christian krüger, küchenchef im gourmet - Morgenweb
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GASTGEBER<br />
Nur<br />
das<br />
Beste<br />
DIE IDEE IST SO LANGSAM UND GRÜNDLICH AUSGE-<br />
REIFT WIE EINE TOMATE AN IHREM STOCK:<br />
CHRISTIAN KRÜGER, KÜCHENCHEF IM GOURMET-<br />
RESTAURANT „AXT“ IN MANNHEIM-NECKARAU,<br />
WILL VERSTÄRKT AUF TOP-PRODUKTE AUS DER<br />
REGION SETZEN UND DAZU ENG MIT DEN ERZEUGERN<br />
KOOPERIEREN. NUN RUFT ER KOLLEGEN AUS DER<br />
GASTRONOMIE AUF, DIESE GENUSS-SELEKTION ZU<br />
UNTERSTÜTZEN.<br />
In der „Axt“ in Neckarau wird der Begriff „Front-Cooking“ auf die Spitze<br />
getrieben. Küchenchef Christian Krüger steht Tag für Tag und Abend<br />
für Abend <strong>im</strong> Schaufenster, wenn er die Speisen für seine Gäste zubereitet.<br />
Seine Küche ist <strong>im</strong> Ladengeschäft einer ehemaligen Metzgerei<br />
untergebracht, durch die große Glasfront kann man ihm dabei zuschauen.<br />
„Da muss man Ordnung halten und kann nicht mit Dingen nach Kollegen<br />
werfen“, sagt er und lacht: „Im Ernst: mehr Transparenz geht kaum.“<br />
Transparenz ist dem staatlich geprüften Gastronomen und Küchenmeister<br />
wichtig. In jeder Hinsicht. Christian Krüger will wissen, wo die Produkte<br />
herkommen, die er verarbeitet, und wie sie entstanden sind, und auch seine<br />
Gäste sollen das wissen. Bisher hat er die meisten Zutaten von Lieferanten<br />
bezogen. Geflügel und Fisch aus Frankreich, den Käse vom Affineur,<br />
einem Spezialisten, der den Käse be<strong>im</strong> Erzeuger kauft, zur vollendeten<br />
Reife bringt und das so veredelte Produkt der Gastronomie anbietet. Nun<br />
will er daneben einen anderen Weg gehen und enger mit den Produzenten,<br />
vor allem aus der Region, zusammenarbeiten. Dazu hat er die Initiative<br />
„Genuss-Selektion“ ins Leben gerufen und Kollegen aus der Gastronomie<br />
ebenso wie qualitätsbewusste Erzeuger aufgerufen, sich ihr anzuschließen.<br />
Hege und Pflege<br />
68<br />
UBI BENE<br />
Das Prinzip: Gastronomen und Erzeuger schließen Verträge ab und erhalten<br />
die voll ausgereiften Produkte zum vereinbarten Zeitpunkt in der<br />
vereinbarten Menge und zum vereinbarten Preis. „Das gibt beiden Seiten<br />
nicht nur Planungssicherheit, sondern erlaubt uns Köchen auch, Einfluss<br />
auf die Produktionsbedingungen zu nehmen“, erklärt Krüger und<br />
erläutert das am Beispiel seines ersten Vertragspartners, dem Geflügelzüchter<br />
Heinrich Ochsenschläger aus Biblis-Wattenhe<strong>im</strong>. Der Slow- <br />
Rheinvorlandstraße 7<br />
68159 Mannhe<strong>im</strong><br />
Tel +49 621 122668– 0<br />
www.speicher7.com
GASTGEBER<br />
Ausstellung<br />
'Silent Poems'<br />
arthea<br />
DR. ANDREAS STEIGER, HOTELCHEF DER „AXT“ IN NECKARAU, HEGT IN SEINEM<br />
GARTEN SIEBEN BIENENVÖLKER. IHREN HONIG VERWERTET CHRISTIAN KRÜGER<br />
IM GOURMETRESTAURANT.<br />
Food-Anhänger hegt und pflegt seine freilaufenden Hühnchen 110 Tage<br />
lang bis zur Schlachtreife. „Man kann ein Hühnchen in der Massentierhaltung<br />
auch in 60 Tagen zur Schlachtreife bringen, aber das mindert<br />
die Qualität“, verdeutlicht Krüger. „Herr Ochsenschläger füttert zu 80<br />
Prozent Weizen und zu 20 Prozent Grünfutter. Die Tiere können ihrer<br />
Natur gemäß scharren, Würmer oder Samen picken, sind gesund und<br />
der Geschmack des Fleisches ist viel intensiver.“ Der Landwirt werde so<br />
zum „Sitter des Tiers, der darauf aufpasst, es hegt und pflegt“. So wie sich<br />
Rolf Kindermann, der <strong>im</strong> pfälzischen Böbingen Bio-Kräuter und essbare<br />
Blüten aufzieht, als Hüter seiner Pflänzchen sieht.<br />
Den Schätzen der Region<br />
eine Bühne bieten<br />
Die erste Resonanz auf das Projekt sei erfreulich, erzählt Krüger, der in Erik<br />
Pratsch einen ebenso kompetenten wie anerkannten Mitstreiter gefunden<br />
hat. Der frühere Technische Oberlehrer der Hotelfachschule Heidelberg,<br />
durch dessen Ausbildung zahlreiche Spitzenköche gegangen sind, macht das<br />
Projekt in der Szene bekannt. Er hat bereits Robert Rädel ins Boot geholt,<br />
den früheren Koch <strong>im</strong> Heidelberger „S<strong>im</strong>pliciss<strong>im</strong>us“, der gerade die Küche<br />
<strong>im</strong> Landgut Lingental bei Le<strong>im</strong>en übernommen hat, und sagt: „Christian<br />
Krüger hat da ein sehr ausgereiftes, überzeugendes Konzept vorgelegt, das<br />
den Erzeuger nicht allein lässt.“ Rund zehn Restaurants wären als Abnehmer<br />
ideal, schätzt Krüger: „Dann lohnt sich der Produktionsaufwand.“<br />
Vordergründig bedient der Küchenchef der „Axt“ mit seiner Initiative einen<br />
Trend. Auf der Speisekarte ausgewiesene „regionale Produkte“ sind<br />
seit einiger Zeit ein vermeintliches Gütesiegel qualitätsbewusster Gastronomen,<br />
doch darum geht es Krüger nicht in erster Linie. „Ich will keinem<br />
Trend hinterherlaufen, sondern die Qualität stärken“, sagt er. „Und die<br />
beste Qualität erreicht ein Produkt, wenn es zur vollen Reife gelangt.“<br />
Selbstverständlich werde er auch weiterhin Ananas, Banane oder Jakobsmuscheln<br />
auf die Karte setzen. „Aber ein Süßwasserfisch muss doch nicht<br />
aus Paris herangekarrt werden.“ Stattdessen kann er auch auf dem Forellenhof<br />
Spohn in Heiligkreuzsteinach gezüchtet werden, wie die Forelle<br />
oder der Bachsaibling, den Krüger dann mit Erbsen, Möhren oder Wasabi<br />
zu einer außergewöhnlichen Vorspeisenkreation inszeniert.<br />
Christian Krügers Idee ist langsam gewachsen. Den Ke<strong>im</strong> hatte der<br />
Zwei-Sterne-Koch Hans Stefan Steinheuer in Bad Neuenahr gelegt, bei<br />
dem Krüger lange gearbeitet hat. „Da kam fast täglich der Bauer aus dem<br />
Ort in seinen Gummistiefeln ins Restaurant und hat seine Möhren gebracht.<br />
Die hatten einen unglaublich buttrigen Geschmack, wie ich ihn<br />
sonst nie erlebt habe“, schwärmt er. Als er sich Ende 2010 selbstständig<br />
machte und das Restaurant in Andreas Steigers Hotel „Axt“ übernahm,<br />
exper<strong>im</strong>entierte er zeitweise auch mit dem Eigenanbau von Gemüse.<br />
Doch die Gartenarbeit an den Ruhetagen und der aussichtlose Kampf<br />
gegen Schnecken und Schädlinge ließen die Erkenntnis reifen, „dass<br />
man das den Profis überlassen sollte“.<br />
<br />
Gabi Streile<br />
Tanne (grün auf rot)<br />
2012, Öl/LW<br />
Gabi Streile<br />
Robert Thiele<br />
Werner Schmidt<br />
11.10. bis 11.11.2013<br />
arthea<br />
galerie am rosengarten<br />
Dorothea Gänzler<br />
Stresemannstraße 4<br />
68165 Mannhe<strong>im</strong><br />
fon 0621 /1679292<br />
fax 0621 /1679293<br />
mail@arthea.de<br />
www.arthea.de<br />
Di, Do, Fr 14 bis 18.30 Uhr<br />
Sa 12 bis 16 Uhr<br />
70 UBI BENE<br />
UBI BENE 71
GASTGEBER<br />
DIE VÄTER DER „GENUSS-SELEKTION“: DR. ANDREAS STEIGER, ERIK PRATSCH UND<br />
CHRISTIAN KRÜGER SETZEN AUF TOP-PRODUKTE AUS DER REGION.<br />
Doch die Profis der Region können häufig nicht den Bedarf decken.<br />
„Als Gastronom müssen Sie sich drauf verlassen, dass Sie die Produkte<br />
in ausreichender Menge und in gleichbleibender Qualität bekommen“,<br />
erklärt Erik Pratsch, „wenn das Fleisch aber nicht gut abgehangen ist,<br />
ist es zäh.“ Durch die vereinbarte Produktion speziell für die Gastronomen<br />
werde dieses Problem beseitigt: „Und wir ermutigen die Erzeuger<br />
gleichzeitig auf Qualität zu setzen.“ Zu entdecken gebe es einiges, sagt<br />
Christian Krüger: „In der Region schlummern Schätze. Man muss sie nur<br />
finden.“ Und man müsse sich Frankreich zum Vorbild nehmen. „Kein<br />
Franzose würde sein Fleisch in Deutschland kaufen, weil er von der<br />
Qualität der eigenen Erzeugnisse überzeugt ist“, vergleicht er, „und der<br />
Pfälzer trinkt am liebsten seinen Pfälzer Wein. Warum isst er nicht am<br />
liebsten sein Pfälzer Schwein oder Rind? Dieses Bewusstsein auch be<strong>im</strong><br />
Gast können und müssen wir erkochen, indem wir he<strong>im</strong>ischen Produkten<br />
eine Bühne bieten.“ Den Anfang hat der Sieger mehrerer internationaler<br />
Kochwettbewerbe und Chef-Pâtissier der Nationalmannschaft der<br />
Köche gemacht. Aus der Pfalz bezieht er sein „Manglitzer Wollschwein“.<br />
Auch die Rinder, die auf seinen Tellern landen, sollen künftig in der Region<br />
aufwachsen. „Ich will dem Gast sagen können: Das ist mein Rind“,<br />
begründet er. Dafür n<strong>im</strong>mt er auch das ganze Tier be<strong>im</strong> Bauern ab.<br />
Süße Inszenierungen mit Stadthonig<br />
Für den Koch bedeutet das nicht nur, dass er vorausschauender planen<br />
und häufiger das Menü variieren, sondern auch, dass er ständig neue Ideen<br />
entwickeln muss. „Wir müssen noch mehr mit dem Produkt arbeiten,<br />
uns rückbesinnen auf best<strong>im</strong>mte Teile, die vielleicht aus der Mode gekommen<br />
oder nicht alltäglich sind. Ziel ist, das ganze Tier zu verwerten“,<br />
erklärt er. Das „Zweierlei vom Rind“ auf seiner Speisekarte, das er mit<br />
Senf, Kartoffel und Ackergemüse in Szene setzt, wird daher wechseln.<br />
„Das können Hüfte, Schulter, Filet oder auch mal Innereien sein“, verrät<br />
er. Irritationen be<strong>im</strong> Gast befürchtet er nicht: „Man muss die Gäste mitnehmen.<br />
Der Service erklärt ja, was auf dem Teller liegt.“ Die Erfahrung<br />
zeigt: Sein „Entengang“ erhielt auch großes Lob, wenn er neben die Keule<br />
ein Stückchen Zunge legte, und wenn sie appetitlich als Amuse-Bouche<br />
arrangiert sind, schrecken die meisten Feinschmecker auch vor Kutteln<br />
nicht zurück. „Die Inszenierung und die Kulisse müssen st<strong>im</strong>men, daraus<br />
bezieht man neue Kreativität“, findet der Küchenmeister.<br />
Bestandteil seiner kulinarischen Inszenierungen ist seit längerem schon<br />
ein Produkt, das direkt aus Neckarau kommt: Honig. Dr. Andreas Steiger,<br />
Krügers Partner in der „Axt“ und Chef des Hotels, kümmert sich in seinem<br />
Garten um sieben Bienenvölker, die in der Nachbarschaft den Nektar für<br />
einen wunderbaren Stadthonig sammeln. „Meine Söhne haben die Sendung<br />
‚Löwenzahn’ gesehen und waren fasziniert“, erzählt der 45-Jährige.<br />
Also übernahm er zusammen mit dem älteren eine Patenschaft für ein Bienenvolk<br />
be<strong>im</strong> Bienenzüchterverein Mannhe<strong>im</strong>, absolvierte einen Kurs für<br />
Hobby-Imker und durfte nach Abschluss des Patenschaft-Jahres sein Volk<br />
mitnehmen. Mittlerweile hat er es sachkundig vermehrt – <strong>im</strong> vergangenen<br />
Jahr erntete er rund 60 Kilogramm Honig, die zum Teil in die Pâtisserie der<br />
„Axt“ fließen. „Der Honig schmeckt hervorragend. Er ist sehr vielfältig, weil<br />
die Bienen keine Monokultur vorfinden, und er ist nicht so stark gefiltert<br />
wie industriell produzierter Honig“, urteilt Erik Pratsch be<strong>im</strong> Verkosten.<br />
Auf ein best<strong>im</strong>mtes Bio-Siegel legt Christian Krüger bei der Auswahl der<br />
Produzenten für die Genuss-Selektion keinen Wert. „Wichtig sind die<br />
Qualität und transparente Produktionsbedingungen und dass der Erzeuger<br />
so hinter seinem Produkt steht wie wir Köche hinter unseren Gerichten<br />
stehen“, erklärt er. Die Arbeitsweise des Affineurs lasse sich vom Käse<br />
auch auf andere Genüsse übertragen, findet er: „Der Sinn hinter unserer<br />
Genuss-Selektion ist, dass die Bauern und wir Köche ein Produkt gemeinsam<br />
zur vollendeten Reife führen und es veredeln.“ Und auch dabei lässt<br />
er sich gern auf die Finger schauen.<br />
Text: Ute Maag Fotos: Christian Dammert •<br />
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