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Stuttgarter Zeitung 06.08.13 - im Naturpark Schönbuch

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Artikeltextausgabe<br />

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06.08.2013<br />

Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG<br />

AUSGABE REMS-MURR-KREIS (Nr. 180)<br />

vom Dienstag, den 06. August 2013, Seite Nr. 24<br />

LESEZEICHEN<br />

BILDANSICHT<br />

BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

Zum Krabbenfischen in den <strong>Schönbuch</strong><br />

Serie Tierbeobachtung <strong>im</strong> <strong>Naturpark</strong>: Am meisten freut sich Oberforstrat von Bülow über<br />

einen recht zutraulichen Eisvogel. Wilderlebnisse gibt es auch für Spätaufsteher. Michael<br />

Petersen<br />

Erste Überraschung: 'Nein, wir müssen nicht früh um fünf in den Wald gehen, um Tiere zu sehen, 8 Uhr<br />

reicht', sagt Oberforstrat Götz Graf Bülow von Dennewitz. Die zweite Überraschung am Treffpunkt<br />

Kloster Bebenhausen: 'Wir gehen Krabbenfischen <strong>im</strong> <strong>Schönbuch</strong>.'<br />

Tiere beobachten ist das Thema des Tages. Und als von Bülow zur Fahrt in den <strong>Schönbuch</strong> in seinen<br />

grünen Geländewagen bittet, sind die ersten beiden schon da. 'Motte, Theo los, einsteigen', ruft der<br />

Förster zwei Hunden zu, einem kleinen struppigen und einem großen struppigen. Noch ein kräftiger<br />

Pfiff und schon drängen sich die beiden hinter den Rücksitzen <strong>im</strong> Heckabteil des Wagens. Sie verbreiten<br />

gute Laune - und ziemlich kräftige Gerüche. Idylle pur, denn genauso stellt sich ein Stadtmensch einen<br />

Förster mitsamt seinen treuen Freunden vor.<br />

Aber Krabbenfischen? Von Bülow hat nur leicht übertri e ben. Gefischt wird nicht, und bei den Krabben<br />

<strong>im</strong> Wald handelt es sich um kräftige Steinkrebse, entfernte Verwandte der vom Strandurlaub<br />

bekannten Meerestiere. Sie haben sich ein rundes Wassertretbecken <strong>im</strong> Wald als Lebensraum<br />

ausgesucht. Forstmitarbeiter säubern es just an diesem Tag. Nur deswegen sind die Krebse so leicht<br />

auszumachen. Von Bülow ergreift eines der Tiere und muss aufpassen, dass er nicht in die Hand<br />

gezwickt wird. 'Der Steinkrebs ist der Bruder vom kleineren Flusskrebs, und er ist leider sehr selten<br />

geworden', berichtet der Förster, als er das Tier auf dem Schreibblock des Begleiters absetzt.<br />

Die Krebspest habe ihn <strong>im</strong>mer wieder nahezu ausgerottet. Wenn diese Pilze irgendwo auftreten, ist der<br />

Steinkrebs dort binnen weniger Wochen ausgestorben. Jahre vergehen, bis sich die Tierart erholt -<br />

sofern das überhaupt gelingt. Im Fall des <strong>Schönbuch</strong>s spricht von Bülow von einer Restpopulation.<br />

Graue Krebse in dunklen Gewässern, der Wanderer muss Glück haben, um diese Tiere zu sehen. Bei<br />

einer ganz anderen Tierart geht es ums Hören. 'Buntspecht und Grünspecht sehen sich aus der Ferne<br />

ähnlich. Sie lassen sich am besten über ihren Ruf auseinanderhalten.' Der Oberforstrat schaut über ein<br />

Tal mit einigen umgestürzten und abgestorbenen Bäumen. 'Ein Bannwald, seit acht Jahren<br />

bewirtschaften wir diese 70 Hektar hier nicht mehr', sagt er. Zum Glück mancher Tiere, denn '<strong>im</strong><br />

Totholz entsteht neues Leben'. 15 Fledermausarten fühlen sich hier zu Hause. Auch die<br />

Mopsfledermaus wurde gesichtet, dabei galt sie schon als ausgestorben.<br />

Das abgestorbene Holz ist voller Sägespäne. Von einem Dorado für Pilze, Insekten, Käfer - auch der<br />

sehr seltene Berliner Prachtkäfer lebt hier - spricht der Fachmann. Das gilt auch für Spechte. 'Ein<br />

Specht kann das gesunde Holz nicht meißeln', sagt von Bülow. Im toten Holz dagegen findet er<br />

Nahrung unter der Rinde und Höhlen fürs Nest. Und wie bestellt schwebt ein Specht mit seiner typisch<br />

wippenden Flugbahn übers Tal. Der Förster schaut kaum hin, er hört, wie es Ornithologen gerne tun:<br />

'Grünspecht, eindeutig.'<br />

Bei einem fürs ungeschulte Ohr wenig aufregenden Gezwitscher wird von Bülow kurz darauf nervös.<br />

Leise lässt er wissen, 'ein Eisvogel, für mich der schönste Vogel überhaupt'. Ganz behutsam sieht er<br />

sich um und entdeckt die smaragdfarbene Schönheit in einem Busch. 'So nah habe ich noch nie einen<br />

Eisvogel gesehen, das muss ein Jungtier sein', flüstert der kräftige Mann nun. Selbst ein Foto lässt der<br />

Vogel zu, bevor er ins Weite fliegt.<br />

Am Teich lässt es sich gut verweilen. Spätestens auf den zweiten Blick zeigt sich allerhand Getier.<br />

Enten, eine Blesshuhnfamilie und darüber herrlich glänzende Libellen. Von Bülow erzählt nun wieder


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06.08.2013<br />

laut und fröhlich von Bachforellen und vom Bachneunauge oder der Ringelnatter. Lurchi dagegen ist<br />

heute nicht zu Hause. So viele Steine der Chef dieses Waldes auch umdreht, keiner der vielen 15 bis 20<br />

Zent<strong>im</strong>eter langen Feuersalamander lässt sich an diesem Morgen blicken. 'Die gibt es hier überall,<br />

eigentlich', versichert er, 'aber heute ist es wohl zu trocken.' Auch andere, weit größere Tiere wollen<br />

sich partout nicht zeigen. Deutliche Spuren belegen ihre Existenz. Hier lief ein Hirsch, dort eine<br />

Wildsau, von Bülow zeigt mit dem Finger auf die Abdrücke.<br />

Und dem Köttel mitten auf dem Fahrweg lässt sich dank vieler Kerne ganz augenscheinlich entnehmen,<br />

dass sich hier ein Dachs den Bauch mit Kirschen vollgeschlagen hat. Er ist nachtaktiv. 'Mancher Dachs<br />

kommt erst morgens um fünf von der Party nach Haus in seinen Bau', sagt von Bülow. Den teilt er sich<br />

mitunter sogar mit einem Fuchs. Einer von diesen kreuzt wenig später vor dem Fahrzeug des Försters<br />

den Waldweg. 'Na also, da haben wir ein Wilderlebnis für Spätaufsteher', sagt der.<br />

Ein Wilderlebnis zu allen Tageszeiten bieten die sieben Schaugehege <strong>im</strong> <strong>Schönbuch</strong>. Und <strong>im</strong><br />

Rotwildgatter zeigt sich nun endlich stolz und mächtig der Hirsch. Er beobachtet die Besucher. Angst<br />

scheint er nicht zu haben. Dabei ist die Sicherheit des Zaunes trügerisch. Während der Brunft<br />

überwand ein frei lebender Hirsch vor einigen Septembern den Zaun und richtete den Hausherrn übel<br />

zu. 'Wir wussten lange nicht, ob er überleben wird', berichtet der Förster. Im Jahr danach versuchte es<br />

der Konkurrent ein zweites Mal - und scheiterte am Zaun, der ihn das Geweih kostete.<br />

Wildschweine gibt es ebenfalls auf beiden Seiten des Zaunes. Solange eine Sau nicht um ihre<br />

Nachkommen fürchtet, brauchen sich Wanderer keine Sorgen zu machen, betont von Bülow. Ihm ist<br />

nur ein einziger Fall bekannt, in dem ein Wildschwein einen Späthe<strong>im</strong>kehrer nach einem<br />

Wirtshausbesuch anging.<br />

Im Hotel Zur wilden Biene logieren dagegen keine Menschen, sondern Tiere. Allerlei verschieden<br />

geformte Steine bieten Wildbienen Unterschlupf. Diese solitär lebenden Arten bilden keine Staaten.<br />

Jedes Weibchen legt für sich ein Nest an, das sie selber mit Nahrung versorgt. Aus diesem Nest<br />

schlüpfen die Nachkommen aus.<br />

'Zur Beobachtungskanzel' - ein geschnitztes Holzschild weist die Richtung zur Wildbeobachtungsstelle<br />

Dickenberg. 'Hier ist so ziemlich 24-Stunden-Betrieb', ruft von Bülow über die Schulter. Auf dem Weg<br />

dorthin vom Parkplatz legt er ein mächtiges Tempo vor. Dort angekommen, zeigt sich, dass 20<br />

Menschen auf dem hohen Holzgestell Platz finden und dazu einen guten Blick haben auf die drei Hektar<br />

abschüssige Wiesenfläche Vorfeld. Vom Förster ist zu hören: 'Irgendwo hier liegt Rotwild <strong>im</strong> hohen<br />

Gras'. Auszumachen ist es für einmal nicht. Man müsste wohl mal wieder mähen, lautet die<br />

Empfehlung.<br />

Ein Tierfreund beschreibt seine Erfahrungen über den beliebten Platz zur Tierbeobachtung: 'Als Resultat<br />

von etwa 14 Stunden Ansitzen an vier Tagen kann ich Folgendes vermelden: ein Rudel mit zehn Stück<br />

Kahlwild und drei Hirschen zeigte sich zwei Stunden lang, wobei es auch zu einem kurzen Kampf kam.'<br />

Ganze 14 Stunden stehen für den Tierbeobachtungsrundgang mit dem gut gelaunten, aber stets<br />

zielstrebigen Oberforstrat leider nicht zur Verfügung. Aber für ein Foto mit Theo und Motte und ihrem<br />

Chef reicht die Zeit allemal.<br />

#<br />

© 2013 STUTTGARTER ZEITUNG

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