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Hans Kelsen und die deutsche Staatsrechtslehre - Mohr Siebeck ...

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16<br />

Thomas Olechowski<br />

weichenden Verfassungsgerichtsbarkeit, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Normenkontrolle einem einzigen<br />

Gericht anvertraut <strong>und</strong> alle übrigen Gerichte davon exklu<strong>die</strong>rt hatte. 18<br />

Die Schriftfassung von <strong>Kelsen</strong>s Vortrag, abgedruckt zunächst in Heft 5 der<br />

„VVDStRL“, vielfach nachgedruckt <strong>und</strong> in das Französische, Spanische <strong>und</strong> Portugiesische<br />

übersetzt, 19 gehört zu den bedeutendsten verfassungsrechtlichen Arbeiten<br />

<strong>Kelsen</strong>s überhaupt; es lohnt, sie im Kontext mit dem Referat Triepels <strong>und</strong><br />

der nachfolgenden Diskussion zu lesen, auch wenn es zuweilen den Anschein hat,<br />

Triepel <strong>und</strong> <strong>Kelsen</strong> referierten zu zwei völlig verschiedenen Themen. Dies wurde<br />

von Thoma in der Diskussion mit dem Bild von zwei Schneisen versinnbildlicht,<br />

<strong>die</strong> Triepel <strong>und</strong> <strong>Kelsen</strong> in einen Wald geschnitten hätten, um sich in der Mitte zu<br />

treffen. Triepel widersprach: „Ich glaube, wir sind uns nicht begegnet“ – das Protokoll<br />

vermerkt an <strong>die</strong>ser Stelle: „lebhafte Heiterkeit“ – „<strong>und</strong> ich fürchte, wir werden<br />

uns auch niemals begegnen.“ 20<br />

Die völlig verschiedenartigen Herangehensweisen der beiden Juristen an ihr<br />

Thema waren zu einem guten Teil in ihren unterschiedlichen methodologischen<br />

Standpunkten begründet, aber auch darin, dass beide von der Verfassungsrechtslage<br />

ihres jeweiligen Heimatlandes ausgegangen waren. Auch wenn sich beide bemühten,<br />

zu generellen Formulierungen zu kommen – Triepel im Wege eines historischen<br />

<strong>und</strong> internationalen Rechtsvergleiches, <strong>Kelsen</strong> im Wege der Abstraktion<br />

–, so wurde doch deutlich, dass der Deutsche Triepel bei der Themenstellung<br />

stets an den Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich dachte, während der Österreicher<br />

<strong>Kelsen</strong> gleich in seinen Anfangsworten das Wort „Staatsgerichtsbarkeit“<br />

durch „Verfassungsgerichtsbarkeit“ ersetzte <strong>und</strong> in seinen weiteren Ausführungen<br />

unzweifelhaft vom österreichischen Verfassungsgerichtshof <strong>und</strong> dessen wich-<br />

18<br />

Aus der Fülle der zu <strong>die</strong>sem Thema vorhandenen Literatur seien hervorgehoben: Herbert<br />

Haller, Die Prüfung von Gesetzen (= Forschungen aus Staat <strong>und</strong> Recht 47, Wien/New York 1979)<br />

39 ff; Gerald Stourzh, <strong>Hans</strong> <strong>Kelsen</strong>, <strong>die</strong> österreichische B<strong>und</strong>esverfassung <strong>und</strong> <strong>die</strong> rechtsstaatliche<br />

Demokratie, in: Die Reine Rechtslehre in wissenschaftlicher Diskussion (= Schriftenreihe<br />

des HKI 7, Wien 1982) 7–29; Theo Öhlinger, The Genesis of the Austrian Model of Constitutional<br />

Review of Legislation, Ratio Juris 2003, 206–222; Stanley L. Paulson, Constitu tional Review in<br />

the United States and Austria: Notes on the Beginnings, ebenda 223–239; Thomas Olechowski,<br />

Der Beitrag <strong>Hans</strong> <strong>Kelsen</strong>s zur österreichischen B<strong>und</strong>esverfassung, in: Walter / Ogris / Olechowski,<br />

<strong>Hans</strong> <strong>Kelsen</strong>, 211–230, hier 227; Kurt Heller, Der Verfassungsgerichtshof. Die Entwicklung der<br />

Verfassungsgerichtsbarkeit in Österreich von den Anfängen bis zur Gegenwart (Wien 2010)<br />

162 ff; siehe künftig auch Thomas Olechowski, Judicial Review and the Juridification of Politics:<br />

The <strong>Kelsen</strong>ian Revolution, in: Mikael Rask Madsen / Christopher Thornhill (Hrsg), The Formation<br />

of Modern Europe: Perspectives from the Historical Sociology of Law (in Vorbereitung).<br />

19<br />

<strong>Hans</strong> <strong>Kelsen</strong>, Bericht, in: VVDStRL 5 (Berlin/Leipzig 1929) 30–88; vgl <strong>die</strong> bis 2003 erfolgten<br />

Nachdrucke <strong>und</strong> Übersetzungen bei Robert Walter / Clemens Jabloner / Klaus Zeleny (Hrsg),<br />

<strong>Hans</strong> <strong>Kelsen</strong>s stete Aktualität (= Schriftenreihe des HKI 25, Wien 2003) 156 sowie Robert Chr.<br />

van Ooyen, Wer soll der Hüter der Verfassung sein? (Tübingen 2008) 1–57.<br />

20<br />

Richard Thoma, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 5 (Berlin/Leipzig 1929); Heinrich<br />

Triepel, Diskussionsbeitrag ebd 116. Vgl auch Scheuner, Vereinigung 350.

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