Feuchtes Holz wölbt die Dachfläche - Mikado
Feuchtes Holz wölbt die Dachfläche - Mikado
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Details im Griff Oktober 2011<br />
Dachkonstruktion<br />
<strong>Feuchtes</strong> <strong>Holz</strong> <strong>wölbt</strong> <strong>die</strong> <strong>Dachfläche</strong><br />
In einen Dachaufbau sollte keine Feuchte eindringen. Geschieht<br />
das doch, muss sie wieder entweichen können, sonst drohen<br />
neben klassischen <strong>Feuchtes</strong>chäden auch Verformungen des Tragwerks.<br />
◂◂Das Pultdach<br />
<strong>die</strong>ses Einfamilienhauses<br />
begann sich<br />
schon kurz nach<br />
Bezug merklich<br />
zu verformen<br />
▸▸Zwischen<br />
<strong>Dachfläche</strong> und<br />
nichttragenden<br />
Innenwänden<br />
riss eine<br />
breite Fuge auf<br />
Objekt<br />
Das Einfamilienhaus wurde im Jahre<br />
2002 in Mischbauweise mit Passivhausstandard<br />
errichtet. Die Wände<br />
bestehen aus Mauerwerk und Beton.<br />
Das rund 20 Grad geneigte Pultdach<br />
besitzt 350 mm hohe Stegträger und<br />
liegt nur auf den Außenwänden auf,<br />
Auf einen Blick<br />
Objekt<br />
Schadensbild<br />
Schadensursachen<br />
Jahrezeitbedingte zyklische Anhebung der Pultdachfläche<br />
Schadensbehebung<br />
Schadensvermeidung<br />
sodass <strong>die</strong> Raumtrennwände unbelastet<br />
bleiben. Der Dachaufbau sollte<br />
laut dem Leistungsverzeichnis und<br />
den Detailplänen des Architekturbüros<br />
so aussehen:<br />
▸▸ Betondachsteine<br />
▸▸ Dachlattung 30/50 mm<br />
▸▸ Konterlattung 30/50 mm<br />
Einfamilienhaus mit Passivhausstandard<br />
Aufreißen einer Fuge zwischen Pultdachfläche und<br />
nichttragender Innenwand<br />
Schaffung von Ausgleichsfugen zwischen Pultdachfläche<br />
und nichttragender Innenwand<br />
Verbesserung des Feuchtetransports im Bauteil<br />
Richtige Abstimmung der Bauteilschichten unter Beachtung<br />
des dynamischen Feuchtehaushaltes<br />
▸▸ Unterspannbahn<br />
▸▸ Rauspund-Nut-und-Feder-<br />
Profilschalung 25 mm<br />
▸▸ Doppelsteg-Träger 350 mm,<br />
dazwischen Mineralwolle<br />
▸▸ Dampfbremse<br />
▸▸ Lattung 30/50 mm<br />
▸▸ Gipskartonplatte<br />
Ausgeführt wurde auf Anregung<br />
des beauftragten Unternehmens dann<br />
aber ein etwas anderer Dachaufbau:<br />
Statt der vom Architekten vorgesehenen<br />
Massivholzschalung kam über<br />
den Doppelsteg-Trägern eine 25 mm<br />
starke OSB-Platte zum Einsatz. Eine<br />
kleine und scheinbar bedeutungslose<br />
Änderung, <strong>die</strong> jedoch große<br />
Folgen haben sollte.<br />
Schadensbild<br />
Im September wurde das Haus bezogen<br />
und bereits im November zeigte<br />
sich ein Schaden: Eine Fuge riss<br />
zwischen der <strong>Dachfläche</strong> und einer<br />
nichttragenden Innenwand auf. Im<br />
www.mikado-online.de 31
Details im Griff Oktober 2011<br />
Dachaufbau:<br />
Dachsteine<br />
Lattung 30/50 mm<br />
Konterlattung 30/50 mm<br />
Unterspannbahn<br />
Rauspund 25 mm<br />
Doppelstegträger 350 mm<br />
/Mineralwolle 350 mm<br />
Dampfbremse<br />
Lattung 30/50 mm<br />
Gipskarton<br />
Thomas Kies<br />
Frühjahr schloss sie sich wieder –<br />
um sich dann ein halbes Jahr später<br />
im Herbst wieder zu öffnen. Das<br />
Fuge-auf-Fuge-zu-Spiel wiederholte<br />
sich und von Jahr zu Jahr wurden <strong>die</strong><br />
Fugen größer.<br />
Ein Blower-Door-Test wurde<br />
durchgeführt, zeigte aber, dass <strong>die</strong><br />
Außenbauteile <strong>die</strong> von der Energieeinsparverordnung<br />
(EnEV) vorgeschriebenen<br />
Grenzwerte klar erfüllten.<br />
Auch das Glaserdiagramm als<br />
stationärer Nachweis des Feuchtehaushalts<br />
der Konstruktion erfüllte<br />
<strong>die</strong> Anforderungen.<br />
Schadensursachen<br />
Die primäre Ursache für <strong>die</strong> Bildung<br />
der Fugen war schnell gefunden: Die<br />
<strong>Dachfläche</strong> <strong>wölbt</strong>e sich entsprechend<br />
dem Jahreszyklus nach oben. Als sich<br />
in der kalten Jahreszeit <strong>die</strong> Fuge weit<br />
geöffnet hatte, wurde der Dachaufbau<br />
untersucht. Die Außentemperatur<br />
betrug dabei 2 °C bei 46 % relativer<br />
Luftfeuchte, im Haus herrschten<br />
20 °C bei 40 % relativer Luftfeuchte.<br />
Die Messungen zeigten ein Feuchtegefälle<br />
von außen nach innen um bis<br />
zu 8 % in den Gurten.<br />
Eine Näherungsberechnung zeigte<br />
eine geometrische Verkrümmung des<br />
Dachträgers aufgrund unterschiedlicher<br />
<strong>Holz</strong>feuchte in den beiden Trägergurten.<br />
Diese Kräfte wurden verstärkt<br />
durch eine Längenänderung<br />
der OSB-Platte. Die war vor allem<br />
auch verantwortlich dafür, dass <strong>die</strong><br />
Feuchte im Dachaufbau nicht ausreichend<br />
schnell nach außen gelangen<br />
konnte. Ihre Fugen waren im gequollenen<br />
Zustand dicht geschlossen und<br />
ihr Diffusionswiderstand dann offensichtlich<br />
zu hoch.<br />
Auch der s d<br />
-Wert der eingebauten<br />
Luftdichtung erwies sich als zu hoch<br />
und führte dazu, dass <strong>die</strong> Feuchte<br />
auch zur Raumseite hin nicht ausreichend<br />
schnell wieder entweichen<br />
konnte. Eine dynamische Simulation<br />
des Feuchtehaushaltes im Dachquerschnitt<br />
über 24 Monate bestätigte das<br />
und zeigte, dass <strong>die</strong> Auffeuchtung im<br />
zweiten Zyklus deutlich höher als im<br />
ersten war.<br />
◂◂Der Architekt<br />
wollte über<br />
den Doppelsteg-<br />
Trägern eine<br />
Nut-und-Feder-<br />
Schalung<br />
▴▴Das ausführende<br />
Bauunternehmen<br />
baute<br />
dann jedoch<br />
stattdessen<br />
OSB-Platten ein<br />
Schadensbehebung<br />
Um das Anheben des Daches so zu<br />
reduzieren, dass eine elastische Anschlussfuge<br />
<strong>die</strong> Bewegungen problemlos<br />
aufnehmen kann, war es<br />
notwendig, <strong>die</strong> Auffeuchtung des<br />
Querschnittes zu reduzieren und <strong>die</strong><br />
schadensursächliche Längenänderung<br />
der OSB-Platte zu neutralisieren.<br />
Hierzu wurden in <strong>die</strong> OSB-Platte<br />
4 cm breite Fugen gesägt – senkrecht<br />
zur Spannrichtung der Dachträger in<br />
den Viertelpunkten. So konnte sich<br />
eine Längenänderung der OSB-Platte<br />
nicht mehr auf den Träger auswirken<br />
und es entstanden „Entfeuchtungsöffnungen“.<br />
Zusätzlich wurde <strong>die</strong> Lüftungsebene<br />
unter den Betondachsteinen<br />
vergrößert. Ein Austausch der innenliegenden<br />
Luftdichtung gegen<br />
eine Bahn mit geringerem s d<br />
-Wert<br />
konnte so unterbleiben. Vier Jahre<br />
Schadensfreiheit bestätigen heute <strong>die</strong><br />
Richtigkeit der Maßnahmen.<br />
Schadensvermeidung<br />
Hätte das beauftragte Unternehmen<br />
<strong>die</strong> ursprünglich geplante Beplankung<br />
ausgeführt, wäre kein so ausgeprägter<br />
Schaden entstanden. Die<br />
vielen Nut-und-Feder-Verbindungen<br />
hätten <strong>die</strong> unvermeidbaren Quellungen<br />
der Bretter aufgenommen. Auch<br />
wenn Bretter eine höhere prozentuale<br />
Längenänderung aufweisen als OSB-<br />
Platten, hätte das Gesamtsystem seine<br />
Länge nicht geändert.<br />
Der Diffusionswiderstand einer<br />
Nut-und-Feder-Schalung liegt zudem<br />
unter dem einer OSB-Platte, sodass<br />
sich ein wesentlich geringeres<br />
Feuchtegefälle im Querschnitt ausgebildet<br />
hätte und so <strong>die</strong> Längenänderungen<br />
deutlich geringer ausgefallen<br />
wären.<br />
Das bauphysikalische Grundprinzip<br />
„innen wesentlich dichter als<br />
außen“ kann dazu führen, dass der<br />
Diffusionswiderstand der Luftdichtungsbahn<br />
zu groß wird und dann<br />
<strong>die</strong> in <strong>die</strong> Konstruktion eingedrungene<br />
Feuchte in der Verdunstungsperiode<br />
nicht ausreichend entweichen<br />
kann. Feuchtevariable Dampfbremsen<br />
können das verhindern.<br />
Dipl.-Ing. Thomas Kies, ö.b.u.v.<br />
<br />
Sachverständiger, Karlsbad ▪<br />
32<br />
mikado 10.2011