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Lehrbuch des Privatrechts - Mohr Siebeck Verlag

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§ 1 Einleitung 3<br />

mel: „assumpsit“ bedeutet, der Fuhrmann hat den Transport <strong>des</strong> Pfer<strong>des</strong> „unternommen“<br />

und hat <strong>des</strong>halb für <strong>des</strong>sen Wohlbehalt einzustehen. 9 Der Gegenstand<br />

dieser Einstandspflicht entwickelt sich in der Tradition <strong>des</strong> englischen<br />

Fallrechts allerdings erst über Jahrhunderte durch Verschmelzung mit anderen<br />

Klagearten und durch Präzisierung im Hinblick auf immer neue Konstellationen.<br />

Doch bereits am Anfang steht die bis auf den heutigen Tag charakteristische<br />

Orientierung <strong>des</strong> englischen Rechts an der Rechtsfolge Schadensersatz.<br />

Anders als etwa im deutschen Recht stehen nicht die einzelnen Tatbestände der<br />

Leistungsstörung im Mittelpunkt (Unmöglichkeit, Verzug, Schlechtleistung,<br />

Mangelfolgeschaden), sondern die den Verkäufer treffenden Rechtsfolgen. Von<br />

diesen aus werden die Tatbestände der Leistungsstörung vergleichsweise pragmatisch<br />

unter einen Einheitstatbestand gefasst: die Vertragsverletzung (Breach<br />

of Contract). Dies führt von Anfang an zu einer großen systematischen Einheitlichkeit<br />

<strong>des</strong> Leistungsstörungsrechts; Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen<br />

Mängelhaftung und Unmöglichkeit, die den Leser durch weite Bereiche<br />

dieses Buches begleiten werden, stellen sich im englischen Recht daher in diesem<br />

Umfang nicht. Dazu trägt aber auch die Generalisierung <strong>des</strong> zugrunde liegenden<br />

Rechtsgedankens im Slade's Case aus dem Jahre 1602 bei. 10 Dort findet<br />

sich die Vorstellung „Every contract executory imports in itself an assumpsit“.<br />

Je<strong>des</strong> vertragliche Leistungsversprechen führt danach zu impliziten Einstandspflichten<br />

(Implied Assumpsit). Die Kontinentaljuristen haben daran lange Zeit<br />

bemängelt, dass rechtsgeschäftliche Garantieversprechen zu Lasten <strong>des</strong> Schuldners<br />

einfach fingiert würden. Den tragenden Rechtsgedanken sieht das englische<br />

Recht aber ganz anders: „The gist of the action is the deceit in breaking<br />

a promise on the faith of which the plaintiff had been induced to part with his<br />

money or other promise.“ 11 In unser heutiges Systemverständnis übertragen<br />

lautet der zugrunde liegende Rechtsgedanke so: Die Willenserklärung <strong>des</strong><br />

Schuldners (das Leistungsversprechen) ist ein Vertrauenstatbestand, auf den<br />

sich schutzwürdige Erwartungen <strong>des</strong> Gläubigers gründen. Wird das schutzwürdige<br />

Gläubigervertrauen enttäuscht, muss der Schuldner genau die Handlung<br />

vornehmen, die eine Erfüllung <strong>des</strong> Versprechens schließlich doch noch ermöglicht;<br />

ansonsten schuldet er Ersatz. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt in der<br />

einfachen Erklärung <strong>des</strong> Zusammenhangs zwischen der zum Vertragsschluss<br />

führenden Willenserklärung <strong>des</strong> Verkäufers und der Haftung <strong>des</strong> Verkäufers bei<br />

Störungen. Die Einstandspflicht <strong>des</strong> Schuldners wirkt wie eine Versicherung:<br />

Im Ausgangspunkt ist der Schuldner zu der versprochenen Leistung verpflichtet.<br />

Seine Einstandspflicht passt sich dabei dem Auftreten oder Ausbleiben von<br />

9 Rheinstein, Die Struktur <strong>des</strong> vertraglichen Schuldverhältnisses im anglo-amerikanischen<br />

Recht, 1932, S. 24f.; vgl. auch Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997,<br />

S. 220ff.<br />

10 4 Coke’s Report 92b; vgl. aus deutscher Sicht etwa Weidt, Antizipierter Vertragsbruch –<br />

Eine Untersuchung zum deutschen und englischen Recht, 2008, S. 43ff.<br />

11 So Ames, zitiert nach Rheinstein, Die Struktur <strong>des</strong> vertraglichen Schuldverhältnisses im anglo-amerikanischen<br />

Recht, 1932, S. 28f.

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