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Praxis und Politik - Michael Oakeshott im Dialog - Mohr Siebeck ...

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14 Martyn P. Thompson<br />

ganz <strong>und</strong> gar zusammengewürfelte Diktion. Die fachtechnische Ausdrucksweise<br />

der wissenschaftlichen <strong>und</strong> pseudowissenschaftlichen Sprache kollidiert<br />

ständig mit verbreiteten Vorurteilen, beschränkten Vorannahmen <strong>und</strong><br />

modischen Präferenzen der jeweils gegenwärtigen Sprache der praktischen<br />

<strong>Politik</strong>.<br />

Eine universitäre Ausbildung in der <strong>Politik</strong> dagegen verlangt nach etwas<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich anderem. <strong>Oakeshott</strong> legt diesen Punkt folgendermaßen auseinander:<br />

Die Sprache unseres politischen Lebens zu lehren, ist ein wesentlicher Bestandteil einer<br />

politischen »Berufs«-Ausbildung, da Fertigkeit <strong>im</strong> Gebrauch dieser Sprache <strong>und</strong> Vertrautheit<br />

mit der Denkweise, die sie verkörpert, wesentlicher Teil einer politischen Tätigkeit<br />

ist. Aber diese Sprache besitzt nicht den Charakter der »Sprachen«, die meinem<br />

Vorschlag zufolge ein Universitätsstudium dem Studenten vermitteln soll. Alle »Sprachen«<br />

– die »Sprachen« der Geschichte, der Philosophie, der Naturwissenschaft <strong>und</strong> der<br />

Mathematik – sind erklärende Sprachen; jede einzelne repräsentiert eine best<strong>im</strong>mte Art<br />

<strong>und</strong> Weise des Erklärens. Aber die Sprache der <strong>Politik</strong> ist keine erklärende Sprache,<br />

ebensowenig ist das die Sprache der Kunst oder die Sprache sittlichen Handelns. [. . .]<br />

Falls es eine Denk- <strong>und</strong> Sprechweise gibt, die man zu Recht »politisch« nennen kann, ist<br />

es nicht Aufgabe der Universität, sie zu verwenden oder ihre Anwendung zu lehren. Die<br />

Universität muß sie vielmehr erklären – das heißt, eine oder mehrere der anerkannten<br />

Erklärungsweisen auf sie anwenden. 30<br />

In Ermangelung einer <strong>Politik</strong>wissenschaft <strong>im</strong> Sinne einer »strengen« (Natur-)Wissenschaft<br />

sind damit philosophische <strong>und</strong> historische Erklärungen<br />

gemeint. Würde es je eine <strong>Politik</strong>wissenschaft <strong>im</strong> strengen (naturwissenschaftlichen)<br />

Sinne geben (was <strong>Oakeshott</strong> aus gutem Gr<strong>und</strong> für unmöglich<br />

hielt), dann würden ihr die wissenschaftlichen Erklärungen hinzugefügt<br />

werden. Die Frage, um die es bei »beruflicher Ausbildung« geht, lautet: »Wie<br />

benutze ich die Sprache der derzeitigen <strong>Politik</strong> geschickt <strong>und</strong> effektiv?« Die<br />

Fragen, um die es in der »universitären Bildung« geht, sind dagegen: »Wie<br />

erkläre ich politische Tätigkeit? In welche explikatorische ›Sprache‹ oder<br />

›Sprachen‹ sollte ich sie übersetzen?« 31<br />

Diesen Überlegungen liegen zwei Prinzipien zugr<strong>und</strong>e: Universitäten<br />

sind erstens die einzigen Bildungseinrichtungen, die wir haben, um uns um<br />

»das gesamte geistige Kapital zu sorgen <strong>und</strong> es zu pflegen, das eine Zivilisation<br />

ausmacht«. Zweitens können wir eine Zivilisation nur verstehen, wenn<br />

wir ihre »erklärenden« Sprachen (explanatory languages) beherrschen. Auf<br />

keinen Fall wird sich jeder einzelne Student mit den erklärenden Sprachen<br />

auseinandersetzen wollen. Jene, die es nicht vorhaben, begehen deshalb<br />

30<br />

<strong>Oakeshott</strong> 1991, S. 211 f.<br />

31<br />

<strong>Oakeshott</strong> 1991, S. 212.

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