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2010_03: Viele, viele Blumenwiesen und mittendrin Johannes Burri

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Exkursionen<br />

<strong>Viele</strong>, <strong>viele</strong> Wiesen <strong>und</strong><br />

<strong>mittendrin</strong> <strong>Johannes</strong> <strong>Burri</strong><br />

Bericht von einem gras- <strong>und</strong><br />

erkenntnisreichen Tag im Zürcher Oberland<br />

Meister <strong>Burri</strong> in seinem Element …<br />

Die wichtigste Erkenntnis gleich vorweg:<br />

Gräser sind wichtig, schön, vielfältig – <strong>und</strong><br />

die Naturgärtner sollten sich viel mehr um<br />

sie kümmern! Blumen sind schön <strong>und</strong> gut<br />

– aber erst die Gräser geben einer Wiese<br />

die Struktur <strong>und</strong> den Zauber. An einem<br />

w<strong>und</strong>erschönen Frühsommertag offenbarte<br />

uns <strong>Johannes</strong> <strong>Burri</strong> freimütig <strong>und</strong> großzügig<br />

die wichtigsten Erkenntnisse seiner<br />

jahrzehntelangen Arbeit mit <strong>und</strong> für artenreiche<br />

<strong>und</strong> stabile Wiesen.<br />

1 | Verkehrsgarten Winterthur:<br />

Die ursprüngliche Rasenfläche mitten in<br />

einem Wohngebiet wurde vor 15 Jahren zu<br />

einer Fromentalwiese umgewandelt. Dazu<br />

wurden einige meterbreite Streifen aufgefräst<br />

<strong>und</strong> mit einer Saatgutmischung eingesät<br />

als Initialzündung eines kontinuierlichen<br />

Umwandlungsprozesses. Entlang der<br />

Verkehrswege wird ein etwa 1 Meter breiter<br />

Randstreifen als Rasen gemäht, dadurch<br />

fällt die Wiese bei Regen <strong>und</strong> Wind nicht in<br />

den Weg hinein.<br />

Was heißt eigentlich Fromentalwiese? „Fromental“<br />

ist schweizerisch für den Glatthafer<br />

(Arrhenatherum elatius), die namensgebende<br />

Leitart der Salbei-Glatthaferwiese<br />

(Arrhenatheretum). Die Wiese des Verkehrsgartens<br />

beherbergt ca. 25 Arten, Glatthafer,<br />

natürlich, außerdem Wiesensalbei, Pippau,<br />

Rotklee, Wiesen-Witwenblume, Wiesen–<br />

Bocksbart, Kuckuckslichtnelke, (hallo: eine<br />

Zeigerpflanze! Wofür? Für den Kuckuck?<br />

Auflösung am Ende des Artikels), Spitzwegerich,<br />

Wiesen–Flockenblume, Knäuel-<br />

Glockenblume, Klappertopf.<br />

Natur & Garten September <strong>2010</strong> 19


Exkursionen<br />

ausschließlich mit Festmist oder Kompost.<br />

Die Richtschnur ist schließlich die jahrh<strong>und</strong>ertelange<br />

landwirtschaftliche Praxis,<br />

die letztlich die Salbei-Glatthaferwiesen<br />

hervorgebracht hat, von der wir alle träumen.<br />

Je nach Gr<strong>und</strong>haltung des p.t. Publikums<br />

folgt entsetztes oder ehrfurchtsvolles<br />

Schweigen.<br />

(Anmerkung der Red.: P.T. = praemisso titulo,<br />

„nach vorausgeschicktem gebührendem Titel“<br />

– Form der schriftlichen Anrede anstelle der Aufzählung,<br />

in etwa „hochverehrtes Publikum“)<br />

Wiesen-Salbei, Bocksbart, Klappertopf <strong>und</strong> Witwenblume bestimmen das Bild.<br />

2 | Naturschutzgebiet<br />

Hudelmoos:<br />

Ach ja, der Klappertopf, das Trojanische<br />

Pferd des Wiesen anlegenden Landschaftsgärtners:<br />

Zu <strong>viele</strong> Gräser entsprechen im<br />

Auge des Blumenliebhabers nicht dem Bild<br />

der „Blumenwiese“, also wird – raffiniert<br />

– der Feind ins Bett geholt, sprich der an<br />

Gräsern schmarotzende Klappertopf in die<br />

Wiese. Funktioniert auch, die Gräser gehen<br />

zurück, ihnen wird ja der Lebenssaft ausgesaugt.<br />

Doch statt der erwarteten bunten<br />

Pracht findet man nur Gelb. Gelb, soweit das<br />

Auge reicht: Klappertopf, logischerweise.<br />

Leider hat er seinen Wirt fast ermordet, das<br />

schwächt naturgemäß auch den Schmarotzer.<br />

Die so entstandenen Lücken bieten<br />

allen möglichen neue Chancen: Blumen<br />

<strong>und</strong> auch Gräsern, in ungünstigen Fällen<br />

aber auch unerwünschten Pflanzen – also<br />

das was normale Menschen als Unkräuter<br />

bezeichnen. Das Wiesen–Mosaik setzt sich<br />

neu zusammen. Also: Man verwende den<br />

Klappertopf nicht als Allheilmittel, sondern<br />

überlegt <strong>und</strong> äußerst vorsichtig.<br />

Aber zurück zum Verkehrsgarten: gemäht<br />

wird 2x im Jahr, das erste Mal im Juni, wenn<br />

der Glatthafer (Leitgras!) reif ist – als Faustregel<br />

gilt: 2 Wochen nach der Blüte. Das<br />

Heu wird ca. 3 Tage zum Trocknen liegen<br />

gelassen, dann abgeführt <strong>und</strong> kompostiert<br />

oder als Futter verwertet. Das System funktioniert<br />

seit 15 Jahren w<strong>und</strong>erbar. Zum<br />

Schluss wagt <strong>Johannes</strong> <strong>Burri</strong> es, gegen das<br />

<strong>Blumenwiesen</strong>dogma anzugehen: „Genug<br />

ausgemagert, jetzt darf ein bisschen gedüngt<br />

werden.“ Moderat natürlich nur, <strong>und</strong><br />

Zwischen Mooren <strong>und</strong> Birken wird ein Vernetzungssystem<br />

aus artenreichen Blumen-<br />

Und dieses Gräsermeer soll eine Blumenwiese<br />

werden?<br />

Die ersten Blumen sind schon da: Männliche<br />

<strong>und</strong> weibliche Blüten der Roten Lichtnelke<br />

(Silene dioica).<br />

Wir fassen zusammen: Die Glatthaferwiese ist die typische Wiesengesellschaft auf<br />

„normalen“ Böden im „normalen“ subozeanischen Klima, heißt: Nicht zu nass <strong>und</strong> nicht<br />

zu trocken, nicht zu kalt <strong>und</strong> nicht zu heiß. Ihre zentrale Verbreitung liegt in Südwestdeutschland,<br />

in Westösterreich <strong>und</strong> im Schweizer Mittelland. Den kontinentalen Teilen<br />

Mittel- <strong>und</strong> Osteuropas fehlt sie in ihrer typischen Ausprägung.2 Leitart ist – nomen est<br />

omen - der Glatthafer, zu ihm gesellen sich als Obergräser das Knaulgras <strong>und</strong> das Weidelgras,<br />

als Mittel- <strong>und</strong> Untergräser Kammgras, Ruchgras <strong>und</strong> Wiesen-Rispengras. Laut<br />

Ellenberg1 besteht die Glatthaferwiese aus 21 Gr<strong>und</strong>arten <strong>und</strong> aus bis zu 20 weiteren<br />

Arten, die Hinweise auf spezielle Standortseigenschaften geben, wie Feuchtigkeitsoder<br />

Trockenheitszeiger. <strong>Viele</strong> von uns fachlich gut ausgebildeten ExkursionsteilnehmerInnen<br />

stellen fest, dass das Bestimmen von Gräsern ihre Sache nicht ist – aber das<br />

Interesse ist geweckt, <strong>und</strong> <strong>viele</strong> gute Vorsätze werden gefasst.<br />

20 Natur & Garten September <strong>2010</strong>


Exkursionen<br />

wiesen aufgebaut. Wir sehen 2,2 ha Kohldistel<br />

– Fuchsschwanzwiese, die absolute Kür<br />

in der Kunst des Wiesenanlegens. Im Februar<br />

2009 wurde gepflügt, mehrmals geeggt,<br />

dann bereits Anfang April gesät.<br />

Merke: auf moorigen, schwarzen Böden säe<br />

man früher aus, logisch, schwarzer Boden<br />

erwärmt sich schneller. Ausgesät wurden<br />

1,8g/m2, 95% Gräser, 5% Blumen, alles davon<br />

aus regionalen Ökotypen. Dieses Wiesensaatgut,<br />

das ausschließlich aus regionalem<br />

Saatgut zusammengesetzt ist, wird in<br />

der Schweiz als G – Mischung bezeichnet.<br />

Das ist nicht bei allen UFA-Mischungen so.<br />

(Nähere Info bei: www.ufasamen.ch,<br />

www.wildblumenburri.ch)<br />

Wir finden, <strong>und</strong> erkennen – <strong>Burri</strong> sei Dank -<br />

auch folgende Arten:<br />

Wiesen-Fuchsschwanz – über den freuen<br />

wir uns, endlich ein leicht zu bestimmendes<br />

Gras- <strong>und</strong> Glatthafer dominieren das<br />

Bild. Bei genauerem Hinschauen finden<br />

wir dazwischen versteckt: Rote Lichtnelke -<br />

zweihäusig, wie auch ihr botanischer Name<br />

„Silene dioica“ verrät. Unterscheiden kann<br />

man männliche Blüten mit 10, weibliche<br />

mit 20 Nerven. Paula wusste schon immer,<br />

dass Frauen sensibler sind. Weiter Löwenzahn,<br />

Wiesen-Pippau, Margerite, Wiesen–<br />

Bocksbart, Vergissmeinnicht, Wiesen–Flockenblume,<br />

Kümmel, Scharfer Hahnenfuß,<br />

Kuckuckslichtnelke, Goldhafer, Kohldistel,<br />

Knäuelgras.<br />

Wir lernen einen Trick, um den richtigen<br />

Mähzeitpunkt fest zu legen: man nehme<br />

den Samenstand eines Glatthafers in die<br />

Hand, drücke ihn. Wenn sich die Samen<br />

lösen, ist die „Teigreife“ erreicht, Zeit zum<br />

Mähen. Im ersten Jahr wird diese Wiese 3x<br />

jährlich gemäht, um Nährstoffe zu entziehen,<br />

zur „Teigreife“, d.h. ca. Mitte Juni, dann<br />

vor dem 1. August, nochmal im September.<br />

Und um mit allen Illusionen aufzuräumen:<br />

Diese schweren, schwarzen Böden sind für<br />

ganz großen Artenreichtum zu nährstoffreich<br />

<strong>und</strong> sie lassen sich nie, nie so richtig<br />

ausmagern!<br />

Wir fassen zusammen:<br />

Die Kohldistel-Fuchsschwanz-Wiese<br />

Ist die typische Wiesengesellschaft<br />

auf feuchten, aber nicht nassen, gut<br />

nährstoffversorgten Böden im normalen<br />

subozeanischen Klima. Namengebende<br />

Arten sind die Kohldistel<br />

(Cirsium oleraceum) <strong>und</strong> der Wiesen-<br />

Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis).<br />

Charakteristische Blumen sind die Rote<br />

Lichtnelke (auch Marienröschen), die<br />

Kuckuckslichtnelke, die Kohldistel, die<br />

Sumpfdistel, die Engelwurz.<br />

3 | Versuchsgarten Wildblumen<br />

in Untermettmenstetten:<br />

Die Versuchsflächen liegen mitten zwischen<br />

normal genutzten <strong>und</strong> gedüngten<br />

landwirtschaftlichen Flächen <strong>und</strong> wurden<br />

selbst bis zur Übernahme durch die UFA im<br />

Jahr 2001 immer gedüngt. Niederschlag ca.<br />

900mm; Seehöhe 560m.<br />

Auf einer Fläche von insgesamt 1,2 Hektar<br />

wird in fünf hangparallelen Versuchsreihen<br />

untersucht, wie sich verschiedene Saatgutmischungen,<br />

Schnitthäufigkeiten <strong>und</strong><br />

Aussaatzeitpunkte auf die Entwicklung von<br />

Wildblumenbeständen auswirken.<br />

Wildstaudenbeet mit Margeriten, Kuckuckslichtnelke,<br />

Färberkamille - Liebkind der Naturgärtner,<br />

aber nie <strong>und</strong> nimmer eine Wiese!<br />

Die wichtigsten Erkenntnisse:<br />

<br />

auf die Artenzusammensetzung als die<br />

Saatgutmischung.<br />

<br />

der Ansaat warten! Warten! Sonst: vergiss<br />

es! (Verzweiflung bei so manchen TeilnehmerInnen<br />

des Profi–Lehrganges).<br />

nie von<br />

Mitte Juni bis August; auch September ist<br />

schlecht, weil da zuerst die Gräser keimen.<br />

In Trockengebieten früher säen, sonst vertrocknen<br />

die zarten, jungen Keimlinge;<br />

auch auf schwarzen Böden früher säen.<br />

<br />

Herbst pflügen, im Frühjahr knäueln, den<br />

Spontanaufwuchs jäten, Mitte Mai auf das<br />

abgewalzte Saatbett säen, man darf nicht<br />

mit den Schuhen einsinken. Zuerst keimt<br />

das „Unkraut“ (Melde, Franzosenkraut…),<br />

das gibt den Wunschpflanzen Schatten<br />

<strong>und</strong> Feuchte. Wenn es kniehoch ist, wird<br />

es auf Knöchelhöhe gemäht; 3-4x im ersten<br />

Jahr. Nicht mal die Quecke ist unter<br />

dem <strong>Burri</strong>schen Regime ein Problem: Im<br />

nächsten Jahr haben wir eine Blumenwiese,<br />

deren Artenreichtum kontinuierlich<br />

von Jahr zu Jahr zunimmt!<br />

Natur & Garten September <strong>2010</strong> 21


Exkursionen<br />

So viel Technik wie nötig: Saatgutreinigung mit<br />

Präzisionsgeräten.<br />

Trespenwiese auf dem steilen Südhang. Unscheinbar auf den ersten Blick, aber der ausgeprägte<br />

Stockwerkbau lässt den hohen Artenreichtum hinter <strong>und</strong> unter der Aufrechten Trespe <strong>und</strong> dem<br />

Wiesen-Salbei erahnen.<br />

Blick von der Ladefläche des Traktors über<br />

wogende Blumenfelder.<br />

Eine der Versuchsflächen ist ein Wildstaudenbeet<br />

à la „Naturgärtner“, eine in<br />

Natur- <strong>und</strong> Kulturlandschaften nicht vorkommende<br />

Pflanzengesellschaft. Es ist gekennzeichnet<br />

durch <strong>viele</strong> Blumen, einen<br />

frühen Blühbeginn, Hochblüte im Juni,<br />

Mahd erst in der vegetationsfreien Zeit im<br />

Spätwinter.<br />

Aber, leider, leider, es ist eben keine Wiese,<br />

ohne Gräser kippt das Ganze auf diesem<br />

nährstoffreichen Boden nach wenigen<br />

Jahren, Spontanunkräuter, Knäuelgras,<br />

Weißklee <strong>und</strong> Konsorten machen sich breit.<br />

Nach 5 Jahren ist von den „Blumen“ nichts<br />

mehr zu sehen. <strong>Burri</strong> spricht weise: “Zuerst<br />

die Grasstruktur, dann die Blumen, dann<br />

warte mal 5-10 Jahre, dann kriegt die Sache<br />

ein Gesicht.“ Und das in der heutigen,<br />

schnelllebigen Zeit!<br />

Aber Paula, die Frau mit der scharfen Zunge,<br />

glaubt zu wissen, warum dieses Beet bei<br />

uns NaturgärtnerInnen so beliebt ist: wenig<br />

bis keine Gräser, ergo keine Bestimmungsprobleme.<br />

4 | <strong>Burri</strong>s Hauswiese:<br />

Diese am flachgründigen, steilen Südhang<br />

gelegene Wiese (nur 10 cm Humus über<br />

Nagelfluh!) wurde bereits von <strong>Burri</strong>s Vater<br />

bewirtschaftet. Sie ist ein Halbtrockenrasen<br />

mit ca. 50% Lücken <strong>und</strong> beheimatet 64<br />

Arten! Glatthafer <strong>und</strong> Knaulgras sind zwar<br />

noch vorhanden, spielen aber eine untergeordnete<br />

Rolle. Die Aufrechte Trespe ist<br />

die Primadonna unter den Gräsern <strong>und</strong><br />

wiegt sich mit ihren großen Ähren sanft<br />

im Sommerwind. Zittergras <strong>und</strong> Wolliges<br />

Honiggras sind ihre Elevinnen. Für den Blumenschmuck<br />

sorgen Salbei, Acker-Witwenblume,<br />

Skabiose, Großer Wiesenknopf.<br />

So viel Handarbeit wie nötig, so wenig wie<br />

möglich!<br />

Und wieder der sanfte Hinweis: „Gut Ding<br />

braucht Weile!“ So eine Wiese kann sich nur<br />

dort entwickeln, wo die Bodenverhältnisse<br />

<strong>und</strong> die Lage stimmen – <strong>und</strong> auch dort ist<br />

viel Geduld erforderlich.<br />

Wir fassen zusammen: Die Trespenwiese<br />

ist die typische Wiesengesellschaft<br />

auf gut durchlässigen, trockenen,<br />

nährstoffarmen, kalkbetonten<br />

Böden, im gemäßigten Klima zumeist<br />

auf kleinklimatisch begünstigten<br />

Standorten wie Süd- <strong>und</strong> Osthängen.<br />

Sie zeichnet sich durch eine tiefe<br />

Durchwurzelung <strong>und</strong> einen geringen<br />

Deckungsgrad des Bodens aus. Letzterer<br />

begünstigt eine ausgeprägte vertikale<br />

Gliederung in mehrere Schichten.<br />

Neben der namengebenden Leitart<br />

Aufrechte Trespe <strong>und</strong> einigen mäßig<br />

seltenen Arten wie Karthäusernelke,<br />

Skabiosen-Flockenblume, der Frühlings-Schlüsselblume<br />

<strong>und</strong> der Skabiose<br />

kann sie bei entsprechender Reife auch<br />

die großen botanischen Besonderheiten<br />

wie verschiedene Orchideenarten<br />

oder die Kuhschelle enthalten.<br />

22 Natur & Garten September <strong>2010</strong>


Exkursionen<br />

Wiesensalbei, Karthäusernelke, W<strong>und</strong>klee,<br />

Wiesenschwingel, Margerite – ein kleiner Ausschnitt<br />

aus der großen Pracht!<br />

5 | Betrieb <strong>Burri</strong>:<br />

Umfasst 22 ha, davon 7 ha Saatgutproduktion,<br />

sonst noch Wiesen, 20 Kühe, Hochstammobst…<strong>und</strong><br />

eine anscheinend gut<br />

funktionierende Großfamilie in Wirtschaftsgemeinschaft.<br />

Wir bew<strong>und</strong>ern.<br />

<strong>Burri</strong>s Devise zur Saatgutproduktion:<br />

„So viel Handarbeit wie nötig, so wenig<br />

wie möglich.“ Ja, ja, niemand schlägt die<br />

Schweizer in Effizienz. Gejätet wird sehr selektiv,<br />

nur, was tatsächlich stört, Die Pflanzen<br />

sind gesünder, wenn sie nicht in Reinkultur<br />

stehen.<br />

<strong>Burri</strong> hat 483 Blumen- <strong>und</strong> 48 Grasarten in<br />

Produktion, es wird aber nicht jedes Jahr<br />

alles produziert, „nur“ ca. 200 Arten. Mehr<br />

als 80% der Pflanzen werden im Tunnel<br />

angezogen <strong>und</strong> später auf dem Feld ausgepflanzt,<br />

sonst würde man die schnell auflaufenden<br />

Individuen bevorzugen. Geerntet<br />

wird über mehrere Wochen, damit die<br />

Eigenschaften der früh- <strong>und</strong> spät reifenden<br />

Individuen weiter gegeben werden.<br />

Zwischen den Erntestreifen liegen Brachestreifen,<br />

auf denen wir seltene Arten wie<br />

den Venuskamm finden.<br />

Das Saatgut wird in ausgeklügelten Trocknungsboxen<br />

getrocknet <strong>und</strong> in Spezialmaschinen<br />

gesiebt.<br />

Die wichtigste Maschine aber ist der Paragleiter,<br />

der akkubetrieben jederzeit aufsteigen<br />

kann, um die Entwicklung der Kulturen<br />

aus himmlischen Höhen ja gut im Auge zu<br />

behalten.<br />

Als Draufgabe <strong>und</strong> damit wir endgültig in<br />

Bew<strong>und</strong>erung versinken, gibt’s noch eine<br />

Traktorkutschenfahrt mit Tee <strong>und</strong> Kuchen<br />

durch die duftenden, wogenden <strong>Burri</strong>–Blumen–Felder.<br />

6 | Allmend Frauenfeld:<br />

Den würdigen Abschluss dieses unvergesslichen<br />

Tages bilden die schier unendlichen<br />

<strong>Blumenwiesen</strong> im Streiflicht der Blauen<br />

St<strong>und</strong>e im Frauenfeld. Bunte Blütenpracht<br />

soweit das Auge reicht. Wir ahnen, welchen<br />

Reichtum wir in den letzten Jahrzehnten für<br />

den heutigen materiellen Wohlstand eingetauscht<br />

haben. Wir erkennen aber auch<br />

eindrucksvoll, dass es nicht zu spät ist, dass<br />

wir das verloren geglaubte Paradies wieder<br />

neu schaffen können – wenigstens in vegetationstechnischer<br />

Hinsicht.<br />

Als Belohnung für alle, die sich bis hierher<br />

durchgebissen haben, die Auflösung der Frage<br />

vom ersten Absatz: die Kuckuckslichtnelke ist<br />

ein Frische- bis Feuchtezeiger in Wiesen.<br />

Und mitten in all der Pracht das Herzstück der<br />

Exkursion<br />

Das ehemalige Militärgelände auf alten Auenböden<br />

wurde bis vor 10 Jahren landwirtschaftlich<br />

genutzt. Auch Open-Air Veranstaltungen<br />

mit bis zu 70 000 BesucherInnen<br />

<strong>und</strong> einer ausgedehnten Zeltstadt musste<br />

das Frauenfeld ertragen. 1999 wurden 7ha<br />

aus der Bewirtschaftung genommen, im<br />

Herbst umgepflügt <strong>und</strong> im Frühjahr bearbeitet<br />

<strong>und</strong> als 2 mähdige Fromentalwiese<br />

(Glatthaferwiese) besämt. Zur Zeit unseres<br />

Besuchs dominiert das tiefe Blau des<br />

Wiesensalbeis, kontrastiert von den <strong>viele</strong>n<br />

Gelb-Tönen von Klappertopf, W<strong>und</strong>klee<br />

<strong>und</strong> Hornklee.<br />

Und in die Idylle hinein wieder das <strong>Burri</strong>sche<br />

Sakrileg: „Nach 10 Jahren ist die Wiese genug<br />

ausgemagert, man sollte aufmisten, damit<br />

sie nicht verarmt!“ Aufmisten! Geht doch gar<br />

nicht! Aber sein Erfolg gibt ihm Recht!<br />

Noch so eine Weisheit: „ Die Artenzusammensetzung<br />

ist nie die Gleiche, aber es gibt<br />

für jeden Boden Mischungen, die mit der<br />

richtigen Pflege <strong>und</strong> ein bisschen Zeit, 20<br />

Jahre oder so, eine schöne Wiese ergeben.“<br />

Vor ca. 6 Jahren wurde ein Teil der Fläche<br />

(ohne Konsultation mit <strong>Burri</strong>, natürlich)<br />

„technisch ausgemagert“, sprich der Bagger<br />

drüber gejagt, <strong>und</strong> ca. 1m abgeschürft.<br />

Allerdings entstand statt der gewünschten<br />

Trespenwiese wegen des hohen Gr<strong>und</strong>wasserstandes<br />

eine wechselfeuchte Sauergraswiese.<br />

Ein Anblick, grässlich <strong>und</strong> gemein<br />

– hätte Christian Morgenstern gef<strong>und</strong>en.<br />

Auch wenn man der Fläche aus naturschutzfachlicher<br />

Sicht einen hohen Artenreichtum<br />

nicht absprechen kann.<br />

Der Tag war lang, <strong>und</strong> sonnig, <strong>und</strong> erfüllt!<br />

Wäre ein schöner Schlusssatz, auch für ein<br />

ganzes Leben.<br />

Paula Polak<br />

0043 - 699 - 122 82 750<br />

paula.polak@gmx.at<br />

Markus Kumpfmüller<br />

0043 - 7252 – 77727<br />

markus.kumpfmueller@<br />

kumpfmueller.at<br />

Natur & Garten September <strong>2010</strong> 23

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