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Eine allgemeine Theorie der Rationalität<br />

7<br />

gewöhnlichen Subjekten mit einer normalen Psychologie zu erklären. Wie die<br />

Geschichte der Sozialwissenschaften eindrücklich belegt, lassen sich zahlreiche<br />

rätselhafte soziale und politische Phänomene einzig und allein mit diesen zwei<br />

Zutaten erklären.<br />

Kurz zusammengefasst: Wegen ihrer Schwachpunkte hat die Rational-<br />

Choice-Theorie Erklärungen irrationalistischen Charakters, die sie vorher erfolgreich<br />

vor die Tür gesetzt hatte, durch die Hintertür wieder hereingelassen.<br />

Einige Erklärungen irrationalistischer Art gehören aber zu einem wissenschaftlichen<br />

Register, wie etwa die Neurowissenschaften oder die Soziobiologie, andere,<br />

wie solche, die sich damit begnügen, psychologische oder okkulte soziale<br />

Kräfte heraufzubeschwören, hingegen nicht.<br />

Schon vor einiger Zeit haben die Schwierigkeiten der Rational-Choice-Theorie<br />

Herbert Simon zu seiner Theorie der „begrenzten Rationalität“ („bounded<br />

rationality“) inspiriert. Gary Becker hat eine Version der Rational- Choice-<br />

Theorie vorgelegt, die einige ihrer Schwächen ausräumen konnte. Diese Autoren<br />

markieren die einzigen zwei großen Durchbrüche, welche die Rational-Choice-Theorie<br />

in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnen hatte. Trotzdem<br />

ist sie nach wie vor und sogar in ihren offeneren Versionen untauglich gegenüber<br />

einer Vielzahl an Phänomenen. Daher ist es wichtig, das Augenmerk auf eine<br />

Diagnose der Gründe für die Schwachpunkte der Rational-Choice-Theorie zu<br />

legen, und, wenn möglich, Abhilfe zu schaffen.<br />

Eine allgemeine Theorie der Rationalität<br />

Dieser letzte Punkt ist eines der Hauptziele, das in den hier versammelten Beiträgen<br />

verfolgt wird. Die Artikel präsentieren und erläutern einen Ansatz, den<br />

ich vorschlage, allgemeine Theorie der Rationalität zu nennen. Wie die Rational-Choice-Theorie<br />

auch, folgt dieser Ansatz der Perspektive des methodologischen<br />

Individualismus. Aber im Gegensatz zur Rational-Choice-Theorie vermeidet<br />

er es, menschliche Rationalität auf ihre instrumentelle Dimension zu<br />

reduzieren. Berücksichtigt wird stattdessen, dass nicht nur die Wahl von Mitteln,<br />

sondern auch die Wahl von Zielen und Werten als rational bezeichnet werden<br />

kann, und zwar in einem Sinn, den es noch zu präzisieren gilt. Mit anderen<br />

Worten basiert meine Theorie zum einen auf der Diagnose, dass die Schwächen<br />

der Rational-Choice-Theorie daher rühren, dass sie Rationalität stets mit instrumenteller<br />

Rationalität gleichsetzt, zum anderen auf der Vermutung, dass<br />

diese Gleichsetzung keineswegs zwingend ist. Mit dieser Diagnose geht eine<br />

Erweiterung des Rationalitätsbegriffs einher; deshalb der Vorschlag, die Theorie<br />

als „allgemein“ zu qualifizieren.<br />

Mit der allgemeinen Theorie der Rationalität ist es möglich, wesentliche soziale<br />

Phänomene – wie Glaubensüberzeugungen und Meinungen – Erklärun-

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