2010_03: Viele, viele Blumenwiesen und mittendrin Johannes Burri
2010_03: Viele, viele Blumenwiesen und mittendrin Johannes Burri
2010_03: Viele, viele Blumenwiesen und mittendrin Johannes Burri
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Exkursionen<br />
<strong>Viele</strong>, <strong>viele</strong> Wiesen <strong>und</strong><br />
<strong>mittendrin</strong> <strong>Johannes</strong> <strong>Burri</strong><br />
Bericht von einem gras- <strong>und</strong><br />
erkenntnisreichen Tag im Zürcher Oberland<br />
Meister <strong>Burri</strong> in seinem Element …<br />
Die wichtigste Erkenntnis gleich vorweg:<br />
Gräser sind wichtig, schön, vielfältig – <strong>und</strong><br />
die Naturgärtner sollten sich viel mehr um<br />
sie kümmern! Blumen sind schön <strong>und</strong> gut<br />
– aber erst die Gräser geben einer Wiese<br />
die Struktur <strong>und</strong> den Zauber. An einem<br />
w<strong>und</strong>erschönen Frühsommertag offenbarte<br />
uns <strong>Johannes</strong> <strong>Burri</strong> freimütig <strong>und</strong> großzügig<br />
die wichtigsten Erkenntnisse seiner<br />
jahrzehntelangen Arbeit mit <strong>und</strong> für artenreiche<br />
<strong>und</strong> stabile Wiesen.<br />
1 | Verkehrsgarten Winterthur:<br />
Die ursprüngliche Rasenfläche mitten in<br />
einem Wohngebiet wurde vor 15 Jahren zu<br />
einer Fromentalwiese umgewandelt. Dazu<br />
wurden einige meterbreite Streifen aufgefräst<br />
<strong>und</strong> mit einer Saatgutmischung eingesät<br />
als Initialzündung eines kontinuierlichen<br />
Umwandlungsprozesses. Entlang der<br />
Verkehrswege wird ein etwa 1 Meter breiter<br />
Randstreifen als Rasen gemäht, dadurch<br />
fällt die Wiese bei Regen <strong>und</strong> Wind nicht in<br />
den Weg hinein.<br />
Was heißt eigentlich Fromentalwiese? „Fromental“<br />
ist schweizerisch für den Glatthafer<br />
(Arrhenatherum elatius), die namensgebende<br />
Leitart der Salbei-Glatthaferwiese<br />
(Arrhenatheretum). Die Wiese des Verkehrsgartens<br />
beherbergt ca. 25 Arten, Glatthafer,<br />
natürlich, außerdem Wiesensalbei, Pippau,<br />
Rotklee, Wiesen-Witwenblume, Wiesen–<br />
Bocksbart, Kuckuckslichtnelke, (hallo: eine<br />
Zeigerpflanze! Wofür? Für den Kuckuck?<br />
Auflösung am Ende des Artikels), Spitzwegerich,<br />
Wiesen–Flockenblume, Knäuel-<br />
Glockenblume, Klappertopf.<br />
Natur & Garten September <strong>2010</strong> 19
Exkursionen<br />
ausschließlich mit Festmist oder Kompost.<br />
Die Richtschnur ist schließlich die jahrh<strong>und</strong>ertelange<br />
landwirtschaftliche Praxis,<br />
die letztlich die Salbei-Glatthaferwiesen<br />
hervorgebracht hat, von der wir alle träumen.<br />
Je nach Gr<strong>und</strong>haltung des p.t. Publikums<br />
folgt entsetztes oder ehrfurchtsvolles<br />
Schweigen.<br />
(Anmerkung der Red.: P.T. = praemisso titulo,<br />
„nach vorausgeschicktem gebührendem Titel“<br />
– Form der schriftlichen Anrede anstelle der Aufzählung,<br />
in etwa „hochverehrtes Publikum“)<br />
Wiesen-Salbei, Bocksbart, Klappertopf <strong>und</strong> Witwenblume bestimmen das Bild.<br />
2 | Naturschutzgebiet<br />
Hudelmoos:<br />
Ach ja, der Klappertopf, das Trojanische<br />
Pferd des Wiesen anlegenden Landschaftsgärtners:<br />
Zu <strong>viele</strong> Gräser entsprechen im<br />
Auge des Blumenliebhabers nicht dem Bild<br />
der „Blumenwiese“, also wird – raffiniert<br />
– der Feind ins Bett geholt, sprich der an<br />
Gräsern schmarotzende Klappertopf in die<br />
Wiese. Funktioniert auch, die Gräser gehen<br />
zurück, ihnen wird ja der Lebenssaft ausgesaugt.<br />
Doch statt der erwarteten bunten<br />
Pracht findet man nur Gelb. Gelb, soweit das<br />
Auge reicht: Klappertopf, logischerweise.<br />
Leider hat er seinen Wirt fast ermordet, das<br />
schwächt naturgemäß auch den Schmarotzer.<br />
Die so entstandenen Lücken bieten<br />
allen möglichen neue Chancen: Blumen<br />
<strong>und</strong> auch Gräsern, in ungünstigen Fällen<br />
aber auch unerwünschten Pflanzen – also<br />
das was normale Menschen als Unkräuter<br />
bezeichnen. Das Wiesen–Mosaik setzt sich<br />
neu zusammen. Also: Man verwende den<br />
Klappertopf nicht als Allheilmittel, sondern<br />
überlegt <strong>und</strong> äußerst vorsichtig.<br />
Aber zurück zum Verkehrsgarten: gemäht<br />
wird 2x im Jahr, das erste Mal im Juni, wenn<br />
der Glatthafer (Leitgras!) reif ist – als Faustregel<br />
gilt: 2 Wochen nach der Blüte. Das<br />
Heu wird ca. 3 Tage zum Trocknen liegen<br />
gelassen, dann abgeführt <strong>und</strong> kompostiert<br />
oder als Futter verwertet. Das System funktioniert<br />
seit 15 Jahren w<strong>und</strong>erbar. Zum<br />
Schluss wagt <strong>Johannes</strong> <strong>Burri</strong> es, gegen das<br />
<strong>Blumenwiesen</strong>dogma anzugehen: „Genug<br />
ausgemagert, jetzt darf ein bisschen gedüngt<br />
werden.“ Moderat natürlich nur, <strong>und</strong><br />
Zwischen Mooren <strong>und</strong> Birken wird ein Vernetzungssystem<br />
aus artenreichen Blumen-<br />
Und dieses Gräsermeer soll eine Blumenwiese<br />
werden?<br />
Die ersten Blumen sind schon da: Männliche<br />
<strong>und</strong> weibliche Blüten der Roten Lichtnelke<br />
(Silene dioica).<br />
Wir fassen zusammen: Die Glatthaferwiese ist die typische Wiesengesellschaft auf<br />
„normalen“ Böden im „normalen“ subozeanischen Klima, heißt: Nicht zu nass <strong>und</strong> nicht<br />
zu trocken, nicht zu kalt <strong>und</strong> nicht zu heiß. Ihre zentrale Verbreitung liegt in Südwestdeutschland,<br />
in Westösterreich <strong>und</strong> im Schweizer Mittelland. Den kontinentalen Teilen<br />
Mittel- <strong>und</strong> Osteuropas fehlt sie in ihrer typischen Ausprägung.2 Leitart ist – nomen est<br />
omen - der Glatthafer, zu ihm gesellen sich als Obergräser das Knaulgras <strong>und</strong> das Weidelgras,<br />
als Mittel- <strong>und</strong> Untergräser Kammgras, Ruchgras <strong>und</strong> Wiesen-Rispengras. Laut<br />
Ellenberg1 besteht die Glatthaferwiese aus 21 Gr<strong>und</strong>arten <strong>und</strong> aus bis zu 20 weiteren<br />
Arten, die Hinweise auf spezielle Standortseigenschaften geben, wie Feuchtigkeitsoder<br />
Trockenheitszeiger. <strong>Viele</strong> von uns fachlich gut ausgebildeten ExkursionsteilnehmerInnen<br />
stellen fest, dass das Bestimmen von Gräsern ihre Sache nicht ist – aber das<br />
Interesse ist geweckt, <strong>und</strong> <strong>viele</strong> gute Vorsätze werden gefasst.<br />
20 Natur & Garten September <strong>2010</strong>
Exkursionen<br />
wiesen aufgebaut. Wir sehen 2,2 ha Kohldistel<br />
– Fuchsschwanzwiese, die absolute Kür<br />
in der Kunst des Wiesenanlegens. Im Februar<br />
2009 wurde gepflügt, mehrmals geeggt,<br />
dann bereits Anfang April gesät.<br />
Merke: auf moorigen, schwarzen Böden säe<br />
man früher aus, logisch, schwarzer Boden<br />
erwärmt sich schneller. Ausgesät wurden<br />
1,8g/m2, 95% Gräser, 5% Blumen, alles davon<br />
aus regionalen Ökotypen. Dieses Wiesensaatgut,<br />
das ausschließlich aus regionalem<br />
Saatgut zusammengesetzt ist, wird in<br />
der Schweiz als G – Mischung bezeichnet.<br />
Das ist nicht bei allen UFA-Mischungen so.<br />
(Nähere Info bei: www.ufasamen.ch,<br />
www.wildblumenburri.ch)<br />
Wir finden, <strong>und</strong> erkennen – <strong>Burri</strong> sei Dank -<br />
auch folgende Arten:<br />
Wiesen-Fuchsschwanz – über den freuen<br />
wir uns, endlich ein leicht zu bestimmendes<br />
Gras- <strong>und</strong> Glatthafer dominieren das<br />
Bild. Bei genauerem Hinschauen finden<br />
wir dazwischen versteckt: Rote Lichtnelke -<br />
zweihäusig, wie auch ihr botanischer Name<br />
„Silene dioica“ verrät. Unterscheiden kann<br />
man männliche Blüten mit 10, weibliche<br />
mit 20 Nerven. Paula wusste schon immer,<br />
dass Frauen sensibler sind. Weiter Löwenzahn,<br />
Wiesen-Pippau, Margerite, Wiesen–<br />
Bocksbart, Vergissmeinnicht, Wiesen–Flockenblume,<br />
Kümmel, Scharfer Hahnenfuß,<br />
Kuckuckslichtnelke, Goldhafer, Kohldistel,<br />
Knäuelgras.<br />
Wir lernen einen Trick, um den richtigen<br />
Mähzeitpunkt fest zu legen: man nehme<br />
den Samenstand eines Glatthafers in die<br />
Hand, drücke ihn. Wenn sich die Samen<br />
lösen, ist die „Teigreife“ erreicht, Zeit zum<br />
Mähen. Im ersten Jahr wird diese Wiese 3x<br />
jährlich gemäht, um Nährstoffe zu entziehen,<br />
zur „Teigreife“, d.h. ca. Mitte Juni, dann<br />
vor dem 1. August, nochmal im September.<br />
Und um mit allen Illusionen aufzuräumen:<br />
Diese schweren, schwarzen Böden sind für<br />
ganz großen Artenreichtum zu nährstoffreich<br />
<strong>und</strong> sie lassen sich nie, nie so richtig<br />
ausmagern!<br />
Wir fassen zusammen:<br />
Die Kohldistel-Fuchsschwanz-Wiese<br />
Ist die typische Wiesengesellschaft<br />
auf feuchten, aber nicht nassen, gut<br />
nährstoffversorgten Böden im normalen<br />
subozeanischen Klima. Namengebende<br />
Arten sind die Kohldistel<br />
(Cirsium oleraceum) <strong>und</strong> der Wiesen-<br />
Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis).<br />
Charakteristische Blumen sind die Rote<br />
Lichtnelke (auch Marienröschen), die<br />
Kuckuckslichtnelke, die Kohldistel, die<br />
Sumpfdistel, die Engelwurz.<br />
3 | Versuchsgarten Wildblumen<br />
in Untermettmenstetten:<br />
Die Versuchsflächen liegen mitten zwischen<br />
normal genutzten <strong>und</strong> gedüngten<br />
landwirtschaftlichen Flächen <strong>und</strong> wurden<br />
selbst bis zur Übernahme durch die UFA im<br />
Jahr 2001 immer gedüngt. Niederschlag ca.<br />
900mm; Seehöhe 560m.<br />
Auf einer Fläche von insgesamt 1,2 Hektar<br />
wird in fünf hangparallelen Versuchsreihen<br />
untersucht, wie sich verschiedene Saatgutmischungen,<br />
Schnitthäufigkeiten <strong>und</strong><br />
Aussaatzeitpunkte auf die Entwicklung von<br />
Wildblumenbeständen auswirken.<br />
Wildstaudenbeet mit Margeriten, Kuckuckslichtnelke,<br />
Färberkamille - Liebkind der Naturgärtner,<br />
aber nie <strong>und</strong> nimmer eine Wiese!<br />
Die wichtigsten Erkenntnisse:<br />
<br />
auf die Artenzusammensetzung als die<br />
Saatgutmischung.<br />
<br />
der Ansaat warten! Warten! Sonst: vergiss<br />
es! (Verzweiflung bei so manchen TeilnehmerInnen<br />
des Profi–Lehrganges).<br />
nie von<br />
Mitte Juni bis August; auch September ist<br />
schlecht, weil da zuerst die Gräser keimen.<br />
In Trockengebieten früher säen, sonst vertrocknen<br />
die zarten, jungen Keimlinge;<br />
auch auf schwarzen Böden früher säen.<br />
<br />
Herbst pflügen, im Frühjahr knäueln, den<br />
Spontanaufwuchs jäten, Mitte Mai auf das<br />
abgewalzte Saatbett säen, man darf nicht<br />
mit den Schuhen einsinken. Zuerst keimt<br />
das „Unkraut“ (Melde, Franzosenkraut…),<br />
das gibt den Wunschpflanzen Schatten<br />
<strong>und</strong> Feuchte. Wenn es kniehoch ist, wird<br />
es auf Knöchelhöhe gemäht; 3-4x im ersten<br />
Jahr. Nicht mal die Quecke ist unter<br />
dem <strong>Burri</strong>schen Regime ein Problem: Im<br />
nächsten Jahr haben wir eine Blumenwiese,<br />
deren Artenreichtum kontinuierlich<br />
von Jahr zu Jahr zunimmt!<br />
Natur & Garten September <strong>2010</strong> 21
Exkursionen<br />
So viel Technik wie nötig: Saatgutreinigung mit<br />
Präzisionsgeräten.<br />
Trespenwiese auf dem steilen Südhang. Unscheinbar auf den ersten Blick, aber der ausgeprägte<br />
Stockwerkbau lässt den hohen Artenreichtum hinter <strong>und</strong> unter der Aufrechten Trespe <strong>und</strong> dem<br />
Wiesen-Salbei erahnen.<br />
Blick von der Ladefläche des Traktors über<br />
wogende Blumenfelder.<br />
Eine der Versuchsflächen ist ein Wildstaudenbeet<br />
à la „Naturgärtner“, eine in<br />
Natur- <strong>und</strong> Kulturlandschaften nicht vorkommende<br />
Pflanzengesellschaft. Es ist gekennzeichnet<br />
durch <strong>viele</strong> Blumen, einen<br />
frühen Blühbeginn, Hochblüte im Juni,<br />
Mahd erst in der vegetationsfreien Zeit im<br />
Spätwinter.<br />
Aber, leider, leider, es ist eben keine Wiese,<br />
ohne Gräser kippt das Ganze auf diesem<br />
nährstoffreichen Boden nach wenigen<br />
Jahren, Spontanunkräuter, Knäuelgras,<br />
Weißklee <strong>und</strong> Konsorten machen sich breit.<br />
Nach 5 Jahren ist von den „Blumen“ nichts<br />
mehr zu sehen. <strong>Burri</strong> spricht weise: “Zuerst<br />
die Grasstruktur, dann die Blumen, dann<br />
warte mal 5-10 Jahre, dann kriegt die Sache<br />
ein Gesicht.“ Und das in der heutigen,<br />
schnelllebigen Zeit!<br />
Aber Paula, die Frau mit der scharfen Zunge,<br />
glaubt zu wissen, warum dieses Beet bei<br />
uns NaturgärtnerInnen so beliebt ist: wenig<br />
bis keine Gräser, ergo keine Bestimmungsprobleme.<br />
4 | <strong>Burri</strong>s Hauswiese:<br />
Diese am flachgründigen, steilen Südhang<br />
gelegene Wiese (nur 10 cm Humus über<br />
Nagelfluh!) wurde bereits von <strong>Burri</strong>s Vater<br />
bewirtschaftet. Sie ist ein Halbtrockenrasen<br />
mit ca. 50% Lücken <strong>und</strong> beheimatet 64<br />
Arten! Glatthafer <strong>und</strong> Knaulgras sind zwar<br />
noch vorhanden, spielen aber eine untergeordnete<br />
Rolle. Die Aufrechte Trespe ist<br />
die Primadonna unter den Gräsern <strong>und</strong><br />
wiegt sich mit ihren großen Ähren sanft<br />
im Sommerwind. Zittergras <strong>und</strong> Wolliges<br />
Honiggras sind ihre Elevinnen. Für den Blumenschmuck<br />
sorgen Salbei, Acker-Witwenblume,<br />
Skabiose, Großer Wiesenknopf.<br />
So viel Handarbeit wie nötig, so wenig wie<br />
möglich!<br />
Und wieder der sanfte Hinweis: „Gut Ding<br />
braucht Weile!“ So eine Wiese kann sich nur<br />
dort entwickeln, wo die Bodenverhältnisse<br />
<strong>und</strong> die Lage stimmen – <strong>und</strong> auch dort ist<br />
viel Geduld erforderlich.<br />
Wir fassen zusammen: Die Trespenwiese<br />
ist die typische Wiesengesellschaft<br />
auf gut durchlässigen, trockenen,<br />
nährstoffarmen, kalkbetonten<br />
Böden, im gemäßigten Klima zumeist<br />
auf kleinklimatisch begünstigten<br />
Standorten wie Süd- <strong>und</strong> Osthängen.<br />
Sie zeichnet sich durch eine tiefe<br />
Durchwurzelung <strong>und</strong> einen geringen<br />
Deckungsgrad des Bodens aus. Letzterer<br />
begünstigt eine ausgeprägte vertikale<br />
Gliederung in mehrere Schichten.<br />
Neben der namengebenden Leitart<br />
Aufrechte Trespe <strong>und</strong> einigen mäßig<br />
seltenen Arten wie Karthäusernelke,<br />
Skabiosen-Flockenblume, der Frühlings-Schlüsselblume<br />
<strong>und</strong> der Skabiose<br />
kann sie bei entsprechender Reife auch<br />
die großen botanischen Besonderheiten<br />
wie verschiedene Orchideenarten<br />
oder die Kuhschelle enthalten.<br />
22 Natur & Garten September <strong>2010</strong>
Exkursionen<br />
Wiesensalbei, Karthäusernelke, W<strong>und</strong>klee,<br />
Wiesenschwingel, Margerite – ein kleiner Ausschnitt<br />
aus der großen Pracht!<br />
5 | Betrieb <strong>Burri</strong>:<br />
Umfasst 22 ha, davon 7 ha Saatgutproduktion,<br />
sonst noch Wiesen, 20 Kühe, Hochstammobst…<strong>und</strong><br />
eine anscheinend gut<br />
funktionierende Großfamilie in Wirtschaftsgemeinschaft.<br />
Wir bew<strong>und</strong>ern.<br />
<strong>Burri</strong>s Devise zur Saatgutproduktion:<br />
„So viel Handarbeit wie nötig, so wenig<br />
wie möglich.“ Ja, ja, niemand schlägt die<br />
Schweizer in Effizienz. Gejätet wird sehr selektiv,<br />
nur, was tatsächlich stört, Die Pflanzen<br />
sind gesünder, wenn sie nicht in Reinkultur<br />
stehen.<br />
<strong>Burri</strong> hat 483 Blumen- <strong>und</strong> 48 Grasarten in<br />
Produktion, es wird aber nicht jedes Jahr<br />
alles produziert, „nur“ ca. 200 Arten. Mehr<br />
als 80% der Pflanzen werden im Tunnel<br />
angezogen <strong>und</strong> später auf dem Feld ausgepflanzt,<br />
sonst würde man die schnell auflaufenden<br />
Individuen bevorzugen. Geerntet<br />
wird über mehrere Wochen, damit die<br />
Eigenschaften der früh- <strong>und</strong> spät reifenden<br />
Individuen weiter gegeben werden.<br />
Zwischen den Erntestreifen liegen Brachestreifen,<br />
auf denen wir seltene Arten wie<br />
den Venuskamm finden.<br />
Das Saatgut wird in ausgeklügelten Trocknungsboxen<br />
getrocknet <strong>und</strong> in Spezialmaschinen<br />
gesiebt.<br />
Die wichtigste Maschine aber ist der Paragleiter,<br />
der akkubetrieben jederzeit aufsteigen<br />
kann, um die Entwicklung der Kulturen<br />
aus himmlischen Höhen ja gut im Auge zu<br />
behalten.<br />
Als Draufgabe <strong>und</strong> damit wir endgültig in<br />
Bew<strong>und</strong>erung versinken, gibt’s noch eine<br />
Traktorkutschenfahrt mit Tee <strong>und</strong> Kuchen<br />
durch die duftenden, wogenden <strong>Burri</strong>–Blumen–Felder.<br />
6 | Allmend Frauenfeld:<br />
Den würdigen Abschluss dieses unvergesslichen<br />
Tages bilden die schier unendlichen<br />
<strong>Blumenwiesen</strong> im Streiflicht der Blauen<br />
St<strong>und</strong>e im Frauenfeld. Bunte Blütenpracht<br />
soweit das Auge reicht. Wir ahnen, welchen<br />
Reichtum wir in den letzten Jahrzehnten für<br />
den heutigen materiellen Wohlstand eingetauscht<br />
haben. Wir erkennen aber auch<br />
eindrucksvoll, dass es nicht zu spät ist, dass<br />
wir das verloren geglaubte Paradies wieder<br />
neu schaffen können – wenigstens in vegetationstechnischer<br />
Hinsicht.<br />
Als Belohnung für alle, die sich bis hierher<br />
durchgebissen haben, die Auflösung der Frage<br />
vom ersten Absatz: die Kuckuckslichtnelke ist<br />
ein Frische- bis Feuchtezeiger in Wiesen.<br />
Und mitten in all der Pracht das Herzstück der<br />
Exkursion<br />
Das ehemalige Militärgelände auf alten Auenböden<br />
wurde bis vor 10 Jahren landwirtschaftlich<br />
genutzt. Auch Open-Air Veranstaltungen<br />
mit bis zu 70 000 BesucherInnen<br />
<strong>und</strong> einer ausgedehnten Zeltstadt musste<br />
das Frauenfeld ertragen. 1999 wurden 7ha<br />
aus der Bewirtschaftung genommen, im<br />
Herbst umgepflügt <strong>und</strong> im Frühjahr bearbeitet<br />
<strong>und</strong> als 2 mähdige Fromentalwiese<br />
(Glatthaferwiese) besämt. Zur Zeit unseres<br />
Besuchs dominiert das tiefe Blau des<br />
Wiesensalbeis, kontrastiert von den <strong>viele</strong>n<br />
Gelb-Tönen von Klappertopf, W<strong>und</strong>klee<br />
<strong>und</strong> Hornklee.<br />
Und in die Idylle hinein wieder das <strong>Burri</strong>sche<br />
Sakrileg: „Nach 10 Jahren ist die Wiese genug<br />
ausgemagert, man sollte aufmisten, damit<br />
sie nicht verarmt!“ Aufmisten! Geht doch gar<br />
nicht! Aber sein Erfolg gibt ihm Recht!<br />
Noch so eine Weisheit: „ Die Artenzusammensetzung<br />
ist nie die Gleiche, aber es gibt<br />
für jeden Boden Mischungen, die mit der<br />
richtigen Pflege <strong>und</strong> ein bisschen Zeit, 20<br />
Jahre oder so, eine schöne Wiese ergeben.“<br />
Vor ca. 6 Jahren wurde ein Teil der Fläche<br />
(ohne Konsultation mit <strong>Burri</strong>, natürlich)<br />
„technisch ausgemagert“, sprich der Bagger<br />
drüber gejagt, <strong>und</strong> ca. 1m abgeschürft.<br />
Allerdings entstand statt der gewünschten<br />
Trespenwiese wegen des hohen Gr<strong>und</strong>wasserstandes<br />
eine wechselfeuchte Sauergraswiese.<br />
Ein Anblick, grässlich <strong>und</strong> gemein<br />
– hätte Christian Morgenstern gef<strong>und</strong>en.<br />
Auch wenn man der Fläche aus naturschutzfachlicher<br />
Sicht einen hohen Artenreichtum<br />
nicht absprechen kann.<br />
Der Tag war lang, <strong>und</strong> sonnig, <strong>und</strong> erfüllt!<br />
Wäre ein schöner Schlusssatz, auch für ein<br />
ganzes Leben.<br />
Paula Polak<br />
0043 - 699 - 122 82 750<br />
paula.polak@gmx.at<br />
Markus Kumpfmüller<br />
0043 - 7252 – 77727<br />
markus.kumpfmueller@<br />
kumpfmueller.at<br />
Natur & Garten September <strong>2010</strong> 23