über die störenden und helfenden Gedanken.<br />

• Versuchen Sie, schwierige Situationen vorwegzunehmen, indem Sie die helfenden<br />

Gedanken vorher einige Male wiederholen.<br />

90


SCHEMA FÜR DIE ARBEIT AN STÖRENDEN UND HELFENDEN GEDANKEN<br />

1. Einleitung: Erklären, was störende Gedanken sind<br />

Das Formular 'Störende und helfende Gedanken':<br />

2. Das Ereignis, die Ereignisse:<br />

Beschreiben Sie zusammen mit dem Familienmitglied ein neueres Ereignis, bei dem<br />

störende Gedanken eine Rolle spielten.<br />

6. Störende Gedanken:<br />

Inventarisieren Sie alle Gedanken, die das<br />

Familienmitglied hatte / die Dinge, die er bei<br />

diesem Ereignis zu sich selbst sagte.<br />

8. Helfende Gedanken:<br />

Suchen Sie zusammen mit dem<br />

Familienmitglied nach 'helfenden' Gedanken.<br />

Zum Hervorholen der störenden Gedanken<br />

und Finden der helfenden Gedanken<br />

benutzen Sie die folgenden vier Fragen:<br />

1. Ist der Gedanke wahr? Wenn nicht,<br />

welcher Gedanke ist wahr?<br />

2. Hilft Ihnen der Gedanke zu erreichen, was<br />

Sie erreichen wollen? Welcher Gedanke<br />

würde Ihnen helfen?<br />

3. Hilft Ihnen der Gedanke, Gefühle, die Sie<br />

nicht wollen, zu vermeiden oder zu<br />

verhindern? Welcher Gedanke würde<br />

helfen?<br />

4. Hilft Ihnen der Gedanke, Konflikte mit<br />

Ihrer Umgebung, die Sie nicht wollen, zu<br />

vermeiden oder zu verhindern?<br />

3. Gefühle bei dem Ereignis/den Ereignissen:<br />

Inventarisieren Sie die Gefühle, die das<br />

Familienmitglied während des<br />

Ereignisses/der Ereignisse hatte.<br />

9. Gefühle, die helfende Gedanken mit<br />

hervorbringen können:<br />

Beschreiben Sie die Gefühle, die die Folge<br />

von helfenden Gedanken sein können.<br />

4. Was haben Sie nach diesem<br />

Ereignis/diesen Ereignissen getan?<br />

Beschreiben Sie das Verhalten nach diesem<br />

Ereignis.<br />

7. Was möchten Sie tun?<br />

Fragen Sie das Familienmitglied, wie es in<br />

einer solchen Situation gern reagieren<br />

möchte (kompetentes Verhalten anstelle von<br />

Problemverhalten).<br />

5. Erklärung zum Funktionieren von Gedanken und Dingen, die Sie zu sich selbst sagen<br />

10. Übung zu den helfenden Gedanken<br />

91


6.2 TECHNIKEN ZUM UMGANG MIT GEFÜHLEN<br />

Familienmitarbeiter werden regelmäßig mit Familien oder Familienmitgliedern<br />

konfrontiert, bei denen eskalierende Gefühle zu einem Verhalten führen, das die Sicherheit<br />

der Kinder bedroht. Beispiele sind Wutausbrüche, Depressivität und Angst. Das Auftreten<br />

und die Eskalation dieser Gefühle kann bestimmten erwünschten Verhaltensweisen im Weg<br />

stehen oder zu unerwünschtem Verhalten führen. Die Arbeit mit dem Thermometer und<br />

der Erste Hilfe-Karte ist eine Technik, um Familienmitgliedern zu vermitteln, ihre Gefühle<br />

rechtzeitig zu erkennen und um Verhaltensalternativen zu bieten. Das Thermometer und<br />

die Erste Hilfe Karte können in zahlreichen Fällen benutzt werden, vor allem in<br />

Situationen,in denen Familienmitglieder sehr depressiv sind und das Risiko auf Selbstmord,<br />

unkontrollierbare Wutanfälle oder extreme Ängste besteht.<br />

6.2.1 Das Thermometer und die Erste Hilfe-Karte.<br />

Das Thermometer und die Erste Hilfe-Karte können sowohl bei Erwachsenen wie bei etwas<br />

älteren Kindern benutzt werden. Das Ziel dieser Hilfsmittel ist, dass das Familienmitglied<br />

lernt eskalierende Gefühle und Emotionen rechtzeitig zu erkennen. Er bekommt<br />

Verhaltensalternativen angeboten, durch die er lernt, in schwierigen Situationen so zu<br />

reagieren, dass er für sich selbst und andere keine Gefahr ist. Mithilfe des Thermometers<br />

und der Erste Hilfe-Karte wendet sich ein Familienmitglied Gefühlen zu, durch die er<br />

früher überwältigt wurde, um sie in einem ruhigen Augenblick zusammen mit dem<br />

Familienmitarbeiter zu beobachten und ihnen danach einen Namen zu geben. Diese<br />

Herangehensweise vergrößert die Chance, dass er depressive, beängstigende oder böse<br />

Gefühle rechtzeitig erkennt und sein Verhalten ändern kann. Diese Technik kann auch in<br />

anderen Situationen angewendet werden, beispielsweise um jemandem zu vermitteln,<br />

besser mit Alkohol und Drogen umzugehen (was tust du, wenn du in Versuchung<br />

kommst?) oder um zu Freunden, die einen unter Druck setzen, nein sagen zu lernen (in<br />

welchem Moment sagst du nein zu Vorschlägen, die dir nicht passen?)<br />

6.2.2 Erstellen eines Thermometers und einer Erste Hilfe-Karte<br />

Ein Thermometer enthält eine Zusammenstellung einander folgender Gefühle. Eine Erste<br />

Hilfe-Karte enthält eine Zusammenstellung alternativer Verhaltensweisen. Zur Erstellung<br />

des Thermometers und der Erste Hilfe-Karte ist ein Blatt Papier oder ein Stück Karton<br />

nötig. Das Thermometer wird, zusammen mit dem Familienmitglied, auf der Vorderseite<br />

eingetragen. Die Rückseite wird für Verhaltensalternativen benutzt; die Erste Hilfe-Karte.<br />

Zum Beispiel:<br />

Bepleidet an depressiven Stimmungen, unter anderem als Folge ihrer Scheidung von Bert. Einmal<br />

unternahm sie einen Selbstmordversuch. Das ist fast ein Jahr her. Von Selbstmordgedanken ist nun<br />

keine Rede mehr. Allerdings fühlt sie sich oft sehr lustlos und trübsinnig. Auf dem Thermometer<br />

sind zahlreiche Gefühle und Situationen angeordnet, in der Reihenfolge von einer sehr guten zu<br />

einer sehr depressiven Stimmung. Auf der Rückseite des Thermometers steht die dazugehörende<br />

Erste Hilfe-Karte mit einer Zusammenstellung von Alternativen, die Bep hat, wenn die depressiven<br />

Gefühle zu eskalieren drohen.<br />

92


10<br />

Verzweifelt, Panik<br />

Als ich die Pillen nahm, konnte ich es nicht mehr ertragen.<br />

9<br />

8<br />

Scheißgefühl. Weinen. Schwere Kopfschmerzen. Ein leeres Gefühl.<br />

Ich vermisse Bert, denke immer an ihn.<br />

7<br />

6<br />

5<br />

Drehe die Karte um<br />

4<br />

Unglücklich. Ein bißchen weinen. Leichte Kopfschmerzen.<br />

Ab und zu an Bert denken.<br />

Nicht richtig glücklich, nicht richtig unglücklich. Wenig Energie.<br />

Wenig an Bert denken.<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Glücklich.<br />

Mit Bert auf Kreta. Herrliche Zeit.<br />

Erste Hilfe bei Stress<br />

Dinge, die ich tun kann, wenn ich bei 5 bin:<br />

1 Jaqueline anrufen (Freundin), 6738592.<br />

2 Frans anrufen, Familienmitarbeiter, 6648755.<br />

3 RTL-4 ansehen.<br />

4 Bei der Nachbarin vorbeigehen (Marja).<br />

5 Pizzadienst anrufen, 6884387.<br />

6 Mit Suus zum Spielplatz gehen.<br />

7 Die neue Brigitte lesen.<br />

SIEH AUF DIE KARTE<br />

Nach dem Frühstück<br />

Nach dem Mittagessen<br />

Nach dem Abendessen<br />

Manchmal ist es schwierig, dem Thermometer und der Erste Hilfe-Karte einen Namen zu<br />

geben, beispielsweise 'Stress-Thermometer' und 'Erste Hilfe bei Stress', 'Wut-Thermometer'<br />

und 'Erste Hilfe bei Wut' und 'Angst-Thermometer' und 'Erste Hilfe bei Angst'. Es ist nicht<br />

93


vernünftig, Namen wie 'Depressions-Thermometer' und 'Selbstmord-Thermometer' zu<br />

wählen, weil die Ausdrücke stigmatisierend wirken. Besser sind Wörter wie 'Gefühlsmesser'<br />

oder 'Stimmungsmessser'.<br />

6.2.3 Die Schritte beim Erstellen eines Thermometers und einer Erste Hilfe-<br />

Karte<br />

Das Erstellen eines Thermometers und einer Erste Hilfe-Karte geschieht in vier<br />

Schritten:<br />

1 Erkennen verschiedener Stadien von Gefühlen<br />

Erklären Sie, dass ein bestimmtes Gefühl, beispielsweise Wut oder Depression nicht auf<br />

einmal da ist, sondern sich aufbaut. Es gibt eine Art Hierarchie von Gefühlen, die von<br />

einem sehr guten Gefühl zu einem sehr wütenden, ängstlichen oder depressiven Gefühl<br />

führt. Suchen Sie zusammen nach dem Anfangs- und Endpunkt. Den Anfangspunkt bildet<br />

eine Situation, in der sich das Familienmitglied sehr gut fühlte. Diese Situation erhält die<br />

Zahl '0'. Den Endpunkt bildet eine Situation, in der er sich so böse, depressiv oder<br />

verängstigt fühlte wie noch nie zuvor. Diese Situation erhält die Zahl '10'. Bei einem Vater<br />

mit Wutanfällen kann beispielsweise gefragt werden, ob er sich an eine Situation erinnert,<br />

in der er sich ruhig fühlte und überhaupt nicht wütend war. Diese Situation erhält dann<br />

den Wert '0'. Danach kann er gefragt werden, ob er sich an eine Situation erinnert, in der er<br />

wütender denn je gewesen ist. Diese Situation erhält den Wert '10'. Beginnen Sie danach<br />

damit, eine erste Differenzierung der Gefühle anzubringen, indem Sie fragen, welchen Wert<br />

das Familienmitglied seiner heutigen Stimmung oder seinem heutigen Gefühl geben würde.<br />

Durchweg wird das mit einer Zahl variierend von 3 bis 5 angegeben. Das ist ziemlich ruhig,<br />

aber es ist doch noch die Rede von einem gewissen Maß unangenehmer Gefühle, weil an<br />

der Lösung von Problemen noch nicht gearbeitet wurde.<br />

2 Erkennen der Gefahrenzone<br />

Fragen Sie das Familienmitglied, auf welchem Niveau der 10 Punkte-Skala er die Kontrolle<br />

verliert. Es ist wichtig, sich auf die Nummer, die das Familienmitglied wählt, einzulassen, ob<br />

das nun eine 4 oder eine 6 ist. Das bestätigt das Familienmitglied in der Idee, dass er selbst<br />

die Entscheidungen trifft und dass er das Gefühl bei dem gewählten Wert auch gut<br />

wiedererkennt. Vor dem Beginn der Gefahrenzone müssen alternative Verhaltensweisen<br />

oder Aktivitäten gesucht werden, die helfen, die bedrohlichen Gefühle wieder in die Hand<br />

zu kriegen.<br />

3 Brainstorming nach Alternativen: Erstellen der Erste Hilfe-Karte<br />

Überlegen Sie danach zusammen mit dem Familienmitglied möglichst viele Alternativen,<br />

die dazu beitragen können, dass die Kette eskalierender Gefühle unterbrochen wird.<br />

Bringen Sie das Familienmitglied auf Ideen durch Beispiele, die nicht speziell auf seine<br />

eigene Situation Bezug nehmen. Nehmen Sie jede Alternative, die jemand vorbringt,<br />

begeistert auf; das wirkt stimulierend. Nachdem alle Alternativen aufgeschrieben sind, wählt<br />

94


das Familienmitglied eine Reihenfolge aus von 'am hilfreichsten' bis zu 'am wenigsten<br />

hilfreich' und nummeriert sie. Danach werden die Alternativen nochmals übersichtlich und<br />

in der Reihenfolge untereinander gesetzt. Wenn bestimmte Alternativen nicht deutlich sind,<br />

werden sie konkretisiert, und beispielsweise die Telefonnummern hinzugefügt. Sofern<br />

bestimmte Alternativen nicht vorhanden sind, werden sie herbeigeschafft.<br />

Zum Beispiel:<br />

Im Fall des Vaters, der regelmäßig seine Last mit Wutanfällen hat, können die Alternativen sein:<br />

1. Gehe für 5 Minuten ins Badezimmer.<br />

2. Gehe mit dem Hund nach draußen.<br />

3. Setze den Walkman auf und höre eine Kassette von Reinhard Mey.<br />

4. Rufe Bruder Tom an (035-214362)<br />

5. Rufe die Familienmitarbeiterin an (Ingrid, 020-6547182).<br />

6. Renne durch den Park.<br />

7. Mähe das Gras.<br />

Beim Erstellen der Erste Hilfe-Karte sind Variationen in der Art der Alternativen wichtig,<br />

beispielsweise nicht nur Menschen anrufen, sondern auch Aktivitäten, die jemand allein<br />

tun kann. Manchmal muss das Familienmitglied die Menschen, die auf der Erste Hilfe-<br />

Karte stehen, fragen, ob es in Ordnung ist, dass er sie anruft zu einem Schwatz oder zur<br />

Ablenkung, wenn er beginnt sich weniger gut zu fühlen.<br />

4 Üben mit dem Thermometer und der Erste Hilfe-Karte<br />

Der Familienmitarbeiter verabredet mit dem Familienmitglied, das Thermometer und die<br />

Erste Hilfe-Karte auf einen deutlichen Platz zu legen oder aufzuhängen. Beispielsweise auf<br />

das Fernsehen, neben den Spiegel, ans Bett, in den Terminkalender oder auf den<br />

Kühlschrank. Das Familienmitglied bekommt den Auftrag, regelmäßig auf das<br />

Thermometer und die Erste Hilfe-Karte zu sehen, beispielsweise dreimal täglich. Eine<br />

zusätzliche Möglichkeit ist, dass das Familienmitglied aufschreibt, auf welchem Stand das<br />

Thermometer zu diesen verschiedenen Zeitpunkten steht. Der Familienmitarbeiter nimmt<br />

bei einem folgenden Besuch die Scores mit dem Familienmitglied durch. Mal um Mal die<br />

verschiedenen Stadien auf dem Thermometer und die Alternativen auf der Erste Hilfe-<br />

Karte zu wiederholen, erhöht die Chance, dass sie, wenn nötig, richtig anwendbar sind.<br />

6.3 TECHNIKEN ZUM ERKENNEN UND BENENNEN VON GEFÜHLEN<br />

Bei verschiedenen Techniken, die im Families First-Programm angewendet werden, wird<br />

davon ausgegangen, dass Familienmitglieder in der Lage sind, bei einem Ereignis oder in<br />

einer Situation ihr Gefühl zu benennen. Manchmal erweist sich diese Unterstellung als<br />

nicht zutreffend, beispielsweise weil ein Familienmitglied nicht weiß, wie er ein bestimmtes<br />

Gefühl benennen soll, oder weil er das Gefühl oder die Emotion nicht gut wiedererkennt.<br />

Das ist nicht nur bei der Arbeit mit den Techniken kompliziert, es erschwert auch die<br />

Kommunikation der Familienmitglieder untereinander.<br />

Zum Beispiel:<br />

95


Jaqueline fühlt sich bekümmert, wenn ihr Mann wieder ohne Gruß weggegangen ist. Es ist wichtig,<br />

dass sie ihn das wissen läßt. In einem ersten Schritt dazu lernt sie, dieses Gefühl bei sich selbst zu<br />

erkennen und gibt ihm einen Namen ('bekümmert'). Danach kann sie es ihm erzählen<br />

(beispielsweise mittels einer Ich-Botschaft).<br />

6.3.1 Das Gefühlsrad<br />

Dazu wird eine Art Uhr (viereckig oder rund) mit einem Zeiger benötigt, worauf an den<br />

Stellen der Uhrmarkierungen eine Anzahl Gefühle aufgeschrieben sind, beispielsweise<br />

'stark', 'froh', 'glücklich', 'angespannt', 'unzufrieden', 'böse', 'ängstlich', 'bekümmert',<br />

'unglücklich', 'entspannt', 'zufrieden', 'ruhig'. Mit dem Familienmitglied wird geschaut,<br />

welche Gefühle er in diesem Augenblick hat oder in einer bestimmten Situation gehabt hat.<br />

Er stellt den Zeiger des Rads auf eins der Gefühle. Er darf den Zeiger auch zwischen zwei<br />

Gefühle stellen, bespielsweise zwischen bekümmert und unglücklich. Er wird gefragt, wie er<br />

dieses Gefühl nennen würde. Auf diese Weise kann der Familienmitarbeiter beim<br />

Sprachgebrauch des Familienmitglieds anschließen. Die Umschreibungen 'angespannt' und<br />

'entspannt' geben die körperlichen Komponenten eines Gefühls wieder. Um mehr Einblick<br />

zu erhalten, wird nach Gefühlen gefragt, die damit einhergehen, beispielsweise angespannt<br />

und ängstlich. Nachdem das Familienmitglied einem Gefühl einen Namen gegeben hat,<br />

können verschiedene Dinge getan werden, abhängig vom Thema oder der Situation:<br />

• Nachgehen, wie er selbst mit diesem Gefühl umgehen kann.<br />

• Nachgehen, wie er das Gefühl in Richtung des entgegengesetzten Gefühls verändern kann<br />

(beispielsweise mittels der Technik 'Störende und helfende Gedanken' oder mittels<br />

Verhaltensübungen).<br />

• Nachgehen, wie dieses Gefühl anderen deutlich gemacht werden kann, beispielsweise<br />

durch Ich-Botschaften, die in Verhaltensübungen gelernt werden können. Diese Übung ist<br />

für Kinder weniger geeignet.<br />

6.3.2 Darstellen von Gefühlen<br />

Schreiben Sie allerlei Gefühle auf kleine Karten. Bitten Sie die Familienmitglieder, mit<br />

denen Sie die Übung machen, reihum ein Gefühl darzustellen, das auf einem Kärtchen<br />

steht. Die anderen Familienmitglieder müssen raten, welches Gefühl dargestellt wird. Diese<br />

Übung illustriert, dass je deutlicher man ein Gefühl zeigt, ein anderer desto besser weiß,<br />

was man fühlt und die Chance desto größer ist, dass er Rücksicht darauf nimmt. Eventuell<br />

kann entschieden werden, diese Übung zu erweitern, beispielsweise so:<br />

• Stellen Sie anderen Familienmitgliedern die Frage, ob dieses Gefühl von dem<br />

Familienmitglied durchweg auch so geäußert wird, beispielsweise sich bei Verdruss in eine<br />

Ecke setzen. Wenn nicht, fragen Sie wie er es dann äußert und ob das für andere deutlich<br />

ist.<br />

• Fragen Sie das Familienmitglied, ob er das Gefühl, das er gerade dargestellt hat, auch<br />

selbst manchmal hat und wenn ja, ob er es durchweg auch so äußert, wie er es gerade<br />

vorgemacht hat. Wenn nicht, fragen Sie, wie er es sonst macht.<br />

96


Selbstverständlich müssen Familienmitglieder für diese Übung in der Lage sein, einander zu<br />

beobachten und miteinander zu kommunizieren. Abhängig vom Verlauf der Übung können<br />

danach mit Familienmitgliedern Absprachen getroffen werden, wie in der Zukunft ein<br />

Gefühl geäußert werden soll.<br />

Zum Beispiel: Marcel geht von nun an, wenn er auf seinen Vater böse ist, in sein Zimmer<br />

und wenn er wieder ruhig ist, bespricht er den Grund seines Ärgers mit dem Vater. Eine<br />

andere Folge kann das Lernen von Ich-Botschaften sein. Für diese Technik wurde ein<br />

Gesellschaftsspiel gemacht, das auf 'Pim-pam-pet' basiert: das sogenannte 'Emotion im<br />

Bild-Spiel'. Dieses Spiel hat eine kleine Drehscheibe, womit man bei verschiedenen<br />

Kategorien von Gefühlen auskommt. Zu jeder Kategorie gehört eine Anzahl Kärtchen mit<br />

Gefühlen, die dargestellt werden müssen.<br />

6.3.3 Smilies<br />

Smilies sind kleine Gesichter mit einem bestimmten Gesichtsausdruck, die ein Gefühl<br />

ausdrücken, beispielsweise 'froh', 'böse', 'bekümmert', 'ängstlich'. Smilies sind vor allem für<br />

die Arbeit mit Kindern geeignet. Das Kind, mit dem diese Übung gemacht wird, bekommt<br />

eine kleine Spielfigur. Anhand verschiedener vom Familienmitarbeiter bedachter<br />

Situationen (beispielsweise: Deine Freundin sagt, dass du einen dummen Pullover anhast,<br />

die Lehrerin gibt dir eine 2 , deine Mutter weckt dich zu spät für die Schule) wird das Kind<br />

aufgefordert die Spielfigur auf das Gesichtchen zu setzen, das am besten zu dem Gefühl<br />

passt, dass das Kind in dieser Situation haben würde. Danach wird das Kind gefragt, wie es<br />

das merken lassen würde. Eventuell kann als Folge davon dem Kind vermittelt werden, wie<br />

es Gefühle adäquat ausdrücken kann.<br />

6.4 CHECKLISTE FÜR DEN GEBRAUCH DER TECHNIKEN ZUR BEEINFLUSSUNG VON<br />

GEDANKEN UND GEFÜHLEN<br />

Technik zur Beeinflussung von Gedanken:<br />

Technik 'Störende und helfende Gedanken':<br />

1 Einleitung: Erklären, was störende Gedanken sind.<br />

2 Beschreibung eines Ereignisses, bei dem störende Gedanken im Spiel waren.<br />

3 Beschreibung von Gefühlen.<br />

4 Beschreibung des Verhaltens, das darauf folgte.<br />

5 Erklären, wie Gedanken und Dinge, die man zu sich selbst sagt, funktionieren.<br />

6 Inventarisierung der störenden Gedanken.<br />

8 Entwicklung helfender Gedanken.<br />

9 Beschreibung von Gefühlen bei helfenden Gedanken.<br />

10 Übung zu den helfenden Gedanken.<br />

97


Techniken zum Umgang mit Gefühlen:<br />

Das Thermometer und die Erste Hilfe-Karte werden benutzt, um Familienmitgliedern zu<br />

vermitteln, Gefühle zu erkennen und damit umzugehen. Sie sind vor allem geeignet für<br />

Eltern und Kinder, die depressiv sind (Selbstmordrisiko), unkontrollierbare Wutanfälle oder<br />

extreme Angst haben.<br />

Das 'Thermometer' ist ein Mittel zum Beobachten, Benennen und Erkennen von Gefühlen;<br />

die 'Erste Hilfe-Karte' gibt eine Zusammenstellung von Alternativen. Schritte zum<br />

Gebrauch von Thermometer und Erste Hilfe-Karte:<br />

1 Einleitung: Erklärung, dass Gefühle (Wut, Angst) einen Verlauf haben und eskalieren<br />

können.<br />

2 Das Thermometer erstellen:<br />

• Beginn (0=gut) und Ende (10='sehr wütend', ängstlich', usw.) der Skala feststellen.<br />

• Differenzierungen anbringen (auf Basis des heutigen Gefühls)<br />

• Feststellen, wann das Familienmitglied die Kontrolle zu verlieren droht.<br />

3 Die Erste Hilfe-Karte erstellen:<br />

• Brainstorming zu Alternativen, um die Eskalation zu unterbrechen<br />

• Darstellen von Gefühlen; das 'Emotion im Bild-Spiel'<br />

• Smilies (speziell für Kinder)<br />

98


7 PRAKTISCHE UND MATERIELLE<br />

HILFE<br />

Mit der Möglichkeit praktische und materielle Hilfe zu bieten, haben Familienmitarbeiter<br />

ein kräftiges Mittel in Händen. Einerseits kann praktische und materielle Hilfe in Form von<br />

Aufgabenerleichterung eingesetzt werden, die es ermöglicht an der Kompetenzerweiterung<br />

zu arbeiten. Andererseits ist die praktische und materielle Hilfe wichtig beim Aufbau einer<br />

Arbeitsbeziehung. Wenn es dem Familienmitarbeiter gelingt, mit der praktischen und<br />

materiellen Hilfe bei den Wünschen der Familie anzuschließen, zeigt er, dass er nicht nur<br />

kommt um zu reden, sondern auch um etwas zu tun und sich so für die Familie<br />

einzusetzen. Darum muss der Familienmitarbeiter von dem Moment an, in dem er in eine<br />

Familie hineinkommt, ein Auge für die Möglichkeiten solcher konkreter Hilfe haben. Ein<br />

wichtiger Ausgangspunkt ist dabei, dass die gebotene Hilfe eine Verbindung zu den Zielen<br />

hat, an denen mit den Familienmitgliedern gearbeitet wird. Praktische und materielle Hilfe<br />

bedeutet faktisch, Aufgaben zu übernehmen, aber den Familienmitgliedern zu vermitteln,<br />

wie sie diese Aufgaben baldmöglichst selbst erfüllen können. Der Familienmitarbeiter<br />

probiert die Kompetenz der Familienmitglieder zu erweitern, indem er ihnen Fähigkeiten<br />

vermittelt, ihre Aufgaben in übersichtliche Schritte zu unterteilen und die Umgebung<br />

einzuschalten.<br />

Zum Beispiel:<br />

Eine Familie besteht aus Mutter Vera (21 Jahre), Sohn Donny (2 Jahre) und Sohn Marcel (10<br />

Monate). Vera ist im sechsten Monat schwanger. Die Familie wohnt bei einem alten Mann zur<br />

Untermiete. Die Wohnung hat nur ein Schlafzimmer. Da schläft Vera mit den Kindern, und der<br />

Mann bei dem sie wohnen, schläft auf der Couch im Wohnzimmer. Ein Ziel der Mutter ist:<br />

Selbständig mit Institutionen Verabredungen treffen und sich daran halten. Sie will verschiedene<br />

Instanzen anrufen und Termine vereinbaren, wie beim Gynäkologen zu einer<br />

Kontrolluntersuchung; bei der Wohnungsbaugesellschaft, um sich als Wohnungssuchende<br />

einzuschreiben; den Stadtteil-Krankenpfleger um die Mütterfürsorge und Familienfürsorge; zu<br />

beantragen und die Mütterberatung wegen einer Kontrolluntersuchung für ihre zwei Kinder. Aber<br />

Vera hat Angst allein auf die Straße zu gehen. Der Familienmitarbeiter geht mit ihr zur<br />

Telefonzelle, wo sie selbst die verschiedenen Telefongespräche führt und die Termine vereinbart. Der<br />

Familienmitarbeiter passt auch einige Male auf die Kinder auf, damit Vera mit einem Bekannten<br />

auf Wohnungssuche gehen kann und bringt sie ins Krankenhaus zur Kontrolle beim Gynäkologen.<br />

Außerdem schreibt der Familienmitarbeiter zusammen mit der Mutter einen Brief an die<br />

Wohnungsbaugesellschaft, worin die heutige Situation der Familie beschrieben und die<br />

Notwendigkeit größeren Wohnraums unterstrichen wird.<br />

7.1 MÖGLICHKEITEN FÜR PRAKTISCHE HILFE<br />

Der Familienmitarbeiter kann auf zahlreichen Gebieten praktische Hilfe bieten:<br />

• praktische Hilfe im Haushalt,<br />

beispielsweise: einkaufen, zusammen abwaschen, staubsaugen, zusammen die Wäsche<br />

waschen;<br />

99


• praktische finanzielle oder juristische Hilfe,<br />

beispielsweise: den Sozialen Dienst wegen einer Unterstützung anrufen, zusammen mit<br />

einem Rechtsanwalt die Besuchsregelung überlegen, einen Plan zur Schuldensanierung<br />

aufstellen;<br />

• praktische technische Hilfe,<br />

beispielsweise einen Dichtungsring ersetzen, zusammen einen Fahrradreifen flicken, einen<br />

neuen Stecker ans Kabel setzen;<br />

• andere Formen praktischer Hilfe,<br />

beispielsweise mithelfen, ein Zimmer zu tapezieren; das Auto als Verkehrsmittel anbieten;<br />

einen Abend auf die Kinder aufpassen, damit die Eltern zusammen weggehen können; die<br />

Kinder von der Schule abholen.<br />

Die Möglichkeiten für praktische Hilfe sind vielgestaltig. Die Frage ist, auf welche<br />

Möglichkeiten der Familienmitarbeiter eingeht und auf welche nicht. Ausgangspunkt ist,<br />

dass der Familienmitarbeiter bei den Wünschen der Familie und der einzelnen<br />

Familienmitglieder anschließt. Außerdem achtet der Familienmitarbeiter auf die Beziehung<br />

zwischen praktischer Hilfe und:<br />

• den Zielen der Familie,<br />

wenn die Eltern lernen wollen, ab und zu wieder etwas Nettes zusammen zu<br />

unternehmen, kann der Familienmitarbeiter im Rahmen dieses Ziels einen Abend auf die<br />

Kinder aufpassen;<br />

• der Sicherheit,<br />

der Familienmitarbeiter setzt die Priorität; wenn es kein Gitter für die Treppe gibt,<br />

während da ein einjähriges Kind herumkrabbelt, kann der Familienmitarbeiter<br />

Unterstützung bei der Anschaffung bieten und beim Montieren helfen;<br />

• Aufbau einer Arbeitsbeziehung,<br />

wenn der Aufbau einer Arbeitsbeziehung mit einem Familienmitglied mühsam verläuft,<br />

kann praktische Hilfe sicherlich ein wichtiges Hilfsmittel sein; der Familienmitarbeiter<br />

muss dann aufmerksam die Möglichkeiten, die sich auftun, beachten.<br />

7.2 MÖGLICHKEITEN FÜR MATERIELLE HILFE<br />

Bei der materiellen Hilfe geht es darum, für das unmittelbare Bedürfnis an Geld zum Kauf<br />

oder Bezahlen von Nahrungsmitteln, öffentlichem Nahverkehr, Reparaturen,<br />

unverzichtbaren Haushaltsgeräten, und so weiter, zu sorgen. Es wird regelmäßig<br />

vorkommen, dass die Familien finanzielle Probleme haben, wodurch sehr wesentliche<br />

Ausgaben nicht gemacht werden können. Lernen, Schulden zu sanieren und zu budgetieren<br />

kann ein Ziel während der vier Wochen von Families First sein, aber das bedeutet noch<br />

nicht, dass kurzfristig Geld für notwendige Ausgaben zur Verfügung steht. Darum steht zur<br />

Gewährung materieller Hilfe ein Budget zur Verfügung, das Arbeitsgeld.Die Arten<br />

materieller Hilfe, die geboten werden können, sind:<br />

• materielle Hilfe zugunsten des Haushalts,<br />

beispielsweise Einkauf von Putzmitteln, Bezahlen der Basiseinkäufe für die kommende<br />

100


Woche, Bezahlen der Reparatur von der Waschmaschine;<br />

• materielle finanzielle oder juristische Hilfe<br />

es ist bei Families First nicht üblich Geld zu geben; das sogenannte Arbeitsgeld ist immer<br />

an konkrete Dinge gebunden; materielle juristische Hilfe wird beispielsweise gegeben,<br />

indem eine Broschüre über Rechtsbeistand gekauft wird oder der eigene Beitrag für die<br />

Rechtshilfe bezahlt wird;<br />

• materielle technische Hilfe,<br />

beispielsweise Kauf von einem Kleiderschutz, um das Fahrradfahren sicherer zu machen,<br />

Bezahlen eines neuen Steckers für eine Lampe;<br />

• andere Formen materieller Hilfe,<br />

beispielsweise: ein Taxi bezahlen, Geld geben für ein Geburtstagsgeschenk oder<br />

Busfahrkarten kaufen.<br />

7.2.1 Der Gebrauch des Arbeitsgelds<br />

Das Arbeitsgeld, das pro Familie zur Verfügung steht, kann nur nach einer Anzahl<br />

Richtlinien gebraucht werden. Es kann bei materieller Not oder zur Anschaffung<br />

materieller Dinge zur Unterstützung der Interventionstechniken des Familienmitarbeiters<br />

verwendet werden. In beiden Fällen untersucht der Familienmitarbeiter zuerst, ob die Hilfe<br />

oder die Mittel anders zu erhalten sind, beispielsweise über das Sozialamt, spezielle Fonds,<br />

Familie und Bekannte oder die Heilsarmee. Um die Kosten im Rahmen einer besonderen<br />

Regelung geltend zu machen, ist es ratsam, das Sozialamt von Anfang an in die Hilfe für<br />

eine Familie einzubeziehen, auch wenn die Familie noch keinen Kontakt mit dem Sozialamt<br />

hat. Praktisch bedeutet das, dass ein Familienmitarbeiter, nachdem er die Zustimmung der<br />

Familie erhalten hat, während der ersten drei Tage mit dem Sozialamt Kontakt aufnimmt.<br />

Wenn eine Vergütung durch das Sozialamt nicht möglich ist, wird der Familienmitarbeiter<br />

mit der Familie herausfinden, wie die betreffenden Dinge am günstigsten zu kaufen sind.<br />

Prioritäten setzen<br />

Wenn eine Familie viele materielle Bedürfnisse hat, erstellt der Familienmitarbeiter davon<br />

eine Liste mit den zu erwartenden Kosten und wählt daraus zusammen mit der Familie die<br />

Dinge aus, die Priorität haben. Das wichtigste Kriterium dabei ist, inwieweit eine Ausgabe<br />

dazu beiträgt eine Fremdplatzierung eines oder mehrerer Kinder zu verhindern oder die<br />

Sicherheit der Kinder zu erhöhen. Das gilt auch für die Anschaffung materieller Mittel, die<br />

zur Ausführung bestimmter Techniken, die der Familienmitarbeiter in der Familie<br />

anwendet, nötig sind. Dabei kann an materielle Belohnungen, Stifte und Papier, Spielzeug<br />

für die Kinder und Zeitschriften zur Entspannung gedacht werden, aber auch an<br />

Aufmerksamkeiten, die den Aufbau der Arbeitsbeziehung fördern, wie außer Haus Kaffee<br />

trinken oder einen Kuchen kaufen, um die Familie zu 'belohnen' und zu ermutigen, an<br />

bestimmten Zielen zu arbeiten.<br />

101


7.2.2 Richtlinien zur Verwendung des Arbeitsgelds<br />

Beim Ausgeben des Arbeitsgelds müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:<br />

1 Dringlichkeit: die Ausgabe muss per se in dem Moment erfolgen; es hat nicht 'eben noch<br />

Zeit';<br />

2 es gibt keine anderen Möglichkeiten, die Mittel zu kaufen;<br />

3 es wurde ausreichend herausgefunden, ob das Geld auf die preisgünstigste Weise<br />

ausgegeben wird.<br />

Ob eine Ausgabe gemacht werden muss, hängt an erster Stelle von deren Notwendigkeit zur<br />

Realisierung der Ziele, die für die Familie gesetzt wurden, ab. Dabei wird besonders an die<br />

Ziele gedacht, die mit der Sicherheit und der Verhinderung von Fremdplatzierung zu tun<br />

haben. Zweitens wird darauf geachtet, welchen Beitrag die Ausgabe zur Erweiterung der<br />

sozialen Kompetenz der Familie oder des Familienmitglieds leistet. Auch wird abgewogen,<br />

ob die Ausgabe zum Aufbau oder zur Verbesserung der Arbeitsbeziehung mit der Familie<br />

oder dem Familienmitglied beiträgt. Und schließlich zählt mit, ob es um 'basale'<br />

Lebensbedürfnisse geht, wie Nahrung, Reparatur an Wärmequellen und notwendige<br />

Apparate.<br />

Zum Beispiel:<br />

Die bereits früher genannte Mutter Vera hat wenig Ruhe, weil das angemeldete Kind, Donny, viel<br />

schreit, vor allem nachts. Im Schlafzimmer, in dem die Familie schläft, steht nur ein Bett, in dem<br />

die Mutter schläft. Donny schläft in einem Bettgestell ohne Matratze. Marcel schläft in einem<br />

Schlafsack auf dem Boden. Ein Ziel der Mutter ist es, Donny ruhig schlafen zu lehren. Beim<br />

Ausarbeiten der Arbeitspunkte kommt heraus, dass die Mutter gern ein Schlafritual einüben will.<br />

Außerdem hätte sie gerne als Voraussetzung dafür, gut schlafen zu können, eine entsprechende<br />

Ausstattung. Sie benötigt Matratzen für die Kinder und auch Laken, Moltondecken und einen<br />

Schlafsack für Donny. Da die Mutter im Augenblick nur Geld für Lebensmittel hat, wurde nach<br />

Rücksprache mit dem Teamleiter beschlossen, von dem Arbeitsgeld die Planen, Moltondecken und<br />

den Schlafsack zu kaufen. Die Matratzen kommen gratis von Bekannten der Mutter. Dadurch, dass<br />

diesen Bedürfnissen schnell entsprochen wird, kann der Familien mitarbeiter mit der Arbeit an<br />

dem Schlafritual beginnen.<br />

7.2.3 Die Höhe des Arbeitsgelds<br />

Der Familienmitarbeiter kann ohne Rücksprache mit dem Teamleiter über Beträge unter<br />

DM 25,- verfügen bis zu einem maximalen Betrag in Höhe von DM 50,- pro Familie in vier<br />

Wochen. Wenn die Ausgaben einmalig höher als DM 25,- oder höher als DM 50,-<br />

insgesamt sind, muss der Familienmitarbeiter vorab Rücksprache nehmen und<br />

Zustimmung einholen. In der Praxis hat sich erwiesen, dass durchschnittlich DM 45,-<br />

Arbeitsgeld pro Familie aufgewendet werden. Dies wird besonders für materielle Mittel zur<br />

Unterstützung der Interventionstechniken ausgegeben. Die Organisation, unter die Families<br />

First fällt, berücksichtigt bei der Bestimmung der Budgets für familiengebundene Kosten<br />

dann auch diese DM 45,-. Arbeitsgeld wird mitunter auch als Vorschuss eingesetzt, um die<br />

102


materielle Not zu lindern. In der Praxis zeigt sich, dass dieser Betrag oft unter Berufung auf<br />

die Regelung 'Besondere Beihilfe' vom Sozialen Dienst oder aus Fonds wieder zurück<br />

erhalten werden kann. Daher muss die Organisation bereit sein, für einen Betrag in Höhe<br />

von DM 500,- pro Familie zu bürgen.<br />

7.3 PRAKTISCHE UND MATERIELLE HILFE ZUSAMMENGEFASST<br />

Im Programm von Families First wird viel Wert auf die praktische und materielle Hilfe<br />

gelegt. Der Familienmitarbeiter kann ohne Zustimmung des Teamleiters maximal DM 50,-<br />

pro Familie ausgeben; bei größeren Beträgen, die oft als Vorschuss auf eine Unterstützung<br />

des Sozialen Dienstes gedacht sind, muss der Teamleiter zustimmen. Eine wichtige<br />

Voraussetzung zur Verfügung über das Arbeitsgeld ist, dass sich aus den Erkundigungen des<br />

Familienmitarbeiters erwiesen hat, dass keine anderen Geldquellen vorhanden sind.<br />

Außerdem muss die Ausgabe einen deutlichen Beitrag zum Ziel der Arbeit liefern, wie die<br />

Erhöhung der Sicherheit und das Verhindern der Fremdplatzierung. Das Arbeitsgeld kann<br />

für die basale Versorgung wie Essen, Gas und Licht verwendet werden, wodurch die Ruhe in<br />

der Familie wiederhergestellt werden kann, aber auch für Ausgaben die der<br />

Familienmitarbeiter tätigt, um Familienmitglieder zu belohnen oder zu stimulieren.<br />

103


8 DAS VERMITTELN ERZIEHERISCHER<br />

FÄHIGKEITEN<br />

Die Eltern in den Familien, die bei Families First angemeldet werden, haben oft<br />

unzureichende erzieherische Fähigkeiten. Dies hat oft zur Entstehung von<br />

Problemverhalten bei den Kindern beigetragen. Auch gibt es in den Familien oft Kinder, die<br />

im Vergleich zu Kindern in anderen Familien viele Verhaltensprobleme zeigen. Ihre Eltern<br />

benötigen zusätzliche Erziehungsfähigkeiten, um darauf adäquat zu reagieren. Darum<br />

nimmt das Training von Erziehungsfähigkeiten einen wichtigen Platz bei Families First ein.<br />

Um Erziehungsfähigkeiten zu vermitteln, sind zwei Blickwinkel möglich: das<br />

Problemverhalten des Kindes und der Kompetenz-Rückstand der Eltern. Aufgrund beider<br />

Blickwinkel wird bestimmt, wie an dem erwünschten Verhalten des Kindes gearbeitet<br />

werden kann und welche Erziehungsfähigkeiten die Eltern dafür erlernen müssen. Um<br />

Erziehungsfähigkeiten zu vermitteln, können verschiedene Techniken angewendet und<br />

Hilfsmittel eingesetzt werden. Auch können sie mit anderen Formen der<br />

Aufgabenerleichterung kombiniert werden.<br />

8.1 UNERWÜNSCHTES VERHALTEN DES KINDES ALS BLICKWINKEL<br />

Beim Inventarisieren der Probleme und Veränderungswünsche nennen Eltern oft das<br />

unerwünschte Verhalten ihrer Kinder, beispielsweise: "Angela hört nie", Mickey ist sehr<br />

frech", "Peter bleibt nie am Tisch sitzen". Meistens geht es dabei um Autoritäts-Probleme in<br />

der Beziehung zwischen Eltern und Kindern; die Kinder halten sich ungenügend an die<br />

Regeln. Aufgrund der Probleme, die die Eltern angeben, formuliert der Familienmitarbeiter<br />

zusammen mit ihnen ein Ziel oder mehrere Ziele zum Umgang mit dem unerwünschten<br />

Verhalten und zur Förderung erwünschten Verhaltens.<br />

8.1.1 Analyse des unerwünschten Verhaltens des Kindes<br />

Der Familienmitarbeiter analysiert das unerwünschte Verhalten aufgrund eigener<br />

Beobachtungen und Informationen der Eltern. Der Familienmitarbeiter führt die Analyse<br />

möglichst weitgehend mit den Eltern zusammen durch, weil das ihren Blick auf das<br />

Verhalten erweitert. Die Analyse basiert auf dem S-R-C-Schema (siehe Kapitel 1) und<br />

besteht aus einer Anzahl Schritten.<br />

1. Wählen Sie zusammen mit den Eltern ein konkretes Ziel oder Verhalten aus, woran als<br />

erstes gearbeitet werden soll.<br />

Beim Inventarisieren von Problemen und Veränderungswünschen zu Beginn der<br />

Arbeitsperiode hat der Familienmitarbeiter bereits mit den Eltern festgestellt, welche<br />

Probleme die Eltern haben und was sie gerne verändert sehen wollen. Nun geht es darum,<br />

das unerwünschte Verhalten des Kindes zu spezifizieren und den ersten Schritt zu<br />

bestimmen, um etwas an dem Verhalten zu ändern. Es gibt den Eltern Hoffnung, wenn sich<br />

zeigt, dass Veränderungen, so klein sie auch seien, möglich sind. Je konkreter das Verhalten<br />

ist, desto mehr Angriffspunkte zur Veränderung gibt es.<br />

Zum Beispiel:<br />

104


Die Eltern erzählen, dass Roy, 4 Jahre alt, sehr anstrengend ist. Er hat viele Wutanfälle. Dabei kann<br />

es um allerlei Dinge gehen, beispielsweise, wenn etwas nicht so läuft, wie er es will, beim<br />

Zubettgehen, während des Essens, wenn Roy am Tisch sitzen bleiben soll und so weiter. Die Eltern<br />

überlegen und beschließen zusammen mit dem Familienmitarbeiter, dass sie mit dem<br />

unerwünschten Verhalten beim Zubettgehen beginnen wollen.<br />

2. Untersuchen Sie, was genau dem Verhalten vorangeht<br />

In welcher Situation genau zeigt zich das Verhalten? Wo spielt es sich ab; wer ist dabei; was<br />

sagt oder tut der Elternteil; was tut das Kind gerade und welche Rolle spielen die anderen<br />

Anwesenden? Wie ist die Situation strukturiert, beispielsweise, wie wird das Kind aufs<br />

Zubettgehen vorbereitet? Oder: wo und zu welchem Zeitpunkt wird gegessen? Der<br />

Familienmitarbeiter untersucht auch, ob die Situation für das Kind genügend Anreize<br />

bietet, durch die es stimuliert wird, daserwünschte Verhalten zu zeigen. Hat das Kind<br />

beispielsweise genug Spielzeug, das seinem Alter entspricht? Der Familienmitarbeiter kann<br />

vorschlagen, einmal in der Situation, in der sich das Problemverhalten normalerweise zeigt,<br />

dabei zu sein. Das bietet ihm viele Beobachtungsmöglichkeiten.<br />

3. Untersuchen Sie die Folgen des Verhaltens<br />

Fragen Sie die Eltern, welche Folgen das Verhalten hat. Versuchen Sie ein Bild von den<br />

Faktoren zu bekommen, die das Problemverhalten aufrechterhalten oder sogar verstärken,<br />

beispielsweise: nachgeben, wenn ein Kind böse wird, Aufmerksamkeit schenken, wenn ein<br />

Kind anstrengend ist, einem Kind etwas Leckeres geben, wenn es nicht essen will was auf<br />

den Tisch kommt oder zu einem Kind etwas Nettes sagen, wenn es aufhört garstig zu sein.<br />

Oft sind sich die Eltern ihres eigenen Anteils beim Aufrechterhalten des unerwünschten<br />

Verhaltens nicht bewusst. Den Konsequenzen ihres eigenen Verhaltens nachzugehen, kann<br />

konfrontierend sein. Zeigen Sie daher Verständnis dafür, wie die Eltern bisher auf das<br />

Verhalten reagiert haben. Zum Beispiel (Fortsetzung):<br />

Bei der Beobachtung des Verhaltens fällt auf, dass Folgendes passiert: Roy geht um 19 Uhr ins Bad,<br />

um 19.30 Uhr hat er seinen Schlafanzug an, danach darf er noch eben fernsehen. Danach wird er<br />

ungefähr um 20.00 Uhr ins Bett gesteckt. Nach fünf Minuten steht er wieder im Wohnzimmer und<br />

sagt, dass er nicht schlafen kann. Seine Mutter sagt, dass er wieder zurück ins Bett muss. Roy<br />

verlegt sich aufs Schreien. Mutter sagt, dass er noch kurz fernsehen darf und danach aber wirklich<br />

ins Bett muss. Er bleibt bis etwa halb neun im Zimmer. Danach wird er wieder ins Bett gesteckt,<br />

wonach sich der Zyklus wiederholt. Meistens dauert es bis 10 Uhr bevor Roy endlich schläft.<br />

8.1.2 Analyse der Erziehungskompetenz der Eltern<br />

Außer der Analyse des Verhaltens des Kindes anhand des S-R-C-Schemas macht der<br />

Familienmitarbeiter eine spezifische Kompetenzanalyse mit Bezug auf die<br />

Erziehungsaufgaben. Der Familienmitarbeiter untersucht:<br />

• über welche Erziehungsfähigkeiten die Eltern verfügen<br />

• ob zu schwere Aufgaben bestehen<br />

• welche Erziehungsfähigkeiten die Eltern nicht beherrschen<br />

105


• ob es schützende Faktoren gibt<br />

• ob es stressige Ereignisse gibt<br />

• wie die Belastungsfähigkeit ist<br />

• ob von Pathologie die Rede ist<br />

Diese Kompetenzanalyse hilft dabei, die Möglichkeiten für eine Verhaltensänderung zu<br />

bestimmten und die geeignetesten Blickwinkel zu finden. In Kapitel 2 wird ausführlich<br />

beschrieben, wie so eine Kompetenzanalyse erstellt wird.<br />

8.1.3 Bestimmen des ersten Schritts zur Verhaltensänderung<br />

Nach der Analyse des unerwünschten Verhaltens und der Kompetenzanalyse geht der<br />

Familienmitarbeiter zusammen mit den Eltern dem Verhalten nach, das sie von ihren<br />

Kindern anstelle des Problemverhaltens erwarten. Das ist wichtig, weil die Versuche,<br />

Problemverhalten zu vermindern, am effektivsten sind, wenn an dessen Stelle ein<br />

erwünschtes Verhalten tritt. Das erwünschte Verhalten muss positiv und konkret formuliert<br />

werden und sowohl für die Eltern wie für das Kind erreichbar sein. Wenn das erwünschte<br />

Verhalten zu allgemein formuliert ist, sucht der Familienmitarbeiter mit den Eltern nach<br />

einem ersten Schritt zum erwünschten Verhalten. Danach untersucht der<br />

Familienmitarbeiter mit den Eltern, ob das Kind die für das erwünschte Verhalten nötigen<br />

Fähigkeiten besitzt. Wenn das nicht der Fall ist, überlegen sie, wie das Kind die Fähigkeiten<br />

erlernen kann.<br />

Zum Beispiel (Fortsetzung):<br />

Die Eltern möchten, dass Roy direkt schläft, wenn er ins Bett gebracht wird. Nach Überlegung mit<br />

dem Familienmitarbeiter bedenken sie einen eher erreichbaren Schritt: Roy bleibt auf dem Bett,<br />

wenn er um 20.00 Uhr zubett gebracht wurde. Wenn er noch nicht gleich schlafen will oder kann,<br />

darf er ruhig auf dem Bett spielen.<br />

Aufgrund der Kompetenzanalyse bestimmt der Familienmitarbeiter danach, welche<br />

Erziehungsfähigkeiten die Eltern benötigen, um das erwünschte Verhalten des Kindes zu<br />

stimulieren und (eventuell) das unerwünschte Verhalten zu stoppen. Der<br />

Familienmitarbeiter überlegt mit den Eltern auch, wie die Aufgabe genauer strukturiert<br />

werden kann, wie schützende Faktoren benutzt werden können und so weiter. Mit anderen<br />

Worten: der Familienmitarbeiter bezieht die Ergebnisse der Kompetenzanalyse zur<br />

Bestimmung der besten Methode mit ein, um das gesetzte Ziel zu erreichen.<br />

Zum Beispiel (Fortsetzung):<br />

Mutter bringt einige Veränderungen in das Bettritual: Das Fernsehen wird um eine Viertelstunde<br />

gekürzt, stattdessen liest sie Roy im Bett vor. Danach gibt sie ihm eine deutliche Anweisung für das<br />

erwünschte Verhalten. Wenn Roy ruhig im Bett bleibt, bekommt er am nächsten Morgen einen<br />

Toast mit Kakao zum Frühstück. Wenn es ihm in der kommenden Woche wenigstens fünfmal von<br />

den siebenmal gelungen ist im Bett zu bleiben, darf er mit seiner Mutter ins Schwimmbad. Steht<br />

106


Roy doch aus dem Bett auf und geht nach unten, wird er sofort mit einer deutlichen Anweisung<br />

erneut ins Bett gebracht.<br />

8.2 KOMPETENZRÜCKSTAND DER ELTERN ALS BLICKWINKEL<br />

Außer dem Inventarisieren der Probleme und dem Erforschen der Veränderungswünsche<br />

gibt der Familienmitarbeiter eine globale Einschätzung der Kompetenz der Eltern unter<br />

Bezug auf die verschiedenen Entwicklungsaufgaben für Eltern (siehe Kapitel 1). Eine dieser<br />

Aufgaben ist 'Erziehung'. Der Familienmitarbeiter untersucht, inwieweit die Aufgaben, die<br />

damit zu tun haben, nicht kompetent erfüllt werden. Dazu benutzt er Daten aus dem<br />

Fragebogen zum Funktionieren der Familie, das Formular 'Basisinformationen',<br />

Beobachtungen aus erster Hand und Beobachtungen aus zweiter Hand. Die Informationen,<br />

die er so sammelt, geben ein allgemeines Bild von der Kompetenz der Eltern unter Bezug<br />

auf die Entwicklungsaufgabe 'Erziehung'. Wenn der Familienmitarbeiter die Kompetenz<br />

bezüglich der Erziehung gering einschätzt, erstellt er eine Kompetenz-Analyse: Er analysiert,<br />

welche Teilaufgaben an der Reihe sind, welche davon kompetent und welche inkompetent<br />

erfüllt werden, welche Erziehungsfähigkeiten beherrscht werden und welche nicht, wie groß<br />

die Belastungsfähigkeit der Eltern ist und ob es um Stressoren, schützende Faktoren oder<br />

Pathologie geht. Danach bestimmt der Familienmitarbeiter aufgrund der<br />

Kompetenzanalyse welche Erziehungsfähigkeiten die Eltern benötigen, um das erwünschte<br />

Verhalten des Kindes zu stimulieren und eventuell das unerwünschte Verhalten zu stoppen.<br />

Das Lehren von Erziehungsaufgaben aufgrund der Kompetenz-Analyse hat oft einen<br />

präventiven Charakter. Es müssen noch keine konkreten Probleme vorliegen, aber der<br />

Familienmitarbeiter sieht sie voraus, falls die Eltern keine zusätzlichen Fähigkeiten lernen.<br />

8.3 DIE ERZIEHUNGSFÄHIGKEITEN<br />

Erziehungsfähigkeiten lassen sich in drei Kategorien bringen: Erstens Fähigkeiten, um ein<br />

erwünschtes Verhalten zu verstärken (Loben und Belohnen), zweitens Fähigkeiten, um ein<br />

unerwünschtes Verhalten zu vermindern oder zu stoppen (Nicht reagieren und 'time out')<br />

und drittens Fähigkeiten, um ein neues Verhalten zu stimulieren (Anweisungen geben).<br />

8.3.1 Erziehungsfähigkeiten, um ein erwünschtes Verhalten zu verstärken<br />

Zwei wichtige Fähigkeiten, die Eltern benutzen können um erwünschtes Verhalten bei<br />

Kindern im Alter bis zu ungefähr 13 Jahren zu verstärken, sind die Fähigkeiten 'Loben' und<br />

'Belohnen'. Loben ist das verbale reagieren auf ein erwünschtes Verhalten. Wenn Eltern das<br />

Kind während des oder nach dem erwünschten Verhalten loben, wird das Kind dieses<br />

Verhalten öfter zeigen. Mit anderen Worten: Das Verhalten wird verstärkt. Loben ist eine<br />

wichtige Technik. Wenn Kinder oft gelobt werden, bekommen sie ein positives Bild von sich<br />

selbst. Außerdem trägt regelmäßiges Loben wesentlich zu einem guten Kontakt zwischen<br />

Eltern und Kind bei.<br />

Die Fähigkeit 'Loben' besteht aus den folgenden Schritten:<br />

1 Die Aufmerksamkeit des Kindes wecken;<br />

2 Dem Kind etwas Nettes sagen;<br />

107


3 Dem Kind genau sagen, was es gut gemacht hat;<br />

4 Dem Kind ein Kompliment machen.<br />

Schwerpunkte bei der Fähigkeit 'Loben' sind:<br />

• Das Kind während oder direkt nach dem erwünschten Verhalten loben;<br />

• Das Kind nicht loben, wenn es sich nicht richtig verhält;<br />

• Vor allem Dinge sagen, die das Kind gerne hört;<br />

• Begeistert zu dem Kind sprechen, wenn Sie es loben.<br />

Auch 'Belohnen' hat die Funktion, die Frequenz des vorhergehenden Verhaltens zu<br />

erhöhen. Belohnungen können sowohl materiell (ein kleines Geschenk, etwas Leckeres) als<br />

auch immateriell (besondere Aufmerksamkeit der Mutter für eine Tätigkeit) sein. Die<br />

Fähigkeit 'Belohnen' besteht aus den folgenden Schritten:<br />

1 Die Aufmerksamkeit des Kindes wecken;<br />

2 Dem Kind etwas Nettes sagen;<br />

3 Dem Kind genau sagen, was es richtig gemacht hat;<br />

4 Dem Kind die Belohnung geben.<br />

Schwerpunkte bei der Fähigkeit 'Belohnen' sind:<br />

• Vor allem Dinge sagen, die das Kind gerne hört;<br />

• Belohnungen gebrauchen, die auf das Kind belohnend wirken;<br />

• Dem Kind keine Belohnungen geben, wenn es mit garstigem Verhalten aufhört; das ist<br />

Bestechung; dadurch lernt das Kind garstig zu sein, weil das schließlich eine Belohnung<br />

mit sich bringt.<br />

Meistens wird beim Belohnen vom Hinzufügen von etwas Nettem ausgegangen. Das<br />

Wegnehmen von etwas Unangenehmem kann von einem Kind jedoch auch als Belohnung<br />

erfahren werden. Denken Sie beispielsweise an später ins Bett gehen, einmal nicht<br />

abwaschen müssen, und so weiter.<br />

8.3.2 Erziehungsfähigkeiten, um unerwünschtes Verhalten zu vermindern oder<br />

zu stoppen<br />

Beim Gebrauch von Erziehungsfähigkeiten, die darauf gerichtet sind unerwünschtes<br />

Verhalten zu vermindern oder zu stoppen, vermitteln Eltern ihren Kindern kein neues<br />

Verhalten, sondern vermitteln ihnen nur, was sie nicht tun dürfen. Es ist jedoch wichtig,<br />

diese Fähigkeiten zu lernen, weil Eltern auch Mittel in der Hand haben müssen, um<br />

unerwünschtes Verhalten auf eine adäquate Weise zu stoppen. Durch die Abnahme<br />

unerwünschten Verhaltens ensteht außerdem mehr Platz für die Zunahme des erwünschten<br />

Verhaltens. Um unerwünschtes Verhalten zu vermindern oder zu stoppen, werden die<br />

Fähigkeiten 'Nicht reagieren', 'time out' und 'Sinnvoll Strafen' benutzt. Auf das störende<br />

Verhalten eines Kindes, wie quengeln, weinen und jammern nicht zu reagieren, hat häufig<br />

zur Folge, dass das Verhalten abnimmt. Es ist wichtig, diese Technik nur bei störendem<br />

108


Verhalten anzuwenden, und nicht bei Verhalten, das nicht mehr zu tolerieren ist,<br />

beispielsweise wenn es für die Umgebung oder andere Personen bedrohlich ist, wie im Fall<br />

von schlagen oder etwas kaputt machen.<br />

Die Schritte der Fähigkeit 'Nicht reagieren' sind:<br />

1 Nicht reagieren, wenn das Kind etwas Ärgerliches tut; das Kind nicht anschauen, es nicht<br />

berühren, nichts zu ihm sagen;<br />

2 Mit den eigenen Tätigkeiten fortfahren oder etwas anderes tun.<br />

Schwerpunkte bei der Fähigkeit 'Nicht reagieren' sind:<br />

• Nicht reagieren beinhaltet, überhaupt keine Aufmerksamkeit zu schenken, also auch keine<br />

Reaktionen wie Augenbrauen hochziehen, sich räuspern oder tief seufzen;<br />

• Es kann vorkommen, dass das störende Verhalten erst zunimmt, bevor es weniger wird;<br />

das Kind probiert dann aus, ob das Nicht reagieren durchgehalten wird;<br />

• Das 'Nicht reagieren' durchhalten; wenn man schließlich doch nachgibt, lernt das Kind,<br />

dass es das störende Verhalten durchhalten muss, weil die Eltern schließlich doch<br />

nachgeben;<br />

• Indem man andere Dinge tut, wird es leichter, das Nicht reagieren durchzuhalten.<br />

Der Gebrauch von 'Nicht reagieren' wird effektiver, wenn die Fähigkeit mit dem Lob eines<br />

erwünschten Verhaltens kombiniert wird. Einerseits reagieren die Eltern nicht auf das<br />

störende Verhalten, andererseits sind sie durchaus aufmerksam für erwünschtes Verhalten.<br />

Das erwünschte Verhalten kann von demselben Kind kommen, beispielsweise wenn es mit<br />

quengeln aufhört und mit ihrer Puppe spielt, oder von einem kleinen Geschwister, das<br />

Aufmerksamkeit erhält oder gelobt wird, weil es so nett spielt. Durch eine 'time out' wird<br />

das Kind aus der Situation herausgenommen, in der es das unerwünschte Verhalten zeigte.<br />

Das Kind wird für ein paar Minuten in einen getrennten Raum gesetzt. 'time out' wird<br />

besonders bei Verhaltensweisen wie Wutanfällen, schlagen, treten, zetern gebraucht. Es<br />

betrifft also Verhaltenweisen, die absolut nicht zu tolerieren sind.<br />

Die Fähigkeit zu einer 'time out' hat folgende Schritte:<br />

1 Die Aufmerksamkeit des Kindes wecken; dem Kind genau sagen, was es nicht richtig<br />

gemacht hat; dem Kind sagen, dass es zwei bis maximal fünf Minuten in einen<br />

bestimmten Raum gehen muss; den Küchenwecker stellen.<br />

2 Die Aufmerksamkeit des Kindes wecken; das Kind für sein ruhiges Verhalten in dem<br />

Raum loben; dem Kind sagen, was es jetzt tun kann.<br />

Schwerpunkte bei der Fähigkeit zu einer 'time out' sind:<br />

• Die 'time out' direkt nach dem unerwünschten Verhalten des Kindes einsetzen;<br />

• Lassen Sie auf keine Diskussion mit dem Kind ein, nachdem Sie ihm gesagt haben, dass es<br />

eine time out geben wird;<br />

• Das Kind nie länger als für die abgesprochene Zeit allein lassen;<br />

109


• Direkt zu dem Kind gehen, wenn der Küchenwecker läutet;<br />

• Wenn das Kind in der time out beispielsweise weint, jammert oder anfängt gegen die Tür<br />

zu stoßen, erkläre Sie dem Kind, dass die Zeit erst ab dem Moment läuft, in dem es ruhig<br />

ist.<br />

• Wenn das Kind den Raum vorzeitig verläßt, das Kind wieder zurück in den Raum bringen<br />

und ihm sagen, dass die Zeit erst läuft, wenn es ruhig ist.<br />

Bei 'Sinnvoll Strafen' nehmen die Eltern bei unerwünschtem Verhalten nette Spielzeug oder<br />

Tätigkeiten ab mit dem Ziel, die Frequenz zu vermindern. Die Schritte der Fähigkeit<br />

'Sinnvoll Strafen' sind:<br />

1. Wecke die Aufmerksamkeit des Kindes;<br />

2. Sage dem Kind genau, was es nicht richtig macht;<br />

3. Sage dem Kind, welches nette Spielzeug oder welche angenehme Tätigkeit es dadurch<br />

verliert.<br />

Schwerpunkte bei der Fähigkeit sind:<br />

• Das nette Spielzeug wegnehmen oder die angenehme Beschäftigung stoppen während<br />

oder direkt nachdem sich das Kind falsch verhält;<br />

• Die Strafe muss in einem Verhältnis zum Ernst des Problemverhaltens stehen;<br />

• Nur Dinge wegnehmen oder nur Tätigkeiten stoppen, die das Kind nett findet;<br />

• Nicht mit der Strafe drohen, sich auch auf keine Diskussion einlassen, sondern an der<br />

Ausführung der Strafe festhalten.<br />

8.3.3 Erziehungsfähigkeiten, um anderes oder neues Verhalten zu stimulieren<br />

Eltern benötigen Erziehungsfähigkeiten, mit denen sie ein anderes oder neues Verhalten<br />

gezielt stimulieren oder fördern können. Die gebräuchlichste Fähigkeit ist 'Anweisungen<br />

geben'.Gute Anweisungen sind spezifisch und positiv formuliert. Dadurch ist für das Kind<br />

deutlich, was von ihm erwartet wird. Das erhöht die Chance, dass es das angewiesene<br />

Verhalten ausführt. Die Schritte der Fähigkeit 'Anweisungen geben' sind:<br />

1 Die Aufmerksamkeit des Kindes wecken;<br />

2 Dem Kind genau sagen, was es nicht richtig macht. (Dieser Schritt wird überschlagen,<br />

wenn kein unerwünschtes Verhalten vorangeht.)<br />

3 Dem Kind genau sagen, was es jetzt tun muss.<br />

Schwerpunkte bei der Fähigkeit 'Anweisungen geben' sind:<br />

• Die Anweisung deutlich hörbar geben, damit das Kind sie gut verstehen kann;<br />

• Dem Kind genügend Zeit lassen, der Anweisung zu folgen. Wenn das Kind der Anweisung<br />

folgt, das Kind sofort loben oder belohnen;<br />

• Wenn ein Kind während der Anweisung jammert oder quengelt, dieses Verhalten negieren.<br />

Wenn das gewünschte Verhalten für das Kind neu ist, kann ein Elternteil das Verhalten<br />

vormachen oder mit dem Kind üben.<br />

110


8.4 LERNEN VON ERZIEHUNGSFÄHIGKEITEN<br />

Eltern, die ihre Kompetenz auf dem Gebiet der Erziehung erweitern möchten, können<br />

selbst zahlreiche Techniken lernen, die der Familienmitarbeiter oft schon im Kontakt mit<br />

der Familie angewendet hat. Zur Unterstützung des Lernprozesses können Verhaltenskarten<br />

und bewusst gewählte Belohnungen benutzt werden.<br />

8.4.1 Techniken zum Erlernen von Fähigkeiten<br />

Um den Eltern Erziehungsfähigkeiten zu vermitteln, benutzt der Familienmitarbeiter die<br />

Techniken, die in Kapitel 4 beschrieben wurden. Besonders die Techniken 'Modell stehen'<br />

und 'Verhaltensübung' sind sinnvolle Techniken um den Eltern Erziehungsfähigkeiten zu<br />

vermitteln. Bei der Technik 'Modell stehen' macht der Familienmitarbeiter konkret vor, wie<br />

eine bestimmte Erziehungsfähigkeit aussieht. Beispielsweise zeigt der Familienmitarbeiter<br />

einer Mutter, wie sie ihrem kleinen Sohn eine Anweisung geben kann und nennt danach die<br />

Schritte der Fähigkeit 'Anweisungen geben'. Wenn der Familienmitarbeiter die Technik<br />

'Verhaltensübung' benutzt, steht er nicht nur Modell, sondern fordert auch ein Elternteil<br />

auf, die Technik zu üben und gibt darauf Feedback. Eine solche Verhaltensübung findet<br />

meistens nicht in Anwesenheit des Kindes statt. Erziehungsfähigkeiten können auch darauf<br />

zielen, unerwünschtes Verhalten zu vermindern und erwünschtes Verhalten zu erlernen.<br />

Um beispielsweise ein anderes Zubettgeh-Ritual anzulernen, vermittelt der<br />

Familienmitarbeiter Roys Eltern gezielt die Fähigkeiten 'Anweisungen geben', 'Belohnen'<br />

und 'Sinnvoll Strafen' einzusetzen. Wenn es nötig ist, bestimmte Fähigkeiten mit den Eltern<br />

besonders zu üben, kann der Familienmitarbeiter Aufträge geben, bei denen die Fähigkeit<br />

einige Male angewendet werden muss. Ein Auftrag kann beispielsweise lauten: 'In den<br />

nächsten Tagen mindestens viermal pro Tag mein Kind loben.' Der Familienmitarbeiter<br />

nimmt die Schritte nochmals mit den Eltern durch und übt sie eventuell. Unterstützend<br />

kann der Auftrag vom Familienmitarbeiter zu Papier gebracht werden. Die Eltern können<br />

darauf festhalten, wie oft sie geübt haben und eventuell ihre Erfahrungen beim Üben<br />

aufschreiben.<br />

8.4.2 Hilfsmittel beim Gebrauch der Erziehungsfähigkeiten<br />

Verhaltenskarten<br />

Mithilfe einer Verhaltenskarte hält ein Elternteil fest, ob oder wann ein erwünschtes<br />

Verhalten vorkommt. Wenn die Frequenz des erwünschten Verhaltens einem vorab<br />

bestimmten Kriterium genügt, verdient das Kind eine Belohnung, die vorab vereinbart<br />

wurde. Die Arbeit mit einer Verhaltenskarte stimuliert Eltern, das erwünschte Verhalten zu<br />

beobachten. Oft haben Eltern Schwierigkeiten, das Verhalten ihres Kindes konkret zu<br />

beobachten. Die Verhaltenskarte bietet eine Unterstützung, auf das erwünschte Verhalten<br />

aufzupassen. Außerdem ist die Verhaltenskarte ein Hilfsmittel um Verhalten zu verstärken<br />

und stimuliert Kinder, das erwünschte Verhalten zu zeigen. Der Elternteil, der mit einer<br />

Verhaltenskarte arbeitet,benutzt außerdem auch Fähigkeiten wie 'Loben', 'Anweisungen<br />

geben' und 'Belohnen'.<br />

111


DIE VERHALTENSKARTE VON MILOU<br />

Mon- Diens- Mittwoch Donners- Frei- Sams- Sonntag<br />

tag tag tag tag tag<br />

Während des<br />

Abendessens am<br />

Tisch sitzen bleiben<br />

Beim Abendessen<br />

den Teller<br />

leergegessen<br />

Die Kleider beim<br />

Ausziehen selbst<br />

aufgeräumt<br />

Milou darf jedesmal wenn sie das erwünschte Verhalten zeigt, einen kleinen Sticker in das<br />

betreffende Feld setzen. Wenn sie an einem Tag drei Sticker verdient hat, darf sie nach waschen<br />

und Zähne putzen noch zehn Minuten fernsehen.<br />

Die Arbeit mit einer Verhaltenskarte folgt zahlreichen Schritten:<br />

1 Das erwünschte Verhalten, mit dem die Eltern und das Kind arbeiten, bestimmen. Zur<br />

Bestimmung des erwünschten Verhaltens ist Folgendes wichtig:<br />

• das Verhalten muss täglich vorkommen;<br />

• das Verhalten geht aus den Zielen, die für die Familie aufgestellt wurden, hervor;<br />

• das Verhalten wird positiv beschrieben; beispielsweise: 'jemanden aussprechen lassen'<br />

anstelle von 'nicht ins Wort fallen';<br />

• das Verhalten wird konkret umschrieben.<br />

Das erwünschte Verhalten wird auf die Verhaltenskarte geschrieben. Präsentiere die<br />

Verhaltenskarte dabei als ein Hilfsmittel um das erwünschte Verhalten zu erreichen.<br />

2 Das Belohnungssystem und die Belohnung bestimmen.<br />

Dies kann auf verschiedene Weisen geschehen. Eine Möglichkeit ist die Arbeit mit<br />

'Tauschobjekten', die täglich verdient werden können, beispielsweise Spielmarken, Punkte<br />

und Sticker, die am Ende der Woche für eine Belohnung eingetauscht werden können, wie<br />

Kekse backen, ein Poster, länger fernsehen. Eine Methode, die schon bei kleineren Kindern<br />

benutzt werden kann, ist die Arbeit mit einer täglichen Belohnung. Die Kinder bekommen<br />

dann keine Tauschobjekte, sondern können sich täglich eine kleinere Belohnung verdienen.<br />

Wichtig ist, dass die Belohnung vom Kind auch als Belohnung erfahren wird.<br />

3 Das Kriterium bestimmen<br />

Legen Sie fest, unter welchen Bedinungen das Kind die Belohnung erhält oder auch: wie oft es das<br />

112


erwünschte Verhalten zeigen muss bevor es belohnt wird. Sagen Sie dabei nachdrücklich,<br />

dass die Arbeit mit der Verhaltenskarte eine Experiment ist und nicht gleich alles gelingen<br />

muss. Wenn es anders verläuft als erwartet, wird die Verhaltenskarte geändert.<br />

4 Bestimmen, wer die Karte führt<br />

Sprechen Sie mit den Eltern ab, wer die Verhaltenskarte ausfüllt und zu welchen<br />

Zeitpunkten. Es ist wichtig, dass Eltern das möglichst schnell nach dem Auftreten des<br />

erwünschten Verhaltens tun. Dadurch lernen sie auf das erwünschte Verhalten zu achten<br />

und das erwünschte Verhalten des Kindes wird verstärkt.<br />

5 Bestimmen, was die Eltern tun, wenn das unerwünschte Verhalten auftritt<br />

Besprechen Sie mit den Eltern wie sie reagieren können, wenn das unerwünschte Verhalten<br />

auftritt und lehren Sie ihnen falls nötig Fähigkeiten um auf das unerwünschte Verhalten zu<br />

reagieren.<br />

6 Bestimmen, wann die Arbeit mit der Verhaltenskarte beginnt und wann sie ausgewertet<br />

wird<br />

Überlegen Sie mit den Eltern, zu welchem Zeitpunkt die Arbeit mit der Verhaltenskarte<br />

beginnt. Versuchen Sie die Verhaltenskarte möglichst schnell einzusetzen. Die Auswertung<br />

der Arbeit mit der Verhaltenskarte geschieht täglich und findet also ab und zu per Telefon<br />

statt. Dadurch kann der Familienmitarbeiter im Auge behalten, ob die Arbeit mit der<br />

Verhaltenskarte gut verläuft und korrigieren wo es nötig ist. Das verhindert, dass Eltern zu<br />

lange bei etwas bleiben, das nicht gut funktioniert und demotiviert werden. Bei der<br />

Auswertung der Verhaltenskarte legt der Familienmitarbeiter Nachdruck auf die positiven<br />

Entwicklungen. Bei Stagnationen untersucht er was genau los ist, beispielsweise: belohnen<br />

die Eltern konsequent; weiß das Kind, was es tun muss; beobachten die Eltern richtig?<br />

7 Bestimmen, wie das Elternteil dem Kind das erwünschte Verhalten vermitteln kann,<br />

wenn dieses Verhalten für das Kind neu ist.<br />

Untersuchen Sie mit den Eltern, ob das Kind die Fähigkeiten beherrscht, die mit dem<br />

erwünschten Verhalten zusammenhängen. Wenn das undeutlich ist oder das Kind die<br />

Fähigkeiten unzureichend beherrscht, schauen Sie dann, wie das Kind die Fähigkeiten<br />

lernen kann und vom wem sie vermittelt werden, von den Eltern oder vom<br />

Familienmitarbeiter.<br />

8 Bestimmen, wie dem Kind die Verhaltenskarte präsentiert wird<br />

Überlegen Sie mit den Eltern, wer dem Kind die Verhaltenskarte erklärt und wie das<br />

geschieht.<br />

Eine Verhaltenskarte ist auch ein sehr geeignetes Hilfsmittel zur Arbeit an erwünschtem<br />

Verhalten von Jugendlichen. Ein Jugendlicher wird dann aktiv beim Erstellen der<br />

Verhaltenskarte mit einbezogen. In gemeinsamer Überlegung zwischen Eltern,<br />

Jugendlichem und Familienmitarbeiter wird abgesprochen, welche Verhaltensweisen auf die<br />

Karte kommen, was Belohnungen sind, wann sie erreicht werden und so weiter. Außerdem<br />

wird auch abgesprochen wie die Eltern reagieren sollen oder wie gerade nicht,<br />

beispielsweise: bei bestimmtem erwünschtem Verhalten ein Kompliment machen und es<br />

auf der Karte notieren, aber beim Ausbleiben des erwünschten Verhaltens nicht meckern.<br />

Entsprechende Vereinbarungen können eventuell auf der Verhaltenskarte notiert werden.<br />

113


Belohnungen<br />

Belohnen eines erwünschten Verhaltens stellt Eltern vor die Frage welche Belohnungen für<br />

ihr Kind nett oder geeignet sind. Manche Eltern haben den Eindruck, dass ihr Kind 'alles<br />

hat' oder 'nichts will' oder 'nur Süßigkeiten oder Geld will'. Auf zwei Weisen kann der<br />

Familienmitarbeiter zusammen mit den Eltern inventarisieren welche Belohnungen für ihr<br />

Kind geeignet sind und welche sie danach ihrem Kind geben.<br />

Inventarisierung anhand von Beispielen<br />

Der Familienmitarbeiter kann den Eltern zahlreiche Beispiele von Belohnungen nennen um<br />

sie auf Ideen zu bringen.<br />

Materielle Belohnungen<br />

Luftballon<br />

Apfel (andere Frucht)<br />

Nachtisch<br />

Limonade<br />

Malbuch<br />

Süßigkeit<br />

Lego<br />

Sticker<br />

kleines Buch<br />

kleine Pflanze<br />

Stifte<br />

Kassette<br />

Heft<br />

kleines Auto<br />

Poster<br />

Rosinen<br />

Puppe<br />

extra Getränk<br />

Playmobil<br />

Ton<br />

ein Stück Käse<br />

Immaterielle Belohnungen<br />

(länger) draußen spielen<br />

Freunde einladen<br />

vorlesen<br />

zusammen ein Spiel spielen<br />

in einem besonderen Malbuch zeichnen<br />

dürfen<br />

Blumen gießen<br />

Fenster putzen<br />

fernsehen<br />

zusammen Fahrrad fahren<br />

eine Kassette hören<br />

beim Gärtnern / Autowaschen helfen<br />

Kekse anbieten<br />

etwas später ins Bett<br />

einen Einkauf erledigen<br />

in der Küche beim Kochen helfen<br />

mit Wasser panschen<br />

mit dem Hund hinausgehen<br />

Kerzen auf dem Tisch<br />

schwimmen<br />

Nachtisch aussuchen<br />

sich verkleiden<br />

Inventarisierung anhand von Punkten<br />

Anhand zahlreicher Punkte kann der Familienmitarbeiter mit den Eltern gezielt<br />

inventarisieren, welche Dinge ihr Kind mag. Mögliche Punkte sind:<br />

• Menschen; mit welchen Menschen ist das Kind gern zusammen?<br />

• Tägliche Tätigkeiten; welche täglichen Tätigkeiten tut das Kind gerne, beispielsweise:<br />

Monopoly spielen, Skateboard fahren, fernsehen, telefonieren?<br />

114


• Spezielle Aktivitäten; welche speziellen Tätigkeiten unternimmt das Kind, beispielsweise;<br />

ins Kino, in den Zoo gehen, Kekse backen, zu einem Fußballspiel, einen Abend zu<br />

Freunden, in ein Konzert gehen?<br />

• Essen; was findet das Kind besonders lecker?<br />

• Aufmerksamkeit; welche besonderen Formen der Aufmerksamkeit findet das Kind nett,<br />

beispielsweise: Komplimente bekommen, herumtollen, schmusen?<br />

• Tauschobjekte; welche Tauschobjekte verdient das Kind gerne, beispielsweise: kleine<br />

Sticker, Sterne, Punkte, Spielmarken, Geld?<br />

8.5 DIE BEDENKEN DER ELTERN<br />

Manchmal haben die Eltern Zweifel oder Bedenken beim Gebrauch der<br />

Erziehungsfähigkeiten und lassen das den Familienmitarbeiter auch spüren. Die allgemeine<br />

Richtlinie, um damit umzugehen, ist: respektieren Sie die Ideen der Eltern, lassen Sie sich<br />

auf keine Diskussion über richtig oder falsch ein, sondern gehen Sie mit den Eltern die Vorund<br />

Nachteile durch und geben Sie ergänzende Informationen. Auf diese Weise besteht die<br />

größte Chance, dass Eltern damit experimentieren möchten, anders mit ihren Kindern<br />

umzugehen. Nachstehend werden dem Familienmitarbeiter zahlreiche Tips gegeben für<br />

Situationen in denen Zweifel und Bedenken von Eltern auftreten.<br />

Der Erziehungsstil der Eltern ist überwiegend strafend und die Eltern 'glauben' auch an diese<br />

Art und Weise mit ihren Kindern umzugehen:<br />

• Erklären Sie den Eltern, dass das Bestrafen von Kindern effektiver wird, wenn es mit<br />

positiven Konsequenzen wie loben und belohnen kombiniert wird. Reden Sie den Eltern<br />

das Bestrafen nicht aus.<br />

• Untersuchen Sie zusammen mit den Eltern, welche Folgen ein anderer Erziehungsstil für<br />

sie selbst hat.<br />

• Erklären Sie die Nachteile von Strafen, sowohl für die Kinder wie für sie selbst; Angst,<br />

Bosheit, Rückzug, die Begrenzungen, die Verbote einem selbst auferlegen, die Chance, dass<br />

Kinder etwas hinter dem Rücken der Eltern tun.<br />

Eltern sehen Verstärker und Belohnungen als Bestechung oder Eltern finden, dass Kinder sich<br />

gut betragen müssen, weil es sich so gehört:<br />

• Lassen Sie erkennen, dass das in gewisser Hinsicht wahr ist, aber dass ihr Kind<br />

anscheinend zusätzlich etwas braucht, um sich 'richtig' zu verhalten.<br />

• Demonstrieren Sie die Fähigkeit Belohnen und Strafen.<br />

• Vermitteln Sie den Eltern, wie sie soziale Verstärker gebrauchen können, mit anderen<br />

Worten: Lehren Sie sie loben.<br />

Eltern weisen die Idee von Verhaltenskarten und Belohnungen ab, weil sie schon ihre ganze<br />

Zeit damit verbringen, auf unerwünschtes Verhalten zu reagieren:<br />

• Erklären Sie den Eltern, dass es nun zusätzliche Zeit kostet, sich aber langfristig lohnt.<br />

• Machen Sie den Eltern deutlich, dass sie auch jetzt viel Zeit mit dem Verhalten verbringen<br />

und die Atmosphäre als Folge davon sehr negativ ist.<br />

115


Eltern haben bereits früher Verstärker benutzt, aber ohne Resultat:<br />

• Untersuchen Sie, warum es ohne Resultat war; haben es die Eltern lange genug<br />

durchgehalten?<br />

• Stehen Sie Modell, machen Sie es ihnen vor.<br />

• Erklären Sie, dass die Umstände anders sein können. Die Chance besteht, dass es jetzt<br />

klappt.<br />

8.6 VERBESSERN DER KOMMUNIKATIVEN FÄHIGKEITEN<br />

Die Erziehungsfähigkeiten, die bis jetzt beschrieben wurden, hatten Bezug auf die<br />

Stimulierung von Verhaltensänderung. Es gibt jedoch noch viel mehr<br />

Erziehungsfähigkeiten. Eine wichtige Kategorie wird von Fähigkeiten gebildet, die die<br />

Kommunikation zwischen Elternteil und Kind fördern. Sie helfen Eltern und Kindern auf<br />

eine nette Art miteinander umzugehen. Diese Fähigkeiten sind auch gut in der<br />

Kommunikation mit Jugendlichen zu gebrauchen. Viele Techniken, die vorher als Teil von<br />

Families First beschrieben wurden, sind Kommunikationsfähigkeiten, die auch an Eltern<br />

übertragen werden können, beispielsweise 'unterstützende Ich-Botschaften geben' und<br />

'konfrontierende Ich-Botschaften geben'. Auch die Schritte, die beim 'Bleistift und Papier-<br />

Training mit der Familie' unterschieden wurden, sind als Verhandlungsfähigkeit an Eltern<br />

zu übertragen. Außerdem sind auch die Fähigkeiten 'Zuhören' und 'Nach Gefühlen<br />

nachfragen' für Eltern wichtig.<br />

Zuhören<br />

Indem er der Erzählung eines Kindes zuhört, zeigt der Elternteil Interesse dafür, was das<br />

Kind erzählt und gibt ihm den Eindruck, dass es der Mühe wert ist. Auch erhält der<br />

Elternteil auf diese Weise Informationen über die Dinge, die das Kind tut oder die es<br />

beschäftigen. Diese Informationen hat der Elternteil oft nötig, um dem Kind Dinge<br />

vermitteln zu können. Durch gutes Zuhören können Eltern die Beziehung zu ihrem Kind<br />

verbessern. Die Schritte der Fähigkeit 'Zuhören' sind:<br />

1 In der Nähe des Kindes sitzen oder stehen, es ab und zu ansehen oder berühren.<br />

2 Das Kind ermutigen, seine Geschichte zu erzählen, indem Sie:<br />

• mit dem Kopf nicken; damit deuten Sie an, dass Sie das Kind verstehen;<br />

• ab und zu reagieren im Sinne von: "Oh ja!, mm, wirklich wahr"<br />

3 Das Kind aussprechen lassen.<br />

Manchmal fällt es schwer, die Reaktion bis zum Ende der Geschichte zurückzuhalten, weil<br />

man begeistert davon ist oder gerade sehr böse. Jedoch ist es wichtig, das Kind die ganze<br />

Geschichte erzählen zu lassen. Manchmal kommt die wichtigste Information gerade am<br />

Ende.<br />

4 Wenn die Geschichte nicht deutlich ist oder Ihnen noch Informationen fehlen, stellen Sie<br />

gezielte Fragen, beispielsweise:<br />

• wer war dabei;<br />

• was sagte der Lehrer dazu;<br />

• wie spät bist du draußen spielen gegangen?<br />

116


Schwerpunkte bei der Fähigkeit 'Zuhören' sind:<br />

• Der Geschichte eines Kindes zuzuhören kann gut mit einfachen Tätigkeiten einhergehen.<br />

Damit sind Tätigkeiten gemeint, die nicht viel Aufmerksamkeit erfordern.<br />

• Wenn Sie keine Zeit oder Lust haben dem Kind zuzuhören, sprechen Sie mit dem Kind<br />

einen Zeitpunkt ab, zu dem es passt.<br />

• Der Geschichte eines Kindes zuzuhören muss nicht beinhalten, dass Sie mit dem Kind<br />

übereinstimmen. Wenn Ihr Kind die ganze Geschichte erzählt hat, können Sie reagieren.<br />

Nach Gefühlen nachfragen<br />

Im Umgang mit ihren Kindern haben Eltern oft eine Ahnung, wie das Kind sich fühlt.<br />

Wenn diese Ahnungen möglichst viel von dem, was sie sehen, gestützt werden, ist die<br />

Chance größer, dass sie stimmen, aber das ist nicht immer der Fall. Darum ist es sehr<br />

wichtig, dass Eltern lernen zu überprüfen, ob ihre Vorstellungen von den Gefühlen ihrer<br />

Kinder richtig sind. Das heißt 'Nach Gefühlen nachfragen'.<br />

Mithilfe dieser Fähigkeit können Kinder lernen, ihre Gefühle genau zu benennen. Wenn<br />

Eltern die Fähigkeit richtig benutzen, hilft das gut bei dem anzuschließen, was für das Kind<br />

wichtig ist.<br />

Die Schritte der Fähigkeit 'Nach Gefühlen nachfragen':<br />

1 Erzählen Sie, was Ihre Idee oder Ihr Eindruck ist;<br />

• "Ich habe den Eindruck, dass du sehr bekümmert bist".<br />

• "Ich glaube, du hast heute Nachmittag viel Spaß gehabt".<br />

• "Ich denke, dass du sehr böse bist".<br />

2 Erzählen Sie Ihrem Kind, was Sie sehen oder gesehen hast, wodurch Sie diesen Eindruck<br />

haben, beispielsweise:<br />

• " ..., weil du weinst".<br />

• " ..., ich habe dich oft lachen hören".<br />

• " ..., denn du antwortest nicht auf meine Frage".<br />

3 Fragen Sie das Kind, ob Ihre Ahnung oder Ihr Eindruck stimmen, beispielsweise:<br />

• " ..., ist das so?"<br />

• " ..., stimmt das?"<br />

• " ..., ich kann mich völlig irren, aber wenn es so ist, möchte ich es gern von dir hören."<br />

Schwerpunkte bei der Fähigkeit:<br />

• Sätze, die mit dem Wort 'ich' beginnen, sind sehr geeignet um dem Kind den Eindruck<br />

wiederzugeben. Sie werden auch 'Ich-Botschaften' genannt.<br />

• Wenn das Kind den Eindruck verneint, hören Sie sofort mit nachfragen auf. Sie können<br />

dann beispielsweise das Folgende sagen: "Nun, dann habe ich mich wohl geirrt, wenn du<br />

doch noch darüber sprechen möchtest, kannst du jederzeit wieder darauf<br />

zurückkommen".<br />

• Das Nachfragen kann manchmal mit einfachen Tätigkeiten einhergehen. Dies gilt<br />

besonders, wenn Ihr Kind es noch spannend findet.<br />

• Das Nachfragen kann am besten geschehen, wenn genug Zeit ist und die Umgebung<br />

ruhig.<br />

117


8.7 ERZIEHUNGSFÄHIGKEITEN IN VERBINDUNG MIT AUFGABENERLEICHTERUNG<br />

Das Vermitteln von Erziehungsfähigkeiten wird oft mit dem Einbringen von<br />

Aufgabenerleichterungen kombiniert, beispielsweise indem die Aufgabe strukturiert oder in<br />

kleine Schritte unterteilt wird. Ein Beispiel dazu ist, Struktur in die tägliche Routine einer<br />

Familie zu bringen; das heißt: in alles, was sich von morgens früh bis abends spät mit einer<br />

gewissen Regelmäßigkeit abspielt. Eine tägliche Routine sorgt für Überblick und<br />

Regelmäßigkeit. Kindern gibt das einen guten Halt, weil deutlich ist, was zu bestimmten<br />

Zeitpunkten von ihnen erwartet wird. Besonders zu Zeitpunkten, in denen viel<br />

Problemverhalten vorkommt, ist es wichtig dem nachzugehen, wie die tägliche Routine<br />

aussieht, beispielsweise wie es mit den Essens- und Zubettgeh-Zeiten bestellt ist. In<br />

Überlegung mit dem Familienmitarbeiter können Eltern bestimmte Teile der täglichen<br />

Routine strukturieren. Dies fördert das erwünschte Verhalten. Strukturierung der Aufgabe<br />

findet auch statt, wenn ein Elternteil das Kind auf bestimmte Tätigkeiten oder Ereignisse<br />

vorbereitet oder eine bestimmte Reihenfolge hereinbringt, beispielsweise: "Gleich gehen wir<br />

einkaufen, jetzt gehst du aufs WC und dann trinken wir eben noch etwas."<br />

8.8 CHECKLISTE FÜR DAS LEHREN / LERNEN VON ERZIEHUNGSFäHIGKEITEN<br />

Erziehungsfähigkeiten, um erwünschtes Verhalten zu verstärken:<br />

• Loben<br />

• Belohnen<br />

Erziehungsfähigkeiten, um unerwünschtes Verhalten zu vermindern oder zu stoppen:<br />

• Nicht reagieren<br />

• time out<br />

• Sinnvoll strafen<br />

Erziehungsfähigkeiten, um anderes oder neues Verhalten zu stimulieren:<br />

• Anweisungen geben<br />

Hilfsmittel beim Gebrauch von Erziehungsfähigkeiten:<br />

• Verhaltenskarten<br />

• Belohnungen<br />

Kommunikative Erziehungsfähigkeiten:<br />

• Zuhören<br />

• Nach Gefühlen nachfragen<br />

118


9 ERHÖHEN DER SICHERHEIT<br />

Sowohl die Familienmitglieder als auch der Familienmitarbeiter können während des<br />

Kontakts mit Families First mit einem Familienmitglied konfrontiert werden, das mit<br />

Gewalt droht oder wirklich Gewalt anwendet. Diese Gewalt ist oft physisch. Unter<br />

physischer Gewalt wird formell verstanden: 'Handlungen mit tatsächlichen oder<br />

vermeintlichen üblen Zielen, die materiellen und immateriellen Schaden und Verletzungen<br />

zufügen können und wobei formelle oder informelle Verhaltensregeln verletzt werden' (Van<br />

der Ploeg, 1995). Formen physischer Gewalt sind beispielsweise: am Körper ziehen,<br />

beispielsweise jemanden am Arm wegziehen, treten, mit der Hand schlagen, mit einer Waffe<br />

schlagen, aber auch Fenster einwerfen oder mit Dingen schmeißen. Eine andere Form von<br />

Gewalt ist Gewalt mit Schusswaffen oder das Drohen damit. Wenn der Familienmitarbeiter<br />

weiß, was er in Situationen, in denen Gewalt eine Rolle spielt, tun kann, erhöht das seine<br />

eigene Sicherheit und vermindert seine Angst. Ein Familienmitarbeiter kann verschiedene<br />

Maßregeln treffen, um Gewalt oder eine weitere Eskalation von Gewalt zu verhindern 5 .In<br />

Situationen, die unsicher sind oder zu werden drohen, muss der Familienmitarbeiter<br />

immer mit dem Teamleiter Kontakt aufnehmen um zusammen zu überlegen, wie mit der<br />

Situation am besten umzugehen ist.<br />

9.1 EINSCHÄTZEN DER CHANCE FÜR UNSICHERE SITUATIONEN<br />

Um dahinter zu kommen wie groß die Chance ist, dass sich in einer Familie unsichere<br />

Situationen hervortun, zieht der Familienmitarbeiter verschiedene Informationsquellen<br />

heran. Die erste Quelle ist der Überweiser, der über die Vorgeschichte und das Risiko von<br />

unsicheren Situationen in der Familie Bescheid wissen muss. Außerdem ist die Sicherheit<br />

ein wichtiger Schwerpunkt bei den ersten Kontakten mit der Familie. Der<br />

Familienmitarbeiter kann die Familienmitglieder fragen, ob sie sich schon einmal unsicher<br />

gefühlt haben und welche Situation dazu Anlass gab. Wenn es die Situation zulässt, kann<br />

der Familienmitarbeiter die Familienmitglieder auch nach ihrer Einschätzung der Lage<br />

fragen, wie groß die Chance für unsichere Situationen in der nächsten Zukunft ist.<br />

Zum Beispiel:<br />

In einer Familie ist die Rede von regelmäßigen Konflikten zwischen Vater und Chris. Vater benutzt<br />

dabei oft sein Hände. So eine Situation entsteht meistens, wenn der Vater merkt, dass er keinen<br />

Einfluss mehr auf das Verhalten von Chris hat. Die anderen Familienmitglieder sind jedoch<br />

dauernd Zeuge dieser Konflikte, und das ist für das Funktionieren der Familie nicht förderlich. Die<br />

Familienmitarbeiterin, Patricia, versucht die Sicherheit zu erhöhen, indem sie zeitweise eine<br />

Situation schafft, in der Chris so wenig wie möglich mit seinem Vater konfrontiert wird. Sie regelt<br />

beispielsweise in Überlegung mit Chris und seinem Vater, dass Chris nach dem Schulunterricht<br />

5 Eine spezielle Form von Gewalt ist sexueller Missbrauch. Auf dieses Thema wird in diesem Kapitel nicht<br />

eingegangen. Zum Handeln bei sexuellem Missbrauch oder der Vermutung auf sexuellen Missbrauch wurde im<br />

Rahmen von Families First ein eintägiger Workshop entwickelt.<br />

119


noch zu zusätzlicher Hausaufgabenbegleitung in der Schule bleiben kann. Außerdem untersucht sie<br />

mit Chris die Möglichkeit, dass er in seiner Freizeit an Sportaktivitäten oder an Aktivitäten in<br />

einem Nachbarschaftshaus teilnimmt. Sie fängt damit 'zwei Fliegen mit einer Klappe': Chris<br />

verbingt seine Freizeit auf eine akzeptable Art und Weise und sein Vater weiss, wie er seine Freizeit<br />

verbringt und ärgert sich weniger.<br />

9.2 VORSORGEMASSNAHMEN<br />

Manchmal ist es nicht ganz deutlich, ob in einer Familie von unsicheren Situationen<br />

gesprochen werden kann. Ein Familienmitarbeiter hat eine Vermutung, beispielsweise weil<br />

ihm ein Mentor der Schule erzählt, dass das Kind blaue Flecken hat. Der<br />

Familienmitarbeiter kann auch den Eindruck haben, dass der Vater seinen Sohn bedroht<br />

sobald er selbst von der Familie weggeht. Er kann auch von anderen Familienmitgliedern<br />

über drohende Gewalt informiert worden sein. Sie haben beispielsweise Angst vor dem<br />

Sohn, der im Haus Waffen versteckt hat oder der mit undurchsichtigen Personen<br />

zusammen ist, die auch bei der Familie ein und aus gehen. In unsicheren Situationen kann<br />

es auch um Gewalt gehen, die Familienmitglieder sich selbst anzutun drohen; ein<br />

depressiver Eltern teil sagt beispielsweise, dass er sich selbst verwunden wird. Bei<br />

vermuteter oder drohender Unsicherheit kann der Familienmitarbeiter eine Anzahl<br />

Vorsorgemaßnahmen treffen, die falls nötig einen dauerhaften Charakter bekommen<br />

können, wenn sich zeigt, dass sie funktionieren:<br />

Folgen<br />

Der Familienmitarbeiter kann aus der Distanz im Auge behalten, was in der Familie<br />

passiert, beispielsweise indem er zwischen den Verabredungen telefonisch mit der Familie<br />

Kontakt aufnimmt um zu fragen, wie es geht. Eine andere Möglichkeit ist es, mit der<br />

Familie abzusprechen, dass sie anrufen, wenn sie Fragen haben oder die Situation droht aus<br />

der Hand zu laufen.<br />

Veränderungen in die Situation bringen<br />

Manchmal kann eine Krise vermieden werden, indem die Situation zeitweise verändert<br />

wird,beispielsweise mit einem Jugendlichen absprechen, dass er vorläufig keine Freunde<br />

mit nach Hause bringt oder ein Kind eine Nacht bei den Nachbarn schlafen lassen, wenn<br />

die Mutter so erschöpft ist, dass sie sich selbst nicht mehr in der Hand hat.<br />

Strukturieren der täglichen Routine der Familie<br />

Das Strukturieren der täglichen Routine verringert die Chance für das Entstehen einer<br />

Krise. Der Familienmitarbeiter spricht beispielswise ab, welche Tätigkeiten, wie<br />

Hausaufgaben machen und das eigene Zimmer aufräumen, fortan zur täglichen Routine<br />

der Jugendlichen gehören; oder der Familienmitarbeiter überlegt mit einer Mutter, was ein<br />

Kind nach der Schule tun kann. Der Familienmitarbeiter kann auch mit einer Mutter, vor<br />

der der Tag wie ein unbeklimmbarer Berg liegt, besprechen, wie sie sich den Tag einteilen<br />

kann.<br />

120


Aufsetzen eines Vertrags<br />

Der Familienmitarbeiter kann mündliche Absprachen mit einem Familienmitglied in<br />

einem Vertrag festlegen. Beispiele sind, dass der Jugendliche ihn anruft bevor er wegläuft;<br />

dass die Mutter zum Telefonhörer greift, bevor sie straft oder dass der Vater etwas von sich<br />

hören lässt, wenn er sich sehr depressiv fühlt.<br />

Erteilen eines Beobachtungs-Auftrags<br />

Um eine Krisensituation zu verhindern kann es sinnvoll sein, es Eltern aufschreiben zu<br />

lassen, wenn ein bestimmtes Problemverhalten auftritt. Das hilft ihnen, anders zu reagieren.<br />

Wenn Eltern beispielsweise festhalten müssen, wie oft ein Kind sie verflucht, verringert<br />

schon der Auftrag die Chance, dass sie darüber böse werden. Außerdem kann der Gedanke,<br />

dass sie diese Aufzeichnungen mit dem Familienmitarbeiter besprechen werden, ihnen<br />

Hoffnung auf Veränderung machen.<br />

Erstellen eines Thermometers<br />

Mithilfe eines Thermometers kann ein Familienmitglied selbst lernen, mit eskalierenden<br />

Gefühlen umzugehen (siehe Kapitel 6).<br />

9.3 REAGIEREN IN UNSICHEREN SITUATIONEN<br />

Unsichere Situationen kommen in einer Familie nicht oft in Anwesenheit des<br />

Familienmitarbeiters vor. Der Familienmitarbeiter kommt auch nicht schnell in eine<br />

Situation, in der seine eigene Sicherheit bedroht ist. Aber wenn Gewalt droht, muss sich der<br />

Familienmitarbeiter darauf bei seinem Besuch vorbereiten, sowohl in seinem Verhalten als<br />

auch in den Techniken, die er anwendet.<br />

Ratschläge für das Verhalten:<br />

Wenn Sie bei dem Haus ankommen:<br />

• sehen Sie nach, wo Ausgänge sind, sowohl Türen als auch Fenster;<br />

• nachsehen, ob in der direkten Umgebung Nachbarn sind;<br />

• horchen Sie bevor Sie klingeln;<br />

• bleiben Sie an der Seite von der Tür stehen; es kann plötzlich jemand nach draußen<br />

rennen;<br />

• warten Sie bis Sie hereingelassen werden, auch wenn die Tür offensteht; denken Sie daran,<br />

dass Sie ein Gast sind.<br />

Wenn Sie drinnen sind:<br />

• setzen Sie sich in die Nähe eines Ausgangs;<br />

• versuchen Sie mit dem Rücken zu einer Wand zu sitzen, sodass Sie alles übersehen<br />

können;<br />

• versuchen Sie dafür zu sorgen, dass die Person, die aggressiv ist, nicht zwischen Ihnen und<br />

der Tür sitzt;<br />

• sitzen Sie am besten im Wohnzimmer; die Chance, dass sich da ein Messer oder eine<br />

andere Stichwaffe befindet, ist da am kleinsten;<br />

121


• versuchen Sie die Zimmertür auf zulassen, das gibt auch den Familienmitgliedern ein<br />

freieres Gefühl;<br />

• sprechen Sie sich selbst ruhig zu, sagen Sie sich selbst, dass Sie besser ruhig bleiben;<br />

• versuchen Sie, Ruhe auszustrahlen; holen Sie tief Atem, wenn Sie merken, dass Sie<br />

angespannt werden;<br />

• beobachten Sie sehr gut, besonders Signale, die ein Vorbote von Gewalt sein könnten;<br />

achten Sie besonders auf Gesichtsausdruck, Körperhaltung, schnelle Atmung, ein rotes<br />

Gesicht, verbale Äußerungen oder Drohungen;<br />

• respektieren Sie den persönlichen Bereich der Familienmitglieder; stehen Sie nicht zu nah<br />

bei ihnen, berühren Sie sie nicht;<br />

• fragen Sie auch jetzt um Zustimmung für alles was Sie tun;<br />

• nehmen Sie sich Zeit, lassen Sie die Familienmitglieder merken, dass sie alle Zeit haben<br />

ihre Gefühle zu äußern.<br />

Interventionen<br />

1 Benutzen Sie beruhigende Techniken:<br />

• machen Sie viel Gebrauch von der Technik aktiv zuhören (siehe Kapitel 3); wenn sich die<br />

Familienmitglieder besser verstanden fühlen, ist die Chance für Gewalt kleiner;<br />

• geben Sie Ihre persönlichen Eindrücke und Gefühle wieder, beispielsweise: "Ich mache mir<br />

Sorgen darüber, wie Sie sich anschreien". Diese Technik wird 'Ich-Botschaften geben'<br />

genannt (siehe Kapitel 4).<br />

2 Bringen Sie Veränderungen in die Situation:<br />

• versuchen Sie, wenn nötig, mit einem Familienmitglied zu sprechen;<br />

• sprechen Sie zuerst mit der Person, die am meisten böse ist; forderen Sie die anderen<br />

Familienmitglieder auf, schwierige Themen zu vermeiden, wenn Sie mit einzelnen<br />

Familienmitgliedern sprechen;<br />

• versuchen Sie die Situation zu verändern; das kann Menschen zu Sinnen bringen; bitten<br />

Sie beispielsweise ein Familienmitglied, zeitweise in einen anderen Raum im Haus zu<br />

gehen;<br />

• eventuell miteinander an einen neutralen Ort gehen;<br />

3 Geben Sie Ihre Grenzen an, wenn Sie merken, dass Hochspannung entseht:<br />

• lassen Sie Ihre Besorgnis merken, dass etwas passiert, beispielsweise: "Ich mache mir<br />

Sorgen, dass hier jemand ...";<br />

• lassen Sie die Familienmitglieder wissen, was für Folgen Gewalt haben kann,<br />

beispielsweise: "Ich werde gehen müssen, wenn ..." oder "Ich werde die Polizei anrufen<br />

müssen, wenn ...".<br />

• gehen Sie weg, wenn es nötig ist.<br />

Geben Sie danach immer eine Anweisung mit Bezug auf Dinge, die die Betroffenen tun<br />

können, beispielsweise sitzen und ruhig reden, still sein, wenn der andere etwas sagt, in ein<br />

anderes Zimmer gehen (siehe Kapitel 4 'Anweisungen geben').<br />

122


Manchmal wird der Familienmitarbeiter telefonisch über unsichere Situationen informiert,<br />

beispielsweise weil ein Familienmitglied anruft und meldet, dass es heftigen Streit gibt, oder<br />

weil der Familienmitarbeiter selbst merkt, dass die Situation in der Familie unsicher ist.<br />

Auch dann gelten die Richtlinien:<br />

Benutze beruhigende Techniken und versuche Veränderungen in die Situation zu bringen.<br />

Wenn der Familienmitarbeiter merkt, dass der telefonische Kontakt unzureichend ist, geht<br />

er zu der Familie hin, aber immer nachdem er mit dem Teamleiter Rücksprache genommen<br />

hat.<br />

9.4 EINGREIFEN BEI KÖRPERLICHER GEWALT<br />

Obwohl der Ausgangspunkt von Families First ist, dass Familienmitglieder lernen,<br />

Krisensituationen selbst zu lösen, muss der Familienmitarbeiter aktiv eingreifen in einer<br />

akuten Krise, in der Gewalt angewendet wird oder droht angewendet zu werden, und<br />

Familienmitglieder nicht in der Lage sind, selbst eine Lösung zu finden. Für dieses<br />

Eingreifen gelten folgende Richtlinien:<br />

Benutzen Sie die verkürzte Verhaltensanweisung<br />

Die verkürzte Verhaltensanweisung (siehe Kapitel 5) besteht aus zwei Schritten:<br />

1 Zeigen Sie kurz Ihre Verbundenheit mit dem und Ihre Sympathie für das<br />

Familienmitglied. Wenn Sie selbst so böse oder irritiert sind, dass Sie wenig Sympathie<br />

aufbringen können, dann richten Sie sich auf das, was Sie sehen und sagen beispielsweise:<br />

"Ich sehe, dass Sie entsetzlich böse sind."<br />

2 Geben Sie genau an, welches Verhalten Sie von dem Familienmitglied erwarten,<br />

beispielsweise: "Ich würde es nett finden, wenn Sie jetzt aufstehen und in Ihr Zimmer<br />

gehen würden" oder: "Ich will, dass du aufstehst und in dein Zimmer gehst."<br />

Eine verkürzte Verhaltensanweisung ist summarisch, aber meistens effektiv, wenn das<br />

Verhalten, das vom Familienmitglied gefordert wird, einfach und deutlich genannt wird, für<br />

das Familienmitglied einfach auszuführen ist, das unerwünschte Verhalten ausschließt oder<br />

vermindert und kein strafender Ton benutzt wird. Die Aufforderung zu konkretem,<br />

'einfachem' Verhalten erhöht die Chance, dass es auch wirklich ausgeführt wird. Das gibt<br />

dem Familienmitarbeiter Gelegenheit mit einer positiven Bemerkung zu reagieren. So ein<br />

Kompliment genügt in manchen Situationen bereits, um die Spannung zu lockern. Wenn es<br />

nötig ist, wird die verkürzte Verhaltensanweisung, mit Variationen, stets wiederholt.<br />

Fügen Sie der Situation keinen weiteren Stress hinzu:<br />

• schlagen Sie nicht selbst zurück; wehren Sie das Familienmitglied nur ab; stellen Sie sich<br />

wenn nötig zwischen das Familienmitglied und die bedrohte Person oder den bedrohten<br />

Gegenstand;<br />

• sprechen Sie weiterhin ruhig<br />

• versuchen Sie dafür zu sorgen, dass die übrigen Familienmitglieder weiterhin ruhig<br />

reagieren.<br />

123


Der Familienmitarbeiter muss dafür sorgen, dass das Familienmitglied, das Gewalt<br />

angewendet hat nach Ablauf des Vorfalls zur Ruhe kommen kann. Danach kann der<br />

Familienmitarbeiter wieder auf das zurückkommen, was passiert ist. In einem späteren<br />

Stadium kann der Vorfall als Anknüpfungspunkt zur Kompetenzerweiterung benutzt<br />

werden.<br />

9.5 ERHÖHEN DER SICHERHEIT ZUSAMMENGEFASST<br />

Von der Sicherheitssituation in einer Familie muss der Familienmitarbeiter vonvornherein<br />

eine Einschätzung machen indem er Informationen von demjenigen, der die Familie bei<br />

Families First angemeldet hat, erfragt und vom allerersten Kontakt mit der Familie an<br />

darauf achtet. Über seine eigene Sicherheit berät der Familienmitarbeiter regelmäßig mit<br />

dem Teamleiter. Die Vorsorgemaßnahmen, die der Familienmitarbeiter bei drohender<br />

Gewalt ergreifen kann, sind: die Ereignisse in der Familie sorgfältig verfolgen,<br />

Veränderungen in die Situation bringen, die tägliche Routine der Familie strukturieren,<br />

einen Vertrag schließen, den Eltern einen Beobachtungs-Auftrag geben oder ein<br />

Gefühlsthermometer erstellen. Wenn er in Krisensituationen eingreifen muss, in denen die<br />

Sicherheit in Gefahr ist, sorgt der Familienmitarbeiter dafür, dass er so viel wie möglich die<br />

Übersicht behält, dass er beruhigende Techniken benutzt, die Situation verändert und seine<br />

eigenen Grenzen deutlich macht. In einer akuten Krise wendet der Familienmitarbeiter so<br />

ruhig wie möglich die verkürzte Verhaltensanweisung an, um auf das Familienmitglied, das<br />

Gewalt anwendet oder damit droht, Einfluss zu gewinnen.<br />

124


10 DIE ARBEITSSITUATION DES<br />

FAMILIENMITARBEITERS<br />

Familienmitarbeiter von Families First haben oft mit ernsten Krisensituationen zu tun. Im<br />

Vergleich zu anderen Arbeitsplätzen im Bereich der Hilfeleistung hat ihre Arbeit außerdem<br />

viele ungewöhnliche Aspekte. Es wird von ihnen verlangt, 24 Stunden pro Tag, sieben Tage<br />

pro Woche für die Familien erreichbar zu sein. Sie sind oft bei den Familien anwesend und<br />

machen oft emotionale Dinge mit, aber sie müssen auch auf Distanz gehen können und<br />

einen objektiven Blick auf die Familie behalten. Familienmitarbeiter arbeiten unregelmäßig,<br />

zu unvorhersagbaren Zeiten und oft viele Stunden nacheinander. Ob die ungewöhnlichen<br />

Aspekte schwer oder sogar zu schwer sind, ist bei jedem Familienmitarbeiter verschieden.<br />

Ob jemand eine bestimmte Situation als stressverursachend erfährt, hängt von seinen<br />

persönlichen Eigenschaften, eigenen Erfahrungen -sowohl beruflich wie privat -,<br />

Unterstützung, Fähigkeiten und so weiter ab. Familienmitarbeiter müssen auf jeden Fall gut<br />

für sich selbst sorgen, um so kompetent wie möglich zu funktionieren. Dazu können sie die<br />

Kontakte mit dem Teamleiter und mit Kollegen nutzen. Außerdem können sie auch<br />

Hilfsmittel gebrauchen, um durch schwierige Situationen hindurchzukommen.<br />

10.1 DER KONTAKT MIT DEM TEAMLEITER<br />

Der Teamleiter ist jederzeit für den Familienmitarbeiter erreichbar. Sowohl durch die<br />

individuelle Begleitung der Arbeit als auch anhand kurzer zwischenzeitlicher Gespräche<br />

behält der Teamleiter Einblick in das Funktionieren des Familienmitarbeiters. Es liegt in der<br />

Verantwortung des Teamleiters sowohl auf den Fortgang der Arbeit mit den Familien als<br />

auch auf das persönliche Funktionieren des Familienmitarbeiters zu achten. Seinerseits<br />

muss der Familienmitarbeiter selbst beobachten, wie er funktioniert und das während der<br />

individuellen Begleitung der Arbeit einbringen. Wenn der Familienmitarbeiter Aufgaben als<br />

schwer oder zu schwer erfährt, kann er zusammen mit dem Teamleiter überlegen was nötig<br />

ist um die Aufgaben zu erleichtern. Neben dem 'Face to face'-Kontakt mit dem Teamleiter<br />

gibt es regelmäßig telefonischen Kontakt. Der Teamleiter ist im Prinzip 24 Stunden für den<br />

Familienmitarbeiter erreichbar. Bei den telefonischen Kontakten mit dem Teamleiter wird<br />

unterschieden zwischen Situationen, in denen der Familienmitarbeiter mit dem Teamleiter<br />

unverzüglich Kontakt aufnehmen muss, Situationen, in denen das innerhalb von ein paar<br />

Stunden geschehen muss und Situationen, in denen der Kontakt vor dem nächsten Kontakt<br />

mit der Familie stattfinden muss.<br />

Situationen, in denen der Familienmitarbeiter unverzüglich mit dem Teamleiter Kontakt<br />

aufnehmen muss, sind Situationen, in denen:<br />

• der Familienmitarbeiter sich ernsthafte Sorgen über die Sicherheit der Familienmitglieder<br />

macht;<br />

• der Familienmitarbeiter sich in seiner eigenen Sicherheit bedroht fühlt;<br />

• direkte Fremdplatzierung droht. Dieser telefonische Kontakt kann zu jedem beliebigen<br />

Zeitpunkt stattfinden: tagsüber, abends und in Ausnahmefällen sogar nachts.<br />

125


Situationen, in denen der Familienmitarbeiter innerhalb einiger Stunden mit dem<br />

Familienmitarbeiter Kontakt aufnehmen muss, betrifft Situationen, in denen der<br />

Familienmitarbeiter:<br />

• zweifelt, ob eine Familie für Families First geeignet ist, besonders in der Anfangsperiode;<br />

• Probleme hat, die Familie oder die Familienmitglieder zu treffen, wann auch immer in der<br />

Arbeitsperiode;<br />

• vom Überweiser mit unvorhergesehenen Umständen konfrontiert wird, beispielsweise der<br />

plötzlichen Fremdplatzierung eines Kindes;<br />

• von der Familie 'entlassen' wird;<br />

• den Druck fühlt, schnell eine Entscheidung treffen zu müssen und das Gefühl hat, dass<br />

diese Entscheidung besser nach Rücksprache getroffen werden kann. Diese telefonischen<br />

Kontakte können sowohl tagsüber wie abends stattfinden. Eventuell findet eine<br />

Konsultation während einer kurzen Besprechung im Büro statt.<br />

Situationen, in denen der Familienmitarbeiter in jedem Fall mit dem Teamleiter Kontakt<br />

aufnehmen muss bevor der nächste Kontakt mit der Familie stattfindet, sind Situationen,<br />

in denen der Familienmitarbeiter:<br />

• Probleme hat, Familienmitglieder zu beruhigen;<br />

• Schwierigkeiten hat, nach den ersten 72 Stunden die Ziele zu formulieren;<br />

• findet, dass die Arbeitsbeziehung mit der Familie schwerfällig verläuft;<br />

• keinen Fortschritt bei der Arbeit an den gesetzten Zielen sieht;<br />

• der Meinung ist, dass eine Fremdplatzierung besser ist;<br />

• viele Überstunden macht;<br />

• ein unzufriedenes Gefühl bei der Arbeit mit der Familie hat.<br />

Meistens finden die telefonischen Kontakte anlässlich dieser Situationen tagsüber statt,<br />

manchmal abends. Der Teamleiter wird bei diesen Situationen auch oft 'face-to-face' zu<br />

Rate gezogen, wenn der Familienmitarbeiter gerade im Büro ist.<br />

10.2 DER KONTAKT MIT KOLLEGEN<br />

Auch die Kollegen aus dem Team können den Familienmitarbeiter unterstützen. Teilweise<br />

geschieht das während der wöchentlichen Teambesprechungen. Die Runde 'Wohl und<br />

Wehe' und der Teil 'Familienfragen' bietet auf eine geplante Art und Weise Möglichkeiten,<br />

mit den Kollegen zu teilen wie es sowohl beruflich als auch privat geht. Außerdem kann<br />

innerhalb eines Teams eine Gruppe gebildet werden um einander zu unterstützen,<br />

beispielsweise eine Berichtsgruppe, die am Freitagnachmittag von drei bis fünf Uhr die<br />

Arbeitsberichte schreibt und anschließend noch etwas trinken geht. Die<br />

Familienmitarbeiter können untereinander auch 'zwischendurch' Kontakt halten und<br />

Dampf ablassen; erzählen, was sie mitgemacht haben, wie dieser Tag in der Familie<br />

verlaufen ist, was lästig war und so weiter. Dadurch dass der Familienmitarbeiter alleine in<br />

den Familien arbeitet, kann er sich isoliert fühlen. Darum ist es auch sinnvoll, ab und zu<br />

informelle, gemütliche Treffen mit Kollegen zu organisieren.<br />

126


10.3 HELFENDE GEDANKEN UND HANDLUNGEN<br />

Der Familienmitarbeiter vermittelt den Familienmitgliedern Fähigkeiten, wodurch sie mit<br />

belastenden Gedanken und Gefühlen besser umgehen können, sogenannte 'störende<br />

Gedanken und Gefühle' (siehe Kapitel 6). Diese kognitiven Fähigkeiten kann der<br />

Familienmitarbeiter auch selbst gebrauchen, um mit seinen eigenen schweren Aufgaben<br />

oder Stressgefühlen umzugehen. Aufgaben, die Familienmitarbeiter als Belastung erfahren,<br />

können sie mit einer Anzahl sogenannter 'helfender Gedanken und Handlungen' auffangen.<br />

Zum Beispiel:<br />

Wenn der Familienmitarbeiter zuhause von Familienmitgliedern angerufen oder angepiept wird,<br />

sind helfende Gedanken:<br />

• es wird ihnen sehr helfen, wenn ich ihnen nun Aufmerksamkeit widme;<br />

• es ist da wahrscheinlich einiges los ...; wenn ich zhuöre, werde ich viel über die Familie<br />

erfahren;<br />

• in Momenten wie diesen kann ich für die Familie sehr viel bedeuten;<br />

• wenn es keine Krisensituation ist, kann ich ein deutliches Zeitlimit setzen. Ich achte<br />

darauf, dass ich das Familienmitglied damit nicht abweise, aber strukturiere das<br />

Telefongespräch, um die Dauer zu begrenzen;<br />

• wenn mir alles zu viel wird, kann ich meinen Teamleiter anrufen;<br />

• das gibt mir eine Chance, um einen Anfang zu machen mit der Arbeit mit dieser Familie;<br />

• ich kann der Familie sagen, dass sie nun die erlernten Fähigkeiten anwenden solle;<br />

• das kann nun genau die richtige Zeit sein, um an den Problemen zu arbeiten; Helfende<br />

Handlungen sind in diesem Fall:<br />

• Familienmitgliedern vermitteln, was geeignete Zeiten und Situationen sind um mich<br />

anzurufen und etwas zu besprechen; das gilt natürlich nicht für Krisensituationen;<br />

• festhalten, wie oft Sie angerufen werden, um Einblick in die wirkliche Situation zu<br />

bekommen; meistens scheint es öfter vorzukommen als es in Wirklichkeit geschieht; wenn<br />

es oft vorkommt, fragen Sie den Teamleiter um Rat;<br />

• versuchen, das Telefongespräch anhand der Frage zu strukturieren: Was ist jetzt nötig und<br />

was kann bis zu einem späteren Zeitpunkt warten?<br />

• wenn Sie ein Telefongespräch im Nachhinein noch beschäftigt, tuen Sie etwas:<br />

spazierengehen, ein Buch lesen, fernsehen und so weiter;<br />

• mit dem Teamleiter darüber sprechen.<br />

Wenn es der Familienmitarbeiter nicht angenehm findet, abends oder am Wochenende zu<br />

arbeiten, sind helfende Gedanken:<br />

• morgen früh habe ich Zeit für Dinge, die ich will;<br />

• ich finde es gut, nicht fünf Tage in der Woche von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr zu arbeiten;<br />

• ich stehe nicht im Stau;<br />

• ich habe eine flexibele Stelle;<br />

• ich finde es gut, mir die Zeit selbst einzuteilen;<br />

• ich erinnere mich an die Zeit, in der ich von 9.00 bis 17.00 Uhr arbeiten musste;<br />

127


• das ermöglicht es mir, in der Woche Zeit für meine eigenen Dinge freizunehmen, wie<br />

Friseur, Bank, Tätigkeiten mit den Kindern und so weiter.<br />

Helfende Handlungen, die dann einen Ausweg bieten können, sind:<br />

• ein Wochenende pro Monat oder ein paar Tage hintereinander freinehmen, wenn es<br />

möglich ist. Es ist nicht wünschenswert, dass Sie regelmäßig nicht erreichbar sind, aber<br />

wenn eine Vertretung organisiert wird, geht es durchaus ab und zu;<br />

• am Tag freie Zeit für Ihre eigenen Dinge einplanen;<br />

• versuchen, Verabredungen zeitlich zu begrenzen;<br />

• keine Berichte oder andere schriftliche Arbeiten am Wochenende erledigen;<br />

• versuchen, einen Tag in der Woche freizuhalten;<br />

• sich früh am Abend mit der Familie verabreden, damit es nicht so spät wird;<br />

• Ihre Frustrationen loswerden;<br />

• täglich etwas Nettes für sich selbst einplanen;<br />

• dafür sorgen, dass Sie in Ihrer Freizeit auch zu netten, entspannenden Dingen kommen;<br />

• versuchen, Arbeitsverabredungen am Samstagvormittag und beispielsweise am<br />

Sonntagabend zu treffen, damit Sie am Wochenende ein zusammenhängendes Stück frei<br />

haben.<br />

Wenn der Familienmitarbeiter Schwierigkeiten damit hat, immer erreichbar zu sein und<br />

Pläne in seiner Freizeit absagen zu müssen, sind helfende Gedanken:<br />

• weil meine Arbeit unvorhersehbar ist, kann ich auch Dinge tun, die bei einer Stelle von<br />

9.00 bis 17.00 Uhr nicht möglich sind;<br />

• die Familie bedeutet mir etwas; wenn sie in Schwierigkeiten ist, möchte ich da sein;<br />

• es kommt nicht so oft vor;<br />

• vielleicht kann ich die Familie in diesem Augenblick wirklich unterstützen.<br />

Helfende Handlungen sind in diesem Fall:<br />

• wenn es wirklich äußerst wichtig ist, um eine Vertretung bitten;<br />

• Freunden und Verwandten von Ihrer Arbeit erzählen, damit das Absagen einer<br />

Verabredung nicht völlig unerwartet kommt;<br />

• direkt neue Pläne machen;<br />

• wenn Sie sehr viel Schwierigkeiten damit haben, mit dem Teamleiter darüber sprechen;<br />

• Familienmitglieder lehren, andere Menschen um Hilfe und Unterstützung zu bitten, damit<br />

es nicht so oft vorkommt;<br />

• Grenzen angeben: keine Verabredungen absagen, wenn es nicht unbedingt nötig ist;<br />

• die Zeit so schnell wie möglich kompensieren.<br />

Der Familienmitarbeiter, der das Gefühl hat, dass er in einer Familie nicht so viel erreichen<br />

kann wie er eigentlich will, kann etwas an folgenden Gedanken haben:<br />

• es ist nicht das Ziel, die Menschen zu ihrem Ziel zu bringen, sondern ihnen auf den Weg<br />

zu helfen;<br />

• nicht jede Familie erreicht gleich viel;<br />

• ich habe hohe Erwartungen, selbst mit mehr Zeit könnten diese Erwarteng schon zu hoch<br />

sein;<br />

128


• jeder Fortschritt, den wir verbuchen, ist ein Gewinn.<br />

Als helfende Handlungen kommen in Betracht:<br />

• nachsehen, ob die Ziele realistisch sind;<br />

• gut zuhören, was die Familie will oder sagt;<br />

• auswerten: was ist schon erreicht; was ging gut und was nicht?<br />

• unerreichbare Ziele fallen lassen;<br />

• wöchentlich die Ziele betrachten, um auch einen kleinen Fortschritt direkt<br />

wahrzunehmen;<br />

• versuchen, Folgehilfe für die Familie zu regeln;<br />

• die Anmeldung dazunehmen und schauen was seither geschehen ist;<br />

• den Teamleiter oder das Team um Rat fragen.<br />

Familienmitarbeiter können auch Ärger haben mit der Tatsache, dass Außenstehende oft<br />

unrealistisch hohe Erwartungen an Families First haben.In diesem Fall sind helfende<br />

Gedanken:<br />

• ich versuche, auf meine Prioritäten zu achten: Sicherheit geben und gute Qualität liefern;<br />

• ich distanziere mich von den Erwartungen anderer;<br />

• es gibt allerlei verschiedene Auffassungen über Erfolg; ich halte mich daran, realistische<br />

Ziele zu erreichen;<br />

• ich kann keine Wunder tun;<br />

• wenn ich zuviel erwarte, ist die Chance groß, dass die Familie mit dem erreichten Erfolg<br />

nicht zufrieden ist.<br />

Als helfende Handlungen kommen in Betracht:<br />

• eigene Erwartungen mit denen des Teamleiters und der Teammitglieder vergleichen;<br />

• selbst Fähigkeiten erlernen, damit Sie sich auf bestimmten Gebieten<br />

kompetenter fühlen;<br />

• Ihre Gedanken über die Familie aufschreiben und eventuell zusammen mit dem<br />

Teamleiter überprüfen, ob die Gedanken realistisch sind.<br />

10.4 UMGANG MIT UNREGELMÄSSIGKEIT UND ERREICHBARKEIT<br />

Die Arbeit eines Familienmitarbeiters erfordert einen flexibelen Einsatz. Der<br />

Familienmitarbeiter steht Familien möglichst oft in Momenten, in denen das nötig ist, zur<br />

Verfügung. Zu manchen Zeitpunkten bedeutet das, dass sein Privatleben unter großem<br />

Druck steht. Ein Familienmitarbeiter kann auf verschiedene Art und Weise versuchen, seine<br />

Zeit so zu strukturieren, dass er durchaus flexibel für die Familie verfügbar ist, aber dabei<br />

auch auf die Zeit für sich selbst achtet. Sie können beispielsweise den Zeitpunkt, wann ein<br />

Treffen mit einer Familie beendet wird, so oft wie möglich von vorneherein festlegen. Eine<br />

andere Lösung ist, dass der Familienmitarbeiter deutlich macht, wieviel er für eine Familie<br />

tun kann und will, beispielsweise indem er anbietet der Familie an zwei Tagen in der Woche<br />

für eine bestimmte Anzahl Stunden praktische Hilfe nach Wahl zu leisten.<br />

Familienmitarbeiter können auch mehr Einfluss auf ihre eigene Zeit behalten, indem sie<br />

regelmäßig ein Wochenende freinehmen und sich von einem Kollegen vertreten lassen oder<br />

129


indem sie pro Tag oder pro Woche eine nette Aktivität für sich selbst einplanen und die<br />

Verabredungen mit den Familien danach richten. Um dafür zu sorgen, dass er diese Pläne<br />

auch einhält, kann ein Familienmitarbeiter Kollegen, Verwandte oder Freunde einschalten,<br />

die beispielsweise regelmäßig kurz anrufen und fragen, wie es damit steht. Die Arbeitszeit<br />

lässt sich auch durch die Teilnahme an Schulungen und Treffen oder neue Aufgaben<br />

einteilen, aber das dürfen Sie nur tun, wenn es eine willkommene Abwechslung ist und und<br />

nicht, wenn es keine neuen Energien bringt.<br />

Übergangsrituale<br />

Durch die Unregelmäßigkeit und ständige Verfügbarkeit haben manche<br />

Familienmitarbeiter Probleme, ihre Arbeit abzugrenzen und eine klare Linie zwischen<br />

Arbeit und Freizeit zu ziehen. Es kann wichtig sein, deutliche Übergangsrituale zwischen<br />

Arbeit und Freizeit zu haben. Vorschläge dazu sind, die Zeit auf dem Nachhauseweg dazu<br />

zu nutzen um über die Arbeit nachzudenken und Pläne zu machen, aber damit in dem<br />

Augenblick aufzuhören, in dem Sie nachhause kommen. Es kann auch helfen, zuhause<br />

andere Kleider anzuziehen oder eine Tätigkeit aufzunehmen, die alle Aufmerksamkeit<br />

verlangt, wie lesen oder ein Hobby.<br />

10.5 BESONDERHEITEN DER ARBEITSSITUATION ZUSAMMENGEFASST<br />

Bevor der Familienmitarbeiter mit der Arbeit in einer Familie beginnt, muss er sich auf den<br />

intensiven und unregelmäßigen Charakter dieser Arbeit vorbereiten. Der Kontakt mit dem<br />

Teamleiter und mit Kollegen bietet die Möglichkeit, einer Überlastung vorzubeugen. Der<br />

Kontakt mit dem Teamleiter ist in einer Anzahl Situationen sogar vorgeschrieben,<br />

besonders wenn unerwartete Entwicklungen auftreten und schnelle Entscheidungen<br />

getroffen werden müssen. Der Kontakt mit Kollegen ist vor allem wichtig um Erfahrungen<br />

auszutauschen, Dampf abzulassen und das Gefühl der Isolierung zu vermeiden. Außerdem<br />

kann der Familienmitarbeiter die schweren Seiten seiner Arbeit mithilfe der sogenannten<br />

'helfenden Gedanken und Gefühle' anpacken, wodurch er die beschwerlichen Seiten und<br />

die Vorteile seiner Arbeit einander gegenüberstellen kann und Entspannung und<br />

Kompensation finden kann, womöglich mithilfe von Verwandten und Freunden.<br />

130


11 DER ABSCHLUSS DES<br />

ARBEITSPROZESSES<br />

Beim Abschluss der Arbeitsperiode mit der Familie müssen einige wichtige Dinge geregelt<br />

werden. Im Prinzip wird die Arbeitsbeziehung des Familienmitarbeiters mit der Familie<br />

nach vier Wochen beendet, es sei denn, dass man sich für eine Verlängerung um zwei<br />

Wochen entscheidet. Es ist auch möglich, dass die Arbeitsbeziehung umständehalber früher<br />

beendet werden muss. In der Abschlussphase besteht in jedem Fall Kontakt mit dem<br />

Überweiser, der auch einen Abschlussbericht des Familienmitarbeiters erhält. Der<br />

Familienmitarbeiter muss auch die Folgehilfe für die Familie regeln. Schließlich stattet der<br />

Familienmitarbeiter den Familien im Prinzip FollowUp-Besuche ab.<br />

11.1 DER ABSCHLUSS DER ARBEITSPERIODE MIT DER FAMILIE<br />

11.1.1 Der geplante Abschluss der Arbeitsperiode<br />

Die Periode, in der ein Familienmitarbeiter mit einer Familie arbeitet, dauert vier Wochen.<br />

Nach vier Wochen kann es sowohl für die Familie, den Familienmitarbeiter wie für den<br />

Überweiser deutlich sein, dass ein guter Fortschritt bezüglich der Ziele zu verbuchen ist,<br />

wesentliche Punkte aber noch liegengeblieben sind. Mit dem Teamleiter und dem<br />

Überweiser kann besprochen und beschlossen werden, die Arbeitsperiode um maximal eine<br />

Woche zu verlängern. Eventuell ist noch eine zweite Verlängerung um maximal eine Woche<br />

möglich. Die maximale Dauer der Hilfe von Families First beträgt also sechs Wochen. Die<br />

Praxis zeigt, dass vier bis sechs Wochen ausreichen, wenn die Hilfe von Families First<br />

gelingt. Die begrenzte Dauer des Projekts aktiviert die Familie und den Familienmitarbeiter.<br />

In den meisten Fällen erhält die Familie anschließend eine Folgehilfe. Wenn nach vier<br />

Wochen noch kein Fortschritt zu verzeichnen ist, der einen Beitrag zur Verhinderung der<br />

Fremdplatzierung liefert, wird die Arbeitsperiode nicht verlängert. Die Erfahrung hat<br />

gelehrt, dass eine Verlängerung von ein oder zwei Wochen in diesem Fall nicht sinnvoll ist.<br />

Die Zusammenarbeit mit dem Überweiser in der Abschlussphase<br />

Während der ganzen Arbeitsperiode von Families First wird mit dem Überweiser intensiv<br />

zusammengearbeitet. Nach drei Wochen bespricht der Familienmitarbeiter mit ihm die<br />

Fortschritte. Wenn möglich geht der Überweiser zur Familie, um von den<br />

Familienmitgliedern selbst zu hören, wie es geht. Aufgrund der Resultate wird überlegt, wie<br />

die Hilfe beendet wird. Es kommt auch zur Sprache, welche Form der Folgehilfe notwendig<br />

und möglich ist. Oft ist der Überweiser beim abschließenden Gespräch mit der Familie<br />

anwesend.<br />

Der Abschluss mit der Familie<br />

Der Abschluss der Arbeitsperiode ist für die Familie oft spannend. Die intensive Hilfe wird<br />

gestoppt und die Familie muss jetzt wieder alleine oder mit weniger intensiver Hilfe zurecht<br />

kommen. Manchmal sind die Familienmitglieder auch erleichtert, weil die anstrengende<br />

131


und intensive Periode vorbei ist und die Familie miteinander weiterlebt. Es ist wichtig, dass<br />

der Abschluss der Arbeitsperiode einen positiven Charakter hat. Darum betont der<br />

Familienmitarbeiter nachdrücklich, was die Familie bezüglich der Ziele und Arbeitspunkte<br />

erreicht hat. Während des abschließenden Gesprächs mit der Familie wird zuerst Rückblick<br />

gehalten auf den Anlass, Families First einzubeziehen, auf den Start und den Verlauf der<br />

Kontakte. Danach rücken erneut die Ziele und Arbeitspunkte, an denen gearbeitet wurde,<br />

in den Blickpunkt und es wird festgestellt, was erreicht wurde und was eventuell noch<br />

liegengeblieben ist.<br />

Schließlich schaut man nach vorn, auf die Punkte, die noch weiterer Aufmerksamkeit<br />

bedürfen, und nach Form und Ziel der Folgehilfe, die organisiert wurde. Der<br />

Familienmitarbeiter beendet das Gespräch und informiert die Familie, wie sie mit ihm<br />

Kontakt aufnehmen kann, und teilt Ihnen das Ziel und den Zeitpunkt des FollowUp-<br />

Besuchs mit. Oft wird das Ende der Arbeitsperiode durch ein nettes Ereignis<br />

gekennzeichnet, etwa ein gemeinsamer Ausflug oder ein Geschenk.<br />

11.1.2 Der nicht geplante Abschluss der Arbeitsperiode<br />

In einigen Fälle wird Families First unerwartet abgeschlossen. Untersuchungen zeigen, dass<br />

90% der akzeptierten Anmeldungen in Gang kommt. Bei 10% der akzeptierten<br />

Anmeldungen wird die Hilfe innerhalb von sieben Tagen abgeschlossen. Der Grund einer<br />

so schnellen Beendigung ist oft, dass es dem Familienmitarbeiter nicht gelungen ist, eine<br />

Arbeitsbeziehung mit der Familie aufzubauen, was sich beispielsweise zeigt, wenn er<br />

regelmäßig vor verschlossener Tür steht. Ein anderer Grund kann sein, dass der<br />

Familienmitarbeiter mit der Familie keine Ziele aufstellen konnte. Die Hilfe kann auch<br />

gestoppt werden, wenn die Sicherheit bedroht ist und der Familienmitarbeiter es<br />

unverantwortlich findet, mit der Familie weiterzuarbeiten, weil seine Möglichkeiten nicht<br />

ausreichen. Die Fremdplatzierung des Kindes durch den Überweiser kann die unmittelbare<br />

Folge sein. Der Familienmitarbeiter entscheidet nicht auf eigene Faust, die Hilfe zu<br />

beenden, sondern überlegt dies immer mit dem Teamleiter und dem Überweiser. Auch<br />

wenn seine eigene Sicherheit in Gefahr ist, kann der Familienmitarbeiter den Kontakt<br />

vorzeitig beenden. Während der Arbeitsperiode kann auch plötzlich eine Kontraindikation<br />

für die Hilfe auftreten, beispielsweise weil die Eltern oder das Kind doch einer<br />

Fremdplatzierung den Vorzug geben oder weil die Probleme in der Familie so ernst sind,<br />

dass sie nur mithilfe einer Fremdplatzierung gelöst werden können. Eine vorzeitige<br />

Beendigung findet meistens innerhalb einer Woche statt. In einem einzigen Fall kommt es<br />

vor, dass die Hilfe nach längerer Zeit, beispielsweise nach zwei oder drei Wochen ungeplant<br />

beendet wird.<br />

11.2 DIE FOLGEHILFE<br />

Beim Abschluss der Begleitung von Families First ist meistens eine Folgehilfe nötig, das<br />

heißt: eine leichtere Form der Hilfe für die Familie oder für eines der Familienmitglieder.<br />

Darunter fällt auch, die Hilfe oder Begleitung, die einer Familie bereits gegeben wird, zu<br />

aktivieren oder in andere Gleise zu bringen. Der Familienvormund kann beispielsweise als<br />

132


Folge von Families First neue Anknüpfungs- und Schwerpunkte für die Begleitung der<br />

Familie bekommen. Die Suche nach einer Folgehilfe findet immer in Absprache mit dem<br />

Überweiser und mit dem Familienmitglied statt. Der Überweiser muss hinter dem Plan<br />

stehen und meistens auch die offizielle Anmeldung regeln. Der Familienmitarbeiter spielt<br />

eine wichtige Rolle dabei, die Folgehilfe bei der Familie zu präsentieren. Vom<br />

Kompetenzmodell her gesehen sind Familien oft nicht in der Lage, die Folgehilfe effektiv zu<br />

nutzen. Die Kompetenz auf diesem Gebiet kann unter anderem durch<br />

Aufgabenerleichterung erweitert werden, beispielsweise durch die Suche nach einer<br />

unbürokratischen oder weitreichenden Folgehilfe, dadurch, den Nachfolger in der<br />

Hilfeleistung zur Familie einzuladen oder beim ersten Mal mitzugehen. Eine andere<br />

Möglichkeit ist ein Fähigkeitstraining, beispielsweise dem Familienmitglied zu vermitteln:<br />

zu planen, Fragen zu formulieren, wenn nötig abzusagen und so weiter.<br />

Eine Folgehilfe suchen<br />

Von dem Familienmitarbeiter wird oft viel Kreativität und eine gute Kenntnis der sozialen<br />

Landschaft verlangt, um geeignete Formen für die Folgehilfe zu finden. Manche Regionen<br />

sind diesbezüglich besser bestellt als andere. Die kurzfristige Verfügbarkeit ist ein weiterer<br />

Aspekt: Manche Formen der Folgehilfe haben eine Warteliste. Für diese Problembereiche<br />

gibt es keine eindeutigen Lösungen.<br />

Vorschläge dazu sind: Regelmäßig mit Kollegen über die Möglichkeiten beraten, zusammen<br />

eine 'Folgehilfedossier' anlegen, in dem alle Möglichkeiten zusammengefasst werden, über<br />

den Teamleiter für Kontaktpersonen bei den wichtigen Formen der Folgehilfe sorgen und<br />

dabei die Bedeutung einer raschen Folgehilfe erläutern. Auch an Kanäle außerhalb der<br />

Jugendfürsorge kann gedacht werden, besonders an allerlei gemeindliche Einrichtungen wie<br />

ein Treffpunkt in der Nachbarschaft, eine Müttergruppe bei der Beratungsstelle, ein aktiver<br />

Jugendarbeiter und so weiter. In allen Fällen ist es wichtig zu erklären, was Families First<br />

beinhaltet, damit die Folgehilfe besser anschließen kann.<br />

11.3 DER ABSCHLUSSBERICHT<br />

11.3.1 Die Vorgehensweise<br />

Zum Abschluss von Families First schreibt der Familienmitarbeiter einen Abschlussbericht.<br />

Dessen Konzept wird mit der Familie während des letzten Treffens besprochen. Der<br />

Überweiser kann dabei anwesend sein. Eventuelle Anmerkungen der Familie werden in den<br />

definitiven Abschlussbericht mit aufgenommen. In manchen Fällen wird das bedeuten, dass<br />

am Ende des Berichts eine abweichende Meinung der Familie steht. Im Abschlussbericht<br />

stehen also nur Informationen, von denen die Familie Kenntnis hat. Nach dem letzten<br />

Besuch und der Besprechung des Konzepts des Abschlussberichts wird der Bericht, wenn<br />

nötig, korrigiert. Der definitive Bericht wird innerhalb einer Woche an den Überweiser und<br />

an die Familie geschickt. In die Sendung an die Familie legt der Familienmitarbeiter einen<br />

kurzen Begleitbrief mit einem Hinweis auf die beigefügte Kopie des Berichts für den<br />

Überweiser dazu.<br />

133


Bevor der Familienmitarbeiter den Bericht und den Begleitbrief an die Familie abschickt,<br />

werden beide vom Teamleiter gelesen und genehmigt. Der Abschlussbericht und der Brief<br />

an die Familie werden auf dem offiziellen Briefpapier der Organisation, der Families First<br />

angehört, geschrieben. Kopien des Abschlussberichts und des Briefes werden im Dossier<br />

aufgehoben.<br />

11.3.2 Der Inhalt des Abschlussberichts für den Überweiser<br />

Der Abschlussbericht für den Überweiser umfasst ungefähr zwei DIN A4 Seiten und enthält<br />

folgende Teile:<br />

1 Sachliche Informationen: Name der Familie, Name des Kindes, dem Fremdplatzierung<br />

drohte, Name des Familienmitarbeiters, Datum der Anmeldung, Datum der Beendigung.<br />

2 Übersicht über die Kontakte mit der Familie und eine kurze Beschreibung über den Verlauf<br />

der Kontakte mit der Familie: Die Frequenz und Dauer der Kontakte, Familienmitglieder<br />

oder andere, die dabei einbezogen waren, der Grad der Mitarbeit von verschiedenen<br />

Familienmitgliedern, der Ort, an dem die Kontakte stattgefunden haben.<br />

3 Geleistete Hilfe und beobachteter Fortschritt:<br />

• kurze Beschreibung der Ziele des ersten und zweiten Plans zur Herangehensweise; pro Ziel<br />

wird genau angegeben, welche Aspekte erreicht wurden und welche nicht;<br />

• kurze Beschreibung der geleisteten Hilfe: Kompetenzerweiterung und praktische Hilfe und<br />

erreichte Veränderungen.<br />

4 Abschluss:<br />

• falls zutreffend: Gründe, warum früher oder gerade später abgeschlossen werden soll, wie<br />

Sicherheit der Betroffenen, Mitarbeit der Betroffenen, Ziele, an denen gearbeitet wurde;<br />

• der Grad, in dem die Ziele erreicht wurden und Punkte, an denen noch gearbeitet werden<br />

muss; Schwerpunkte für die Familienmitglieder;<br />

• Kontakte in der Gesellschaft, auf die die Familie zurückgreifen kann.<br />

5 Empfehlungen zur weiteren Hilfeleistung: welche Folgehilfe, welche Familienmitglieder für<br />

welche Aspekte welche Instanzen, was wurde bereits in Gang gesetzt?<br />

6 Eventuell: die Aspekte nennen, über die sich der Familienmitarbeiter Sorgen macht.<br />

Es ist nicht sinnvoll, im Abschlussbericht Namen der Families First-Techniken zu<br />

verwenden, wie 'Verhaltensübung' oder 'Bleistift und Papier-Training'. Eventuell können die<br />

Techniken allerdings kurz umschrieben werden. Zum Beispiel:<br />

• das Aufstellen der Ziele und Arbeitspunkte beinhaltet: dem Familienmitglied vermitteln,<br />

Pläne zu machen und auszuarbeiten, damit er in seinem eigenen Leben etwas verändert,<br />

Prioritäten zu setzen, Ziele zu realisieren;<br />

• das Bleistift und Papier-Training bedeutet: Wahlprobleme lösen oder verhandeln lernen,<br />

indem Alternativen aufgeschrieben werden, die Vor- und Nachteile abgewogen und daraufhin<br />

eine Wahl getroffen wird.<br />

• eine Modellfunktion erfüllen beinhaltet: jemandem eine Fähigkeit vermitteln, indem diese in<br />

alltäglichen Situationen einmal oder mehrmals vorgemacht wird.<br />

134


• Verhaltensanweisung bedeutet: jemandem etwas vermitteln, indem ihm gesagt wird, wie diese<br />

Fähigkeit aussieht;<br />

• eine Verhaltensübung ist: jemandem eine Fähigkeit vermitteln, indem ihm gesagt wird, wie<br />

diese Fähigkeit aussieht und diese Fähigkeit mit dem Familienmitglied üben.<br />

• eine Verhaltenskarte dient dazu Eltern zu vermitteln, dass sie das Verhalten ihrer Kinder<br />

verändern, indem sie erwünschtes Verhalten der Kinder systematisch belohnen;<br />

• 'Störende und helfende Gedanken' ist eine Technik, um jemandem zu vermitteln, wie er<br />

Einsicht in die Dinge erhält, die er zu sich selbst sagt, und stattdessen zu lernen, auf eine<br />

andere Weise zu sich selbst zu reden;<br />

• ein Thermometer und eine Erste Hilfe-Karte dienen dazu jemandem zu vermitteln, seine<br />

eskalierenden Gefühle rechtzeitig zu erkennen und so zu reagieren, dass weder die Sicherheit<br />

von anderen noch seine eigene Sicherheit gefährdet werden.<br />

11.3.3 Der Inhalt des Begleitbriefs an die Familie<br />

Die Gliederung des begleitenden Briefs an die Familie kann sein:<br />

1 Dank für den geleisteten Einsatz und die Teilnahme am Programm;<br />

2 Zusammenfassung der Fortschritte bezüglich der Ziele;<br />

3 Beschreibung der Folgehilfe und deren Bedeutung;<br />

4 Ankündigung der FollowUp-Besuche nach drei Monaten, sechs Monaten und einem Jahr<br />

und eventuelle Erreichbarkeit im Büro, falls etwas passiert;<br />

5 Hinweis auf den beigefügten Abschlussbericht.<br />

11.4 DIE FOLLOW UP-BESUCHE BEI DER FAMILIE<br />

11.4.1 Zeitpunkte und Ziele<br />

Die FollowUp-Besuche finden drei, sechs und zwölf Monate nach Beendigung von Families<br />

First statt. Die Ziele der FollowUp-Besuche sind:<br />

1 Untersuchen, wie die Familie momentan funktioniert:<br />

• Wie geht es der Familie im Allgemeinen, und besonders dem Kind, dem Fremdplatzierung<br />

drohte?<br />

• Wie sieht es mit den Zielen und Arbeitspunkten aus, die während der Hilfe von Families<br />

First erstellt wurden?<br />

• Verläuft die Folgehilfe gut?<br />

2 Auswerten der eigenen Arbeitsweise: waren die erstellten Ziele und Arbeitspunkte und die<br />

angewendeten Methoden und Techniken richtig?<br />

3 Abbauen des Kontakts und der intensiven Beziehung, die Familienmitarbeiter und<br />

Familie miteinander aufgebaut hatten.<br />

4 Eventuell: Sammeln einiger Kernpunkte wie: Wohnt das angemeldete Kind noch zuhause,<br />

welche Form der Folgehilfe hat stattgefunden? Und die Informationen, die durch KISIT<br />

gesammelt werden.<br />

135


Im Prinzip werden alle Familien besucht, bei denen die Arbeitsperiode nach Plan<br />

abgeschlossen wurde. Bei nicht regulären Families First-Diensten, die aus Face to face-<br />

Kontakten innerhalb weniger als einer Woche bestanden, finden in jedem Fall telefonische<br />

FollowUps mit dem Überweiser statt.<br />

11.4.2 Die Vorgehensweise<br />

Die Vorgehensweise beim Treffen einer Verabredung:<br />

• Der Familienmitarbeiter verabredet den FollowUp-Besuch.<br />

• Wenn während des FollowUp-Besuchs Fragebögen ausgefüllt werden müssen, können<br />

diese der Familie ungefähr eine Woche vorher vom Teamleiter zugesandt werden.<br />

• Der Familienmitarbeiter oder der Teamleiter setzt den Überweiser schriftlich vom Datum<br />

des FollowUp-Besuchs in Kenntnis und teilt mit, dass er nach dem Besuch Kontakt mit<br />

ihm aufnehmen wird, um über die Beobachtungen zu sprechen.<br />

Die Vorgehensweise während des Besuchs<br />

• Der Familienmitarbeiter stellt eine allgemeine Eröffnungsfrage, beispielsweise "Wie<br />

geht's?", und wartet ab, womit die Familie kommt.<br />

• Danach geht der Familienmitarbeiter auf die Ziele und Arbeitspunkte, an denen gearbeitet<br />

wurde, ein und untersucht, wie es der Familie mit diesen Zielen und Arbeitspunkten geht.<br />

Dabei kontrolliert er, inwieweit die Umstände, wegen derer das Kind aus dem Haus<br />

genommen werden sollte und die Familie überhaupt bei Families First angemeldet wurde,<br />

verbessert wurden.<br />

• Er fragt nach, wie es mit der Folgehilfe steht: Macht die Familie noch Gebrauch davon? Ist<br />

die Familie mit der Folgehilfe zufrieden?<br />

• Eventuell untersucht er, inwieweit die Familie nach Abschluss von Families First erwogen<br />

hat, im Büro anzurufen.<br />

• Der Familienmitarbeiter sammelt die Untersuchungsdaten. Das kann heißen, die<br />

benötigten Informationen an Ort und Stelle zu sammeln. Es kann auch heißen: Die<br />

Fragebögen, die von der Familie ausgefüllt wurden, einsammeln und sie mit der Familie<br />

auf Vollständigkeit durchgehen.<br />

• Zusammen mit der Familie wird überlegt, was der Familienmitarbeiter dem Überweiser<br />

von diesem Besuch berichtet.<br />

• Schließlich teilt der Familienmitarbeiter mit, wann er wiederkommt.<br />

11.4.3 Die Möglichkeiten des Familienmitarbeiters anlässlich des FollowUp-<br />

Besuchs<br />

Wenn sich während des FollowUp-Besuchs zeigt, dass die Familie gut funktioniert, ist der<br />

Besuch stimulierend. Der Familienmitarbeiter erfährt vielleicht etwas über die Ziele und<br />

Interventionen, die gelungen sind. Es ist natürlich auch möglich, dass es der Familie oder<br />

dem Familienmitglied nicht gut geht. Dadurch kann der Familienmitarbeiter das Gefühl<br />

haben, dass ein Appell an ihn gerichtet wird und manchmal geschieht das auch tatsächlich.<br />

Die Möglichkeiten des Familienmitarbeiters in so einer Situation sind begrenzt, können<br />

136


aber sehr wichtig sein. In Überlegung mit der Familie und dem Überweiser kann der<br />

Familienmitarbeiter versuchen, den Anschluss an die Folgehilfe erneut zustande zu bringen.<br />

Eventuell sind ein zweiter Besuch oder ein paar telefonische Kontakte nötig, um den<br />

Anschluss an die Folgehilfe zu regeln. Der Familienmitarbeiter kann einen FollowUp-<br />

Besuch auch nutzen, um früher erlernte Fähigkeiten aufzufrischen, bereits angewendete<br />

Techniken zu wiederholen und Unterstützung beim Verhandeln und der Lösung von<br />

Problemen zu bieten. Es ist nicht beabsichtigt, dass der Familienmitarbeiter bei einem<br />

FollowUp-Besuch neue Ziele mit der Familie formuliert. Sollte es neue Ziele geben, nimmt<br />

der Familienmitarbeiter deswegen Kontakt mit dem Überweiser auf. Es ist wichtig, dass der<br />

Familienmitarbeiter die FollowUp-Kontakte auf maximal zwei bis drei beschränkt. Der<br />

Familienmitarbeiter macht das der Familie auch deutlich. Dabei berät sich der<br />

Familienmitarbeiter immer mit dem Teamleiter über den Verlauf des FollowUps. Wenn es<br />

der Familie so schlecht geht, dass wieder eine neue Krise oder erneut eine Fremdplatzierung<br />

droht, ist eine erneute Anmeldung bei Families First möglich. Diese findet<br />

selbstverständlich nur auf Initiative des Überweisers statt.<br />

11.5 CHECKLISTE ZUM ABSCHLUSS DES ARBEITSPROZESSES<br />

Der geplante Abschluss<br />

Zeitpunkt: nach vier bis sechs Wochen<br />

Vorgehensweise:<br />

1 Rückblick<br />

2 Feststellen des Resultats<br />

3 Feststellen der Ziele der Folgehilfe<br />

4 Erklärung des FollowUp<br />

Die Folgehilfe<br />

Vorgehensweise:<br />

Überlegen mit Überweiser und Familie<br />

Art der Folgehilfe wählen<br />

Folgehilfe in der Familie vorstellen<br />

Families First bei der Folgehilfe vorstellen (via Teamleiter)<br />

Der Abschlussbericht<br />

Inhalt (insgesamt 2 DIN A4 Seiten):<br />

1 Sachliche Informationen<br />

2 Übersicht über die Kontakte und deren Verlauf<br />

3 Geleistete Hilfe und beobachteter Fortschritt<br />

4 Abschluss<br />

5 Empfehlungen für weitere Hilfeleistungen<br />

6 Eventuell: Aspekte, über die sich der Familienmitarbeiter Sorgen macht<br />

137


Die FollowUp-Besuche:<br />

Zeitpunkte: Drei, sechs und zwölf Monaten nach dem Abschluss<br />

Ziele:<br />

1 Untersuchen, wie die Familie momentan funktioniert<br />

2 Auswertung der eigenen Arbeitsweise<br />

3 Abbauen des Kontakts<br />

4 (Eventuell): Sammeln der Kernpunkte<br />

138


ANLAGE 1: PHASENEINTEILUNG DER<br />

HILFE VON FAMILIES FIRST<br />

Tag<br />

Phase und Aktivitäten<br />

Rücksprache, Bericht und<br />

Formulare<br />

1. Tag<br />

- Anmeldung (und Annahme)<br />

- Zuweisung des Familienmitarbeiters<br />

- Telefonischer Kontakt mit der<br />

Familie<br />

- Erster 'Face to face'-Kontakt mit der<br />

Familie (innerhalb von 24 Stunden<br />

nach der Anmeldung)<br />

Bericht an / Rücksprache mit dem<br />

Überweiser:<br />

- ergänzende Informationen über die<br />

Familie<br />

- Verlauf des ersten Besuchs bei der<br />

Familie<br />

1.-3. Tag<br />

- Kennenlernen / Aufbau der<br />

Arbeitsbeziehung<br />

- Sicherheit der Familienmitglieder /<br />

Beruhigen der Familie<br />

- Sammeln und Analysieren von<br />

Informationen<br />

- Aufstellen von Zielen, Prioritäten<br />

und Arbeitspunkten<br />

- Praktische und materielle Hilfe.<br />

Formulare:<br />

- Basisinformation (eins pro Familie)<br />

- Information und Analyse (eins pro<br />

Familienmitglied)<br />

- Ziele oder Zielkarten (eins pro<br />

Familienmitglied)<br />

- Arbeitspunkte (eins pro Ziel pro<br />

Familienmitglied)<br />

4. Tag<br />

Rücksprache mit dem Teamleiter über:<br />

- den ersten Plan zur<br />

Herangehensweise (=Formular 'Ziele'<br />

und 'Arbeitspunkte')<br />

Bericht an / Rücksprache mit dem<br />

Überweiser:<br />

- der erste Plan zur Herangehensweise<br />

139


Tag<br />

Phase und Aktivitäten<br />

Rücksprache, Bericht und<br />

Formulare<br />

4.-11. Tag<br />

Interventionen, beispielsweise:<br />

- Praktische und materielle Hilfe<br />

- Fähigkeiten<br />

- Probleme lösen<br />

- Verstärken der sozialen<br />

Unterstützung<br />

Bericht über jeden Besuch unter<br />

folgenden Aspekten:<br />

- Datum und Zeit<br />

- Ziele und Arbeitspunkte, an denen<br />

gearbeitet wurde<br />

- angewendete Techniken<br />

- der Verlauf (Effekt) der Techniken<br />

- neue Informationen<br />

- Pläne und Absprachen für den<br />

nächsten Besuch<br />

11. Tag<br />

Rücksprache mit dem Teamleiter über:<br />

- den Verlauf der Hilfe für die Familie<br />

(anhand der aufgestellten<br />

Arbeitspunkte und des Berichts über<br />

die diversen Besuche)<br />

11.-18. Tag<br />

Interventionen: siehe 4.-11. Tag und<br />

außerdem:<br />

- Erkennen und Beeinflussen von<br />

Emotionen<br />

- Verändern störender Gedanken<br />

Bericht über jeden Besuch (siehe 4.-11.<br />

Tag)<br />

18. Tag<br />

Rücksprache mit dem Teamleiter über:<br />

- den zweiten Plan zur<br />

Herangehensweise (angepasste/neue<br />

Formulare 'Ziele' und<br />

'Arbeitspunkte')<br />

Bericht an/Rücksprache mit dem<br />

Überweiser über:<br />

- den Verlauf der Hilfe<br />

- den zweiten Plan zur<br />

Herangehensweise<br />

18.-25. Tag<br />

Interventionen (siehe 4.-11. Tag)<br />

Eventuell Folgehilfe beginnen<br />

Bericht über jeden Besuch (siehe 4.-11.<br />

Tag)<br />

140


Tag<br />

Phase und Aktivitäten<br />

Rücksprache, Bericht und<br />

Formulare<br />

25. Tag<br />

Rücksprache mit dem Teamleiter über:<br />

- den Verlauf der Hilfe für die Familie<br />

(anhand der aufgestellten<br />

Arbeitspunkte und des Berichts über<br />

die verschiedenen Besuche)<br />

- den Abschluss der Hilfe<br />

Bericht an/Rücksprache mit dem<br />

Überweiser über:<br />

- den Verlauf der Hilfe<br />

- Abschluss der Hilfe<br />

28. Tag<br />

Abschluss mit der Familie oder<br />

Verlängerung um eine Woche anhand<br />

des dritten Plans zur<br />

Herangehensweise.<br />

Bei Verlängerung: siehe weiter 18.-25.<br />

Tag<br />

Abschlussbericht an den Überweiser<br />

Eventuell: Rücksprache mit Teamleiter<br />

und Überweiser über den dritten Plan<br />

zur Herangehensweise<br />

35. Tag<br />

Abschluss mit der Familie oder zweite<br />

Verlängerung um eine Woche anhand<br />

des vierten Plans zur<br />

Herangehensweise<br />

Bei Verlängerung: siehe weiter 18.-25.<br />

Tag<br />

Abschlussbericht an den Überweiser<br />

Eventuell: Rücksprache mit dem<br />

Teamleiter und Überweiser über den<br />

vierten Plan zur Herangehensweise<br />

42. Tag<br />

Ende der maximalen Periode<br />

Abschlussbericht an den Überweiser<br />

141


ANLAGE 2: HILFSFORMULARE VON<br />

FAMILIES FIRST<br />

- Basisinformation<br />

- Information und Analyse - Kind<br />

- Information und Analyse - Jugendliche(r)<br />

- Information und Analyse - Eltern<br />

- Ziele<br />

- Ziel-Karten<br />

- Arbeitspunkte<br />

142


BASISINFORMATIONEN<br />

Name der Familie: ..................................................... Nummer: ................................................<br />

Name des Familienmitglieds: ................................... Datum des Ausfüllens: ...........................<br />

I. 'INTAKE'-INFORMATION<br />

Zeit zwischen Anmeldung und dem ersten 'Face to face'-Kontakt: ............ Stunden<br />

A. Arbeitsweise während des ersten Kontakts:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

B. Gründe für die Anmeldung (welche spezifischen Umstände oder Verhaltensweisen<br />

können zu einer Fremdplatzierung des Kindes führen): (falls abweichend von/ergänzend zu den<br />

Informationen auf dem Anmeldeformular)<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

Beurteilung der Familie dazu:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

II.<br />

ÜBERSICHT ÜBER DIE KONTAKTE MIT VERSCHIEDENEN FAMILIENMITGLIEDERN<br />

UND DRITTEN, UM INFORMATIONEN ZU SAMMELN UND ZIELE ZU SETZEN (wann,<br />

mit wem, welches Ziel)<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

143


III.<br />

HINTERGRUNDINFORMATIONEN ÜBER DIE FAMILIE<br />

A. HAUSHALTSFÜHRUNG (Lebensrhythmus, Lärm im Haus, Größe, Qualität und Pflege<br />

der Wohnung, Umgang mit Geld, finanzielle Schulden, Qualität der<br />

Haushalts-Ausstattung):<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

B: PFLEGE/SORGFALT: (Beaufsichtigen der Kinder, Kleidung, Körperpflege,<br />

wissen, wo die Kinder sind, Zeitpunkt der Mahlzeiten, warme Mahlzeiten,<br />

Zahnpflege, regelmäßige Schlafenszeiten, Schlafgelegenheiten):<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

C. FORMELLE KONTAKTE (amtliche Instanzen, hilfeleistende Instanzen, Schule usw.):<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

D. POTENTIELLE KRÄFTE IN DER FAMILIE (um die Fremdplatzierung<br />

zu verhindern):<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

E. MÖGLICHKEITEN DER SOZIALEN UNTERSTÜTZUNG (Verwandte, Freunde,<br />

Nachbarn) und andere potentielle Kräfte außerhalb der Familie:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

F. WEITERE INFORMATIONEN (eventuelle juristische/strafrechtliche<br />

Probleme, frühere Kontakte mit Hilfeleistungen, Alkohol- und<br />

Drogenkonsum):<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

144


IV.<br />

HINTERGRUNDINFORMATIONEN ÜBER EINZELNE FAMILIENMITGLIEDER<br />

Mutter:<br />

Eltern:<br />

Vater:<br />

Alter und<br />

kultureller<br />

Hintergrund:<br />

Äußerlicher und<br />

allgemeiner Eindruck:<br />

Ausbildung:<br />

Beruf:<br />

Gesundheit:<br />

Verhältnis zwischen<br />

den Partnern:<br />

Kontakte mit Freunden,<br />

Nachbarn und<br />

Verwandten:<br />

Aktivitäten außer Haus:<br />

Verhaltensweisen und<br />

Probleme bezüglich<br />

der heutigen Situation:<br />

Betrachtung der<br />

jetzigen Situation:<br />

Ursachen/erwünschte<br />

Veränderungen)<br />

Potentielle Kräfte:<br />

145


Name:<br />

Kinder:<br />

Name:<br />

Alter:<br />

Äußerlicher und<br />

allgemeiner Eindruck:<br />

Schule:<br />

Funktionieren in<br />

der Schule:<br />

Gesundheit:<br />

Kontakte mit der<br />

Familie, Verwandten<br />

und Altersgenossen:<br />

Aktivitäten außer Haus:<br />

Verhaltensweisen<br />

bezüglich der<br />

heutigen Situation:<br />

Betrachtung der<br />

jetzigen Situation:<br />

(Ursachen/erwünschtes<br />

Verhalten)<br />

Potentielle Kräfte:<br />

146


Fragen/Dinge, die noch undeutlich sind:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

V. WÜNSCHE UND MÖGLICHKEITEN FÜR VERÄNDERUNGEN INNERHALB DER<br />

FAMILIE (neue Verhaltensweisen lernen, Problemlösungs-Strategien,<br />

Umgebungsfaktoren):<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

VI.<br />

MOTIVATION DER VERSCHIEDENEN FAMILIENMITGLIEDER ZU<br />

VERÄNDERUNGEN INNERHALB DER FAMILIE / DIE HILFE VON FAMILIES<br />

FIRST:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

147


INFORMATION UND ANALYSE - KIND<br />

Name der Familie: ..................................................... Nummer: ................................................<br />

Name des Kindes: ...................................................... Alter: .......................................................<br />

Name des Familienmitarbeiters: .............................. Datum: ...................................................<br />

Beschreibung und Systematisierung von Informationen über die Familienmitglieder anhand von<br />

Entwicklungsbereichen. Denke dabei an (potentielle Kräfte, Fähigkeiten und Probleme).<br />

Gib in dem Kästchen die Bewertung an, in welchem Maße das Familienmitglied deiner Meinung nach die<br />

Entwicklungsaufgabe adäquat erfüllt. Wähle dabei zwischen folgenden Möglichkeiten: --, -, +-, +, ++, ?<br />

1 Andere berücksichtigen (Beurteilungen und Pläne unter Einbeziehung der Interessen<br />

anderer)<br />

❏<br />

2 Unabhängigkeit (Unabhängigkeit im Hinblick auf die Eltern / die Erziehungspersonen<br />

erhöhen)<br />

❏<br />

3 Ausbildung (Teilnahme am Grundschulunterricht, Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

gewinnen)<br />

❏<br />

4 Freundschaften (Freundschaftliche Kontakte mit Altersgenossen schließen und<br />

aufrechterhalten)<br />

❏<br />

5 Verantwortung zuhause ( Übernahme von Teilverantwortung zuhause, für kleine<br />

Geschwister)<br />

❏<br />

6 Gebrauch basaler Infrastrukturen (öffentlicher Personennahverkehr, Geld, Telefon,<br />

Freizeit-Einrichtungen)<br />

❏<br />

7 Sicherheit und Gesundheit (Wahl bezüglich der eigenen Sicherheit und<br />

Gesundheit treffen)<br />

❏<br />

148


INFORMATION UND ANALYSE -<br />

JUGENDLICHE(R)<br />

Name der Familie: .............................................. Nummer: ......................................................<br />

Name des/der Jugendlichen: .............................. Alter: .............................................................<br />

Name des Familienmitarbeiters: ........................ Datum: ..........................................................<br />

Beschreibung und Systematisierung von Informationen über die Familienmitglieder anhand von<br />

Entwicklungsbereichen. Denke dabei an (potentielle Kräfte, Fähigkeiten und Probleme).<br />

Gib in dem Kästchen die Bewertung an, in welchem Maße das Familienmitglied deiner Meinung nach die<br />

Entwicklungsaufgabe adäquat erfüllt. Wähle dabei zwischen folgenden Möglichkeiten: --, -, +-, +, ++, ?<br />

1 Sich verändernde Situationen in der Familie (Selbständigkeit/Entscheidungen treffen,<br />

Kontakte Familienmitglieder)<br />

2 Ausbildung oder Arbeit (Teilnahme und Zukunftspläne machen)<br />

3 Freizeit (die Zeit, in der man nichts zu tun hat, sinnvoll ausfüllen)<br />

4 Autorität (Zugehen auf/Kommunikation mit Lehrkraft, Familienvormund, Polizei,<br />

Schalterbeamten)<br />

5 Gesundheit und Äußeres (Körperpflege, Vorbeugen von Krankheiten, safer sex)<br />

6 Freundschaften und soziale Kontakte (aufbauen und aufrechterhalten,<br />

Entscheidungen treffen)<br />

7 Intimität und Sexualität (intime und sexuelle Beziehungen gestalten<br />

und aufrechterhalten)<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

149


INFORMATION UND ANALYSE - ELTERN<br />

Name der Familie: .............................................. Nummer: ......................................................<br />

Name des Elternteils: .......................................... Alter: .............................................................<br />

Name des Familienmitarbeiters: ........................ Datum: ..........................................................<br />

Beschreibung und Systematisierung von Informationen über die Familienmitglieder anhand von<br />

Entwicklungsbereichen. Denke dabei an (potentielle Kräfte, Fähigkeiten und Probleme).<br />

Gib in dem Kästchen die Bewertung an, in welchem Maße das Familienmitglied deiner Meinung nach die<br />

Entwicklungsaufgabe adäquat erfüllt. Wähle dabei zwischen folgenden Möglichkeiten: --, -, +-, +, ++, ?<br />

1 Beziehung (Entwickeln der Beziehung mit Raum für Autonomie und<br />

Abhängigkeit und für die Bedürfnisse der Kinder)<br />

2 Sexualität (Gestalten einer befriedigenden sexuellen Beziehung/Umgang<br />

mit eventuellen sexuellen Beziehungen mit Dritten)<br />

3 Laufbahn (Laufbahn so gestalten, dass sie den Ambitionen, Möglichkeiten,<br />

dem Partner/der Partnerin, der finanziellen Situation gerecht wird)<br />

4 Eltern (Beziehung zu den (Schwieger-)Eltern neu gestalten)<br />

5 Freundschaften und soziale Kontakte (Kontakte mit beiderseitigen Verwandten,<br />

Freunden, Bekannten aufrechterhalten)<br />

6 Finanzen und Haushalten (die Aufgaben bezüglich der Finanzen,<br />

des Haushaltens, der Instanzen verteilen/ diesen Aufgaben genügen)<br />

7 Erziehung (Verantwortung bezüglich der Kindererziehung übernehmen/teilen)<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

150


ZIELE<br />

Datum: / / Anzahl der Tage nach Beginn:<br />

Name des Familienmitarbeiters:<br />

NAME: .........................................................................................................<br />

Thema/Problem Ziele Reihenfolge<br />

(1=erste<br />

Priorität)<br />

Diese Ziele wurden gewählt anlässlich:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

Beim Festlegen der Reihenfolge hat mitgespielt:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

Ziele, an denen in den nächsten zwei Wochen auf jeden Fall gearbeitet wird:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

151


ZIEL-KARTEN<br />

Datum: / / Anzahl der Tage nach Beginn:<br />

Name des Familienmitarbeiters:<br />

NAME: .........................................................................................................<br />

Ziel Erläuterung Reihenfolge<br />

(1=erste<br />

Priorität)<br />

Die anderen Ziele der Kategorie 'am wichtigsten' sind:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

Beim Festlegen der Reihenfolge hat mitgespielt:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

Ziele, an denen in den nächsten zwei Wochen auf jeden Fall gearbeitet wird:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

152


ARBEITSPUNKTE<br />

Datum: / / Anzahl der Tage nach Beginn:<br />

Name des Familienmitarbeiters:<br />

NAME: .........................................................................................................<br />

ZIEL: ...........................................................................................................<br />

1) Beschreibung des Themas oder Problems:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

2) Lösungen, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

3) Ein erster Schritt, um das Ziel zu erreichen:<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

4) Starke Punkte (was kann helfen, um das Ziel zu erreichen):<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

5) Die Arbeitspunkte für die nächsten ........ Wochen:<br />

________________________________________________________<br />

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153


ANLAGE 3: FORMULAR 'STÖRENDE UND<br />

HELFENDE GEDANKEN'<br />

Sie sagen oft Dinge zu sich selbst, beispielsweise, dass Sie etwas richtig oder<br />

falsch gemacht haben. Die Dinge, die Sie zu sich selbst sagen, beeinflussen, wie<br />

Sie sich danach fühlen oder was Sie danach tun. Wenn es Ihnen nicht gelingt, einen<br />

Reifen zu flicken und Sie zu sich selbst sagen "Siehst du, ich kann aber auch gar<br />

nichts", fühlen Sie sich danach vielleicht machtlos und mutlos ("Ich kann<br />

überhaupt nichts, ich bin ein Nichtsnutz!") und wagen beim nächsten Mal keinen<br />

neuen Versuch. Einen Gedanke wie "Ich kann nichts" nennen wir einen<br />

'Störenden Gedanken'. 'Störende Gedanken' sind meistens nicht wahr. Und wenn sie<br />

doch wahr sein sollten, dann helfen sie Ihnen meistens nicht, das zu erreichen,<br />

was Sie wollen. Darum kann es hilfreich sein, störende Gedanken durch andere zu<br />

ersetzen. Ein anderer Gedanke in diesem Beispiel wäre: "Einen Reifen zu flicken<br />

ist eine Scheißarbeit. Damit hat jeder seine Mühe. Mit etwas mehr Geduld wird es<br />

mir schon gelingen, den Reifen zu flicken." Diesen Gedanken nennen wir einen<br />

'Helfenden Gedanken'. Lassen Sie die helfenden Gedanken gut zu sich durchdringen, damit Sie<br />

sie benutzen können, wenn Sie sie nötig haben.<br />

154


Das Ereignis/Die Ereignisse:<br />

Störende Gedanken:<br />

Helfende Gedanken:<br />

Gefühle nach dem Ereignis/den Ereignissen:<br />

Gefühle, die helfende Gedanken<br />

hervorrufen können:<br />

Was hast du nach diesem Ereignis/<br />

diesen Ereignissen getan?<br />

Was möchtest du tun?<br />

Übung mit den helfenden Gedanken:<br />

155


Literatur<br />

Bergstra, J., T. Binnendijk e.a.<br />

Families First. Het verslag van een studiereis.Utrecht: NIZW, 1992<br />

Consortium Families First/NIZW<br />

Het starten van een Families First project.Utrecht: NIZW, 1996<br />

Datawerken<br />

KISIT. Kliënt Informatie Systeem Intensieve Thuisbehandeling.<br />

Gebruikershandleiding.Utrecht: NIZW, 1995<br />

Handleiding voor Teamleiders.Utrecht: NIZW, 1997<br />

Jagers, J.D.<br />

Programma-evaluatie als een instrument bij innovatie in de jeugdhulpverlening: een<br />

illustratie aan de hand van Families First. Boekholdt, M.G. (red.) Programma-evaluatie<br />

sleutel tot kwaliteit.Utrecht: SWP, p. 57-65, 1995<br />

Jagers, J.D. en N.W. Slot<br />

Start-notitie programma gezinsactivering. In: Bakker, K. en H. Jagers<br />

Projectontwikkeling en -organisatie Families First Nederland.Utrecht: NIZW, 1993<br />

Janssen, H.<br />

Als praten bij je werk hoort. Gespreksvaardigheden voor hulp- en dienstverleners.Meppel:<br />

Boom, 1987<br />

Kemp, R.A.T. de, J.W. Veerman en L.T. ten Brink<br />

Evaluatie-onderzoek Families First Nederland. Deel 2: Bereikte doelgroep.Utrecht: NIZW,<br />

1996a<br />

Kemp, R.A.T. de, J.W. Veerman en L.T. ten Brink<br />

Evaluatie-onderzoek Families First Nederland. Deel 3: Werkwijze en waardering.Utrecht:<br />

NIZW, 1996b<br />

Kemp, R.A.T. de, J.W. Veerman en L.T. ten Brink<br />

Evaluatie-onderzoek Families First Nederland. Deel 4: Uitkomsten op korte en lange termijn.<br />

Utrecht: NIZW, 1997<br />

Kinney, J., D. Haapala en C. Booth<br />

Keeping <strong>families</strong> together. The Homebuilders model.New York: Aldine de Gruyter, 1991<br />

156


Ploeg, J.D. van der<br />

Geweld op school. Tijdschrift voor Orthopedagogiek, jrg .34, nr. 7/8, p 357-368, 1995<br />

Slot, N.W.<br />

Residentiële hulpverlening voor jongeren met antisociaal gedrag.Proefschrift Vrije Universiteit<br />

Amsterdam. Lisse: Swets en Zeitlinger, 1988<br />

Slot, W. en H. Spanjaard<br />

Ontwikkelingstaken voor ouders van jonge kinderen. Het competentiemodel en<br />

gezinsgerichte hulpverlening. Jeugd en samenleving, jrg. 12, nr. 1, 1996, p. 3-19, 1996<br />

Veerman, J.W., R.A.T. de Kemp en L.T. ten Brink<br />

Evaluatie-onderzoek Families First Nederland. Deel 1: Achtergronden en opzet.Utrecht:<br />

NIZW, 1996<br />

Wit, J. de, G. van der Veen en N.W. Slot<br />

Psychologie van de adolescentie.Baarn: Intro, 1995<br />

157


DAS 'NEDERLANDS INSTITUUT VOOR ZORG EN WELZIJN / NIZW'<br />

DAS NIEDERLÄNDISCHE INSTITUT FÜR FÜRSORGE UND GESUNDHEIT<br />

Das 'Nederlands Instituut voor Zorg en Welzijn / NIZW' ist ein unabhängiges Institut, das<br />

Einrichtungen auf dem Fürsorge- und Gesundheits-Sektor hilft, sich auf gesellschaftliche<br />

Entwicklungen einzustellen und die Qualität ihrer Arbeit zu gewährleisten. In enger<br />

Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen entwickelt das NIZW Methoden, mit denen<br />

das Arbeitsfeld adäquat auf neue Fragen der Klienten reagieren kann. Das Resultat sind<br />

Bücher, Rundbriefe, Kongresse, Lernlaufzeiten, Datenbanken und Videos. Außerdem setzt<br />

sich das Institut zum Ziel, den Sektor als Ganzes zu verstärken. Damit beschäftigen sich vor<br />

allem das 'Centrum voor Beroeps- en Opleidingsvraagstukken'/'Zentrum für Berufs- und<br />

Ausbildungs-Fragen' und das 'Informatiecentrum Zorg en Welzijn' / 'Informationszentrum<br />

für Fürsorge und Gesundheit'.<br />

Die Tätigkeiten des NIZW erstrecken sich auf viele verschiedene Gebiete wie Kinderkrippe,<br />

Jugendfürsorge, Versorgungs- und Pflegehäuser, häusliche Fürsorge und Hilfeleistungen für<br />

Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung.<br />

Im Sektor Fürsorge und Gesundheit arbeiten beruflich mehr als 400.000 Menschen und<br />

viele Freiwillige. Für sie sind die Produkte des NIZW bestimmt. In zunehmendem Maße<br />

wendet sich das NIZW mit seinen Informationen auch direkt an die tatsächlichen<br />

Konsumenten der Angebote auf diesem Sektor.<br />

159

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