7.1 Lage und Funktion der Niere - Buchhandel.de
7.1 Lage und Funktion der Niere - Buchhandel.de
7.1 Lage und Funktion der Niere - Buchhandel.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
7 URIN AUSSCHEIDEN<br />
<strong>7.1</strong> <strong>Lage</strong> <strong>und</strong> <strong>Funktion</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong><br />
<strong>Lage</strong><br />
<strong>Lage</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>n<br />
Linke <strong>und</strong> rechte <strong>Niere</strong> liegen hinter <strong>de</strong>m Bauchfell,<br />
also im Retroperitonealraum. Ihre Längsachse ist<br />
leicht gekippt, so dass <strong><strong>de</strong>r</strong> obere <strong>Niere</strong>npol einen geringeren<br />
Abstand zur Wirbelsäule hat als <strong><strong>de</strong>r</strong> untere.<br />
Dem oberen <strong>Niere</strong>npol sitzt wie eine leicht zur Mitte<br />
hin verschobene Kappe die Nebenniere auf, ein<br />
wichtiges hormonproduzieren<strong>de</strong>s Organ.<br />
Die <strong>Niere</strong>n liegen vergleichsweise weit oben im<br />
Rumpf, direkt unterhalb <strong>de</strong>s Zwerchfells, am Übergang<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Brust- zur Len<strong>de</strong>nwirbelsäule. Die rechte<br />
<strong>Niere</strong> wird vom mächtigen rechten Leberlappen<br />
leicht nach unten verdrängt. Im Stehen <strong>und</strong> bei starker<br />
Einatmung bewegt sich die <strong>Niere</strong> um wenige<br />
Zentimeter nach unten. Diese Verschieblichkeit<br />
wird dadurch ermöglicht, dass die <strong>Niere</strong>n von einer<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ben Organkapsel eingehüllt sind, die ihrerseits in<br />
lockerem Fett- <strong>und</strong> Bin<strong>de</strong>gewebe schwimmend gelagert<br />
ist (Abb. <strong>7.1</strong>).<br />
untere Hohlvene<br />
Fett <strong>und</strong><br />
Bin<strong>de</strong>gewebe<br />
rechte <strong>Niere</strong><br />
M. psoas major<br />
Beckenkamm<br />
Harnleiter<br />
Prostata<br />
Harnröhre<br />
<strong>Niere</strong>nbecken<br />
Aorta<br />
untere Hohlvene<br />
Speiseröhre<br />
Nebennieren<br />
Nebennierenvene<br />
<strong>Niere</strong>nvene<br />
<strong>Niere</strong>narterie<br />
Beckenarterie<br />
<strong>und</strong> -vene<br />
Harnblase<br />
a<br />
Fett <strong>und</strong><br />
Bin<strong>de</strong>gewebe<br />
<strong>Niere</strong>ngurt. Ihre hervorragen<strong>de</strong> <strong>Lage</strong>rung<br />
tief im Inneren <strong>de</strong>s Körpers sowie die Tatsache,<br />
dass die <strong>Niere</strong>n zum größten Teil von<br />
<strong>de</strong>n Rippen umgeben sind, schützt sie sowohl vor<br />
harten Stößen <strong>und</strong> Schlägen als auch vor Auskühlung.<br />
Beim Motorradfahren wür<strong>de</strong>n die <strong>Niere</strong>n niemals<br />
auskühlen, vorher wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> Motorradfahrer<br />
schon vor Unterkühlung gestorben. Der sogenannte<br />
„<strong>Niere</strong>ngurt“ schützt nicht die <strong>Niere</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />
Muskulatur <strong><strong>de</strong>r</strong> Len<strong>de</strong>nwirbelsäule vor Auskühlung<br />
<strong>und</strong> Verspannung (Hexenschuss).<br />
Aufbau<br />
Größe <strong>und</strong> Gewicht<br />
M. psoas major<br />
autochthone<br />
Rückenmuskulatur<br />
Wirbelkörper<br />
rechte <strong>Niere</strong><br />
Abb <strong>7.1</strong> Teil (a) <strong><strong>de</strong>r</strong> Abbildung zeigt <strong>de</strong>n Raum hinter <strong>de</strong>m<br />
Bauchfell (Retroperitonealraum), nach<strong>de</strong>m die Bauchspeicheldrüse<br />
entfernt wor<strong>de</strong>n ist. Ein „<strong>Lage</strong>r“ aus Fett <strong>und</strong> Bin<strong>de</strong>gewebe<br />
schützt die <strong>Niere</strong>n vor Erschütterungen. <strong>Niere</strong>narterie <strong>und</strong> -<br />
vene zweigen rechtwinklig aus <strong>de</strong>n großen Bauchgefäßen ab.<br />
Der Harnleiter überkreuzt auf seinem Weg zur Blase die Bekkenarterien.<br />
Auf einem Querschnitt durch <strong>de</strong>n oberen Bauchraum<br />
(b) sehen Sie, dass die <strong>Niere</strong>n direkt neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirbelsäule<br />
liegen <strong>und</strong> durch die Rückenmuskulatur nach hinten isoliert<br />
sind.<br />
Die <strong>Niere</strong> eines ges<strong>und</strong>en Erwachsenen ist ca. 12 cm<br />
lang, 6 cm breit, 5 cm dick <strong>und</strong> hat ein Gewicht von<br />
ca. 100–200 g. Diese Werte sind je nach Körperkonstitution<br />
<strong>und</strong> Ernährungsgewohnheiten starken<br />
Schwankungen unterworfen: Bei einer ausgeprägt<br />
eiweißreichen Diät bzw. wenn die zweite <strong>Niere</strong> funktionsuntüchtig<br />
ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> entfernt wur<strong>de</strong>, kann eine<br />
<strong>Niere</strong> das Doppelte ihres Ausgangsgewichts erreichen.<br />
Umgekehrt führt eine überwiegend kohlenhydratreiche<br />
Kost dazu, dass die <strong>Niere</strong>n kleiner wer<strong>de</strong>n.<br />
Die typische <strong>Niere</strong>nform kommt dadurch zustan<strong>de</strong>,<br />
dass sich das <strong>Niere</strong>ngewebe zur Mittellinie hin – gewissermaßen<br />
in Embryohaltung – einrollt (Abb. 7.2).<br />
Auf diese Weise entstehen eine konvexe Außenfläche<br />
<strong>und</strong> eine konkave Innenfläche.<br />
b<br />
212<br />
Schwegler, Der Mensch – Anatomie <strong>und</strong> Physiologie (ISBN 3131001542), F 2006 Georg Thieme Verlag
<strong>7.1</strong> LAGE UND FUNKTION DER NIERE<br />
Längsschnitt durch eine <strong>Niere</strong><br />
<strong>Niere</strong>nlappen<br />
<strong>Niere</strong>nkapsel<br />
<strong>Niere</strong>nkelch<br />
<strong>Niere</strong>nhilus<br />
<strong>Niere</strong>nbecken<br />
Harnleiter<br />
<strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong><br />
<strong>Niere</strong>nmark<br />
Markpyrami<strong>de</strong><br />
Markstrahlen<br />
Missbildungen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>n. Missbildungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong> sind extrem häufig <strong>und</strong> wer<strong>de</strong>n<br />
meist nur als Zufallsbef<strong>und</strong> festgestellt.<br />
Eine <strong>Niere</strong>nzyste entsteht dadurch, dass ein Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Niere</strong> zwar Urin produziert, jedoch keinen Anschluss<br />
an das ableiten<strong>de</strong> Harnwegsystem hat: Der Urin<br />
staut sich auf, <strong><strong>de</strong>r</strong> Staudruck zerstört das funktionsuntüchtige<br />
Areal, während das übrige Gewebe nicht<br />
beeinträchtigt wird.<br />
Hufeisennieren sind mit ihrem unteren Pol über<br />
die Wirbelsäule hinweg miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> verwachsen<br />
<strong>und</strong> enthalten zwei o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrere <strong>Niere</strong>nbecken.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Senkniere ist die Verschieblichkeit <strong>de</strong>s Organs<br />
abnorm vergrößert: Im Stehen rutscht die <strong>Niere</strong><br />
aus ihrem Fettlager nach unten bis in <strong>de</strong>n Beckenraum<br />
ab. Diese im Prinzip harmlose Normvariante<br />
besitzt nur dann Krankheitswert, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Harnleiter<br />
abgeknickt wird <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Urin im Stehen nicht<br />
mehr abfließen kann.<br />
<strong>Niere</strong>npapille<br />
<strong>Niere</strong>nhilus<br />
Die <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirbelsäule benachbarte Konkavfläche enthält<br />
<strong>de</strong>n <strong>Niere</strong>nhilus, also die Einmündungsstelle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Niere</strong>narterie (A. renalis), <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Ursprung von <strong>Niere</strong>nvene<br />
(V. renalis), Harnleiter (Ureter) <strong>und</strong> Lymphgefäßen.<br />
<strong>Niere</strong>nsinus<br />
<strong>Niere</strong>nsäule<br />
Abb 7.2 Unter <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong> ziehen gestreifte Markpyrami<strong>de</strong>n<br />
zu jeweils einem <strong>Niere</strong>nkelch. An die Markpyrami<strong>de</strong>n grenzen<br />
die <strong>Niere</strong>nsäulen, die aus <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong>ngewebe bestehen. Je<br />
eine Markpyrami<strong>de</strong> <strong>und</strong> die zwei angrenzen<strong>de</strong>n halben <strong>Niere</strong>nsäulen<br />
bil<strong>de</strong>n einen <strong>Niere</strong>nlappen.<br />
Der Längsschnitt durch eine <strong>Niere</strong> (Abb. 7.2) zeigt Ihnen,<br />
dass sich das <strong>Niere</strong>ngewebe wie ein Ballettschuh<br />
einrollt, wobei die <strong>Niere</strong>nkapsel <strong><strong>de</strong>r</strong> Schuhsohle<br />
entspricht. Dadurch entsteht im Inneren <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Niere</strong> eine Tasche, die mit Ausnahme <strong>de</strong>s <strong>Niere</strong>nhilus<br />
allseits von <strong>Niere</strong>ngewebe umfasst ist – <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>nsinus.<br />
Er wird zum größten Teil vom <strong>Niere</strong>nbecken<br />
(Pelvis renalis) ausgefüllt, das von einem wasserdichten<br />
Epithel ausgeklei<strong>de</strong>t ist.<br />
Die <strong>Niere</strong>n liegen am Übergang von <strong>de</strong>n<br />
Brust- zur Len<strong>de</strong>nwirbelsäule. Sie schwimmen<br />
in einem Fett- <strong>und</strong> Bin<strong>de</strong>gewebslager.<br />
<strong>Niere</strong>nkapsel <strong>und</strong> -rin<strong>de</strong><br />
Eine <strong><strong>de</strong>r</strong>be Bin<strong>de</strong>gewebskapsel (Capsula fibrosa) umhüllt<br />
die ungefähr einen Zentimeter breite, rotbraun<br />
gefärbte <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong> (Cortex renalis). Die <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong><br />
ist ein homogen erscheinen<strong>de</strong>s Gewebe, das von<br />
vielen steckna<strong>de</strong>lkopfgroßen Strukturen (Glomerula)<br />
durchsetzt ist.<br />
<strong>Niere</strong>nmark<br />
Weiter innen – in Richtung <strong>Niere</strong>nsinus – erkennt<br />
man eine Reihe (8–20) von Markpyrami<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Spitzen zum <strong>Niere</strong>nbecken weisen. Die Gesamtheit<br />
dieser Markpyrami<strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>t das <strong>Niere</strong>nmark (Medulla<br />
renalis). Je zwei Markpyrami<strong>de</strong>n sind durch<br />
eine Säule aus <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong>ngewebe voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> getrennt<br />
(Columna renalis), die sich bis an die äußere<br />
Begrenzung <strong>de</strong>s <strong>Niere</strong>nbeckens vorschiebt. Je eine<br />
Markpyrami<strong>de</strong> <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> außen anschließen<strong>de</strong> Anteil<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong> bil<strong>de</strong>n einen <strong>Niere</strong>nlappen (Lobus<br />
renalis).<br />
Blutversorgung<br />
20–25% <strong>de</strong>s gesamten Herzzeitvolumens durchströmen<br />
ständig die bei<strong>de</strong>n <strong>Niere</strong>n. Daher haben <strong>Niere</strong>narterie<br />
<strong>und</strong> -vene einen großen Innendurchmesser.<br />
Die <strong>Niere</strong>narterien entspringen beidseits nahezu<br />
rechtwinklig aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Aorta. Die rechte <strong>Niere</strong>narterie<br />
unterquert hinten die untere Hohlvene. Die <strong>Niere</strong>nvenen<br />
verlaufen parallel zu <strong>de</strong>n Arterien, d.h. dass<br />
die linke <strong>Niere</strong>nvene die Aorta vorne überquert.<br />
Schwegler, Der Mensch – Anatomie <strong>und</strong> Physiologie (ISBN 3131001542), F 2006 Georg Thieme Verlag<br />
213
7 URIN AUSSCHEIDEN<br />
Arterielles Blut gelangt über die Bogenarterien (Aa.<br />
arcuatae) zwischen die Markpyrami<strong>de</strong>n <strong>und</strong> die entsprechen<strong>de</strong>n<br />
<strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong>nbezirken je<strong>de</strong>s <strong>Niere</strong>nlappens.<br />
Aus diesen Bogenarterien leiten aufsteigen<strong>de</strong><br />
Gefäße das Blut in die Glomerula <strong>und</strong> von dort wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
abwärts zur Versorgung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>s<br />
Marks. 30% <strong>de</strong>s gesamten durch die <strong>Niere</strong> strömen<strong>de</strong>n<br />
Bluts erreichen jedoch nur die <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong> <strong>und</strong><br />
strömen in <strong>de</strong>n allgemeinen Kreislauf zurück, ohne<br />
das Mark zu durchbluten.<br />
Die <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong> hat eine extrem hohe Durchblutung.<br />
Etwa 15 keilförmige Markpyrami<strong>de</strong>n<br />
erstrecken sich von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>nrin<strong>de</strong> bis in <strong>de</strong>n<br />
<strong>Niere</strong>nsinus.<br />
7.2 Aufbau eines Nephrons<br />
Der mikroskopische Feinbau <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong> ist – verglichen<br />
mit <strong>de</strong>m an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Organe – recht komplex<br />
<strong>und</strong> wirkt auf <strong>de</strong>n ersten Blick schwer verständlich.<br />
Das <strong>Niere</strong>ngewebe besteht nahezu ausschließlich<br />
aus einem verschlungenen, von flachem bis zylin<strong><strong>de</strong>r</strong>förmigem<br />
Epithel ausgeklei<strong>de</strong>ten Röhrensystem sowie<br />
einer Vielzahl kleinster Blutgefäße. Die kleinste<br />
Baueinheit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong> ist das Nephron. Der Mensch<br />
besitzt schätzungsweise 1–1,5 Millionen Nephrone,<br />
die alle parallel zueinan<strong><strong>de</strong>r</strong> geschaltet sind. Je<strong>de</strong>s Nephron<br />
setzt sich funktionell aus zwei unterschiedlichen<br />
Abschnitten zusammen, <strong>de</strong>m <strong>Niere</strong>nkörperchen<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>m Tubulus.<br />
<strong>Niere</strong>nkörperchen<br />
<strong>Niere</strong>nkörperchen<br />
Vas afferens<br />
Bowman-<br />
Kapsel<br />
Gefäßpol<br />
Harnpol<br />
Vas efferens<br />
• Macula-<strong>de</strong>nsa-Zellen <strong>de</strong>s<br />
distalen Tubulus<br />
• Mesangiumzellen<br />
• granulierte Zellen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wand <strong>de</strong>s<br />
Vas afferens<br />
Kapillaren <strong>de</strong>s<br />
Glomerulums<br />
Kapselraum<br />
Abb 7.3 Je<strong>de</strong>s <strong>Niere</strong>nkörperchen besteht aus einer Kapsel (Bowman-Kapsel)<br />
<strong>und</strong> einem Netz aus Kapillarschlingen (Glomerulum).<br />
Gefäßpol <strong>und</strong> Harnpol liegen auf entgegengesetzten Seiten. Beachten<br />
Sie, dass sich einTeil <strong>de</strong>s Tubulus <strong>de</strong>m Gefäßpol <strong>de</strong>s <strong>Niere</strong>nkörperchens<br />
eng anlagert (juxtaglomerulärer Apparat).<br />
juxtaglomerulärer Apparat<br />
Glomerulum<br />
Das Nephron beginnt mit einem <strong>Niere</strong>nkörperchen<br />
(Corpusculum renale, Malpighi-<strong>Niere</strong>nkörperchen).<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich dabei um ein 0,2–0,3 mm großes Kügelchen,<br />
das im Wesentlichen von einer knäuelförmigen<br />
Kapillarschlinge, <strong>de</strong>m Glomerulum, gebil<strong>de</strong>t<br />
wird (Abb. 7.3). Die aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>narterie stammen<strong>de</strong>n<br />
Arteriolen (Einzahl Vas afferens, Mehrzahl Vasa<br />
afferentia) teilen sich in 30–60 parallele Kapillarschlingen<br />
auf, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Endothel für Wasser <strong>und</strong> gelöste<br />
Stoffe extrem durchlässig ist, Blutzellen <strong>und</strong> große<br />
Eiweißmoleküle jedoch zurückhält. Das die glomerulären<br />
Kapillarschlingen verlassen<strong>de</strong>, immer noch<br />
sauerstoffreiche Blut wird in arteriolenähnlichen<br />
Blutgefäßen (Vasa efferentia) gesammelt <strong>und</strong> einem<br />
weiteren Kapillarnetz zugeleitet.<br />
Bowman-Kapsel<br />
Das Glomerulum ist von <strong><strong>de</strong>r</strong> Bowman-Kapsel umgeben,<br />
die im Prinzip <strong>de</strong>n blindsackartigen Beginn <strong>de</strong>s<br />
Tubulussystems darstellt. Im Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung<br />
hat sich dieser Tubulusanteil ausgeweitet <strong>und</strong><br />
das Glomerulum eingehüllt. Es entstand eine doppelwandige<br />
Struktur, <strong><strong>de</strong>r</strong>en innere Schicht fest mit<br />
<strong>de</strong>m Kapillarendothel <strong>de</strong>s Glomerulums verwachsen<br />
ist. Die Epithelzellen dieser inneren Schicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Bowman-Kapsel<br />
haben sich zu charakteristischen Podozyten<br />
(„Füßchenzellen“) umgewan<strong>de</strong>lt, zwischen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Ausläufern Wasser <strong>und</strong> kleinere gelöste Moleküle<br />
aus <strong>de</strong>m Glomerulum in das Tubulussystem abfiltriert<br />
wer<strong>de</strong>n. Diese Flüssigkeit bezeichnet man als<br />
Primärharn.<br />
214<br />
Schwegler, Der Mensch – Anatomie <strong>und</strong> Physiologie (ISBN 3131001542), F 2006 Georg Thieme Verlag
7.2 AUFBAU EINES NEPHRONS<br />
Gefäß- <strong>und</strong> Harnpol<br />
Das <strong>Niere</strong>nkörperchen besitzt also einen Gefäßpol an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> einzigen nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Bowman-Kapsel umhüllten<br />
Stelle (Mündung <strong>und</strong> Ursprung von Vas afferens<br />
<strong>und</strong> Vas efferens) sowie einen entgegengesetzt gelegenen<br />
Harnpol als Ursprung <strong>de</strong>s Tubulussystems aus<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bowman-Kapsel.<br />
<strong>Niere</strong>ntubulus<br />
Durch die Glomerulumschlingen gelangen täglich bis<br />
zu 200 l Flüssigkeit in die Bowman-Kapseln (!). Damit<br />
wir nicht innerhalb weniger Minuten austrocknen,<br />
müssen 99% dieser Menge wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Blut zugeführt<br />
wer<strong>de</strong>n. Dieser Aufgabe dient <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>ntubulus<br />
(Abb. 7.4). Es besteht aus<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Strukturen:<br />
Proximaler <strong>Niere</strong>ntubulus<br />
Der erste Teil dieses Röhrensystems heißt proximaler<br />
<strong>Niere</strong>ntubulus. Er ist vielfach geschlängelt <strong>und</strong> besitzt<br />
ein sehr stoffwechselaktives, dabei aber gut<br />
Schema eines Nephrons<br />
Vas efferens<br />
Vas afferens<br />
Glomerulum<br />
proximaler Tubulus<br />
absteigen<strong><strong>de</strong>r</strong> Ast<br />
aufsteigen<strong><strong>de</strong>r</strong> Ast<br />
Sammelrohr<br />
distaler Tubulus<br />
Überleitungssegment<br />
Henle-<br />
Schleife<br />
Abb 7.4 Je<strong>de</strong>s Nephron besteht aus <strong>de</strong>m <strong>Niere</strong>nkörperchen mitzu-<br />
<strong>und</strong> abführen<strong>de</strong>m Blutgefäß, <strong>de</strong>m proximalen (nahen) Tubulus,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> dünnen <strong>und</strong> langen Henle-Schleife, <strong>de</strong>m distalen (fernen)<br />
Tubulus <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Sammelrohr. Die Henle-Schleife dient zusammen<br />
mit <strong>de</strong>m parallel verlaufen<strong>de</strong>n Sammelrohr <strong><strong>de</strong>r</strong> Harnkonzentrierung.<br />
wasserdurchlässiges Epithel mit zylin<strong><strong>de</strong>r</strong>förmigen,<br />
mitochondrienreichen Zellen.<br />
Henle-Schleife<br />
Der folgen<strong>de</strong> kurze gera<strong>de</strong> Anteil <strong>de</strong>s proximalen Tubulus<br />
bil<strong>de</strong>t zusammen mit <strong>de</strong>m dünnen ab- <strong>und</strong><br />
aufsteigen<strong>de</strong>n Ast sowie <strong>de</strong>m dicken aufsteigen<strong>de</strong>n<br />
Ast die Henle-Schleife. Ihre Form erinnert an eine<br />
Zugposaune, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Spitze bis weit ins <strong>Niere</strong>nmark<br />
hineinreicht. Das Epithel <strong>de</strong>s absteigen<strong>de</strong>n Astes<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Henle-Schleife ist flach <strong>und</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um sehr gut<br />
wasserdurchlässig. Im aufsteigen<strong>de</strong>n Ast wird das<br />
Epithel erneut stoffwechselaktiv, nun aber wasser<strong>und</strong>urchlässig.<br />
Distaler Tubulus<br />
An die Henle-Schleife schließt sich ein weiterer gew<strong>und</strong>ener<br />
Abschnitt, <strong><strong>de</strong>r</strong> distale Tubulus (distales<br />
Konvolut) an. Dieser Teil ähnelt in vielerlei Hinsicht<br />
<strong>de</strong>m proximalen Tubulus. Das distale Konvolut je<strong>de</strong>s<br />
einzelnen Nephrons nimmt an dieser Stelle Kontakt<br />
mit <strong>de</strong>m Gefäßpol seines eigenen Glomerulums auf<br />
<strong>und</strong> bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n juxtaglomerulären Apparat (juxta lat.<br />
= neben), eine zentrale Struktur bei <strong><strong>de</strong>r</strong> hormonellen<br />
Regulation von Blutdruck <strong>und</strong> Flüssigkeitshaushalt.<br />
Sammelrohr<br />
Nach <strong>de</strong>m distalen Konvolut geht <strong><strong>de</strong>r</strong> Tubulus in ein<br />
langes gestrecktes Ableitungssystem, das Sammelrohr,<br />
über. Wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Name schon sagt, sammelt dieser<br />
Abschnitt <strong>de</strong>n noch unfertigen Harn aus mehreren<br />
Tubuli. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Sammelrohre ist daher <strong>de</strong>utlich<br />
geringer als die <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>nkörperchen <strong>und</strong> Tubuli.<br />
Die Sammelrohre verlaufen parallel zu <strong>de</strong>n Henle-<br />
Schleifen in gera<strong><strong>de</strong>r</strong> Linie auf die <strong>Niere</strong>npapille zu,<br />
vereinigen sich zu größeren Papillargängen (Ductus<br />
papillares) <strong>und</strong> geben <strong>de</strong>n Urin in das <strong>Niere</strong>nbecken<br />
ab.<br />
Die <strong>Niere</strong>n bestehen aus ca. einer Million Nephrone,<br />
die sich jeweils aus einem <strong>Niere</strong>nkörperchen<br />
<strong>und</strong> einem Tubulusapparat zusammensetzen.<br />
Das <strong>Niere</strong>nkörperchen besteht aus Glomerulum<br />
<strong>und</strong> Bowman-Kapsel, <strong><strong>de</strong>r</strong> Tubulusapparat aus proximalem<br />
Tubulus, Henle-Schleife, distalem Tubulus<br />
<strong>und</strong> Sammelrohr.<br />
Schwegler, Der Mensch – Anatomie <strong>und</strong> Physiologie (ISBN 3131001542), F 2006 Georg Thieme Verlag<br />
215
7 URIN AUSSCHEIDEN<br />
7.3 Filtration <strong>und</strong> Resorption<br />
Glomeruläre Filtration<br />
Filterstrukturen<br />
Zwischen <strong>de</strong>n „Zehen“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Füßchenzellen im Glomerulum<br />
spannt sich eine feine, gefensterte Basalmembran<br />
aus, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Poren nur ca. 25 Nanometer breit sind<br />
(Abb. 7.5). Diese Poren halten sämtliche Plasmabestandteile<br />
zurück, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Molekulargewicht höher<br />
ist als 60 000–70 000. Das verbleiben<strong>de</strong> Ultrafiltrat,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Primärharn, ist daher weitgehend eiweißfrei.<br />
Im Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Filtration bleiben ständig Rückstän<strong>de</strong><br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Basalmembran zurück, welche auf die Dauer<br />
<strong>de</strong>n Filter verstopfen wür<strong>de</strong>n. Der <strong>Niere</strong>nfilter<br />
muss also ähnlich wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaffeemaschine regelmäßig<br />
gereinigt wer<strong>de</strong>n. Diese Aufgabe übernehmen<br />
die zwischen <strong>de</strong>n Kapillarschlingen eingelagerten<br />
Mesangiumzellen. Sie nehmen Teile <strong><strong>de</strong>r</strong> Basalmembran<br />
per Endozytose auf <strong>und</strong> bauen diese intrazellulär<br />
ab. Frische Basalmembran wird sowohl von <strong>de</strong>n<br />
Endothelzellen als auch von <strong>de</strong>n Podozyten nachgebil<strong>de</strong>t.<br />
Effektiver Filtrationsdruck<br />
Treiben<strong>de</strong> Kraft für die Filtration im Glomerulum ist<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Blutdruck in <strong>de</strong>n Kapillarschlingen (ca.<br />
45–55 mmHg). Diesem entgegengesetzt wirken kolloidosmotische<br />
Druck <strong><strong>de</strong>r</strong> Plasmaproteine (ca.<br />
24 mmHg) sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Druck in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bowman- Kapsel<br />
(ca. 15–20 mmHg). Es verbleibt ein effektiver Filtrationsdruck<br />
von durchschnittlich 8 mmHg (Abb.7.6).<br />
Eine Blutdrucksenkung um nur 16 %, also von 50<br />
auf 42 mmHg, wür<strong>de</strong> bereits <strong>de</strong>n effektiven Filtrationsdruck<br />
auf Null senken <strong>und</strong> die Filtration vollständig<br />
zum Erliegen bringen. Es käme zum akuten <strong>Niere</strong>nversagen.<br />
Zur Vermeidung dieses Verstärkereffekts besitzen<br />
die <strong>Niere</strong>ngefäße die Fähigkeit, trotz schwanken<strong>de</strong>n<br />
Blutdrucks im Gesamtkreislauf <strong>de</strong>n Druck innerhalb<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> glomerulären Kapillaren – <strong>und</strong> damit die filtrierte<br />
Flüssigkeitsmenge – in engen Grenzen konstant<br />
zu halten (Autoregulation). Zuführen<strong>de</strong> <strong>und</strong> abführen<strong>de</strong><br />
Gefäße wirken dabei funktionell entgegengesetzt:<br />
Erhöht sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand im Vas afferens,<br />
dann sinkt <strong><strong>de</strong>r</strong> effektive Filtrationsdruck, kontrahiert<br />
Glomerulum-Kapillare<br />
gefenstertes<br />
Kapillarendothel<br />
Basalmembran<br />
Kern eines Podozyten<br />
Podozytenausläufer<br />
Abb 7.5 Innerhalb eines Glomerulums umgeben Ausläufer benachbarter<br />
Podozyten je<strong>de</strong> einzelne Kapillare. Große Blutbestandteile<br />
wer<strong>de</strong>n durch die „Fenster“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapillarendothelzellen,<br />
die angrenzen<strong>de</strong> Basalmembran <strong>und</strong> die Zwischenräume<br />
zwischen <strong>de</strong>n Podozyten zurückgehalten <strong>und</strong> können nicht in<br />
die Bowman-Kapsel vordringen.<br />
<strong>Funktion</strong> eines <strong>Niere</strong>nkörperchens<br />
Blutdruck<br />
50 mmHg<br />
Druck in<br />
Bowman-<br />
Kapsel<br />
18 mmHg<br />
Kapillare<br />
effektiver<br />
Filtrationsdruck<br />
8 mmHg<br />
kolloidosmotischer<br />
Druck<br />
24 mmHg<br />
Bowman-<br />
Kapsel<br />
Kapselraum<br />
Tubulus<br />
Abb 7.6 Damit Primärharn aus <strong>de</strong>m Blut in die Bowman-Kapsel<br />
gepresst wird, muss ein positiver effektiver Filtrationsdruck herrschen.<br />
Das heißt, die Kräfte, welche Blutbestandteile aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapillare<br />
filtrieren (Rest-Blutdruck), müssen größer sein als die entgegenwirken<strong>de</strong>n<br />
Kräfte (Druck in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bowman-Kapsel <strong>und</strong> kolloidosmotischer<br />
Druck).<br />
sich hingegen die Gefäßmuskulatur <strong>de</strong>s Vas efferens,<br />
so fin<strong>de</strong>t ein „Aufstau“ im Glomerulum statt; <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Filtrationsdruck wird größer (Abb. 7.7).<br />
216<br />
Schwegler, Der Mensch – Anatomie <strong>und</strong> Physiologie (ISBN 3131001542), F 2006 Georg Thieme Verlag
7.3 FILTRATION UND RESORPTION<br />
Autoregulation im Glomerulum<br />
normal<br />
a<br />
RR<br />
b<br />
RR<br />
c<br />
effektiver Filtrationsdruck<br />
Abb 7.7a-c Damit <strong><strong>de</strong>r</strong> effektive Filtrationsdruck (a) gleich bleibt,<br />
muss sich <strong><strong>de</strong>r</strong> „Rest-Blutdruck“ (Perfusionsdruck) in einer Glomerulumkapillare<br />
vom schwanken<strong>de</strong>n allgemeinen Blutdruck<br />
unabhängig machen. Bei steigen<strong>de</strong>m Blutdruck (b) verengt<br />
sich das zuführen<strong>de</strong> Gefäß <strong>und</strong> wirkt wie ein Drosselventil.<br />
Bei fallen<strong>de</strong>m Blutdruck (c) staut das abführen<strong>de</strong> Gefäß Blut<br />
auf, gleichzeitig erweitert sich das zuführen<strong>de</strong> Gefäß.<br />
Glomeruläre Filtrationsrate<br />
ca. 1 600 l Blut<br />
ca. 900 l Plasma<br />
160 – 190 l/Tag Primärharn (GFR)<br />
entspricht einer Ba<strong>de</strong>wannenfüllung<br />
ca. 1 400 l Blut<br />
ca. 700 l Plasma<br />
Dieser Mechanismus funktioniert allerdings nur bei<br />
Blutdruckwerten über ca. 80 mmHg. Fällt <strong><strong>de</strong>r</strong> Blutdruck<br />
unter diesen Wert, dann bricht die Filtration<br />
im Glomerulum zusammen – es entsteht ein <strong>Niere</strong>nversagen.<br />
Glomeruläre Filtrationsrate<br />
Auf Gr<strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> guten Autoregulation <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>ngefäße<br />
bleibt das pro Zeiteinheit filtrierte Flüssigkeitsvolumen<br />
– die glomeruläre Filtrationsrate (GFR, Abb.<br />
7.8) – unabhängig vom Blutdruck konstant (ca.<br />
110–130 ml/min o<strong><strong>de</strong>r</strong> 160–190 l/Tag). Das heißt,<br />
dass von je<strong>de</strong>m Liter Blut, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch die <strong>Niere</strong>n<br />
strömt, ca. 200 ml als Primärharn in das Tubulussystem<br />
gelangen. Die übrigen 800 ml gelangen über die<br />
Vasa efferentia in die <strong>Niere</strong>nvenen.<br />
Frauen haben eine durchschnittlich um 10 % niedrigere<br />
GFR als Männer, da sie weniger harnpflichtige<br />
Substanzen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Muskulatur freisetzen.<br />
Hinweise für ein glomeruläres <strong>Niere</strong>nversagen.<br />
Der Primärharn ist normalerweise<br />
frei von Eiweiß. Eiweiß im Urin ist daher<br />
stets verdächtig für eine Störung dieses Plasmafiltersystems,<br />
beispielsweise eine immunologisch ausgelöste<br />
Entzündung (Glomerulonephritis) o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />
<strong>Niere</strong>nkomplikation bei Diabetes mellitus.<br />
Eine dauern<strong>de</strong> Einschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> glomerulären<br />
Filtrationsrate ist ebenfalls Zeichen einer beginnen<strong>de</strong>n<br />
<strong>Funktion</strong>seinschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Niere</strong>n, obwohl<br />
noch eine GFR von 40–50 ml/min eine fast normale<br />
Ausscheidung von Abfallstoffen gewährleistet. Umgekehrt<br />
steigt die GFR nach einer <strong>de</strong>ftigen Eiweißmahlzeit<br />
um bis zu 20 % an. Dieser Anpassungsmechanismus<br />
ist sinnvoll, weil je<strong>de</strong> Verstoffwechselung<br />
von Aminosäuren zu einem <strong>de</strong>utlichen Mehranfall<br />
an Harnstoff führt, <strong>de</strong>ssen Ausscheidungsrate<br />
ganz wesentlich von <strong><strong>de</strong>r</strong> glomerulären Filtrationsrate<br />
abhängt. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass<br />
Patienten mit eingeschränkter GFR nicht zu viel Eiweiß<br />
essen sollten, damit <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismus nicht<br />
mit Harnstoff überschwemmt wird.<br />
Abb 7.8 Je<strong>de</strong>n Tag geben die Glomerula knapp 200 Liter Primärharn<br />
in <strong>de</strong>n proximalen Tubulus ab. Damit wir nicht sofort austrocknen,<br />
resorbiert die <strong>Niere</strong> 99 % dieser Menge wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ins Blut.<br />
Die Glomerula filtrieren aus <strong>de</strong>m durchströmen<strong>de</strong>n<br />
Blutplasma täglich ca. 180 Liter Primärharn.<br />
Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) beträgt<br />
r<strong>und</strong> 20 % <strong>de</strong>s durch die <strong>Niere</strong>n strömen<strong>de</strong>n<br />
Volumens.<br />
Schwegler, Der Mensch – Anatomie <strong>und</strong> Physiologie (ISBN 3131001542), F 2006 Georg Thieme Verlag<br />
217