PDF (1.7 MB) - Mohr Siebeck Verlag
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Joseph und Aseneth als Roman 11<br />
Nimmt man gängige Definitionen des antiken Romans<br />
wie jene von Niklas Holzberg als Orientierungspunkt, so<br />
fallen neben Unterschieden vor allem Gemeinsamkeiten<br />
zwischen Joseph und Aseneth und den „etablierten“ griechischen<br />
Romanen ins Auge. Einige Parallelen zum antiken<br />
Roman sind auch schon früh zur Kenntnis genommen<br />
worden: Die edle Herkunft des späteren Liebespaares,<br />
dessen Schönheit und die Umwerbung der jungen Frau<br />
durch Nebenbuhler gehören ebenso zu den Charakteristika<br />
des antiken Romans wie die Jungfräulichkeit der Protagonistinnen<br />
und Protagonisten, der „coup de foudre“, das<br />
Liebesleid, der Kuss, die Trennung, die skrupellosen Intrigen.<br />
Marc Philonenko, der Herausgeber der französischen<br />
Ausgabe von 1968, hat, wenn auch nur sehr knapp,<br />
auf solche Parallelen hingewiesen. 28 Allerdings – und hier<br />
irrte Philonenko – verstand er Joseph und Aseneth letztlich<br />
deswegen nicht als ein typisches Beispiel eines antiken<br />
Romans, weil er die lang währende Keuschheit der beiden<br />
Protagonisten als wesentlichen Unterschied zum gängigen<br />
griechischen Roman las: „Après tant de romans libertins,<br />
c’est un roman puritain qui est proposé au lecteur.“ 29 Auch<br />
in der neueren Forschung wird auf die „prüden“ Charaktere<br />
als Argument gegen eine Zuordnung in die Gruppe der<br />
antiken Liebesromane verwiesen. 30 Dass Joseph und Aseneth<br />
durchaus erotische Momente kennt, hat freilich nur schon<br />
unsere Zusammenfassung gezeigt. Zudem gilt es darauf hinzuweisen,<br />
dass zumindest der so genannte „idealisierende“<br />
absichtigt jedenfalls weder ein Mysterium noch religiöse Propaganda<br />
zu sein.<br />
28<br />
Philonenko (1968) 43.<br />
29<br />
Philonenko (1968) 44.<br />
30<br />
Barclay (1996) 205 („somewhat prudish depiction of the heroes“).