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Lehrbuch des Privatrechts - Mohr Siebeck Verlag

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§ 1 Einleitung 9<br />

laubt demgegenüber ein einheitliches Verständnis der Vertragspflichten: Diese<br />

können auf dem Willen der Parteien und deren gegenseitigem Vertrauen beruhen.<br />

Einheitlich handelt es sich dabei um Vertragspflichten.<br />

c) Das Verschuldensprinzip<br />

Das zweite Prinzip, das einem vertragsrechtlich begründeten Vertrauensschutz<br />

entgegengesetzt ist, ist das Verschuldensprinzip. Auch seine Tradition im vertraglichen<br />

Leistungsstörungsrecht ist sehr alt und lässt sich kaum einheitlich zurückverfolgen.<br />

Ein möglicher Ursprung liegt in der Summa Theologica, einem<br />

Zentralwerk der mittelalterlichen Scholastik. Darin systematisiert der Kirchengelehrte<br />

Thomas von Aquin die bekannten Kaufrechtsfälle <strong>des</strong> römischen<br />

Rechts in ungewöhnlicher Weise neu. Ein Kapitel lautet dabei „de fraudulentia<br />

quae commitur in emptionibus et venditionibus“, 32 vom Betrug der bei Kauf<br />

und Verkauf begangen wird. Darunter fasst er neben dem Betrug iSd. heutigen<br />

§ 263 StGB auch alle Fälle der Schlechtlieferung einer Sache, denn auch hier<br />

scheint der Käufer vom Verkäufer regelmäßig fahrlässig „betrogen“, erhält er<br />

doch weniger als es der Höhe <strong>des</strong> von ihm gezahlten Kaufpreises entspricht. 33<br />

Die Leistungspflichtverletzung beim Kauf gerät damit in einen engen Zusammenhang<br />

mit dem Vorwurf sündhaften/schuldhaften Verhaltens. Diesen Zusammenhang<br />

greift der Naturrechtler Hugo Grotius in seinem Hauptwerk auf<br />

und ersetzt dort die theologischen Implikationen durch ethische Gebote, die<br />

sich übrigens auch aus der Vertragsnatur ergeben sollen. So entsteht die naturrechtliche<br />

Lehre von der Aequalitas, der Vertragsgerechtigkeit, die sich die<br />

Parteien untereinander schulden. 34 Sie stellt einen Zusammenhang zwischen der<br />

Leistungsstörung und dem Vorwurf unrechten Verhaltens her, <strong>des</strong>sen Tradition<br />

sich bis in die Rechtsphilosophie Hegels fortsetzt. 35 Hegels Überlegungen entspricht<br />

wiederum die Vorstellung, dass der Mensch seine Persönlichkeit nicht<br />

ganz an einen anderen entäußern kann, wohl aber einzelne seiner Hervorbringungen:<br />

„Von meinen besonderen, körperlichen und geistigen Geschicklichkeiten und Möglichkeiten<br />

der Tätigkeit kann ich einzelne Produktionen und einen in der Zeit beschränkten Gebrauch<br />

von einem anderen veräußern, weil sie nach dieser Beschränkung ein äußerliches<br />

Verhältnis zu meiner Totalität und Allgemeinheit erhalten.“ 36<br />

9<br />

32 Thomas von Aquin, Summa Theologica, hrsg. von der Albertus Magnus-Akademie, Bd. 18,<br />

1953, liber 2 pars 2.<br />

33 Ebenda quaestio 2.<br />

34 Hugo Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, Ausgabe Lugdunum Batavorum, Brill 1939,<br />

liber 2, caput 12, § 11.<br />

35 Dazu Landau, in: Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie (Hrsg. Riedel), Bd. 2, 1975,<br />

S. 176, 187f.<br />

36 Hegel, Grundlinien der Philosophie <strong>des</strong> Rechts, 1820, § 67 Satz 1.

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