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Praxis und Politik - Michael Oakeshott im Dialog - Mohr Siebeck ...

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10 Martyn P. Thompson<br />

ist genauso eine Feier der modernen Welt, wie es auch eine philosophische<br />

Kritik eines Teils von ihr darstellt. 18<br />

Aber wie helfen die von praktischen Belangen ungestörte Bewahrung<br />

<strong>und</strong> die Neuinvestition des gesamten Kapitals unserer Zivilisation dabei, die<br />

überkommene Weise des Regierens <strong>und</strong> des Regiertwerdens, die politischen<br />

Aspekte unserer »gegenwärtigen Lebensweise« zu erhalten? Um dies<br />

zu beantworten, muß ich einen zentralen Aspekt von <strong>Oakeshott</strong>s Erziehungsphilosophie<br />

skizzieren.<br />

Nach <strong>Oakeshott</strong> ist Bildung <strong>im</strong> weitesten Verständnis des Begriffs der<br />

»Prozeß des Erlernens, wie man sich <strong>im</strong> Wechselspiel von Führung <strong>und</strong> Fügung<br />

selbst erkennt <strong>und</strong> etwas aus sich macht«. 19 Er beginnt mit der Geburt<br />

<strong>und</strong> endet mit dem Tod. In westlichen Gesellschaften wird er vor allem als<br />

das Erlernen des Sprechens, des Lesens <strong>und</strong> Schreibens einer Vielzahl von<br />

»Sprachen« verstanden. Daher die offensichtliche Notwendigkeit, sich anleiten<br />

zu lassen <strong>und</strong> sich einzufügen. Die verfügbaren Sprachen <strong>und</strong> die in<br />

ihnen verfaßte Literatur enthalten unsere Zivilisation. Also bedeutet Lernen,<br />

sich selbst zu erkennen <strong>und</strong> etwas aus sich zu machen, ein kompetenterer<br />

Sprecher der uns verfügbaren Sprachen der Zivilisation zu werden. Alle<br />

unsere Institutionen haben bildende Funktion. Aber unter ihnen gibt es<br />

spezifische Institutionen (Schulen, Colleges, Universitäten), die in erster Linie<br />

zu Zwecken der Bildung eingerichtet wurden. <strong>Oakeshott</strong> hat zu diesen<br />

manch bekannte <strong>und</strong> einige sehr kontroverse Dinge zu sagen.<br />

Es gibt drei Stufen der Bildung: den Kindergarten, die Schule <strong>und</strong> die<br />

Einrichtungen der höheren Bildung (Colleges <strong>und</strong> Universitäten). Im Kindergarten<br />

beginnt das Kind zu lernen, <strong>im</strong> wesentlichen durch das Spielen,<br />

»um sich in der natürlich-künstlichen Welt, in die es geboren wurde, he<strong>im</strong>isch<br />

zu fühlen«. 20 In der Schule, <strong>im</strong> disziplinierteren Lernumfeld der<br />

Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> der weiterführenden Schule, fangen die Kinder an, die<br />

Literatur <strong>und</strong> einiges von den Sprachen ihrer Zivilisation (Mathematik, Naturwissenschaft,<br />

Geschichte, Kunst, Geographie, Fremdsprachen usw.) zu<br />

lernen. Aber dies tun sie, wie gesagt, <strong>im</strong> Wechselspiel von Führung <strong>und</strong><br />

Fügung. Sie müssen auf best<strong>im</strong>mte Literatur in ausgewählten Sprachen hingewiesen<br />

werden, über die sie sich nur schemenhaft <strong>im</strong> klaren sind. Sowohl<br />

in der ersten als auch in der zweiten Bildungsstufe liegt der Schwerpunkt auf<br />

dem Erlernen von Gr<strong>und</strong>fähigkeiten <strong>und</strong> darauf, die Kinder mit der sie<br />

umgebenden vergangenen <strong>und</strong> gegenwärtigen Welt vertraut zu machen.<br />

18<br />

Siehe in diesem Zusammenhang auch den Beitrag von Henkel/Lembcke in diesem<br />

Band.<br />

19<br />

<strong>Oakeshott</strong> 1991, S. 187.<br />

20<br />

<strong>Oakeshott</strong> 1991, S. 188.

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