PDF (200 KB) - Mohr Siebeck Verlag
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XIII<br />
Vorwort zur deutschen Übersetzung:<br />
Die drei Regeln der erklärenden Soziologie<br />
Die drei Kulturen von Wolf Lepenies (1985), ein Buch mit grundsätzlichen Reflexionen<br />
zur Soziologie, ist in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts in bestimmten<br />
soziologischen Kreisen auf große Resonanz gestoßen. Lepenies verteidigt<br />
darin zwei Thesen: Erstens sei die Soziologie weder eine Wissenschaft<br />
noch eine Kunst, sondern eine „dritte Kultur“; zweitens hätten sich die großen<br />
Klassiker der Soziologie einer Illusion hingegeben, als sie glaubten, die Soziologie<br />
könne eine Wissenschaft wie jede andere sein. Das Buch bezog seine Inspiration<br />
aus dem Zustand der Soziologie zu der Zeit, als es in den 1980er Jahren<br />
verfasst wurde. Die Soziologie war damals von zwei gegensätzlichen geistigen<br />
Strömungen beherrscht, dem Strukturalismus und dem Konstruktivismus. Der<br />
Strukturalismus war von Wissenschaftsgläubigkeit geprägt, der Konstruktivismus<br />
von Relativismus. Heute eröffnet sich mit der Entfaltung einer analytischen<br />
oder erklärenden Soziologie ein neuer Ansatz.<br />
Ein Kommentar auf der vierten Umschlagseite des Sammelbandes Analytical<br />
Sociology and Social Mechanisms erklärt die analytische Soziologie kurzerhand<br />
zur „guten Soziologie“ (good sociology) und interpretiert sie im Wesentlichen<br />
als Reaktion auf die zunehmende Heterogenität der heutigen Soziologie<br />
(Demeu lenaere 2012). Das Aufkommen des Begriffs analytische Soziologie ist<br />
vielleicht in erster Linie ein Zeichen; es steht für das Ende der Ära „weder Wissenschaft<br />
noch Kunst“ und für die Absicht, die Soziologie als eine Wissenschaft<br />
zu begreifen, die denselben Regeln gehorcht wie alle anderen.<br />
Viele soziologische Arbeiten, die als echte wissenschaftliche Beiträge gelten,<br />
folgen drei Regeln, anhand derer „gute Soziologie“ identifiziert werden kann.<br />
Das vorliegende Buch widmet sich in erster Linie der ersten Regel: Menschliches<br />
Verhalten ist als rational zu behandeln. Aber was ist Rationalität? Diese<br />
Frage bildet den Kernpunkt des Bandes. Ich freue mich, dass mir dieses Vorwort<br />
zur deutschen Übersetzung Gelegenheit gibt, die beiden anderen Punkte<br />
der Prinzipientrias, die „gute Soziologie“ ausmacht, anzusprechen.