Holzarchitektur - Mikado
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T 1<br />
Thema des Monats Zukunft Holzbau<br />
Das Gemeindezentrum<br />
im Vorarlberger<br />
Ludesch<br />
(Baujahr 2006)<br />
gilt als<br />
Meilenstein des<br />
modernen<br />
Holzbaus<br />
bruno klomfar<br />
14 mikado 7.2013
Thema des Monats Zukunft Holzbau<br />
<strong>Holzarchitektur</strong><br />
Vom Traum zur Realität<br />
Wo war der Holzbau vor 20 Jahren, wo steht er heute und wo in 20 Jahren?<br />
mikado unterhielt sich mit Prof. Hermann Kaufmann über Vorreiter in der<br />
Architektur, Bausysteme aus Holz und die Notwendigkeit einer integralen Planung.<br />
Vor 20 Jahren hat man im Holzbau<br />
hauptsächlich mit sichtbaren<br />
Skelettkonstruktionen gebaut,<br />
erinnert sich Prof. Hermann Kaufmann.<br />
Die Holzkonstruktionen damals<br />
wurden mit stabförmigen Elementen<br />
erstellt. Der Einsatz flächiger<br />
Elemente stand an den Anfängen:<br />
„1985 wurden die ersten Holztafeln<br />
auf den Baustellen auf ein Skelett<br />
aufgebracht. Das war für uns der Beginn<br />
des Bauens mit Holztafelelementen.<br />
In dieser Zeit begann das<br />
Thema der Vorfertigung. Gleichzeitig<br />
entstanden die ersten großen Hallen<br />
der Zimmereibetriebe, ausgestattet<br />
mit leistungsfähigen Krananlagen.<br />
Zusätzlich wurden Lkws mit großen<br />
Mobilkränen ausgerüstet“, erzählt<br />
Kaufmann. „Damals waren die Luftdichtigkeit<br />
der Gebäudehülle und extreme<br />
Wärmedämmung kein Thema.<br />
Unser Büro war den staatlichen Anforderungen<br />
immer zwei Stufen voraus.<br />
Aufgrund meiner eigenen Überzeugung<br />
haben wir unsere Gebäude<br />
immer schon wesentlich besser gedämmt,<br />
als gefordert wurde. Die Anforderungen<br />
haben sich in den letzten<br />
Jahren stark gewandelt.“<br />
▾▾Das Betriebsgebäude<br />
der<br />
Allgäuer Küchen<br />
in Klaus<br />
(Vorarlberg)<br />
entstand 1985 und<br />
gilt als Beginn<br />
des Bauens mit<br />
Holztafelelementen<br />
wieder mehr Industriehallen, die mit<br />
Fertigbetonteilen gebaut werden“,<br />
sagt Kaufmann. „Das große Problem<br />
beim heutigen Hallenbau sind<br />
nicht die Konstruktionen, sondern<br />
die Dach- und Wandflächen. Dort<br />
gibt es keine konkurrenzfähigen Produkte<br />
aus Holz, die gegen die billigen<br />
Blechpaneele kostenmäßig bestehen<br />
können. Daher gibt es meiner Beobachtung<br />
nach heute wenige Holzhallen<br />
mit Holzfassaden, außer vielleicht<br />
in einem kleinen hochpreisigen Segment“,<br />
fügt er hinzu.<br />
Architektur: Vorreiter Vorarlberg<br />
„Wenn man mit Holz arbeitet, entwirft<br />
man sehr diszipliniert, zum einen,<br />
weil es das Material erfordert,<br />
und zum anderen, um den Holzbau<br />
bezahlbar zu halten“, merkt Kaufmann<br />
an. Das sei früher ähnlich gewesen<br />
wie heute. Denn wenn im<br />
Holzbau undiszipliniert gearbeitet<br />
werde, werde er sprunghaft teurer,<br />
ist sich der Vorarlberger Architekt<br />
sicher.<br />
Für differenzierte Formen müsse<br />
oftmals in konstruktive Maßnahmen<br />
investiert werden.<br />
„Ich kann nicht sagen, die Architektur<br />
hätte sich in den letzten<br />
20 Jahren für uns grundlegend geändert,<br />
denn wir haben immer einfache<br />
und klare Baukörper realisiert“,<br />
erklärt Kaufmann, „Vorarlberg ist<br />
meiner Meinung nach der Vorreiter<br />
des energieeffizienten Bauens. Die<br />
Vorarlberger Architektur zeigte sich<br />
immer schon in einfachen, klaren,<br />
kompakten und rationellen Bauten.<br />
Hallenbau: Wieder mehr Holz<br />
Der Hallenbau war im Bereich Gewerbe-<br />
und Industriebau mit großen<br />
Dimensionen bereits gut vertreten:<br />
„Meiner Erinnerung nach gab<br />
es damals mehr derartige Projekte<br />
als heute. Wir haben z. B. für Kaufmann<br />
Holz AG gebaut und einige<br />
große Abbundhallen. Doch das ist<br />
ein ganz subjektives Bild, mir liegen<br />
keine aktuellen Statistiken vor. Mich<br />
wundert, warum heute im Hallenbau<br />
nicht mehr geschieht. Es gibt heute<br />
büro Kaufmann<br />
www.mikado-online.de 15
T 1<br />
Thema des Monats Zukunft Holzbau<br />
Das entspricht der dort gewachsenen<br />
Bautradition und das hat sehr gut mit<br />
dem Passivhaus-Gedanken zusammengepasst“,<br />
resümiert er.<br />
Die gestiegenen energetischen Anforderungen<br />
hätten gut in die kompakte<br />
Formensprache integriert werden<br />
können und stellten daher keine<br />
besonders schwierigen Herausforderungen<br />
dar. Man hätte sich lediglich<br />
noch um die Verbesserung der Gebäudehülle<br />
und die Integration der<br />
Lüftung kümmern müssen.<br />
▴▴Kaufmanns<br />
Merhrfamilienhaus<br />
Ölzbündt<br />
leitete 1997 den<br />
elementierten<br />
Holzbau ein<br />
Wirtschaftlichkeit:<br />
Bauen mit System<br />
Kaufmanns Büro hat vor fast 20 Jahren<br />
begonnen, über Holzbausysteme<br />
nachzudenken und bereits 1997<br />
das mehrgeschossige Wohngebäude<br />
„Ölzbündt“ in Dornbirn fertiggestellt.<br />
Das Passivhaus leitete den Beginn eines<br />
elementierten Holzbaus ein. „Mit<br />
diesem Objekt verbanden wir den<br />
Traum, dass man den Holzbau systematisieren<br />
kann auch für Bauten,<br />
Ignacio Martinez<br />
die in größerer Anzahl erstellt werden<br />
sollten, wie z. B. Wohnbauten“,<br />
erklärt Kaufmann. „Wir hatten damals<br />
ein praktikables Baukastensystem<br />
entwickelt, das jedoch nie in größerer<br />
Serie verwirklicht wurde.“<br />
Den Grund dafür sieht Kaufmann<br />
darin, dass das Bauen in Europa sehr<br />
klein strukturiert ist, besonders was<br />
die Abwicklung betrifft: Es gibt den<br />
örtlichen Architekten, den örtlichen<br />
Bauträger, den örtlichen Generalunternehmer.<br />
Diese Teams wickeln die<br />
Bauten ab. Daher gibt es keinen offenen<br />
Markt für Systeme. „Mit Systembauten<br />
in den Markt hineinzukommen<br />
ist fast unmöglich. Das haben<br />
wir unterschätzt. In Österreich ist<br />
der Wohnbaumarkt, für den diese<br />
Systeme gedacht waren, viel kleiner<br />
als in Deutschland“, sagt er heute.<br />
Kaufmann erläutert: „Die Architekten<br />
wollen das Bauen immer wieder<br />
neu erfinden. Das ist ja grundsätzlich<br />
nicht schlecht, aber das steht<br />
dem Gedanken einer Systematisierung<br />
entgegen. Unter einem Bausystem<br />
verstehe ich ein aufeinander<br />
abgestimmtes System von konstruktiven<br />
und raumbildenden Elementen,<br />
die unter festgelegten Prinzipien ineinandergefügt<br />
werden können. Ein<br />
Brettsperrholzelement ist für mich<br />
noch kein System, es ist ein Produkt.<br />
Wirtschaftlich interessant wird<br />
ein System erst bei entsprechender<br />
Stückzahl.“<br />
◂◂Vorgefertigte<br />
Elemente<br />
charakterisierten<br />
die Baustelle<br />
▸▸Das Holzbausystem,<br />
das in Ölzbündt<br />
zum Einsatz<br />
kam, fand nicht<br />
den Weg<br />
in den Wohnungsmarkt<br />
Büro Kaufmann<br />
16 mikado 7.2013
Thema des Monats Zukunft Holzbau<br />
Bruno Klomfar<br />
Wohnbau: Holz in der Stadt<br />
1998 arbeitete Kaufmann das System<br />
Ölzbündt für eine mehrgeschossige<br />
Wohnanlage in Wolfurt auf die Dimensionen<br />
des örtlichen Zimmerer-<br />
Betriebes um. „Die heimischen Wohnbauträger<br />
wollten nur Leistungen<br />
ausschreiben, die jeder Zimmermann<br />
▴▴Die Wohnanlage<br />
Mühleweg<br />
entstand 2006 in<br />
Wien. Sie<br />
blieb eines der<br />
wenigen<br />
Holz-Großobjekte<br />
in dieser Stadt<br />
anbieten kann“, sagt Kaufmann. „Das<br />
Wohnprojekt Mühlweg in Wien, ein<br />
sozialer Wohnbau mit 90 Wohneinheiten,<br />
wurde 2006 fertiggestellt. Das<br />
Besondere daran war, dass die Stadt<br />
Wien als Auftraggeber dem Holzbau<br />
in der Stadt durch ein sehr großes<br />
Projekt mit fast 300 Wohneinheiten<br />
auf die Sprünge helfen wollte. Ich<br />
hatte damals das Gefühl, beim Beginn<br />
einer neuen Entwicklung dabei<br />
zu sein. Leider ist bis dato kein<br />
nennenswerter Trend entstanden, wie<br />
beispielsweise in Zürich, wo im öffentlichen<br />
Wohnungsbau vermehrt<br />
auf Holz gesetzt wird, aufgrund des<br />
Bekenntnisses zur 2000-Watt-Gesellschaft“,<br />
erläutert Kaufmann.<br />
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T 1<br />
Thema des Monats Zukunft Holzbau<br />
BÜro Kaufmann<br />
Aktueller Schwerpunkt:<br />
Systeme mit Zukunft<br />
Den aktuellen Schwerpunkt sieht<br />
Kaufmann im systematisierten und<br />
elementierten Holzbau, der sich in<br />
der Vergangenheit leider nicht so<br />
stark wie gewünscht verbreitet hat.<br />
Pilotprojekt ist der LifeCycleTower<br />
(LCT) – der als achtgeschossiges Bürogebäude<br />
in Dornbirn realisiert<br />
wurde (www.hausderzukunft.at). Im<br />
Zentrum geht es um ein Holzfertigteil-Baukastensystem<br />
zur Errichtung<br />
energieeffizienter Büro(hoch)häuser<br />
mit bis zu 20 Geschossen, das sowohl<br />
nachhaltig ist, als auch Kostensicherheit<br />
während des gesamten Lebenszyklus<br />
bietet. Hinter der Entwicklung<br />
steht mit RhombergBau ein Großunternehmen,<br />
das aus dem Massivbau<br />
kommt und gemerkt hat, dass ein<br />
Umdenken in der Bauindustrie in Bezug<br />
auf Umweltentlastung notwendig<br />
ist, und zudem einen internationalen<br />
Markt im Fokus hat.<br />
Integrale Planung:<br />
Zusammen zum Ziel<br />
Aktuell plant Kaufmann gemeinsam<br />
mit dem Münchner Architekt Florian<br />
Nagler ein großes Gymnasium in<br />
Diedorf bei Augsburg in Holzbauweise.<br />
„Dort haben wir den Auftrag<br />
zusammen mit einem integralen Planungsteam<br />
erhalten. Das Team ist<br />
von vornherein bekannt und arbeitet<br />
seit der Entwurfsphase permanent<br />
zusammen. Das war möglich, weil das<br />
Projekt – gefördert durch die Deutsche<br />
Bundesstiftung Umwelt – als<br />
Forschungsprojekt gilt, womit eine<br />
direkte Vergabe an das Planungsteam<br />
möglich war. Dabei sollen Erkenntnisse<br />
gewonnen werden bezüglich<br />
des integralen Planungsprozesses,<br />
der Umsetzbarkeit des Plusenergiestandards,<br />
der architektonischen und<br />
typologischen Konsequenzen eines<br />
neuen pädagogischen Konzeptes,<br />
der Sommertauglichkeit des Holzbaus<br />
und der Materialwahl aufgrund<br />
▴▴Der LifeCycle-<br />
Tower in<br />
Dornbirn, 2012<br />
fertiggestellt, setzt<br />
auf ein neues<br />
Holzfertigteil-<br />
Baukastensystem,<br />
das<br />
international<br />
vermarktet<br />
werden soll<br />
der Vermeidung von Risikostoffen.<br />
Auch soll erforscht werden, wie der<br />
integrale Planungsprozess kompatibel<br />
mit dem öffentlichen Vergabewesen<br />
gemacht werden könnte. Die<br />
immer höher werdenden Anforderungen<br />
an unsere Gebäude können<br />
nur mehr durch neue Planungsprozesse<br />
und durch einen veränderten<br />
Bauprozess in Form eines wesentlich<br />
höheren Vorfertigungsgrades erreicht<br />
werden“, erklärt Kaufmann.<br />
Großes Ziel: Kleiner Rucksack<br />
Das Gemeindezentrum in Ludesch<br />
wurde 2005 mit einem ähnlichen Ansatz<br />
wie in Diedorf bearbeitet. Auch<br />
dort wollten die Planer den ökologischen<br />
Rucksack so gering wie möglich<br />
halten. Heute gilt das Gemeindezentrum<br />
als Vorbild für öffentliches<br />
Bauen in Vorarlberg. Dort haben<br />
nicht die Kosten, sondern das gewünschte<br />
Ergebnis die Rolle gespielt.<br />
Jörg Pfäffinger, Volkertshausen ▪<br />
18 mikado 7.2013
Thema des Monats Zukunft Holzbau<br />
Thomas Knapp, Büro kaufmann<br />
▴▴Die IZM Illwerke in Rotund sind noch im Bau, es entstehen dort 10 000 m² Bürofläche mit standardisierten Holzelementen<br />
Büro Kaufmann<br />
Büro kaufmann<br />
◂▴ Das Gymnasium in Diedorf bei Augsburg ist ein<br />
Forschungsprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.<br />
Hier war ein integrales Planungsteam möglich<br />
www.mikado-online.de 19